Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Der Untersuchungsausschuss soll Klarheit schaffen, ob Mitarbeiter des Innenministeriums hiervon Kenntnis gehabt haben bzw. Handlungen vorgenommen haben, die eventuelle Nachverfolgungsmöglichkeiten der von Herrn Deppe gegebenenfalls begangenen Straftaten vereiteln konnten. Hierbei, meine Damen und Herren, handelt es sich um schwere Vorwürfe, die bereits in einer Sitzung des Ausschusses für Inneres am 25. März 2010 problematisiert worden sind.

In der Innenausschusssitzung, meine Damen und Herren, war seinerzeit leider nur der Herr Innenminister anwesend. Die weiteren mutmaßlich betroffenen und geladenen Herren, Staatssekretär Herr Erben, Herr Liebau, Herr Vagedes sowie Herr Deppe, konnten zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben.

Herr Innenminister hat in der Sitzung bereits einige Fragen beantwortet und damit sicherlich auch schon zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können. Da die Ermittlungsverfahren noch laufen, konnte selbst der Generalstaatsanwalt Konrad, der in der Sitzung zugegen war, keine detaillierten Ausführungen machen. Auch Justizministerin Frau Kolb konnte zu den Sachverhalten, die den Beamten vorgeworfen werden, wenig aussagen.

Daher stellt sich mir selbstverständlich die Frage, ob dieser Untersuchungsausschuss aufgrund der nicht unbeachtlichen Einwände überhaupt zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen kann.

Ebenso, meine Damen und Herren, wird es schwierig sein zu klären, inwieweit die politische Leitung des Ministeriums des Innern im Zusammenhang mit der Besetzung der Stelle des Abteilungsleiters Polizei in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord Kenntnis gehabt hat. Herr Innenminister Hövelmann hat uns im Ausschuss versichert, nichts gewusst zu haben und erst über den wenig wünschenswerten Weg der Presseberichterstattung Kenntnis von den Vorgängen erhalten zu haben. Ich möchte nicht ausschließen, dass es tatsächlich so gewesen ist. Sicher ist nur, es sollte so nicht sein. Auch diese Problemlage können wir im Untersuchungsausschuss sicherlich nicht abschließend aufklären.

Dennoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir uns alle Mühe geben, den Untersuchungsausschuss mit zielführenden Fragestellungen zu unterstützen und dazu beizutragen, die durchaus fragwürdigen Vorkommnisse im Innenministerium näher zu untersuchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es außerordentlich, dass dieser Ausschuss, wie es Kollege Kosmehl soeben in seiner Einbringungsrede formuliert hat, nicht dazu missbraucht werden soll, sich auf den heißen Wahlkampf Anfang des Jahres 2011 vorzubereiten, sondern bereits im Herbst 2010 zu einem Ende kommen soll. Hier wollen wir gern mittun und dafür sorgen, dass es tatsächlich so kommen wird. Die CDUFraktion wird sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl, für Ihren Debattenbeitrag.

(Zuruf: Herr Kolze!)

- Herr Kolze. Ich hatte mich vorhin bei Herrn Kolze bedankt, meinte aber Herrn Kosmehl. Jetzt meine ich natürlich Herrn Kolze. Das ist doch logisch. - Ich bitte um Nachsicht.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Aber bevor ich der Abgeordneten Frau Tiedge das Wort erteile, begrüße ich Gäste der Landeszentrale für politische Bildung auf der Tribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Der Name ist jetzt richtig. Die Abgeordnete Frau Tiedge hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, auch wir waren der Auffassung, dass auf der Sondersitzung die uns interessierenden Fragen hätten geklärt werden können. Deswegen haben wir die Sondersitzung unterstützt. Die Fragen hätte man auch klären können, wenn der politische Wille dafür vorhanden gewesen wäre. Leider mussten wir in der Sondersitzung erfahren, dass das nicht der Fall war. Viele der gestellten Fragen konnten nicht so beantwortet werden, dass die Antworten zur 100-prozentigen Aufklärung des Sachverhalts hätten führen können.

Auch die Versuche, die betroffenen Beamten im Innenausschuss selbst zu Wort kommen zu lassen, schlugen fehl, da diese an der Innenausschusssitzung nicht teilnehmen durften. Deshalb sahen wir uns gezwungen, einen weiteren Untersuchungsausschuss zu beantragen und gemeinsam mit der FDP-Fraktion heute den Antrag einzubringen.

Über die Formalien und die wesentlichen Inhalte des Untersuchungsauftrags hat Herr Kosmehl bereits ausführlich gesprochen, weshalb ich das nicht wiederhole. Ich betone jedoch, dass es selbstverständlich nicht darum geht, über die strafrechtlichen Vorwürfe zu reden, die es gegen einen hohen Polizeibeamten gibt. Das kann nicht Aufgabe des Untersuchungsausschusses sein, und das wird es auch nicht sein, sondern es geht darum, die Verantwortlichkeiten zu benennen und das beamtenrechtliche Verhalten von einigen hochrangigen Polizeibeamten im Innenministerium zu untersuchen.

