Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 75. Sitzung des Landtages in der fünften Wahlperiode.

Ich möchte Sie, verehrte Anwesende - im Saal und auf der Tribüne - recht herzlich begrüßen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Schallpegel ein wenig zu senken. - Ich komme zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Für die 40. Sitzungsperiode des Landtages liegen mir folgende Entschuldigungen vor:

Erstens. Herr Minister Dr. Aeikens ist heute ab 16 Uhr und morgen ganztägig entschuldigt. Er nimmt an der Agrarministerkonferenz teil.

Zweitens. Frau Ministerin Professor Dr. Kolb hat sich für morgen ab 13 Uhr entschuldigt. Sie nimmt an der feierlichen Eröffnung des Amtsgerichts Sangerhausen teil.

(Oh! bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das waren die Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung.

Wir kommen nun zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 40. Sitzungsperiode liegt Ihnen vor. Die Fraktion DIE LINKE hat fristgerecht eine Aktuelle Debatte zum Thema „65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus - Tag der Erinnerung, Tag der Mahnung und zugleich Chance für ein demokratisches, friedliches und humanes Zusammenleben der Menschen und Völker“ beantragt. Ihnen liegt dazu die Drs. 5/2561 vor. Im Ältestenrat wurde vereinbart, die Aktuelle Debatte unter dem Tagesordnungspunkt 20 am morgigen Tag als ersten Punkt zu behandeln.

Weitere Anträge zur Tagesordnung liegen mir nicht vor. Gibt es Wünsche von Ihnen? - Das ist auch nicht der Fall. Dann bitte ich um Ihr Kartenzeichen, dass Sie die Tagesordnung so bestätigen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit können wir so verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf: Die heutige Sitzung wird voraussichtlich gegen 19 Uhr beendet sein. Der Tourismusverband Sachsen-Anhalt hat uns zu einer parlamentarischen Begegnung in der Festung Mark eingeladen. Ab 19 Uhr - so steht es in der Einladung - werden wir erwartet.

Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, meine Damen und Herren, damit Sie wissen, dass hier etwas Filmisches passiert, dass sich heute in der Zeit von 10 Uhr bis 12 Uhr - darüber wurde im Ältestenrat beraten - eine Schönebecker Filmproduktionsfirma mit einer Drehgenehmigung im Plenarsaal aufhält. - Das waren die Dinge, die ich Ihnen bekannt zu geben hatte.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

a) Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Antrag mehrerer Abgeordneter - Drs. 5/2553

b) Besetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und der FDP - Drs. 5/2570

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt ein Antrag zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor. Erlauben Sie mir die Anmerkung, dass gemäß Artikel 54 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt die Pflicht besteht, auf Antrag von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Landestages den Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dieser Regel entspricht auch die Bestimmung des § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen vom 29. Oktober 1992, geändert mit Gesetz vom 19. März 2002. Ein Viertel der Mitglieder des Landtages muss den Antrag auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gestellt haben, um den Landtag zur Einsetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu verpflichten.

Wir haben 97 Abgeordnete, also müssten 25 Abgeordnete diesen Antrag stellen. Den Antrag in der Drs. 5/2553 haben 29 Mitglieder des Landtages unterzeichnet. Somit hat der Landtag die Pflicht, den Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Gemäß § 5 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes bestätigt der Landtag zugleich mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter sowie die weiteren von den Fraktionen benannten Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder. Hierzu liegt Ihnen die Drs. 5/2570 vor.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, nach der Einbringung eine Fünfminutendebatte in der Redereihenfolge CDU, DIE LINKE, SPD und FDP zu führen. Jetzt erteile ich für die Antragsteller dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Artikel 54 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt heißt es - ich zitiere -:

„Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Hohen Haus liegt heute der Antrag mehrerer Abgeordneter auf Einsetzung eines Zwölften Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor.

Die Einsetzung eines weiteren parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern haben die Antragsteller sorgsam abgewogen. Wir sind uns der Kürze der noch verbleibenden Zeit in der laufenden Legislaturperiode bewusst. Es ist auch nicht das Ziel der Antragsteller, diesen Untersuchungsausschuss als ein Mittel des Wahlkampfes zu missbrauchen. Deshalb gehen wir Antragsteller von vornherein mit dem klaren Ziel in die Beratungen, dass die Vorwürfe bis zum Herbst dieses Jahres aufgeklärt sein müssen.

(Herr Tullner, CDU: Keine Sommerferien!)

Auf der anderen Seite können die schwerwiegenden Vorwürfe, auf die ich später noch einmal näher eingehen

will, nicht unaufgeklärt bleiben, insbesondere weil sie bereits in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Presse habe ich bereits den Einwand gelesen, die Aufklärung hätte auch im Innenausschuss des Landtages herbeigeführt werden können. Das ist aus der Sicht der Antragsteller nicht der Fall. Die Ausschussmitglieder der Fraktionen der FDP und der LINKEN haben eine solche Sondersitzung im Innenausschuss beantragt. In dieser Sondersitzung des Innenausschusses am 25. März 2010 konnten nicht alle Fragen vollständig geklärt werden. Insbesondere konnten die betroffenen Beamten dem Ausschuss nicht ihre Sicht der Dinge vortragen. Ihnen wurde nicht die Möglichkeit gegeben, im Ausschuss zu erscheinen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Rothe, Sie haben in der letzten Sitzung des Innenausschusses gegen einen Untersuchungsausschuss plädiert. Sie haben aber schon am 12. März, also etwa zwei Wochen vor der Innenausschusssitzung, in der Presse selbst eine Sondersitzung des Innenausschusses als überflüssig betrachtet. Sie gingen in vorauseilendem Gehorsam davon aus, dass es doch - Zitat - „sehr unwahrscheinlich“ sei, dass es schwerwiegende Fälle von Dienstverstößen gegeben habe, die disziplinarrechtlich zu verfolgen seien.

