Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Des Weiteren ist ein Punkt natürlich ganz klar verbunden mit der Quote der Langzeitarbeitslosen. Das wissen wir. Dort haben wir aber auch in den letzten vier Jahren mit die größte Bewegung zeigen können, die in den deutschen Bundesländern zu verzeichnen war. Ich denke, das ist zumindest ein Punkt, der benannt werden darf und der auch bezüglich der weiteren Prognose einiges erwarten lässt, wenn es darum geht, bis hin zum Fachkräfteproblem für die Zukunft sauber darzustellen, wo wir mit wirtschaftlicher Entwicklung etwas bewegen können und wo gegebenenfalls das Sozialsystem insgesamt angepasst werden muss.

Da kann unsere Antwort nur sein, dass wir im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung weiterhin den stringenten Weg fortsetzen, der auf Wachstum setzt. Wachstum, das Sie übrigens in vielen Teilen auch infrage stellen, wenn ich allein Ihre energiepolitischen Ansätze in Gänze, nicht in Details - über Details kann man sich durchaus streiten -, sondern in Gänze sehe,

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

die sich in Gänze letztendlich wachstumshemmend darstellen, weshalb man sich fragt: Wie soll hier ein Arbeitsplatzzuwachs noch organisiert werden, wenn die energiepolitische Basis zum Beispiel nicht gegeben ist?

Als nächster Punkt ist auch ganz klar an dieser Stelle zu sagen: Wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu akquirieren, dann sind die, die mit der Investitionsförderung verbunden sind, natürlich auch aufgrund von ganz klaren Regelungen der Europäischen Union nicht an weitere Kriterien oberhalb des Niveaus der Unsittlichkeit gebunden. Dort, wo wir die Möglichkeit haben, es zu formulieren, haben wir es formuliert, nämlich mit 25 000 € Jahreseinkommen, was bei dieser Förderung nachzuweisen ist. Das wissen Sie. Das können Sie in unseren Richtlinien nachlesen. Das war auch niemals anders geregelt, weil es zu großen Teilen überhaupt nicht anders regelbar ist.

Wir können uns eher darüber unterhalten, wie wir den Innovationsgrad über die Gewährung von Förderungen in den nächsten Jahren verbessern und wie wir an dieser Stelle etwas machen. Trotzdem werden wir das Problem der nicht so gut Qualifizierten und der in Langzeitarbeitslosigkeit Befindlichen haben, die wir aus der Langzeitarbeitslosigkeit herausholen müssen und für die wir Tätigkeiten an den Markt bringen müssen, die für diese Menschen geeignet sind. Da werden wir einen Spagat machen müssen sicherlich zwischen dem, was an entsprechenden Arbeitsplätzen hier entstehen kann und entstehen muss, auch an Einfachtätigkeiten, und was an Bezahlung am Markt möglich ist.

Dafür - das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen - ist ein Mindestlohn an vielen Stellen erforderlich. Die Tarifpartner sind gut beraten, diesen Mindestlohn, diese Lohnuntergrenze zu definieren. Diese Definition sollte auch so sein, dass wir möglichst über der Grundsicherung des SGB II zu liegen kommen, damit wir an dieser Stelle wirklich eine Existenzgrundlage

sichern, wohl wissend, dass Mindestlöhne, die Sie immer wieder in die Diskussion werfen, dieses Problem nicht lösen helfen, sondern dass dieses Problem letztlich in der Bedarfsgemeinschaft weiterhin nur durch Transferzahlungen abgearbeitet werden kann.

All das ist Ihnen doch bekannt. Sie wissen auch, dass wir viele Programme fahren, um gerade den von der Armutsdefinition betroffenen Personen aus ihrer jeweiligen Situation herauszuhelfen.

Wir wissen, dass Alleinstehende mit Kindern, mit einem Erziehungsauftrag verbunden, sehr schwierige Rahmenbedingungen haben bezüglich dessen, was gemacht werden muss. Da können Sie sich unsere Vielfalt an Fördermöglichkeiten ansehen.

