Protokoll der Sitzung vom 19.03.2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Hohe Haus hat sich seit vielen Jahren intensiv mit den Tätigkeitsberichten des Landesbeauftragten für den Datenschutz, aber auch mit den Tätigkeitsberichten des Landesverwaltungsamtes zum nicht-öffentlichen Bereich beschäftigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden demnächst im Hohen Haus in einer Debatte auch über den aktuellen Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz diskutieren können. Ich glaube deshalb, dass wir uns auch intensiv mit den Tendenzen auseinandergesetzt haben, die gerade im nicht-öffentlichen Bereich auf uns zugekommen sind.

Wer die Debatte weiter verfolgt, der stellt fest, dass die Idee der Zusammenlegung der Kontrolle für den nichtöffentlichen und den öffentlichen Bereich nichts Neues ist. Ich darf an dieser Stelle etwas schmunzelnd feststellen, dass der Kollege Rothe bei der Einbringung seines damaligen Antrags - wir haben uns im Plenum schon damit beschäftigt - offensichtlich prophetische Kräfte hatte; denn er unterstellte, dass der EuGH zugunsten der Kommission entscheiden würde, was nunmehr bekanntlich geschehen ist. Aber viel entscheidender ist für mich seine Aussage, die ich einmal zitieren darf:

„Sobald der Gerichtshof entschieden hat, sollten wir im Innenausschuss über die Möglichkeiten der Bündelung der Dienststellen für den Datenschutz im öffentlichen und im nicht-öffentlichen Bereich beraten.“

Sehr geehrter Herr Kollege Rothe, wir nehmen Sie beim Wort. Der EuGH hat entschieden. Und der EuGH hat eine Vertragsverletzung festgestellt. Jetzt ist es an der Zeit, über eine Zusammenlegung des Datenschutzes zu beraten. Wir möchten Ihnen heute mit unserem Gesetzentwurf die Grundlage für die Beratung liefern. Wir würden uns natürlich freuen, wenn Sie unseren Gesetzentwurf unterstützen würden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will der Vollständigkeit halber noch darauf hinweisen, dass die Zusammenlegung des Datenschutzes für den öffentlichen und den nicht-öffentlichen Bereich nicht neu ist, auch nicht in Deutschland. Eine Vielzahl von Bundes

ländern hat diese Zusammenlegung bereits vollzogen und ist somit dem Europäischen Gerichtshof zuvorgekommen, soweit - das ist die Einschränkung - sie auf die Einführung der Rechtsaufsicht der Landesregierung verzichtet haben. Ich komme gleich noch einmal zum EuGH.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 9. März 2010 festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen geltendes Europarecht verstoßen hat. Die EU-Richtlinie verlangt die vollständige Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden und diese EU-Richtlinie ist nicht richtig umgesetzt worden.

Ich gebe an dieser Stelle gern zu, dass diese klare Feststellung des EuGH selbst uns Liberale überrascht hat. Der EuGH ist sonst eher bereit, in seinen Urteilen auch Brücken zu bauen. In diesem Urteil hat er - zumindest aus meiner Sicht - keine Brücke für eine Rechtsaufsicht der Landesregierung über den Datenschutz gebaut. Es ist die völlige Unabhängigkeit der Datenschutzkontrolle herzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Generalanwalt Jan Mazak hat in den Schlussanträgen am 12. November 2009 noch zugunsten der Bundesrepublik Deutschland votiert. Er hatte festgestellt, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die staatliche Aufsicht über die Datenschutzkontrolle in einer Vielzahl von Bundesländern in Deutschland die Kontrollstellen an einer völlig unabhängigen Aufgabenwahrnehmung hindere. Folglich empfahl er die Ablehnung der Klage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs hat den Sachverhalt wie beschrieben anders beurteilt. Jetzt besteht unmittelbarer Handlungsbedarf.