Dabei interessiert uns das in der Sondersitzung vom Innenministerium benutzte Wort „Schlechtleistung“. Was sich dahinter verbirgt, hat sich uns nicht recht erschlossen. Wir würden gern erfahren, wie diese Schlechtleistungen ausgesehen haben.

Auch hat uns verwundert, dass wegen dieser Schlechtleistungen keine Disziplinarverfahren eingeleitet wurden. Aus dem anderen Untersuchungsausschuss ist uns bekannt, dass wegen weitaus geringerer Fehlleistungen Disziplinarverfahren eingeleitet wurden, teilweise sogar noch laufen und Beamte abgestraft wurden, sodass wir an dieser Stelle die Verhältnismäßigkeit nicht sehen konnten.

Das alles muss im Untersuchungsausschuss geklärt werden. Ich kann an dieser Stelle auch für unsere Frak

tion eindeutig versichern, dass wir alles dafür tun werden, damit der Untersuchungsausschuss spätestens im Oktober beendet sein wird, weil es zum guten politischen Stil gehört, einen Untersuchungsausschuss nicht im Wahlkampf zu missbrauchen.

Ich kann Ihnen heute auch versichern, dass wir die Akten akribisch einsehen und wie auch in den anderen Untersuchungsausschüssen sehr intensiv und in einer durch die Sache gebotenen Weise nachfragen werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Tiedge. - Wir kommen nun zum Debattenbeitrag der SPD, für die der Abgeordnete Herr Rothe spricht. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird sich bei der Abstimmung über den Einsetzungsantrag der Stimme enthalten. Dem Besetzungsantrag stimmen wir zu.

Zur Klärung der aus der Sicht der Opposition offenen Fragen bedarf es nach unserer Auffassung keines Untersuchungsausschusses und des damit verbundenen Aufwands an Geld und Zeit. Diese Dinge können im Innenausschuss geklärt werden.

Am 9. März 2010 hat das Innenministerium über die personellen Veränderungen auf Abteilungs- und Referatsleiterebene informiert. Am folgenden Tag hat das Ministerium auf Spekulationen in den Medien reagiert und festgestellt, dass die Personalmaßnahmen mit dem Vorschlag der Polizeiabteilung aus dem Jahre 2007 zur Verwendung von Herrn Deppe im Rahmen der Polizeistrukturreform im Zusammenhang stehen und dass die Hausleitung in diesem Kontext von der Überschuldungssituation des Leitenden Polizeidirektors nicht unterrichtet worden ist.

In ihrem Selbstbefassungsantrag vom 10. März 2010 bittet die FDP-Fraktion die Landesregierung, in der nächsten Sitzung des Innenausschusses über die Umstände zu berichten, die zu den personellen Veränderungen im Innenministerium geführt haben. Von einer Befragung bestimmter Beamter ist in dem Antrag der FDP nicht die Rede gewesen. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat aber in der Einladung zu der Sitzung am 25. März 2010 die beteiligten Abteilungs- und Referatsleiter als Gäste aufgeführt.

In der Sitzung am 25. März hat der Innenminister zu allen Fragen ausführlich Stellung genommen. Er hat nachvollziehbar begründet, warum er die Fragen zunächst selbst beantwortet, ohne Aussagen der Beamten auszuschließen. Ich erspare es mir, Artikel 53 Abs. 2 der Landesverfassung zu verlesen, nach dem die Mitglieder der Landesregierung berufen sind, uns Rede und Antwort zu stehen, es sei denn, es gibt Beauftragte, was aber ein Ausnahmefall ist.

Ich habe Kollegin Tiedge am 1. April 2010 vorgeschlagen, dass ich den Minister bitte, die Beamten mit einer Aussage im Innenausschuss zu beauftragen. Ich habe es versäumt, diesen Vorschlag auch Herrn Kosmehl zu unterbreiten.

In der Sitzung des Innenausschusses am 15. April 2010 hat der Minister auf mein Ansinnen ausdrücklich positiv reagiert und in Aussicht gestellt, die Beamten zu beauf

tragen, im Innenausschuss auszusagen. Die Vertreter der Oppositionsfraktionen verwiesen zur Frage der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf die Willensbildung ihrer Fraktionen in der folgenden Woche. Das heißt, da war das noch offen.

Am 20. April 2010 hat die Fraktion DIE LINKE beschlossen, die Forderung der FDP-Fraktion nach einem Untersuchungsausschuss zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Welche zusätzlichen Erkenntnisse verspricht sich die Opposition von dem heute einzusetzenden Untersuchungsausschuss? - Es geht um die Umsetzung von zwei leitenden Beamten auf gleichwertige Dienstposten innerhalb des Innenministeriums. Nach meinem Dafürhalten ist es schon im Ergebnis der Sitzung des Innenausschusses vom 25. März 2010 möglich festzustellen, dass diese Umsetzungen vollauf gerechtfertigt sind.

