Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Aktuell steht die Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes an. Ferner beabsichtigt die Bundesregierung, wiederum angestoßen durch einen Gesetzentwurf des Bundesrates zu Straßenpanoramen im Internet, den Schutz von Geodaten grundlegend zu regeln. Das Land wird an der Verbesserung des Datenschutzes intensiv mitarbeiten. Im Interesse der Rechtseinheitlichkeit wollen und werden wir aber nicht mit eigenen Regelungen vorpreschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleiches gilt für die Organisation der Datenschutzkontrolle im nichtöffentlichen Bereich, wobei ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2010 umzusetzen ist. Ich möchte dies insbesondere vor dem Hintergrund der Bemühungen um eine gemeinsame mitteldeutsche Lösung betonen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Land wird auch in Zukunft bei der Schaffung landesrechtlicher Vorschriften besonderen Wert auf die Beachtung des Persönlichkeitsschutzes legen. Anregungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz zu datenschutzfreundlicher Rechtsetzung werden, soweit möglich, aufgegriffen.

Einzelne Abgeordnete haben in der Stellungnahme der Landesregierung eine stärkere Auseinandersetzung mit kritischen Äußerungen des Landesbeauftragten vermisst. Hierfür gab es die in der Vorbemerkung der Stellungnahme der Landesregierung genannten Gründe. So war es schon aus Achtung vor diesem Hohen Haus nicht angezeigt, sich mit der Kritik des Landesbeauftragten an dem Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren auseinanderzusetzen.

Unser aller Anliegen ist die Gewährleistung eines effektiven Datenschutzes. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten die Landesregierung und der Landesbeauftragte für den Datenschutz eng und vertrauensvoll zusammen. Das Beste für den Datenschutz und damit für die Bürgerinnen und Bürger ist es nun einmal, wenn Landesregierung und Landesbeauftragter - bildlich gesprochen - an einem Strang ziehen, wohlgemerkt: in die gleiche Richtung!

Wie wichtig die Landesregierung die Arbeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz nimmt, zeigt dessen frühzeitige Einbindung in die Planung automatisierter Verfahren. Kritik wegen zu später Unterrichtung hat es für den Berichtszeitraum nicht gegeben. Ich finde, so soll es auch bleiben.

Gegenstand einer vertieften Beratung in den Ausschüssen waren Folgerungen aus einer nicht datenschutzgerechten Videoüberwachung im Justizzentrum Magdeburg. Hierzu kann ich Ihnen ergänzend mitteilen, dass Herr Professor Dr. Abel die angekündigte Handreichung zum Datenschutz in der Justiz in Kürze fertigstellen wird. Das Ministerium der Justiz plant, diese Handreichung Ende des Jahres vorzustellen und dann in seinem Geschäftsbereich zu verteilen. Vorher wird die Handreichung dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zur Kenntnis gegeben werden. - So weit meine Ausführungen. Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Innenminister. - Als erste Debattenrednerin spricht die Abgeordnete Frau Tiedge für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jahrelang konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Datenschutz etwas ist, was eigentlich nur die Datenschutzbeauftragten selbst interessiert. Aber insbesondere deren Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass dieses wichtige Thema in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt ist. Dafür sollten wir ihnen und natürlich insbesondere unserem Datenschutzbeauftragten Herrn Dr. von Bose danken.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Datenschutz war und ist eine wirkliche Puzzlearbeit. Ist ein Teilstück geregelt, tut sich ein anderes Problemfeld auf. Im Zeitalter der modernen Technik werden die Probleme stets diffiziler. Sind auf Länderebene datenschutzrechtliche Probleme erkannt und behoben worden, gibt es einen neuen Ansatz seitens der EU, der alles wieder infrage stellt.

So finanziert die EU seit Jahresbeginn ein Forschungsprojekt, welches alle bestehenden Überwachungstechnologien verbinden soll. Das Projekt, genannt „Indect“, soll es ermöglichen, dass alles gesehen und alles verfolgt werden kann. Das Projekt will bis zum Jahr 2012 eine Plattform entwickeln, die Videokameras biometrisch auswertet und die Bilder mit in Datenbanken gespeicherten Auffälligkeiten abgleicht. Darüber hinaus sollen fliegende Kameras eingesetzt werden, die autonom verdächtiges und anormales Verhalten erkennen - was immer man darunter auch verstehen mag. Entsprechende Personen sollen dann verfolgt werden. Datenschützer nennen das Projekt deshalb auch Bevölkerungsscanner und lehnen es ab.

