Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

Das gilt übrigens auch in Bezug auf die Kostenerstattung für angeordnete bzw. sich infolge der Gesetzesänderung ergebende Neuwahlen. Ich plädiere noch einmal und wünsche mir nochmals Ihre Unterstützung für unseren Änderungsantrag, dass Sie hier zumindest das Konnexitätsprinzip einhalten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nach nunmehr über zehn Jahren hat sich die Mehrzahl der Gemeinden freiwillig neu gebildet. So soll mit der heutigen Beschlussempfehlung der restliche Bestand durch Zuordnung einer erfolgreichen zukünftigen Entwicklung zugeführt werden.

Vorgelagert waren die umfänglichen Anhörungen am 6. und 7. Mai 2010 zu den einzelnen Zuordnungsgesetzen. Wer jedoch annahm, dass die vorgetragenen Argumente einer fachlichen Bewertung seitens der Koalitionsfraktionen unterzogen wurden, wird mit der heute vorliegenden Beschlussempfehlungen herb enttäuscht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Lediglich zum Begleitgesetz fand auf der Klausurtagung des Innenausschusses am 3. und 4. Juni ein kurzer inhaltlicher Diskurs statt, dort wiederum nur gespickt mit Auszeiten, um kurzfristig eingebrachte Änderungen der Koalitionsfraktionen noch rechtstechnisch glattzuziehen.

Verfassungsrechtliche Bedenken, so zur Namensfestsetzung durch den Gesetzgeber, wurden mit der Bemerkung, es würde doch wohl keine betroffene Gemeinde klagen, vom Tisch gefegt. Da die Koalition offensichtlich ihrer eigenen Argumentation nicht traut, liegen zu diesem Thema heute nunmehr Änderungsanträge vor.

Eine anhand von objektiven Fakten nachvollziehbare Begründung zu einigen Zuordnungen, so zum Beispiel zu Gernrode, Bad Suderode und Rieder, wurde nicht vorgetragen. So bleibt die Nichtgenehmigung der Bildung der Einheitsgemeinde Gernrode wegen fehlender 545 Einwohner bestehen. Diese Situation wurde jedoch durch die oberste Kommunalaufsichtsbehörde durch die Genehmigung der Zuordnung der Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg nach Thale entgegen den rechtlichen Bestimmungen erst herbeigeführt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Antrag meiner Fraktion, den noch bestehenden Teil der Stadt Gernrode, Bad Suderode und Rieder betreffend - das ist übrigens das, was im Grundsätzegesetz steht: Die Stadt Gernrode als Grundzentrum und prägender Ort, folglich Umwandlung der Verwaltungsgemeinschaften im Verhältnis 1 : 1 -, bleibt bestehen. Wir beantragen daher nach wie vor die Zulassung der Bildung einer Einheitsgemeinde, auch wenn sie mit der derzeitigen Einwohnerzahl etwas unter den Normen liegt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Begründung der unterschiedlichen Handlungsweisen der Landesregierung zu den Genehmigungsverfahren wie Nienburg, wie Falkenstein als bestandsgeschützte Gemeinde - in diesem Zusammenhang kann man mittlerweile auch Allrode nennen, wo ebenfalls durch eine Zerschlagung der Verwaltungsgemeinschaft die Tür geöffnet worden ist und man sagt, nachdem Altenbrak und Treseburg zu Thale gehören, muss auch Allrode dazugehören - ist hanebüchen und bringt Ihren eigenen Grundsätzen mehr als Aberkennung.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der CDU und bei der FDP)

Eines wird bei den vorliegenden Beschlussempfehlungen deutlich: In vielen Fällen wurde die Ausnahme zur Regel gemacht und das KommunalneugliederungsGrundsätzegesetz sowie das Erste Begleitgesetz faktisch ausgehebelt.

Werte Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Mit den nunmehr vorliegenden Beschlussempfehlungen zum Zweiten Begleitgesetz und den Zuordnungsgesetzen wird der Versuch unternommen, die politische Repräsentanz der einzugemeindenden Gemeinden durch eine Entsenderegelung sicherzustellen. Die Frage, ob die Koalitionsfraktionen bei diesem Versuch nicht auch die Befindlichkeiten von Stendal und Zerbst hätten besser berücksichtigen müssen, bleibt offen. Die Schuld für diese unzureichende Regelung der Opposition anzulasten, ist ein untauglicher Versuch der Vertuschung des eigenen Versagens.