Diese oder eine gegenteilige Einschätzung kann man unserer Auffassung nach erst treffen, wenn Akten gesichtet und Zeugen vernommen worden sind.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen bereits zu Beginn meines Beitrages Artikel 54 der Landesverfassung vorgetragen. Dieses Minderheitenrecht, wonach ein Viertel der Mitglieder des Landtags einen solchen Untersuchungsausschuss einsetzen kann, ist das manifestierte schärfste Schwert der Opposition. Das in der Landesverfassung verbürgte Untersuchungsrecht stellt eine Ausgestaltung des Kontroll- und Selbstinformationsrechts des Parlamentes dar.

29 Mitglieder des Landtages haben mit ihrer Unterschrift die Einsetzung des Zwölften Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragt. Das Ziel eines Untersuchungsausschusses, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss gemäß § 1 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt die Aufklärung eines Sachverhalts sein, dessen Untersuchung im öffentlichen Interesse liegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel des Zwölften Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist es, die im Antrag genannten Punkte zweifelsfrei aufzuklären. Schon die Tatsache, dass die betroffenen Beamten, die im Innenausschuss nicht zu Wort kamen, in der Zwischenzeit beantragt haben, gegen sich selbst ein Disziplinarverfahren einzuleiten, spricht für mich eine klare Sprache.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Folgende im Einsetzungsantrag genannten Punkte werden im Rahmen der Beratungen unter anderem aufzuklären sein:

Erstens. Hatte die Hausspitze des Innenministeriums bei der Ernennung des Herrn Deppe zum Abteilungsleiter der Polizeidirektion Nord Kenntnis von Informationen, die der Ernennung entgegengestanden hätten?

Zweitens. Wann hatte die Hausspitze Kenntnis von den Gesprächsvermerken, die getrennt von den Personalakten aufbewahrt wurden, und zwar ohne dass es einen Hinweis in den Personalakten darauf gegeben hätte, dass es weitere Unterlagen gibt?

Drittens. Aus welchen Gründen wurde im Rahmen der Ernennung keine Überprüfung des Herrn Deppe nach dem Sicherheits- und Geheimschutzgesetz durchgeführt?

Viertens. Welchen Informationsstand hatte die Hausspitze des Innenministeriums zum Zeitpunkt der Ernennung des damaligen Abteilungsleiters 2 zum Ministerialdirigenten auf Lebenszeit?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind nur einige Punkte, die benannt sind. Aber - das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen - der Sachverhalt und der betroffene Personenkreis sind so überschaubar, sind so gut eingrenzbar, dass wir es schaffen können, bis zum Herbst den Abschluss des parlamentarischen Untersuchungsausschusses herbeizuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An der Diskussion, die in den vergangenen Wochen vor allem in den Medien stattgefunden hat, kann man durchaus erkennen, dass die Untersuchung und die Aufklärung in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss für die fundierte Aufarbeitung der Vorfälle unvermeidbar sind.

Ich möchte, meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle auch die Koalitionsfraktionen bitten und auffordern, in diesem Zwölften Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aktiv mitzuarbeiten, um die Vorgänge im Zusammenhang mit den personellen Veränderungen in der Polizeiabteilung des Ministeriums des Innern zügig und sachlich aufzuarbeiten und anschließend eine abschließende Bewertung durchzuführen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LIN- KEN)

Ich danke dem Abgeordneten Herrn Kolze für die Einbringung. - Die Landesregierung hat mir signalisiert, dass sie sich nicht zu Wort melden möchte. Wir führen nun eine Fünfminutendebatte. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kolze für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren hier über die Einsetzung eines Zwölften Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. In dieser Legislaturperiode ist es damit bereits der dritte und leider auch der zweite Untersuchungsausschuss, der sich in dieser Legislaturperiode mit dem Innenressort beschäftigt, was aus meiner Sicht keine Werbung ist. Ich kann nur hoffen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass in dem neuen Untersuchungsausschuss eine befriedigende Lösung der Fragestellungen und der Problemlagen herbeigeführt werden kann.

Die Aufgabe des Untersuchungsausschusses wird es sein, eine Klärung herbeizuführen hinsichtlich der vom Ministerium mit Pressemitteilung vom März veröffentlichten Umsetzung des Leiters der Polizeiabteilung und des

Leiters des Personalreferats der Polizei - dies in Bezug auf die Frage, ob die Umsetzungen mit den dienstrechtlichen Angelegenheiten des Herrn Deppe in einem Zusammenhang stehen. Dieser wiederum sieht sich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.

Der Untersuchungsausschuss soll Klarheit schaffen, ob Mitarbeiter des Innenministeriums hiervon Kenntnis gehabt haben bzw. Handlungen vorgenommen haben, die eventuelle Nachverfolgungsmöglichkeiten der von Herrn Deppe gegebenenfalls begangenen Straftaten vereiteln konnten. Hierbei, meine Damen und Herren, handelt es sich um schwere Vorwürfe, die bereits in einer Sitzung des Ausschusses für Inneres am 25. März 2010 problematisiert worden sind.