Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Wir dürfen auch nicht vergessen, meine Damen und Herren, dass die meisten freien Berufe Dienstleistungen in Kernbereichen des öffentlichen Interesses anbieten. Sie tun dies häufig in strukturschwachen, wirtschaftlich weniger attraktiven Regionen.

Die Landesregierung verweist in ihrer Antwort darauf, dass es eine durchaus sehr differenzierte Entwicklung bei den freien Berufen gebe. Über manche Antworten kann man sich aber dennoch durchaus wundern.

Frage 4 betraf die Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Antwort lautete - Zitat -:

„Die Auftragslage sowie die Umsatz- und Gewinnentwicklung infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise wirken in den freien Berufen nur marginal. Umsatz- und Ertragsentwicklung sind stark konjunkturabhängig.“

Wie nun? Ist die Umsatzentwicklung nun konjunkturbedingt oder nicht oder wirkt die Konjunktur nur marginal?

Wenn Sie einmal mit Vertretern der freien Berufe sprechen, und zwar nicht anlässlich von Großen Anfragen, dann werden diese Ihnen deutlich sagen, wie sie sich in den letzten beiden Jahren gefühlt haben.

Die Frage 17 nach der differenzierten wirtschaftlichen Situation bei den freien Berufen dürfte es nach den Fragen 4 und 5 gar nicht geben; denn wir haben gerade gehört, dass alles nur marginal sei und die Finanz- und Wirtschaftskrise kaum negative Auswirkungen auf die Lage der freien Berufe gehabt habe.

Dann die Frage: Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um unfairen und volkswirtschaftlich schädlichen Wettbewerb in diesen Bereichen zu verhindern? - Das ist eine gute Frage.

Dazu erhebt sich natürlich die Frage: Gibt es überhaupt Hinweise auf einen solchen schädlichen Wettbewerb? - Der Hinweis, wir haben ja eine HOAI, wir haben eine Gebührenordnung, ist an dieser Stelle wenig hilfreich. Wir sind der Ansicht, dass vernünftige Vergabeordnungen und Gesetze, die gegen Preisdumping vorgehen, viel wirksamer sind als die HOAI und die Gebührenordnung, die eben kein Argument gegen Dumpingangebote und Niedriglöhne in diesem Bereich sind.

Die Frage 6 nach dem demografischen Wandel und der Fachkräftesituation: Dazu gibt es sicherlich großen Diskussionsbedarf in der nächsten Zeit. Nicht nur in diesem Bereich der freien Berufe, sondern auch in anderen Berufsgruppen sollten die Fragen des demografischen Wandels eine große Rolle spielen. Beim Lesen der Antwort auf die Frage 20, erneut nach dem Fachkräftebedarf, wusste ich aber dennoch nicht, ob ich lachen oder fluchen sollte. Zitat:

„So kann auf Basis der vorliegenden Statistik zwar festgestellt werden, dass quantitativ ausreichend Fachkräfte in den Gesundheitsdienstberufen vorhanden sind und auch zukünftig sein werden. Mögliche Fachkräfteengpässe zum Beispiel bei bestimmten Fachärzten oder Hausärzten in ländlichen Regionen können hingegen auf Basis dieser Betrachtung nicht ausgeschlossen werden.“

Ich frage mich: Wo leben denn die Antwortgeber an dieser Stelle? Das ist kein künftiges Problem; das ist bereits ein aktuelles Problem.

Ebenso belustigt hat mich die nächstfolgende Aussage - Zitat -:

„Ebenfalls unberücksichtigt in dieser quantitativen Betrachtung sind Schwierigkeiten, die sich beim Zusammenfinden von Fachkräften und Arbeitgebern ergeben. So ist es denkbar, dass es zwar quantitativ ausreichend geeignete Fachkräfte für die Besetzung einer Stelle im Land gibt, diese aber aus unterschiedlichen Gründen entsprechende Stellen nicht antreten können.“

Aus der Belustigung beim Lesen der Antwort ist jedoch Ärger entstanden, nämlich Ärger darüber, wie die Landesregierung auf Fragen, die aus dem Parlament heraus gestellt werden, antwortet. Nach meiner Auffassung zeigen solche lapidaren Antworten die Unfähigkeit der Antwortgeber, die existenziellen Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land zu erkennen und tatsächlich politisch begleitende Lösungen anzubieten.