(Zustimmung bei der Linken und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE beantragt eine namentliche Abstimmung zum Zweiten Begleitgesetz sowie zu unserem Änderungsantrag in Drs. 5/2438 in Bezug auf den Gesetzentwurf über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Harz in Drs. 5/2406.

Die Fraktion DIE LINKE wird die vorliegenden Beschlussempfehlungen aus den von mir genannten inhaltlichen, rechtlichen und politischen Gründen ablehnen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion der SPD spricht die Abgeordnete Frau Schindler.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Mittwoch dieser Woche nahm ich - wie auch zwei weitere Mitglieder des Landtags - an der Demografiewerkstatt Soziales und Gesundheit zum Thema „Regionsbindung managen“ im Salzlandkreis teil. Dort zitierte die Staats

sekretärin Beate Bröcker ein chinesisches Sprichwort. Als ich das hörte, war ich sofort bei der Diskussion am heutigen Vormittag. Dieses Sprichwort lautet:

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern, die anderen Windmühlen.“

Den Wind des Wandels spüren wir schon seit der Gründung unseres Landes und seit der friedlichen Revolution in unserem Land.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wir nehmen diese Herausforderung ständig an. Das konnten wir auch gestern in der Regierungserklärung hören. Der Ministerpräsident ist mehrfach darauf eingegangen. Der Wandel ist vor allem eine Chance zur Entwicklung, die man nutzen sollte.

(Beifall bei der SPD)

Auch Herr Wolpert sagte zum Schluss seiner Rede - er ist heute leider nicht da; ich habe es mir wörtlich mitgeschrieben -: Die Stärke Sachsen-Anhalts liegt im Wandel.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Wind des Wandels, so wie es am Mittwoch besprochen wurde, beschreibt aber auch eine andere Herausforderung, nämlich die zu erwartenden wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen und vor allen Dingen auch den demografischen Wandel. Wir müssen diese Herausforderungen bewältigen und ihnen begegnen. Für unsere Gemeinden in Sachsen-Anhalt war daher die Entscheidung notwendig, neue und größere Strukturen zu schaffen, welche wir mit der heutigen Beschlussfassung zu einem Abschluss bringen wollen.

Mit dem Leitbild und dem Ersten Begleitgesetz haben wir vor mehr als zwei Jahren nach einem vorangegangenen intensiven Diskussionsprozess die Grundlagen für die Gebietsreform geschaffen. In dem Ersten Begleitgesetz haben wir die Ziele der Gebietsreform benannt und einen Zeitraum für freiwillige Zusammenschlüsse eingeräumt, der am 30. Juni 2009 endete. Wir haben aber auch schon damals festgelegt, dass Gemeinden, die sich bis dahin nicht in der Gebietsreform gefunden oder diese bis dahin nicht vollzogen haben, per Gesetz zugeordnet werden.

In der Zwischenzeit haben sich die meisten gefunden. Es sind genau 87 %. Herr Stahlknecht, ich muss Sie in diesem Punkt korrigieren, weil in der Zeit nach dem 30. Juni noch einige Gemeinden hinzugekommen sind.

(Herr Stahlknecht, CDU: Umso besser, Frau Kol- legin!)

- Umso besser. Auf die weiteren Zahlen ist der Minister in seiner Rede eingegangen.

Ich verschweige an dieser Stelle natürlich nicht, dass es nicht einfach war, sich neu zu finden. Viele Versammlungen, Gespräche und Abstimmungen vor Ort waren nötig. Auch in den neuen Strukturen muss man jetzt die Zusammenarbeit erst finden. Auch aus eigener Erfahrung - ich bin selbst im Stadtrat und im Ortschaftsrat meiner Heimatgemeinde tätig - muss ich sagen, dass es jetzt darauf ankommt, nicht nach dem Trennenden zu suchen, sondern nach dem Verbindenden.

(Beifall bei der SPD)

Wir können vor Ort viel voreinander lernen, auch aus den verschiedenen Ortschaften. Wir sollten die guten Er

fahrungen und guten Ideen zusammenbringen und bündeln. Um auf das Sprichwort zurückzukommen: Wir müssen den Windmühlen den richtigen Schwung geben, damit sie zum Drehen kommen und neue Energie erzeugen.

