Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

(Herr Kley, FDP: Und ohne sparen!)

- Wissen Sie, ich bewundere die FDP.

(Zustimmung bei der FDP - Zurufe: Oh!)

Mein Vorgänger hat in einer Wahlperiode Schulden in Höhe von 4,5 Milliarden € aufgenommen.

(Unruhe)

Ich rede über eine Neuverschuldung von null, und die Ersten, die jedes Mal anspringen, sind die Liberalen.

(Zurufe von Herrn Kosmehl, FDP, und von Herrn Dr. Schrader, FDP)

Ich verstehe das gar nicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich habe mich noch nie hier hingestellt und mich für das, was wir alles erreicht hätten, über Gebühr feiern lassen wollen.

(Herr Kley, FDP: Nein!)

Ich weise darauf hin, dass diejenigen, die immer die dollsten Argumente ins Feld führen, etwas Bescheidenheit zeigen sollten, da sie an der Verschuldung dieses Landes zu mindestens 50 % mitgewirkt haben. Vor diesem Hintergrund wäre etwas Gelassenheit angeraten.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich weiß, dass Sie sagen werden, dass Sie alles viel besser können. Ich weiß, dass Sie sagen werden, ich kann überhaupt nichts. Ich habe mich damit in der langen Zeit, der ich dem Parlament und mittlerweile auch der Regierung angehöre, abgefunden. Sie haben im nächsten Jahr die einmalige Chance, die Leute davon zu überzeugen, dass Sie die Besten sind. Nutzen Sie diese!

(Herr Kley, FDP: Machen wir!)

- Machen Sie das. Ich sehe gerade in Berlin, wie überzeugend Sie das tun. Ich wünsche Ihnen dabei viel Glück.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Was soll das denn? - Sie wissen genau wie ich, dass die Frage der Verschuldung, der Konsolidierung nicht in einer Wahlperiode zu schaffen ist. Sie wissen genauso wie wir, dass man mit Restriktionen, mit Problemen zu kämpfen hat.

Ich hatte noch nie den Eindruck, dass es eine Partei gibt, die im Gegensatz zu allen anderen Parteien hierfür die große Lösung gefunden hätte. Alle haben sich abgemüht, alle haben Fehler gemacht. Sie haben mit Schwarz-Gelb in der ersten Wahlperiode bereits 6 Milliarden angehäuft. Damit waren Sie Zweiter. Wir wollten es besser machen, haben es danach aber auch nicht besonders gut hinbekommen. Wir waren dann nach der dritten Wahlperiode auch an der Spitze. Sie haben groß gesagt, Sie wollen alles ändern, und haben noch einmal 400 Millionen draufgepackt.

Leute, lasst uns zu unserer Gesamtverantwortung stehen und bitte nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Das wäre, glaube ich, ein guter Anfang.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

Ich sage nur: Ich glaube, dass die wie auch immer geartete Konsolidierungspolitik weitergehen muss. Sie können das alles, wie gesagt, im nächsten Jahr besser und anders machen.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Ich sage: Die Schuldenbremse wird

(Zuruf von Herrn Kley, FDP)

- deswegen, Herr Kley, werbe ich bei allen Fraktionen im Parlament dafür -, wenn sie wirkt, weit über die nächste Wahlperiode hinaus auf einer Mehrheit basierend ihre Wirkung entfalten müssen. Von den 16 Ländern haben jetzt schon vier eigene Regelungen getroffen.

Ich wäre - das weiß auch die SPD - für eine Verfassungsänderung. Aber ich verstehe auch diejenigen in der SPD, die das anders sehen. Ich bin gespannt, wenn Sie es wirklich auf die Spitze treiben müssten, ob alle anderen Fraktionen das zu 100 % auch so sehen.

(Herr Tullner, CDU: Die CDU ja! - Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP - Herr Kley, FDP, und Frau Dr. Hüskens, FDP, lachen)

Das ist die Chance, die nicht gestellte Frage nicht beantworten zu müssen. Daher ist es gut, wenn man von hier vorn verkünden kann, wir würden das sicher tun, wenn wir uns einer anderen Mehrheit sicher wären.

