Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2421 neu

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit - Drs. 5/2593

Die erste Beratung fand in der 72. Sitzung des Landtages am 19. Februar 2010 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Tögel. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag zum Thema „Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene“ ist nach der ersten

Beratung in der 72. Sitzung des Landtages am 19. Februar 2010 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Soziales überwiesen worden.

In der 54. Sitzung am 3. März 2010 ließ sich der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit von der Landesregierung über den Zeitplan und die Verfahrensschritte bei der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu Hartz IV unterrichten und beschloss bei einer Stimmenthaltung die Beschlussempfehlung, die Landesregierung aufzufordern, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass im Zuge der Umsetzung des in Rede stehenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts zeitnah die Voraussetzungen geschaffen werden, eine bedarfsorientierte Mindestsicherung einzuführen. Dieser Auffassung schloss sich der Ausschuss für Soziales mit 8 : 0 : 3 Stimmen an.

Die abschließende Beratung im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit unter Einbeziehung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales fand in der 57. Sitzung am 12. Mai 2010 statt. Hier wurde die vorläufige Beschlussempfehlung bei einer Stimmenthaltung unverändert verabschiedet.

Die Vertreterin der Fraktion DIE LINKE ließ zu der Beschlussempfehlung wissen, dass diese aus ihrer Sicht lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner darstelle, und beantragte für die zweite Lesung im Landtag, zu diesem Thema eine Debatte zu führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, nach dieser Debatte dieser Beschlussempfehlung zuzustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Tögel, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht Wirtschaftsminister Dr. Haseloff.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es relativ kurz machen, weil ich zu diesem Themenkomplex sowohl im Landtag als auch im Ausschuss schon einmal Stellung bezogen habe.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass in diesem Zusammenhang dieses Thema vor dem Hintergrund der aktuellen Verfassungsgerichtsentscheide zu behandeln ist. Darin steht ganz klar, dass sich all das, was mit Grundsicherung zu tun hat, am realen Bedarf der konkreten Personen zu bemessen hat und dass dieser reale Bedarf innerhalb der Bedarfsgemeinschaft noch einmal ausdifferenziert mit entsprechenden Berechnungsgrundlagen zu versehen ist und dann die Grundsicherung je nach Person und je Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln ist. Das heißt, alle über diesen Weg hinausgehenden bzw. völlig abweichenden Berechnungsmodalitäten und -schemata sind nicht zulässig.

Demzufolge ist ganz klar, dass das jetzige SGB-II-Grundsicherungssystem zwar dem aktuellen Urteil anzupassen, zu modifizieren und sicherlich auch von der politischen Bewertung her im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zu kalkulieren ist. Aber an diesem ausdifferenzierten SGB-II-Grundsicherungssystem führt kein Weg vorbei. Deswegen ist das, was ich schon mehrfach an verschiedenster Stelle zu diesem Pauschalbetragsvor

schlag gesagt habe, stets das Gleiche. Deswegen möchte ich es an dieser Stelle damit bewenden lassen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Dirlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Für die Debatte heute im Landtag gab es noch einen zweiten Grund. Der bestand darin, dass wir uns nicht nur auf den wirklich allerkleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt haben, sondern dass wir unter einer sozialen oder bedarfsorientierten Mindestsicherung etwas höchst Unterschiedliches verstehen. Auch das muss heute noch einmal gesagt werden.

Unser Antrag hat konkrete Vorschläge beinhaltet, wie eine Mindestsicherung ausgestaltet werden muss. Diese konkreten Vorschläge wurden abgelehnt.

Wir haben im Wirtschaftsausschuss vor allem deshalb der Beschlussempfehlung zugestimmt, weil darin auch von den Koalitionsfraktionen zumindest anerkannt wird, dass eine bedarfsorientierte soziale Mindestsicherung notwendig ist.

Das stärkste Argument für die Ablehnung unserer Vorschläge war, dass es keine Pauschalierungen geben soll. Das ist natürlich grober Unsinn. Es gibt viele Pauschalierungen und dies an sehr verschiedenen Stellen. Ich erwähne nur das Kindergeld. Wer legt denn fest, wofür dieses Kindergeld eigentlich gedacht ist und zu welchen Anteilen es für welche Zwecke gedacht ist? Niemand tut das. Ich könnte jetzt noch andere Beispiele nennen, bei denen dieses Argument aus unserer Sicht nicht taugt.

Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass die Berechnung deshalb nichts taugt, weil sie nicht transparent ist, weil man sie nicht nachvollziehen kann und weil sie nicht alle Lebensbereiche von Kindern umfasst. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner gesagt, dass ein abgeleiteter Anspruch, also soundso viel Prozent des Erwachsenenregelsatzes, problematisch ist.

Deshalb wiederhole ich nur unsere wichtigsten Forderungen, auch deshalb, weil wir ja heute nicht so viel Zeit haben:

Wir brauchen eine Mindestsicherung, die sich am Individualprinzip orientiert, sodass jeder bedürftige Mensch einen eigenen Anspruch hat.

Wir brauchen eine Mindestsicherung für Kinder und Jugendliche, die eine eigenständige ist und die sich eben nicht vom Anspruch der Eltern ableitet.

Wir müssen weg von der Fiktion des „Ansparens“ von Mitteln aus den Regelsätzen für die Wechselfälle des Lebens, weil sich gezeigt hat, dass die paar Euro ausgegeben werden müssen. Da bleibt für eine Waschmaschine nichts übrig, auch kein einzelner Euro, den ich über eineinhalb Jahrhunderte ansparen müsste, um mir irgendwann eine Waschmaschine zu kaufen.

Wir müssen die Regelungen zur Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten grundlegend reformieren und im Zusam

menhang damit auch das System der Sanktionen überdenken.

Wir müssen mit dem Irrglauben aufräumen, dass es vor allem an der fehlenden Motivation der Arbeitslosen liegt und nicht an den fehlenden Arbeitsplätzen. Meine Damen und Herren! Es ist genau umgekehrt. Das müssen wir endlich anerkennen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Dirlich. - Für die CDU-Fraktion spricht Frau Take.

Frau Präsidentin, trotz Ihrer Warnung möchte ich Sie bitten, meine Rede zu Protokoll geben zu dürfen.

Ich habe das schon einmal abgelehnt, ich muss das jetzt wieder ablehnen.

(Zustimmung bei der FDP)

Sie lehnen das wieder ab.

Ja. Fassen Sie vielleicht ganz kurz Ihre Punkte zusammen.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Okay. - Im Wirtschaftsausschuss haben wir ausführlich über das Thema Hartz IV und den Antrag der Fraktion DIE LINKE beraten. Das Bundesverfassungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Pauschalierung nicht vorgesehen werden soll, sondern es soll am Bedarf bemessen werden. 500 € erscheinen mir da auch nicht zielführend. Es kann ja sein, dass es mehr wird. Es kann aber auch sein, dass es weniger wird.

Wir wollen versuchen, den kleinsten gemeinsamen Nenner hier durchzuhalten. Wir sind sehr weit gegangen in unserer Beschlussempfehlung. Herr Tögel hat ausführlich vorgetragen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Auch der Minister hat darüber geredet. Deshalb möchte ich Sie um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung bitten.

(Beifall bei der CDU)

Frau Take, ich bedanke mich. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Franke.

Liebe Frau Präsidentin!

(Herr Miesterfeldt, SPD: Geliebte Frau Präsiden- tin!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Inzwischen sind vier Monate vergangen, seit das Bundesverfassungsgericht die Berechnung der Regelsätze für verfassungswidrig

erklärt hat. Fast reflexartig wurde daraufhin von vielerlei Seiten gleich das ganze System für gescheitert erklärt und eine massive Erhöhung der Regelsätze gefordert.

DIE LINKE stellte in mehreren Landesparlamenten fast gleichlautende Anträge mit - Entschuldigung - populistischen Forderungen,

(Herr Heft, DIE LINKE: Na, na!)

beispielsweise im Saarland oder auch in Sachsen. Auch uns wurde der Antrag dann vorgelegt, der einen Eckregelsatz von 500 € sowie einen flächendeckenden Mindestlohn von 10 € forderte.

(Frau Bull, DIE LINKE: Schrittweise! Schrittweise nicht vergessen!)

Die FDP-Fraktion hat in der damaligen Debatte verdeutlicht, dass wir diese Forderungen ablehnen.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)