Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Kosmehl.

Herr Kosmehl, bitte.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Nein, von dem Schreckenszauber wollte ich jetzt nicht reden.

Herr Kollege Stahlknecht, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage stelle ich, weil Sie gesagt haben, Sie wollten mit der Namensänderung etwas Gutes erreichen und dann gab es die verfassungsrechtlichen Bedenken.

Sie haben in Ihrem Brief vom 7. Juni - ich möchte noch anmerken: gelegentlich sollten Sie Ihren Adressverteiler aktualisieren, wenn Sie Bürgermeister anschreiben, die es nicht mehr gibt -

(Unruhe )

bereits auf diese Änderung hingewiesen. Das war die unmittelbare Folge der Sitzung des Innenausschusses. Ich denke, in der Sitzung des Innenausschusses waren die Bedenken doch schon vorhanden, die der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst vorgetragen hat, übrigens auch mit der Lösung, die Anhörung im schriftlichen Verfahren nachzuholen und zum damaligen Zeitpunkt auf eine Beschlussempfehlung zu verzichten. Also gab es nach dem 7. Juni, nach Ihrem Brief noch weitere Anmerkungen zu verfassungsrechtlichen Bedenken, die Sie einmal vortragen können.

Zu der zweiten Frage, die ich habe. Gibt es aus der Sicht der CDU-Fraktion noch einmal Handlungsbedarf für den Landtag, sofern die Verwaltungsgerichte in den nächsten Wochen in anderen anhängigen Verfahren entscheiden würden, die sich auf Gemeinden beziehen, die ebenfalls in der freiwilligen Phase Gemeindegebietsänderungsverträge abgeschlossen haben, die jedoch nicht genehmigt worden sind?

Zu der zweiten Frage. Herr Kosmehl, ich bin kein Hellseher. Ich kenne die Entscheidungen nicht, die kommen werden. Wenn die Entscheidungen so sein sollten, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehen sollte, seien Sie versichert: Wir haben die Kraft, das umzusetzen. - Warten wir die Entscheidungen ab.

Nun zu dem ersten Teil. Herr Kosmehl, Sie machen es sich leicht. Sie haben in der öffentlichen Wahrnehmung in den Kommunen aus meiner Sicht gar nicht stattgefunden. Wir hatten gestern unten eine Demonstration von

denen, die zugeordnet werden. Dabei habe ich von der FDP niemanden gesehen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Hä?)

Wir waren zumindest dort. Sie haben auch die Bürgermeister nicht angeschrieben. Wenn man weder anschreibt noch irgendwo erscheint, hat das den großen Vorteil: Wer nichts tut, kann auch nichts falsch machen. Dafür gratuliere ich Ihnen. Das ist die eine Seite.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

- Frau Hüskens, lassen Sie mich ausreden. Dann können Sie mir auch eine Frage stellen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ich stelle keine Frage!)

Die zweite Seite ist: Der Entscheidungsprozess, die Namensgebung in der Verantwortung derer zu lassen, die jetzt um die beste Lösung streiten müssen, ist ein Reifungsprozess gewesen. Ich habe vorhin gesagt: Ich habe dafür die Verantwortung übernommen.

Ich glaube, dass das auch gut war. Im Nachhinein wird man vielleicht zu dem Ergebnis kommen, dass das, wofür ich die Verantwortung übernommen habe, für die Region der bessere Weg gewesen wäre. Stolberg - lassen Sie sich versichert sein - kennt man auch in 200 km Entfernung. Der Harz ist eine schöne Region, aber der Begriff „Südharz“ benennt keine Namen, die Alleinstellungsmerkmale sind. Dazu stehe ich auch.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt noch eine letzte Nachfrage von Herrn Franke. Würden Sie diese beantworten?

Bitte.

Herr Stahlknecht, erstens: Bei der Demonstration gestern waren genug Liberale dabei. Der liberale Bürgermeister hat Ihnen, glaube ich, auch eine Unterschriftenliste der Gemeinde übergeben.

Einmal davon abgesehen wollte ich auf die zweite Frage von Herrn Kosmehl, auf die Sie geantwortet haben, zurückkommen: Den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 11. Juni bezüglich des Rechtsstreits Thale gegen den Landkreis Harz kennen Sie. Das war auch der Bezug, den Herr Kosmehl hergestellt hat. Meine Frage lautet: Gibt es auf der Grundlage dieses Urteils - auch was andere Gemeinden anbelangt, denen ebenfalls die Gemeindegebietsänderungsverträge nicht genehmigt worden sind - noch Rückschlüsse auf das jetzt vorliegende Gesetz?