Mit klassischer Verbrechensbekämpfung hat dies überhaupt nichts mehr zu tun. Das Projekt ist der Versuch, mit allen technischen Möglichkeiten in die Privatsphäre eines jeden Bürgers und einer jeden Bürgerin einzugreifen. Der Begriff der Unschuldsvermutung bleibt dabei völlig auf der Strecke. Die EU lässt sich dieses Projekt insgesamt 14,86 Millionen € kosten. Treffend

schreibt dazu Herr Dr. von Bose in seinem Bericht - ich zitiere -:

„Die gesellschaftlichen Auswirkungen der modernen Informations- und Kommunikationsgesellschaft einschließlich des sich daran beteiligenden Staates auf die Bedeutung der Privatsphäre und letztlich auch auf das Gemeinwesen insgesamt sind noch nicht absehbar. Dies gilt zumal für die digitale Revolution des Internets, das nichts mehr vergisst. Was wir gewinnen, was wir verlieren, das ist noch offen.“

An anderer Stelle heißt es - ich zitiere -:

„Selbstbestimmung ist eine elementare Funktionsbedingung des freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens. Selbstbestimmung und Privatheit werden nicht um ihrer selbst willen geschützt.“

Der Zeitraum des Tätigkeitsberichts umfasst die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. März 2009. Dabei stellte der Datenschutzbeauftragte fest, dass die Zahl der Eingänge und Anfragen wiederum angewachsen sei, auf insgesamt 3 730 im Jahr 2008. Dabei kommt er auch zu dem Fazit, dass bei verschiedenen Kontrollen und Vorgängen nicht selten ein unzureichendes Bewusstsein für Datenschutzbelange in Behörden, bei deren Leitungen und bei den Datenschutzbeauftragten festgestellt werden musste.

Folgende Empfehlungen wurden von ihm unter anderem erarbeitet: Normenklarheit und Normenbestimmtheit, Datensparsamkeit, strenge Zweckbindung bei Datenerhebung und -verarbeitung, Befristung und Evaluation von Eingriffsmaßnahmen, Förderung des Datenschutzbewusstseins und von Selbstdatenschutz sowie Transparenz bei der Datenverarbeitung - um nur einiges zu nennen.

Wie aktuell diese Punkte sind, zeigen die im Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss behandelten Vorkommnisse hinsichtlich gespeicherter Daten.

So verwundert es auch nicht, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz bereits im letzten Tätigkeitsbericht darauf hinwies, dass die Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden und dem Datenschutzbeauftragten in Teilen dadurch erschwert werde, dass für Stellungnahmen der Dienstweg über das Ministerium des Innern einzuhalten sei. Das kostet nicht nur Zeit, sondern wurde auch der Verpflichtung der öffentlichen Stellen zur Unterstützung des Landesbeauftragten nicht gerecht.

Nun wurde der Erlass nach Kritik des Landesbeauftragten für den Datenschutz zumindest vorläufig tragbar. Er verkennt aber nach wie vor, dass die öffentlichen Stellen verpflichtet sind, den Landesbeauftragten bei seiner Arbeit zu unterstützen, und er nicht nur - wie vom Innenminister formuliert - nicht behindert werden darf.

Nach wie vor wird der Datenschutzbeauftragte die Videoüberwachung auf dem Hasselbachplatz im Auge behalten. So wird er sich regelmäßig berichten lassen, welche Erkenntnisse bzw. Vorfälle zur Rechtfertigung der Videoüberwachung herangezogen werden - das auch mit Blick auf Berichterstattungen hinsichtlich der Videoüberwachungen in London, die letztendlich zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt haben.

Interessant waren auch die Ausführungen zu fehlenden Protokollierungen von Datenabfragen. Da tun sich immer

wieder Parallelen zu den Untersuchungsausschüssen auf.

Ein weiteres wichtiges Thema, auf das ich noch kurz eingehen möchte, ist die Frage nach Medienkompetenz und Datenschutzbewusstsein von Schülern. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in einer Resolution die zuständigen Minister der Länder aufgefordert, bei den Schülern den informationellen Selbstschutz und ein Datenschutzbewusstsein zu wecken und zu stärken und damit zu dokumentieren, dass Datenschutz zum Bildungsauftrag an Schulen gehört - und das nicht nur in den Fächern Moderne Medien und Informatik, sondern vor allem in den Fächern Sozialkunde, Rechtskunde und auch Ethik.

Meine Damen und Herren! Im Vorwort der Broschüre zur Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder heißt es - ich zitiere -:

„Diese Entwicklung hin zur allgegenwärtigen Datenverarbeitung hat aber auch ihre Kehrseite: Wir sind nie mehr wirklich allein und können unseren ‚Datenschatten’ nicht abschütteln. Wir haben zudem kaum eine Möglichkeit, diesen überhaupt zu bemerken.“

Eben auch dafür haben wir den Datenschutzbeauftragten, der jeden und jede von uns immer daran erinnert und den öffentlichen und hoffentlich auch bald den nichtöffentlichen Stellen sehr genau auf die Finger schaut. Dafür nochmals unseren herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke, Frau Tiedge. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kolze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Inzwischen ist es eine gute und begrüßenswerte Praxis in diesem Hohen Hause geworden, über den Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz zu debattieren. Wir entsprechen damit nicht nur und gern dem hohen Anliegen unseres Kollegen Kosmehl von der FDP, der dies in der Vergangenheit vehement forderte.