Es ist ein guter Weg, das jetzt über eine solche Änderung der Landeshaushaltsordnung zu machen. Das bedeutet: Schuldenbremse ab 2020; Einnahmen und Ausgaben sollen sich die Waage halten. Das gilt aber so nicht für die Länder, die Konsolidierungshilfen bekommen; denn sie haben eine eigene Bewertung vorzunehmen. Anhand der Gutachten versuchen die Finanzminister über die Parteigrenzen hinweg jetzt zu definieren: Was ist ein strukturelles Defizit? Was ist ein konjunkturell bedingtes Defizit? Welche Basis haben wir dafür?

Ich habe auch aus diesem Grunde vorgeschlagen - das war eine Forderung aus dem parlamentarischen Raum; es gab schon in den vergangenen Monaten mehrere Anträge, die das Thema aufgegriffen haben -, dass wir ab dem Jahr 2013 - das steht in dem Entwurf - keine neuen Schulden machen. Das heißt auch, als Landesregierung einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Natürlich weiß ich, dass das alles nicht einfach ist und dass die Regierung, wer auch immer das nachher machen und verantworten muss, das sicherlich nicht einfach so bekommen wird. Aber für uns gilt diese Sonderregelung. Nach der Feststellung des strukturellen Defizits am Ende des Haushaltsjahres 2010 wird eine Zahl x, nämlich dieses strukturelle Defizit, in die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem jeweiligen Land geschrieben. Dann muss man anhand dieses strukturellen Defizits während der nächsten zehn Jahre einen bestimmten Konsolidierungspfad einhalten, um überhaupt diese Konsolidierungshilfen zu bekommen. Man kann davon abweichen. Dann muss man aber damit leben, dass für das jeweilige Haushaltsjahr die Konsolidierungshilfen ausgesetzt werden. Die spannende Frage ist: Will man das?

Damit das nicht beliebig ist und nicht nur so einfach festgestellt werden kann, habe ich dafür geworben, dass die Landesregierung in der Landeshaushaltsordnung gehalten wird, unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts von Anfang an einen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen und gleichermaßen Geld zurückzulegen, um in der nächsten Wirtschaftskrise, die hoffentlich nicht so sein wird wie die jetzige, wie Sachsen mit diesen Rücklagen das auszusteuern, was an Steuermindereinnahmen ausfinanziert werden muss.

Was steht in der Änderung? - Die verfassungsrechtliche Übertragung vom Bund auf die Länder, also in das Landesrecht; ab dem Jahr 2013 keine Kredite. Hierfür gibt es zwei Ausnahmetatbestände. Das sind zum einen Naturkatastrophen und zum anderen ein starkes wirtschaftliches Ungleichgewicht.

Da ist die Frage, was heißt das? - Darüber sitzen jetzt viele in Berlin und fragen sich noch selbst. Es gibt einige Länder, die klären das, indem sie sogar einen Parlamentsvorbehalt vor diese Diskussion packen. Andere sagen, lasst uns mal die Diskussion in Berlin abwarten. Es gab schon davor eine Verfassungsdiskussion über die Frage, was denn eigentlich eine Abweichung im Bereich der Wirtschaftsentwicklung ist.

Es gibt die Pflicht zur Aufstellung eines verbindlichen Tilgungsplans. Wir haben hineingeschrieben, dass nach spätestens vier Jahren mit der Tilgung der dann aufge

laufenen Schulden und anschließend mit dem Abbau der bisher aufgelaufenen Schulden begonnen werden soll.

Wir haben die Vorsorgeelemente gestärkt, also Pensionsfonds, Rücklagen und Schwankungsreserve. Ich sage ganz klar, dass es auch vom Landesrechnungshof und anderen begonnene Diskussionen über die Frage gab, ob es nicht besser wäre, die Verschuldungsbremse oder den möglichen Abbau der Verschuldung nicht durch Steuerrücklagen oder Schwankungsreserven, sondern mit Regeln hinsichtlich der allgemeinen Verschuldung zu realisieren. Das macht zum Beispiel Baden-Württemberg. Die haben sich eine Obergrenze von 40 Milliarden € gegeben. Sie tilgen dann und in Zeiten, in denen sie etwas aufnehmen können oder müssen, können sie trotz der Schuldenbremse diesen Betrag x wieder bis zu 40 Milliarden € auffüllen.