Die positive Reaktion des Innenministers auf das Urteil und auch die bisherige Diskussion der im Landtag vertretenen Fraktionen über das Thema der Datenschutzkontrolle im nicht-öffentlichen Bereich lassen mich hoffen, lassen die FDP hoffen, dass auch in Sachsen-Anhalt innerhalb kurzer Zeit die Kontrollstellen beim Landesbeauftragten für den Datenschutz zusammengeführt werden können, sodass dann europarechtskonform in völliger Unabhängigkeit agiert werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz noch auf einige Regelungen eingehen.

Erstens. Wir schlagen Ihnen die Zusammenlegung der Datenschutzkontrollen für den öffentlichen und den nicht-öffentlichen Bereich beim Landesbeauftragten für den Datenschutz, der weiterhin beim Landtag angesiedelt bleibt, vor. Auch dazu hat der EuGH eher deutlich gemacht, dass eine Parlamentsberichterstattung, also die Tätigkeitsberichte, der Unabhängigkeit nicht entgegenstehen, sodass wir dabei keinen Handlungsbedarf sehen.

Zweitens. Diese Regelung wird in den Ausschussberatungen möglicherweise für einige Diskussionen sorgen. Wir haben Ihnen unter § 1 Nr. 1 Buchstabe b des Gesetzentwurfs eine Erweiterung des § 19 des Landesdatenschutzgesetzes um drei Sätze vorgeschlagen. Diese sehen vor, den Bediensteten des Landes in einem gestuften Verfahren eine direkte Ansprache an den Landesdatenschutzbeauftragten zu ermöglichen. Das heißt nichts anderes, als dass sie sich nicht an den Dienstweg halten müssen.

Darüber können wir gern intensiv diskutieren. Das war auch bei uns in der Fraktion keine Entscheidung im Sin

ne von „das ist auf jeden Fall so“, sondern wir haben die Belange des Dienstrechts durchaus mit geprüft. Wir würden Ihnen trotzdem vorschlagen, diesen Weg zu wählen, damit der Datenschutzbeauftragte schnell an Informationen kommt sowie zur Prüfung, zur Feststellung und gegebenenfalls zu Konsequenzen, so sie denn notwendig sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Drittens. Die Regelung des Inkrafttretens. Wir haben uns auch nach Rücksprache mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz dafür entschieden, Ihnen eine Regelung vorzuschlagen, die ein Inkrafttreten des Gesetzes sechs Monate nach seiner Verkündung vorsieht, wie wir sie im Übrigen auch beim Informationszugangsgesetz vereinbart haben.

Eine solche Regelung schlagen wir vor, weil es, wenn wir ein Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung aufnehmen, passieren kann, dass die Kontrollstellen für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich - wie in einigen Ländern leider geschehen - dann aktenweise die noch unbearbeiteten, unabgeschlossenen Vorgänge dem Landesbeauftragten vor die Tür stellen und sagen: Jetzt kümmere du dich darum.

Ein etwas längerer Zeitraum bis zum Inkrafttreten hat den Vorteil, dass man Vorgänge abschließen kann, dass man einen Übergang gemeinschaftlich organisieren kann, damit wir in diesem Bereich keine Lücken lassen, sodass der nicht-öffentliche Teil auch in der Umbruchszeit konsequent bearbeitet werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich auf die Debatten, die wir im Ausschuss dazu führen werden. Ich beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Inneres. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank für die Einbringung, Herr Kosmehl. - Wir kommen jetzt zu dem Beitrag der Landesregierung, den Finanzminister Herr Bullerjahn in Vertretung des Herrn Innenministers vorträgt. Herr Minister, Sie haben das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern für den verhinderten Holger Hövelmann die Rede verlesen und denke, dass Sie - das haben Sie schon angedeutet - im Ausschuss noch viel darüber reden werden. Ich kann mir sicherlich auch vieles ersparen, insbesondere Nachfragen.

(Herr Stahlknecht, CDU: Genau! Unstrittig!)

- Genau. Ich bitte, das zu berücksichtigen.