Herr Franke hat Recht. Sie haben gesagt, dass das soziale Umfeld ausschlaggebend dafür ist, wie viele ausgebildete Ingenieure weggehen. Die Zahl von zwei Dritteln regt einen wirklich zum Nachdenken an. Für unsere Fraktion ist eigentlich klar: Von den politischen Mehrheiten in diesem Land wurde die politische Begleitung der schrittweisen Erhöhung der Attraktivität der Arbeitsplätze kontinuierlich vernachlässigt. Gute Bezahlung, familienfreundliche Gestaltung und Karrierechancen nicht nur für Ingenieure - in dieser Hinsicht sind die Arbeitsmarktchancen in Sachsen-Anhalt wenig attraktiv.

Was die Entwicklung der freien Berufe betrifft, so repräsentiert diese sicherlich nur einen kleinen Teil der Gesamtentwicklung in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Es fällt aber auf, dass die Landesregierung den Fachkräftebedarf in diesem Bereich in den kommenden Jahren recht gelassen reflektiert nach der Devise: Wird alles schon nicht so schlimm werden. Wir bilden ja genügend Leute aus.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt aber nicht! Das ist nicht zutreffend!)

Aus unserer Sicht ist es eine vorrangige Aufgabe, bessere Vorsorge zu betreiben. Das beginnt bei der Qualität der schulischen Bildung und bei der Sicherung der Ausbildungs- und der Studierfähigkeit. Dabei darf man nicht nachlassen. Das betrifft nicht nur die akademische ingenieurwissenschaftliche Ausbildung, über die derzeit eine spannende Debatte im Land entstanden ist.

Zwei kurze Bemerkungen noch zu dem Restauratorengesetz, Herr Franke, weil Sie es noch einmal angesprochen haben. Wir haben uns bei dem Fachverband über die Antwort erkundigt, die die Landesregierung auf die entsprechende Frage gegeben hat, dass es in SachsenAnhalt bislang keine negativen Erfahrungen gebe, dass

Kulturgüter unsachgemäß behandelt worden seien. Das hat beim Fachverband doch etwas zu Erstaunen und Zurückweisung geführt.

Im Übrigen geht es mit diesem Gesetz nicht um 32 Restauratorinnen oder Restauratoren,

(Zuruf von der FDP: 62!)

sondern es geht um eine generelle gesetzliche Regelung zum Kulturschutzgut in Sachsen-Anhalt und zu denen, die an dieser Aufgabe mitwirken. Das sind mehr als 62, die es betrifft.

Letzte Frage. Herr Gürth, Sie hatten die Tierärztekammer angesprochen. Zwar hatten Sie das Thema angesprochen, jedoch keine Antwort gegeben. Die Fraktion DIE LINKE unterstützt das, was die Tierärztekammer fordert, nämlich dass die Zuständigkeit bezüglich dieser Dinge - alles, was gesundheitliche, verbraucherrechtliche Fragen betrifft - auf ein Ministerium konzentriert wird. Das ist die konkrete Antwort, um die sich die Regierung gedrückt hat.

Das Kredo am Ende, meine Damen und Herren - auch hier noch einmal ein Zitat -:

„Insgesamt beurteilt die Landesregierung die zukünftigen Berufsaussichten in den freien Berufen als gut. Dies setzt natürlich voraus, dass die in freien Berufen Tätigen sich an die geänderten Herausforderungen infolge des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozesses anpassen.“

Leider hat es die Landesregierung verpasst, ihre Definition von bevorstehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozessen vorzustellen. Nachhaltigkeit allein reicht hier nicht aus. Wir als LINKE bezeichnen diese notwendigen Transformationsprozesse als sozial-ökologischen Umbau dieser Gesellschaft und freuen uns über die aktive Teilnahme von Vertretern der freien Berufe an diesen Prozessen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Thiel. - Die CDU hat das Schlusswort. Herr Gürth, Sie verzichten, wie ich die Sache einschätze.