Herr Franke, ich kann Ihnen die Frage nur genauso vage wie dem Kollegen Kosmehl beantworten: In der Juristerei mag manches zwar am Ende gleich sein, aber der Teufel steckt immer im Detail, und nicht jeder Sachver

halt ähnelt dem anderen. Wir werden die Sachverhalte vergleichen. Wir werden die Urteilssprüche vergleichen, und dann werden wir in Ruhe unter juristischen Bedingungen - nur darauf kommt es an - zu entscheiden haben, ob unsere Legislative Handlungsbedarf hat oder nicht. Alle anderen Zusagen, die ich Ihnen machen würde, ohne die einzelnen Fälle zu kennen, ohne zu ahnen, wie die Spruchkörper urteilen, wären unseriös, weswegen ich mich nicht dazu hinreißen lassen möchte. Dafür haben Sie bitte Verständnis.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Stahlknecht. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Grünert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor vier Monaten hatte ich im Rahmen der Einführung der Gesetzentwürfe zur Gemeindeneugliederung und zum Zweiten Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform den Versuch unternommen, eine politische Wertung dieses gesamten Reformprozesses vorzunehmen.

Die damals erwähnten Fakten bleiben leider bestehen - daran ändert leider auch die jetzige Aussprache nichts -, da nicht die Zukunftsinteressen - so unterstelle ich - und Handlungsspielräume der gemeindlichen Strukturen in unserem Land Gegenstand der Reform waren und sind. Das auf der Seite 36 der Koalitionsvereinbarung nachzulesende Ziel der Gemeindegebietsreform führte nur dazu, dass eine erhebliche Zahl von Mandaten gestrichen, eine Haushaltskonsolidierung des Landes durch eine drastische Reduzierung der gemeindlichen Zuschüsse erzielt und benennbaren „Platzhirschen“ ein neues oder erweitertes Betätigungsfeld gesichert wurde.

Das eigentliche Ziel, über eine zukunfts- und leistungsfähige Gemeindestruktur Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass möglichst alle erstinstanzlichen Aufgaben auf der gemeindlichen Ebene bearbeitet und entschieden werden können, ist dem politischen Kalkül geopfert worden. Der Chef, der sich diesem politischen Schwerpunkt besonders widmen wollte, war mittags schon zu Hause.

Die Strukturänderungen durch Ministerialbeamte bar jeglicher raumordnerischer Einordnung und unter Ignoranz der rechtlich verbindlichen Regelungen des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes und des Ersten Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform wurden durchgezogen sowie das „Wahlvolk“ durch nicht mehr korrigierbare Gesetzentwürfe über folgenlose Bürgeranhörungen an der Nase herumgeführt und demotiviert.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Prozess der Kommunalreformen seit 2002 war in erster Linie durch parteipolitisches Agieren der jeweiligen Koalitionspartner begleitet und maßgeblich geprägt. Da ist es völlig unerheblich, ob sich die Koalition aus CDU und FDP oder CDU und SPD zusammensetzt. Der einzige Unterschied bestand bei der jetzigen Koalition darin, dass sie sich permanent in der entgegengesetzten Richtung wiederfanden und der Koalitionsausschuss offensichtlich zur Schiedsstelle umfunktioniert wurde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Während der ersten Lesung zum Entwurf des Zweiten Begleitgesetzes stellte ich ein Zitat des ehemaligen Innenministers Herrn Jeziorsky an den Anfang - ich zitiere -: „Verantwortung heißt nicht, frei von Vernunft zu entscheiden.“

Gestatten Sie mir, unter diesem Motto die Ziele der Gemeindegebietsreform in Erinnerung zu rufen, damit zukünftige Verfassungsbeschwerden, gemessen an den substanziellen Eingriffen in den durch Artikel 28 des Grundgesetzes geschützten Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, einfacher zu kennzeichnen sind.

