Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

- Das ist genauso. - In Brandenburg war es so, dass zum Beispiel Thomas Nord, Kerstin Kaiser usw. ausdrücklich mit ihrer IM-Vergangenheit an die Öffentlichkeit gegangen sind, diese dort aufgezeigt haben, und die Menschen haben sie im Wissen um diese Tätigkeit und im Wissen um ihre Bewertung gewählt. Das ist der Unterschied.

Das, was wir nicht akzeptieren, ist - deswegen gab es Mandatsniederlegungen und Fraktionsausschlüsse in Brandenburg -, wenn jemand das nicht getan hat und die Leute ihn oder sie in dem Denken, er oder sie hätte eine solche Vergangenheit nicht, gewählt haben und sich im Nachhinein herausstellt, dass er oder sie nicht die Wahrheit gesagt hat. Dann gab es die Konsequenz einer Mandatsniederlegung und eines Fraktionsausschlusses im Brandenburger Landtag. Genau so ist das gewesen und genau so werden wir das weiterhin tun. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN - Frau Feußner, CDU: Da bin ich aber gespannt!)

Frau Brakebusch hat ihre Wortmeldung zurückgezogen.

Alles klar.

Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zum Beitrag der CDU. Herr Scharf hat das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP hat zu Recht den Finger in die Wunde gelegt; denn wir haben eine wichtige Aufgabe nicht pünktlich erledigt. Aber, Herr Kosmehl, ich war skeptisch, ob der Antrag dabei hilft, diese Wunde zu schließen, sie zum Heilen zu bringen, oder ob Sie damit einfach nur in der Wunde herumwühlen. Ich habe den Eindruck, dass wir bis jetzt über das Herumwühlen noch nicht wirklich hinausgekommen sind.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Insofern kann ich noch nicht erkennen, dass diese Aktuelle Debatte uns wirklich ein Stückchen weiter gebracht hat.

Dabei gehört zweifelsohne der Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt für die Stasi-Unterlagen zu den wichtigen Beauftragten, die wir im Land Sachsen-Anhalt haben und über deren Besetzung wir auch zu entscheiden haben. Die wichtigsten Aufgaben sind auch in dem entsprechenden Gesetz verankert.

Zu Herrn Gallert, der meinte, man könne nicht aufarbeiten, möchte ich deutlich sagen: Das ist eine der wichtigsten Aufgaben. Der Zweck des Gesetzes ist es nämlich, durch den Kontakt der Landesbeauftragten zu Bürgerinnen und Bürgern einen wirkungsvollen Beitrag zur Aufarbeitung und Bewältigung der vom Staatssicherheitsdienst belasteten Vergangenheit usw. zu leisten.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das ist aber ein ständiger Prozess, der ist noch nicht abgeschlossen!)

- Nein, das hat er gar nicht gesagt. Er hat infrage gestellt, dass man überhaupt aufarbeiten kann.

(Zuruf von der LINKEN: Das hat er nicht gesagt!)

Das ist der gesetzliche Auftrag, den wir gemeinsam formuliert haben, und ich glaube, das ist auch wichtig.

Ferner gehört es zu den Aufgaben, Schutz und Hilfe anzubieten. Es gehören auch dazu die Organisation der Selbsthilfe und - das gibt es bisher in der Tat kaum - der Dialog zwischen Betroffenen und Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen des Staatssicherheitsdienstes. Das gibt es bisher wohl nur in Ausnahmesituationen. Insofern liegt auch von der inhaltlichen Fülle her noch ein weites Aufgabenfeld vor demjenigen oder derjenigen, der/die diese Aufgabe zu erfüllen hat.

Die Bürgerberatung hat zweifelsohne zugenommen, das zeigt auch der letzte Bericht. Wir haben ca. 2 800 Fälle, die im Moment durch die mobile Beratungskampagne betreut werden, und die Fallzahlen nehmen nicht ab. Das heißt, wir haben durchaus eine Stelle zu besetzen, deren Inhaber auch in den nächsten Jahren noch viel wichtige Arbeit zu leisten haben wird. Deshalb müssen wir eine geeignete Persönlichkeit finden.

Ich möchte auch sagen: Wir brauchen eine geeignete Persönlichkeit, weil Herr Ruden zwar mit Sicherheit aus Altersgründen ausgeschieden wäre, aber er sich auch selbst disqualifiziert hat, insbesondere durch sein Interview vom 31. März 2010. Das musste zu seinem Rücktritt führen. Allerdings hätten wir ohne diesen Rücktritt, der notwendig war, wahrscheinlich in einem etwas ruhigeren Klima nach einem Nachfolger suchen können. So gesehen ist es nicht einfach.