Das Landesbeamtengesetz enthält keine Vorschriften über Umsetzungen, nur über Abordnungen und Versetzungen. Wenn Versetzungen nach dem Gesetz aus dienstlichem Grund möglich sind, dann gilt das erst recht für Umsetzungen. Anders als eine Versetzung ist eine Umsetzung nicht einmal ein Verwaltungsakt. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, ob, wann und wie er einen Beamten umsetzt.

Bezüglich des Leitenden Polizeidirektors, der im Zuge der Polizeistrukturreform Abteilungsleiter Polizei der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord wurde, hatte die Polizeiabteilung des Innenministeriums einen nicht sachgerechten Verwendungsvorschlag unterbreitet. Das allein ist angesichts der Umstände Grund genug für die Umsetzung der beiden leitenden Beamten der Polizeiabteilung. Wenn ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorliegt, dann ist der betroffene Mitarbeiter objektiv korruptionsgefährdet und man darf ihm keine herausragende Funktion übertragen.

Der Leiter der Abteilung Polizei der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord hat Führungsverantwortung für einen Großteil der Polizeivollzugsbeamten des Landes. Die Übertragung einer solchen Aufgabe gefährdet Dritte und sie entspricht auch nicht der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem überschuldeten Beamten selbst. Man kann auch einem Beamten der Besoldungsgruppe A 16 einen Dienstposten zuweisen, auf dem er solchen Anfechtungen in erheblich geringerem Maße oder gar nicht ausgesetzt ist.

Lassen Sie mich abschließend aufgreifen, was Herr Kosmehl und Frau Tiedge angeboten haben, nämlich dass wir im Ausschuss zügig beraten. Ich hoffe, Herr Kosmehl, dass das dann eine Abkehr von dem sein wird, was Sie in dem immer noch laufenden Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss praktiziert haben. Ich hoffe, dass wir im Herbst zu einem möglichst einvernehmlichen Abschluss dieser Untersuchung kommen werden. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Ich erteile nun Herrn Kosmehl das Wort, der für die FDP spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit hier kein falscher Eindruck ent

steht: Kollege Rothe, ich bin immer wieder über Ihre Wahrnehmungsfähigkeit verwundert, insbesondere dann, wenn es um das SPD-geführte Innenministerium geht.

Wir haben in einer Obleutebesprechung, an der Sie teilgenommen haben, klar diejenigen benannt, die aus unserer Sicht zur Aufklärung der Vorwürfe in der Sondersitzung beitragen können. Die waren formal zu laden. Der Ausschussvorsitzende hat dies auch weitergeleitet, was sich der Einladung zu der Sondersitzung klar entnehmen lässt.

Der Innenminister hat entschieden - Sie haben den entsprechenden Artikel der Landesverfassung zitiert -, was formal richtig ist, dass er, wenn er sagt, er redet für das Ministerium, keinen Beauftragten benennt, sondern er der Einzige ist, der im Ausschuss redet. Das ist formal von uns nicht zu beanstanden. Aber es ist aus unserer Sicht politisch und für die Gesamtaufklärung eben nicht richtig gewesen, weil Fragen offen geblieben sind und wir bestimmte Aussagen nicht überprüfen konnten.

Nun mag es sein, Herr Kollege Rothe, dass Sie jede Aussage des Innenministers glauben. Sie werden mir formal sicherlich darin zustimmen, dass ich als Mitglied der Opposition dies nicht tun muss. Ich habe auch Zweifel daran - berechtigte Zweifel, glaube ich -, dass diese Aussagen vollständig waren.

Deshalb war es für uns unausweichlich, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, in dem wir den Beamten, die betroffen sind, die Möglichkeit geben, ihre Sichtweise darzustellen, und in dem wir auch die zeitliche Schiene, die der Minister im Ausschuss dargestellt hat, noch etwas stärker untersuchen, um zum Beispiel festzustellen:

War es zeitlich möglich, den Vorschlag für die Besetzung der Stelle des Abteilungsleiters Polizei bei der PD Nord zu prüfen? Was stand denn eigentlich in dem Besetzungsvorschlag? Stand darin nur der Name? Oder stand darin auch der Lebenslauf? Gab es weitere Hinweise auf die personalrechtliche Vorverwendung? Gab es darin den Hinweis, dass eine Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz durchgeführt wurde oder dass sie nicht durchgeführt wurde?

All das wissen Sie doch nicht. Und der Minister hat im Innenausschuss auch nicht vorgetragen,

(Minister Herr Hövelmann: Habe ich!)

welchen Umfang dieser Vorschlag hatte.