Der Datenschutz gewinnt in der heutigen Zeit mehr und mehr an Bedeutung. Dabei danke ich ausdrücklich unserem Landesdatenschutzbeauftragten, Herrn Dr. von Bose, für seine ausführliche, gute Arbeit und seine einprägsamen Berichterstattungen im Ausschuss für Inneres sowie im Ausschuss für Recht und Verfassung, denen ich jeweils beiwohnen durfte. Herrn Dr. von Bose ist es gelungen, in seinem Bericht Problemlagen aufzuzeigen, aber auch Problembereiche, die in seinem letzten Bericht erwähnt worden sind, hinsichtlich ihrer Lösungsansätze zu erläutern.

Besonders begrüßenswert ist die von ihm angesprochene gute Zusammenarbeit zwischen dem Landesdatenschutzbeauftragten und den einzelnen Ministerien. Der Datenschutz darf in der heuten Zeit nicht zu klein geschrieben werden. Die Gesellschaft geht oftmals allzu leichtfertig mit der Weitergabe von personenbezogenen Daten um, was letztendlich dazu führt, dass jeder Einzelne gläserner wird. Ferner folgt daraus, dass kriminellen Aktionen, die heutzutage allein schon aufgrund der

unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten durchgeführt werden können, Vorschub geleistet wird.

Meine Damen und Herren! Im alltäglichen Leben wird man häufig dazu aufgefordert, seine Daten preiszugeben. Vorschnell ist man bereit, darüber Auskünfte zu geben, schon aus dem Gedanken heraus, nichts zu verbergen zu haben. Aufklärung ist hierbei wichtig. Der Umgang mit den eigenen Daten durch Dritte erfolgt nicht immer vertrauensvoll. Die Sensibilisierung hinsichtlich des Datenschutzes ist bereits bei Kindern und Jugendlichen unerlässlich und sollte nicht als Nebensächlichkeit untergehen. Unser Grundgesetz gewährleistet das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Staat hat damit die Verpflichtung, den Schutz jedes Einzelnen vor ungerechtfertigten Eingriffen sicherzustellen.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Aktuelle Rechtsprechung, zum Beispiel die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung, oder auch Maßnahmen im Rahmen der nicht unumstrittenen Street-View-Aktion zeigen auf, wie gravierend der Datenschutz und der Übergriff Dritter auf höchstpersönliche Daten und Angelegenheiten zum Streitgegenstand werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitglieder des Ausschusses für Inneres können sich gut daran erinnern, dass wir intensive Beratungen zum Zensusgesetz durchgeführt haben. Die im kommenden Jahr durchzuführende Volkszählung ist nicht unumstritten und muss bestimmte Anforderungen an den Umgang mit den Daten unserer Bürger erfüllen. Das Statistische Landesamt und der Landesbeauftragte für den Datenschutz stellen sicher, dass der Zensus 2011 ohne datenschutzrechtliche Beanstandungen durchgeführt werden kann. Auch hierfür meinen Dank an Herrn Dr. von Bose.

Die von Herrn Dr. von Bose gegebenen Hinweise hinsichtlich der Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes und gegebenenfalls anstehender Änderungen landesrechtlicher Vorschriften werden wir in weiteren Beratungen in den Ausschüssen verfolgen, um datenschutzrechtlichen Bedenken frühzeitig entgegentreten zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schließe mich der Beschlussempfehlung der Ausschüsse für Inneres sowie für Recht und Verfassung an und empfehle dem Landtag, den neunten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz zur Kenntnis zu nehmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kosmehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Kolze, ich möchte Ihnen ausdrücklich zu der wohl datenschutzfreundlichsten Rede, die ich von Ihnen in den letzten acht Jahren gehört habe, gratulieren. Ich unterstütze sie natürlich ausdrücklich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In bewährter Tradition befasst sich das Hohe Haus heute mit dem

neunten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Auf der einen Seite kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der Datenschutz in den letzten Monaten ein viel diskutiertes Thema ist. Insbesondere der Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich - Google Street View, um ein prominentes Beispiel zu nennen - steht im gesellschaftlichen Fokus.

Hier ist selbstverständlich auch auf die Diskussion auf Bundesebene zum Arbeitnehmerdatenschutz einzugehen, der insbesondere auch durch die Skandale bei einzelnen Firmen, wie Deutsche Bahn und Telekom, in der breiten Öffentlichkeit Beachtung findet. Die Bundesregierung hat hierzu meiner Meinung nach einen guten Entwurf vorgelegt, um die Datenschutzrechte der Arbeitnehmer effektiv zu stärken.

Auf der anderen Seite, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir immer noch feststellen, dass immer mehr Bürger freiwillig persönliche Daten preisgeben, etwa bei sozialen Netzwerken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die vom Kollegen Kolze angesprochene Vorratsdatenspeicherung war ein Thema und wird - wie ich die Kollegen von der CDU kenne - irgendwann wieder ein Thema werden.

Sehr geehrter Herr Dr. von Bose, ich möchte Ihnen an dieser Stelle ganz herzlich für den gewohnt ausführlichen und fundierten Tätigkeitsbericht für den Zeitraum April 2007 bis Ende März 2009 danken.