Ich sage nur, bei unserer Verschuldung von 20 Milliarden €, einem Haushaltsvolumen von 10 Milliarden € und dem Risiko von steigenden Zinsen, was kommen wird, ist mir dieser Weg zu unsicher. Es gibt auch gute Argumente für uns, es wie andere Länder auch zu machen und einfach davon auszugehen, dass in Zukunft die Haushalte eben ohne neue Schulden auszufinanzieren sind. Insofern ist die Rücklagenbildung aus meiner Sicht der bessere Weg. Aber ich will darüber nicht streiten. Das ist auch keine Glaubensfrage, das ist eine Fachfrage.

Wir haben im Kreis der Finanzminister und im Stabilitätsrat auch die Bewertung der bekannten Kennziffern vorgenommen. Es soll anhand der Kennziffern ein so genanntes Skalensystem entwickelt werden, mit dem in jedem Jahr Länder bewertet werden. Wenn dieses Ampelsystem, bestehend aus den Farben Rot und Grün, mehrheitlich auf Rot wechselt, wird dieses Land, ohne dass es gefragt wird, automatisch in diese Überprüfung genommen.

Für Sachsen-Anhalt steht im Moment die Mehrzahl dieser Ampeln auf Grün. Ich möchte, dass das so bleibt. Ich weiß, dass das nicht einfach ist. Wir haben ein dickes rotes Licht. Das ist die Schuldenlast pro Kopf, bei der sich einige vielleicht einbilden, sie seien es nicht gewesen. Ich glaube aber, dass das etwas ist, was wir in den letzten Jahren miteinander zu verantworten haben. Wir müssen jetzt schauen, wie wir das mit der Neuverschuldung in den nächsten Jahren hinbekommen, also weniger zu nehmen. Ich gehe im Moment davon aus, dass wir die komplette Summe für das Jahr 2010 nicht brauchen.

Inwieweit das durch Veränderungen beim Wachstum, durch Ausgabenminderungen oder bestimmte politische Pakete in Berlin in den nächsten Jahren verändert wird - geplant war eine Nettoneuverschuldung im Jahr 2011 von 540 Millionen € und im Jahr 2012 von 250 Millionen € -, kann ich heute nicht vorhersehen. Klar ist aber auch, dass wir mit dem nächsten Landeshaushalt - der kommt bestimmt - dann den Tilgungsplan für die jetzt aufzunehmenden neuen Schulden nachreichen müssen.

Deswegen werden wir bis November warten. Dann kommt die neue Steuerschätzung. Bis dahin wird auch der Stabilitätsrat sein Verfahren zur Bewertung der Länder festgelegt haben. Dann wird es eine neue, kurze und überschaubare mittelfristige Finanzplanung geben, der zu entnehmen ist, welche Auswirkungen das auf die nächsten Haushaltsjahre hat.

Es ist jetzt trefflich darüber zu streiten, welches aktuelle Defizit wir haben. Es gibt welche, die sagen, wir liegen dicht bei null. Es gibt welche, die sagen, wir haben ein höheres. Es gibt die Diskussion um ein Defizit ohne die Unterteilung. Aber ich denke, es wird im Finanzausschuss genug Zeit bleiben, um darüber zu reden.

Klar ist dann auch, dass Haushaltskonsolidierung kein Selbstzweck ist. Sondern es geht darum, Geld zu organisieren für die Schwerpunktsetzungen der nächsten Jahre. Ich denke, das ist der Ansatz aller Finanzpolitiker und nicht nur, weil man sich nur gegenseitig erklärt, dass nichts da ist. So ist es ja nicht.

Ich will nur eines am Ende noch einmal ins Feld führen. Ich weiß nicht, ob sie mitbekommen haben, was gerade in Schleswig-Holstein los ist. In Schleswig-Holstein gibt es eine Vorlage der Koalitionsfraktionen, mit der Einsparvorschläge unterbreitet werden. Fakt ist aber auch, dass das Land Schleswig-Holstein wie auch andere - das hat mit Koalitionszusammensetzungen überhaupt nichts zu tun - jetzt keinen Schritt mehr gehen wird, ohne dass andere Länder mitreden, ohne dass also zum Beispiel in Berlin, in München oder in Stuttgart darüber entschieden wird, was in dem jeweiligen Land an Politik gemacht wird. Ich denke, es muss in unser aller Interesse sein, dass es hier so weit nicht kommt,

(Beifall bei der SPD)

dass die Selbständigkeit der Entscheidungsfindung hier in Magdeburg bleibt. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Schulz, bitte sehr.

Nichts Schlimmes, Herr Minister.