Auch welche Bedingungen die Persönlichkeit erfüllen muss, konnten wir inzwischen schon in den Zeitungen

nachlesen. Es ist auf Fälle so, dass auch wir als CDU uns in den letzten Jahren bemüht haben, diese Funktion aus den parteipolitischen Händeln herauszuhalten. Deshalb haben wir selbstverständlich Edda Ahrberg mit gewählt. Sie war damals beim Bündnis 90/Die Grünen, einer Partei, mit der die CDU nicht so einfach zusammenarbeiten kann. Aber Frau Ahrberg hat die Stelle gut und solide ausgefüllt. Das ist zweifelsohne der Fall.

Ich möchte einmal sagen, auch Herr Ruden war in meinen Augen eine geeignete Persönlichkeit, auch wenn er ein völlig unmögliches Interview gegeben und hinterher eine völlig unmögliche Verhaltensweise an den Tag gelegt hat. Ich bin Magdeburger. Herr Ruden hat in Magdeburg die Stasi mit aufgelöst. Das hat er getan. Er hat hinterher viel Mist geredet, aber damals hat er die Stasi aufgelöst, als er noch nicht wusste, ob man dafür nach Bautzen kommt oder ob irgendwann später einmal irgendwo die Stelle eines Beauftragten zu besetzen ist. Das wollen wir doch bei aller Problematik, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht vergessen.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun haben sich bei den Bewerbungen, die eingegangen sind, zwei Persönlichkeiten als besonders geeignet herausgeschält. Die Namen sind schon genannt worden. Ich werde nicht der Versuchung erliegen, hier die Biografien, soweit sie mir bekannt sind, vorzutragen und Vor- und Nachteile der Personen zu bewerten. Ich möchte aber sehr deutlich sagen: Wir haben eine Person, und zwar Herrn Sielaff, in der CDU-Fraktion schon angehört. Diese Person hat auf uns einen exzellenten persönlichen und auch fachlichen Eindruck gemacht. Dass wir das dann auch sagen, ist, glaube ich, ein gutes Recht der Fraktion.

Ich möchte hinzufügen - jetzt ist meine Kollegin Frau Budde leider nicht da -: Es gab immer das Angebot der CDU-Fraktion, sich die beiden Erstbenannten - jeder in seiner Fraktion, aber alle beide - anzuhören. Zu dieser symmetrischen Vorstellung ist es leider nicht gekommen. Aber wir werden in den nächsten Wochen auch Herrn Stockmann anhören. Wir müssen uns als Koalition aber gegenseitig zugestehen, dass wir das schon ein paar Wochen eher hätten hinbekommen können.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU, und von Herrn Kosmehl, FDP)

Leider haben wir es nicht so hinbekommen. Dann müssen wir sehen, wie wir weiterkommen. Ich habe auch die Hoffnung, dass es uns gelingt, im September 2010 zu einer Neuwahl zu kommen.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen: Frau Justizministerin Kolb hat nicht willkürlich gehandelt, als sie eine Liste der Kandidaten in der Reihenfolge der Eignung aufgestellt hat. Diese geht über den Platz 2 hinaus, aber die Listenplätze 1 und 2 sind nach bestem Wissen und Gewissen und nach meiner Ansicht vollkommen ohne Willkür erstellt worden.

Freilich weiß auch die Landesregierung - der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen -, dass wir wählen müssen, dass wir die Zweidrittelmehrheit finden müssen. Deshalb sollten wir auch versuchen, uns das Leben an dieser Stelle nicht gegenseitig allzu schwer zu machen. Denn mindestens drei dieser vier Fraktionen müssen sich einigen, sonst gibt es diese Zweidrittelmehrheit nicht.

Je mehr Polterei wir im Vorfeld erzeugen, desto schwieriger wird es an dieser Stelle. Wir sollten die Sommerpause wirklich nutzen, um uns ein bisschen zu erholen, vielleicht die Nerven ein bisschen zu schonen, sodass wir zum Ende der Sommerpause hin endlich zu vernünftigen Konsensgesprächen kommen, die uns auch das Ziel erreichen lassen.