Wir haben heute über einen Antrag der FDP-Fraktion zu beraten, der aus Anlass eines Urteils des EuGH eine Änderung unseres Landesdatenschutzgesetzes vorsieht mit dem Ziel, die Zuständigkeit - das ist schon mehrfach und sehr ausführlich erwähnt worden - für die Datenschutzaufsicht im nicht-öffentlichen Bereich auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu übertragen.

Bisher haben wir auf dem Gebiet des Datenschutzes unterschiedliche Zuständigkeiten. Aufgabe des Beauftragten ist die Kontrolle des Datenschutzes im öffentlichen Bereich, das heißt, vereinfacht gesagt, im Bereich des

staatlichen Handelns. Demgegenüber ist im nicht-öffentlichen, also im privaten Bereich das Landesverwaltungsamt - Sie, Herr Kosmehl, haben es angesprochen - zuständig, das hierbei der Fachaufsicht des Ministeriums des Innern unterliegt.

Ich finde Ihre Andeutungen immer ganz charmant. Sie werden sich bei der Polizei, bei der Justiz und auch bei der Aufsicht sicherlich irgendetwas einfallen lassen, damit es am Ende wahrscheinlich mit mehr Personal, aber weniger Kosten funktioniert. Das werden Sie, wie immer, auch hinbekommen.

Der Grund hierfür liegt darin, dass bei dieser Aufgabe Verwaltungsakte, also Anordnungen an Unternehmer und auch an Bürgerinnen und Bürger ergehen und Bußgeldbescheide erlassen werden können. Solche Tätigkeiten sind nach unserem Verfassungsverständnis - das war bisher, glaube ich, getragen von vielen - der Exekutive vorbehalten.

Nun hat der EuGH in der letzten Woche entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland insofern gegen ihre Verpflichtungen aus der EG-Datenschutzrichtlinie verstoßen hat, als sie - so wörtlich -

„die für die Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten durch nicht-öffentliche Stellen und öffentlich-rechtliche Wettbewerbsunternehmen zuständigen Kontrollstellen in den Bundesländern staatlicher Aufsicht unterstellt und damit das Erfordernis, dass diese Stellen ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen, falsch umgesetzt hat.“

Das ist eine klare juristische Sprache.

Ich möchte die Entwicklung dieses Rechtsstreits nicht noch einmal aufrollen, auch nicht die guten Gründe, die der Bund in der Unterstützung der Länder gegenüber dem Gericht ins Feld führen konnte. Ob es uns gefällt oder nicht - Luxemburg hat entschieden und wir alle haben uns daran zu halten. Nur so viel will ich sagen: Ich begrüße es sehr, dass der Datenschutz durch diese Entscheidung an Gewicht gewonnen hat. Ich denke, das hat Kollege Hövelmann in den letzten Jahren aber auch immer wieder zum Ausdruck gebracht.

Was bedeutet das Urteil nun für Sachsen-Anhalt? - Schneller als die Übermittlung des Urteils ist der Antrag der FDP-Fraktion. Keine 24 Stunden später gibt es einen Entwurf, der sich mit diesem Thema befasst. Nun ist es das gute Recht der Opposition, ein politisches Signal zu setzen. Sie haben auch angesprochen - ich sehe das mit einem Augenzwinkern -, dass das Thema für alle Beteiligten so neu nicht ist. Und Herr Rothe hat damals schon - vielleicht wirklich orakelnd - darauf hingewiesen, was kommen könnte.

Regierung und Regierungsfraktionen haben es nicht ganz so leicht; denn sie werden hinterfragt zu jedem Komma in jedem Satz, den man irgendwo zu Papier bringt. Unsere Verantwortung ist es, nur solche Vorschläge vorzulegen, die umfassend abgestimmt und auf Herz und Nieren geprüft sind und die daher auch Bestand haben können. Sonst hätten wir wieder ein Problem mit Gerichten. So weit sind wir heute noch nicht. Lassen Sie mich das kurz begründen.