Wie gesagt, andere sind diesen Weg des Zusammenschlusses bisher nicht gegangen. Sie haben teilweise, sprichwörtlich oder sinnbildlich gesehen, Mauern gebaut. Wir haben in der Anhörung am 6. und 7. Mai verschiedene Ursachen zu hören bekommen. Natürlich gingen die Ursachen sehr weit auseinander, bis dahin, dass man schon gewillt war, sich zusammenzuschließen, aber nicht die richtigen Partner und nicht den richtigen Zusammenschluss gefunden hat. Wir haben auch gehört, dass sich andere verweigert haben. Wir haben auch gehört, dass es eine grundsätzliche Ablehnung der Gebietsreform gibt.

Bei den heute vorliegenden Gesetzen über die Zuordnung haben wir uns an die Vorgaben des Ersten Begleitgesetzes gehalten und die Entscheidungen der freiwilligen Phase mit berücksichtigt. Eine Ausnahme wird heute mit der Gemeinde Allrode gemacht. Die Gründe dafür hat Herr Stahlknecht genannt. Ich will nicht weiter darauf eingehen.

Mit dem Zweiten Begleitgesetz zur Gebietsreform geben wir den Rahmen für die Zuordnungsgesetze vor. Dabei gab es gegenüber dem Entwurf der Landesregierung noch einige Änderungen. An dieser Stelle kann keiner behaupten, dass wir die Anhörung nur pro forma gemacht haben. Viele Anregungen sind erst nach der Anhörung in das Gesetz aufgenommen worden. Die wichtigste Änderung möchte ich benennen.

Bei den zugeordneten Gemeinden werden die bestehenden und im letzten Jahr neu gewählten Gemeinderäte - die Voraussetzung ist, dass sie die Einführung des Ortschaftsrechts beschließen - im Verhältnis 1 : 1 zu Ortschaftsräten und die bisherigen Bürgermeister zu Ortsbürgermeistern.

Zur Erleichterung der Entscheidung der Gemeinden zur Einführung der Ortschaftsverfassung nach § 68 Abs. 1 der Gemeindeordnung soll das Inkrafttreten der einzelnen Zuordnungsgesetze erst zum 1. September 2010 erfolgen. Somit haben die Gemeinden nach der Bekanntmachung des Zweiten Begleitgesetzes die Zeit, um die entsprechenden Beschlüsse zu fassen.

Diese Ortschaftsräte entsenden dann in die bereits gewählten Gemeinde- und Stadträte entsprechend der Einwohnerzahl neue Mitglieder. Hier gilt das gleiche Verfahren wie für die Gemeinden, die in der freiwilligen Phase eingemeindet wurden, aber an der Kommunalwahl zu den neuen Gemeinde- und Stadträten nicht teilgenommen haben.

Ich weiß, dass diese Regelung vor Ort nicht überall auf Zuspruch trifft. Oft wurden in den letzten Wochen und Monaten zwischen den Handelnden vor Ort - da stellt sich vor allen Dingen auch immer wieder die Frage, wie die Handelnden vor Ort miteinander umgehen - Gräben ausgehoben, die jetzt erst wieder geschlossen werden müssen. Wir wollen mit dem Gesetz keine Belohnung für dieses Handeln geben. Wir dürfen aber auch nicht den Fehler begehen, die Gemeinden vor Ort und vor allen Dingen auch die Bürger per Gesetz zu bestrafen.

Mit Artikel 2 nehmen wir eine weitere Änderung der Gemeindeordnung vor. Diese zielt besonders auf die Stärkung des Ortschaftsrechts. Hier möchte ich das Zweit

beschlussverlangen und das Antragsrecht des Ortsbürgermeisters nennen. Auch die Möglichkeit von Einwohnerfragestunden in den Ortschaftsräten ist eine Möglichkeit zur Stärkung der Ortschaft.

(Zustimmung von Herrn Stahlknecht, CDU)

Ich sage aber auch, dass mit diesen Mitteln vor Ort sorgfältig umgegangen werden muss.

(Zustimmung von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Die einen sagen, dass die Stärkung der Ortschaftsverfassung dem Zusammenwachsen und der Identität dienlich ist. Andere befürchten, dass die Stärkung der Ortschaften gegenüber der Einheitsgemeinde zu sehr ausgenutzt wird. Deshalb soll diese Regelung auch nur eine Übergangsregelung sein.