Wir wissen, dass in Bedarfsgemeinschaften, in denen beide Lebenspartner in der Langzeitarbeitslosigkeit stecken und Kinder zu betreuen haben, unbedingt mindestens ein Lebenspartner in Arbeit kommen muss. Das werden wir bis zum Jahresende schaffen. So könnte ich das durchdeklinieren. Meine Redezeit ist leider zu Ende. Das wissen Sie alles.

Deswegen ist diese Armutsdiskussion, die Sie jetzt auf die Tagesordnung setzen, so wie Sie sie akzentuiert haben, eben nicht opportun, sondern sie ist einfach unfair auch gegenüber denen, die sich bemühen, dieses Problem aufzulösen.

Ich sage Ihnen auch: Wenn Sie sich unseren Landeshaushalt angucken und wissen, was uns in den nächsten Jahren landespolitisch blüht,

(Herr Tullner, CDU: Ganz genau!)

wenn Sie auf die Einsparnotwendigkeiten auf Bundesebene abzielen, dann kommen Sie zu dem Schluss, dass diese Diskussion völlig anders zu führen ist,

(Frau Grimm-Benne, SPD: Dann müssen Sie jetzt doch einmal intervenieren!)

nämlich über große Einsparnotwendigkeiten, die erforderlich sind, und dass wir dann gemeinsam, und zwar die, die die politische Verantwortung haben, darüber nachdenken sollten, wie wir das Thema Armut in diesem Zusammenhang nicht hintanstellen, sondern in das zentrale politische Agieren der Landesregierung stellen, wenn es darum geht, ihnen zu helfen. Das kann nur durch wirtschaftliche Entwicklung und über von den Tarifparteien organisierte Rahmenbedingungen möglich gemacht werden. Dafür stehen wir. Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen. Ich glaube, dass wir auch weiterhin Erfolg haben werden.

Ich bitte Sie abschließend noch einmal: Haben Sie Respekt vor der Lebensleistung der Menschen, die hier arbeiten.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Sprechen Sie uns das doch nicht ab!)

Sie haben inzwischen schon mehr bewirkt, als Sie wahrhaben wollen. Das ist das, was ich Ihnen ins Stammbuch schreiben möchte.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von Herrn Gebhardt, DIE LINKE, und von Frau von Angern, DIE LIN- KE - Abgeordneter Herr Gallert, DIE LINKE, mel- det sich zu Wort)

Vielen Dank, Herr Minister. - Der Abgeordnete Herr Gallert hat eine Nachfrage.

Oder eine Intervention. Das können Sie auffassen, wie Sie wollen.

Dann intervenieren Sie, bitte.

Wissen Sie, Herr Haseloff, natürlich respektiere und achte ich die Lebensleistung der Menschen in diesem Land Sachsen-Anhalt. Deswegen will ich mich nicht damit abfinden, dass die Leute hier in Niedriglohnjobs Leistungen erbringen, die sie nicht vergütet bekommen. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe mich aber wegen einer ganz anderen Geschichte gemeldet, damit das hier nicht im Raum stehen bleibt. Bei unserer Wirtschaftsförderung, die zu etwa 85 % auf die Investitionsförderung und zu maximal 15 % auf Lohnkostenzuschüsse entfällt, haben wir die folgende Situation in Sachsen-Anhalt: Lediglich bei den Lohnkostenzuschüssen wird eine Mindestentlohnung von 25 000 € Jahresbruttoverdienst zur Voraussetzung gemacht.

Für die große Summe der Investitionsförderung gibt es solche Fördervoraussetzungen nicht. Aber es wäre möglich. Denn es gibt schon jetzt bei der Investitionsförderung einen Bezug auf einen bestimmten qualitativen Grundsatz, und zwar hochwertige Frauenarbeitsplätze. Da sagt man, es gibt den Höchstfördersatz unter Umständen dann, wenn es sich um Frauenarbeitsplätze mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von mindestens 20 000 € handelt.

Wenn aber jemand lieber Umweltauflagen erfüllt, dann braucht er das nicht zu erfüllen, um die Höchstförderung zu bekommen.

Herr Haseloff, wenn das an der einen Stelle möglich ist, dann ist das immer möglich, dann können auch für die Investitionsförderung solche Kriterien eingeführt werden. Deshalb ist Ihre Aussage an dieser Stelle falsch.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Tullner, CDU: Das ist doch Spekulation!)