Erstens. Das Prinzip der Freiwilligkeit sollte dominieren. Dazu wurden den Gemeinden finanzielle Anreize in Aussicht gestellt. Es bestand Wahlfreiheit zwischen dem Modell der Einheitsgemeinde und dem der Verbandsgemeinde. Es sollten die kommunalen Mandatsträger gestärkt werden und die Einführung des Ortschaftsverfassungsrechts - dieses nur in der freiwilligen Phase - zu einer Verbesserung demokratischer Mitbestimmung führen.

Zweitens sollten die Leistungsfähigkeit und Gestaltungskraft der neuen Gemeindestrukturen gestärkt werden, damit substanzielle Aufgabenübertragungen möglich werden. Regelhaft ging man von 10 000 - mindestens jedoch von 8 000 - Einwohnern aus. Mittlerweile liegen insgesamt 42 der neu gegründeten Gemeinden unter der Zielstellung von 10 000 Einwohnern. Allein durch die Duldung von sogenannten Bestandsgemeinden wurde diesem Grundsatz nicht entsprochen.

Drittens sollten die landsmannschaftlichen, religiösen, kulturellen und auch die geografischen Besonderheiten berücksichtigt werden. Dieser Grundsatz wurde in vielen Fällen praktisch unterlaufen. Ob es politisch motiviert oder aus Unkenntnis geschehen ist, unterstelle ich jetzt erst einmal nicht.

Viertens sollten die bestehenden Verwaltungsgemeinschaften im Verhältnis 1 : 1 in Einheitsgemeinden umgewandelt werden, sofern eine Gemeinde prägender Ort und Grundzentrum ist - dazu komme ich nachher noch einmal.

Trägergemeindemodelle sollten ebenfalls im Verhältnis 1 : 1 in Einheitsgemeinden umgewandelt werden. Im Umfeld von kreisfreien Städten sollte es nur noch Einheitsgemeinden geben, und es war beabsichtigt, die Stadt-Umland-Verhältnisse endgültig und langfristig neu zu regeln. Zwar galt noch das Ziel, Kragenverwaltungsgemeinschaften aufzulösen. Die Bewilligungsrealität hat jedoch dargestellt, dass sie an anderen Stellen wieder entstanden sind, sodass sich also am Zustand nichts geändert hat.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Fünftens sollte durch die Gebietsreform eine wesentliche Straffung der Verwaltungs- und der Entscheidungsabläufe erreicht werden. Mit der Zulassung von Verwaltungsaußenstellen, der Änderung der Kommentierung der Gemeindeordnung hinsichtlich der umfassenden Beteiligung von Ortschaftsräten an allen Gemeindeangelegenheiten sowie mit den Übergangsregelungen für vorhandenes Verwaltungspersonal waren diesem Ziel erhebliche Hürden entgegengestellt worden.

Sechstens sollten die Wirkungsbedingungen der gewählten Mandatsträger und der Bürgerinnen und Bürger wesentlich erweitert und verbessert werden. Auch in die

sem Bereich wurden eher Verschlechterungen als Verbesserungen erzielt.

Siebentens sollten die Haushaltssituationen der neuen Einheits- und Verbandsgemeinden nachhaltig gestärkt werden.

Fazit: Die Verschuldung der Städte und Gemeinden wurden aus unserer Sicht auf mehrere Schultern verteilt. Damit sank der Durchschnitt der Verschuldung im Gemeindegebiet, womit diese Gemeinden keine Chance mehr hatten, über den Ausgleichsstock Hilfe und Unterstützung durch das Land zu erhalten.

Zeitgleich wurden dem kreisangehörigen Bereich mit der Deckelung der allgemeinen Finanzzuweisungen aus dem Finanzausgleich rund 122 Millionen € entzogen. Das heißt, die Konsolidierung des Landeshaushaltes erfolgte zu einem erheblichen Teil aus der Abschmelzung der Zuweisungen aus dem Finanzausgleich. Damit wurde politisch motiviert sowohl gegen Artikel 87 und 88 der Landesverfassung als auch gegen das Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz sowie das Erste und das heute zu verabschiedende Zweite Begleitgesetz verstoßen.

Das gilt übrigens auch in Bezug auf die Kostenerstattung für angeordnete bzw. sich infolge der Gesetzesänderung ergebende Neuwahlen. Ich plädiere noch einmal und wünsche mir nochmals Ihre Unterstützung für unseren Änderungsantrag, dass Sie hier zumindest das Konnexitätsprinzip einhalten.