Ich habe aber auch die Bitte, daran zu denken, dass wir hauptsächlich auch danach schauen müssen, was diese Person tun muss und wo diese Person die höchste Akzeptanz finden muss. Die Person muss die höchste Akzeptanz nicht hier, in diesem Plenum finden, sondern bei denjenigen, die beraten werden müssen. Deshalb dürfen wir die Stimme der Opferverbände nicht wegwischen.

Wenn uns die Opferverbände etwas zu sagen haben, dann ist das nicht die Entscheidung - wir haben hier unser Mandat auszufüllen -, aber wir sind durchaus bereit dazu, auf die Opferverbände zu hören. Deshalb gemahne ich uns zu einer ruhigen und besonnenen, aber auch zielorientierten Meinungsbildung, sodass wir im September 2010 hoffentlich zur Wahl kommen werden.

Die Dienststelle wird jetzt auch vernünftig geleitet und geführt. Die Beratungstätigkeit erfolgt. Es ist aber ein Manko - das möchte ich nicht wegreden -, dass wir heute keinen Beauftragten für die Stasi-Unterlagen wählen können. Diesen Schuh müssen wir uns schon anziehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Scharf. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert.

Es ist eher eine Zwischen- oder eine Endintervention. - Herr Scharf, ich habe nicht gesagt, dass keine Aufarbeitung möglich ist. Ich wollte lediglich der Illusion vorbeugen, dass man damit irgendwann abgeschlossen haben könnte. Das habe ich ausdrücklich nicht gesagt.

Wir werden diese Aufarbeitung nicht irgendwann als endgültig abgeschlossen betrachten können. Das ist bei Geschichte ohnehin nicht möglich und in diesem Fall überhaupt nicht. Deswegen habe ich das auch nicht gesagt. Frau Feußner hatte mich so interpretiert und dagegen habe ich mich gewehrt.

Natürlich ist Aufarbeitung wichtig, aber sie wird nicht irgendwann an einem Punkt beendet sein. Das war der Dissens, nicht die Frage nach der Aufarbeitung.

Darauf muss ich jetzt nicht antworten.

Nein. Vielen Dank für Ihren Debattenbeitrag, Herr Scharf. - Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Beschlüsse in der Sache werden gemäß § 46 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Die Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und wir können den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen. Frau Dr. Paschke wird das übernehmen.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Folgenden wieder sehr häufig Redebeiträge mit einer Dauer von drei Minuten. Ich habe die herzliche Bitte, dass sich jeder Mühe gibt, die Zeit nicht zu überziehen. Die zweite Bitte ist, dass wir nicht den Sturm auf das Reden-zuProtokoll-Geben eröffnen. Ich denke, in einer Dreiminutendebatte kann man kurz und knapp sagen, was man sagen möchte, und kann insofern § 62 der Geschäftsordnung entsprechen und frei reden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Stiftungsgesetzes Sachsen-Anhalt (StiftG LSA)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/2651

Einbringer ist der Minister des Innern Herr Hövelmann. Bitte sehr.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Nach der Debatte von eben und dem 0 : 1 der deutschen Nationalmannschaft ist es schwer, zu etwas Positivem überzugehen;

(Heiterkeit)

dennoch möchte ich es versuchen. Ich möchte Sie dafür begeistern, den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein neues Stiftungsgesetz mit Interesse zur Kenntnis zu nehmen und darüber in den Ausschüssen zu beraten. Ich finde, wir haben dem Parlament einen guten Entwurf vorgelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Landesregierung hat am 8. Juni 2010, also vor gut einer Woche, den Entwurf eines neuen Stiftungsgesetzes für unser Land beschlossen. Damit wollen wir die Arbeit der Stiftungen im Land Sachsen-Anhalt auf eine neue rechtliche Grundlage stellen.

Sachsen-Anhalt ist das einzige Land in der Bundesrepublik Deutschland, das nicht über ein eigenes Landesstiftungsgesetz verfügt. Bei uns gilt nach wie vor das Gesetz der Volkskammer der DDR vom September 1990.

Es hat sich in der Praxis durchaus bewährt. In den letzten 20 Jahren hat es aber eine ganze Reihe von rechtlichen Änderungen, auch in bundesgesetzlichen Bestimmungen, gegeben, die es ohnehin notwendig gemacht hätten, landesseitig eine Veränderung vorzunehmen. Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht, ein eigenständiges Landesgesetz auf den Weg zu bringen.