Herr Minister, Sie können gern darauf antworten. Bitte.

Ich möchte das noch einmal fachlich darstellen. Wenn wir Investitionsförderung machen, wollen wir Arbeitsplätze nach Sachsen-Anhalt holen. Wenn Sie sich einmal die strukturellen Gegebenheiten der Langzeitarbeitslosen anschauen, die wir in diese Arbeitsplätze bekommen wollen, dann werden Sie feststellen, dass wir eine Struktur von Arbeitsplätzen brauchen, die einigermaßen mit den Angebotsprofilen übereinstimmt. Das ist unser großes Problem.

Derzeit können wir viele Stellen, die wir fördertechnisch nach Sachsen-Anhalt geholt haben, gar nicht besetzen

und müssen Rückholaktionen machen, weil die Bewerber die Qualifikationsmerkmale für diese Hochlohnjobs nicht erfüllen. Deshalb brauchen wir auch einfache Tätigkeiten für Langzeitarbeitslose.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Weitere Fragen liegen mir nicht vor. Wir kommen dann zur Debatte. Bevor ich die Debatte eröffne, begrüße ich Damen und Herren der Selbsthilfegruppe der Diabetiker aus Burg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Als erster Debattenrednerin erteile ich der Abgeordneten Frau Take für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Take.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie erlauben, beginne ich meine Ausführungen mit einem Zitat: Wer sich für Benachteiligte einsetzt, sollte sich auch persönlich in Bescheidenheit üben. - So der Vordenker der LINKEN, André Brie.

Mir liegt es fern, gleich zu Beginn meiner Ausführungen eine Neiddebatte über Gehälter einzelner Mitglieder der LINKEN auszulösen; denn links sein darf man auch, wenn man nicht arm ist.

(Zurufe von der LINKEN)

Es vergeht aber kein Tag und keine Woche, in der wir nicht in populistischer Weise mit Forderungen der LINKEN nach höheren Mindestlöhnen, mehr Geld für Bedürftige, höheren Hartz-IV-Sätzen, gerechterer Entlohnung, Reichen- und Erbschaftsteuer, höheren Abgaben für Unternehmen, mehr Geld für Sozialleistungen und so weiter überzogen werden.

Die LINKE hat das Thema Armut für sich entdeckt. In Deutschland ist es leicht, über Armut zu reden. Noch leichter fällt es, wenn man nicht davon betroffen ist. So ist es hier und heute auch nicht verwunderlich, dass wir uns zu Beginn der Landtagssitzung mit einer Aktuellen Debatte auseinandersetzen müssen, die sich mit steigenden Armutsrisiken in Sachsen-Anhalt beschäftigt.

Vor dem Hintergrund des geplanten Sparpakets der Bundesregierung vermutet DIE LINKE schon einmal prophylaktisch, wie sich die gewiss nötigen Maßnahmen sozialpolitisch auf das Land auswirken, und verlangt sogleich eine Strategie zur Bekämpfung von Armut. Ich kann nicht feststellen, dass angesichts der Haushaltssituation des Bundes in unserem Land untragbare Zustände im Bereich des SGB II herrschen.

Des Weiteren bin ich Ihren Ausführungen sehr genau gefolgt, Herr Gallert. Ich habe von Ihnen nicht ein einziges Mal vernommen, dass Deutschland das beste Sozialsystem der Welt hat.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das stimmt auch nicht!)

Ich habe nicht einen einzigen Dank aus Ihrem Mund gehört, einen Dank an die Leistungsträger unserer Gesellschaft, einen Dank an die Unternehmen, die mit der Schaffung von Arbeitsplätzen die höchste soziale Verantwortung für die Sozialsysteme überhaupt haben, ein Dankeschön an die Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die rechtschaffen morgens zur Arbeit gehen und mit ihren Steuern und Abgaben dazu beitragen,

dass wir uns dieses hohe Niveau an Sozialstaat überhaupt leisten können.

(Zustimmung bei der CDU)

Wo bleiben Ihre anerkennenden Worte an die deutsche Politik, die es in schlimmsten Krisenzeiten durch kluge Maßnahmen geschafft hat,