(Herr Gürth, CDU: Nicht reden! Handeln! - Oh! bei der SPD)

- Gut, Sie wollen handeln.

Meine Damen und Herren! Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage angelangt. Beschlüsse werden entsprechend § 43 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Der Tagesordnungspunkt 2 ist abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde - Drs. 5/2789

Entsprechend unserer Geschäftsordnung findet monatlich die Fragestunde statt. Es liegen Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Drs. 5/2789 sieben Kleine Anfragen vor.

Ich rufe den ersten Fragesteller, den Abgeordneten Czeke, DIE LINKE, auf. Die Frage 1 betrifft das Thema EU

Schulobstprogramm. Die Antwort erteilt der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Aeikens. - Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 ist das EUSchulobstprogramm in Sachsen-Anhalt angelaufen. Wie den Angaben des Landwirtschaftsministeriums zu entnehmen war, war die Nachfrage deutlich höher als eingeschätzt. Einige Regionen und Landkreise im Land wurden gar nicht bedacht, so zum Beispiel Gardelegen und Wittenberg.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wurden die am EU-Schulobstprogramm teilnehmenden Kitas und Grundschulen ausgewählt? Welche Informationen gab es wann im Vorfeld für die Einrichtungen?

2. Welche Vorbereitungen hat die Landesregierung getroffen, um die Weiterführung im kommenden Schuljahr unter verbesserten Bedingungen zu gewährleisten?

Herr Dr. Aeikens, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Fragen des Herrn Abgeordneten Czeke namens der Landesregierung wie folgt.

Für das Schulobstprogramm in Sachsen-Anhalt stehen im Schuljahr 2010/2011 Haushaltsmittel in Höhe von 566 900 € zur Verfügung. Von der Europäischen Union werden 75 %, insgesamt 425 200 € getragen. Das Land trägt einen Anteil von 141 700 €.

Es war bekannt, meine Damen und Herren, dass mit diesen Mitteln nur ca. 10 000 von ca. 90 000 berechtigten Kindern in Grund- und Förderschulen sowie Kindertagesstätten Sachsen-Anhalts pro Schuljahr berücksichtigt werden konnten, wenn fünf Portionen Obst und Gemüse in der Woche ausgegeben werden. Wegen der großen Nachfrage haben wir uns für nur drei Portionen wöchentlich entschieden, sodass in diesem Schuljahr in Sachsen-Anhalt ab Schuljahresbeginn 15 000 Kinder in 245 Kindertagesstätten, Grund- und Förderschulen am EU-Schulobstprogramm teilnehmen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Diese Einrichtungen werden von 25 Unternehmen an drei Tagen in der Woche mit Obst und Gemüse beliefert. Die Bewilligungsbescheide lagen zu Schuljahresbeginn pünktlich vor. Allerdings muss man auch bilanzieren: Für 60 000 Kinder wurden keine Anträge gestellt. Die Anträge waren auch nicht gleichmäßig über das Land verteilt.

Zur Frage 1 im Detail: Die EU-Verordnung schreibt für das Schulobstprogramm ein kompliziertes Verwaltungsverfahren vor. In Sachsen-Anhalt wurde das Bewilligungsverfahren nach unserer Auffassung so einfach wie möglich gestaltet.

Folgende Regelungen sind in Sachsen-Anhalt vorgeschrieben: Händler und Produzenten - sogenannte Liefe

ranten - benötigen eine Zulassung als Schulobstlieferant. Die zugelassenen Lieferanten treffen dann mit Kindertagesstätten, Schulen und Trägern Vereinbarungen zur Lieferung des Schulobstes. Die Lieferanten beantragen die Schulobstbeihilfe und finanzieren das Schulobst vor. So - das war uns wichtig - entsteht keine Belastung der Schule oder des Schulträgers mit Abrechnungen. Die Lieferanten rechnen die gelieferten Portionen monatlich rückwirkend beim Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Süd als zuständige Stelle ab und erhalten nach Prüfung die Beihilfe erstattet.