Erstens. Wir sollten zunächst einmal darüber klar werden, dass das Urteil des EuGH nicht etwa an das Land Sachsen-Anhalt gerichtet ist. Das habe ich Ihren Worten

auch nicht entnommen. Aber es ist für den Gesetzgeber hier, für die Landesregierung schon sehr wichtig, denke ich. Vielmehr ist es an die Bundesrepublik Deutschland insgesamt gerichtet.

Allein der Bund ist Beklagter des Gerichtsverfahrens, allein der Bund ist für das Gericht Adressat der Feststellung, es liege ein Verstoß gegen EU-Recht vor. Damit ist auch in erster Linie der Bund und hier insbesondere das Bundesministerium des Innern aufgerufen, sich über Inhalt und Reichweite des Urteils schlüssig zu werden und die Handlungsmöglichkeiten zu prüfen.

Dabei hat es sich mit den 16 in der Sache ebenfalls betroffenen Ländern abzustimmen. Ich denke, auch das wird nicht innerhalb von vier Wochen passieren können, wenn es dann auch irgendwie eine Grundlage zur Befassung gibt. Das wird in Kürze geschehen. Bereits am 14. April 2010 wird es einen ersten Gedankenaustausch geben; so steht es hier in dem Redemanuskript.

Es gehört auch zum guten Ton, ja, es ist, glaube ich, selbstverständlich, dass bei dieser Sachlage nicht ausgerechnet das Land Sachsen-Anhalt einen Alleingang unternimmt, sondern dass wir erst einmal den Fachleuten Gelegenheit geben, sich auszutauschen, und das, wie gesagt, über die Ländergrenzen hinweg.

(Herr Tullner, CDU: Das ist korrekt!)

Zum zweiten Punkt. Die Problematik des Verfassungsrechts. Ich darf noch einmal daran erinnern: Im nichtöffentlichen Bereich können Verwaltungsakte ergehen und in Ordnungswidrigkeitsverfahren Bußgeldbescheide erlassen werden. Das sind klassische Verwaltungsaufgaben. Nach unserem in der Verfassung verankerten System der Gewaltenteilung sind dies Aufgaben der Exekutive.

Der Beauftragte für den Datenschutz des Landes Sachsen-Anhalt jedoch ist dem Landtag, also der Legislative zugeordnet. Damit stellt sich die Frage, wie wir dem Urteil gerecht werden können, ohne zugleich gegen die eigene Verfassung zu verstoßen.

Müssen wir unsere Verfassung dann ändern, wenn wir dem Beauftragten als einem dem Landtag verantwortlichen Organ Exekutivaufgaben zuweisen wollen? Ich denke, das ist eine sehr weitreichende Frage. Oder sollten wir die Zuordnung des Beauftragten zum Landtag überdenken und ihn einem Ministerium zuordnen?

All diese Fragen sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern von den berufenen Fachleuten sorgfältig prüfen lassen. Ich denke jedenfalls, im Bereich des Verfassungsrechts können wir uns Zweifel und Unklarheiten nicht leisten, schon gar nicht nach diesem klaren Urteil.

Damit komme ich zum dritten Argument. Auch ich bin für Synergieeffekte und eine möglichst effektive Verwaltungsstruktur. Für dieses Ziel habe ich mich - das wissen Sie - während der gesamten Legislaturperiode eingesetzt. - Dieser Satz trifft sowohl für den, der die Rede geschrieben hat, als auch für den zu, der sie vorträgt.

Deshalb möchte ich den Gedanken des Kollegen Stahlknecht aufgreifen. Wenn wir schon unsere Verwaltungsstrukturen ändern müssen, sollten wir dann nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und eventuell zusammen mit den Nachbarländern Thüringen und Sachsen eine länderübergreifende Institution schaffen, die bei gleichem Personalbestand viel schlagkräftiger wäre als drei ein

zelne Institutionen? Auch das ist ausdrücklich an beide Minister gerichtet, die an dem Tagesordnungspunkt mitwirken.

(Herr Borgwardt, CDU: Sehr schön!)