Protokoll der Sitzung vom 19.10.2006

Ich freue mich natürlich darüber, dass unser Antrag - ohne dass ein Änderungsantrag oder ein Alternativantrag eingebracht worden ist - eine breite Zustimmung in diesem Hohen Hause findet.

(Herr Gürth, CDU: Das ist die gute Parlaments- kultur der Bürgerlichen!)

- Herr Gürth, das wird sich zeigen; denn die Fragen, die ich heute gestellt habe, haben relativ wenige Antworten gefunden.

(Minister Herr Bullerjahn: Ich hätte vorher den Text wissen müssen!)

- Herr Minister Bullerjahn, es tut mir leid. Ich kann immer wieder aus den Ausschussprotokollen zitieren. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Deswegen habe ich heute meine Fragen dezidiert vorgetragen und erwarte auch Antworten. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, weil unter Umständen Geschäftsgeheimnisse offenbart werden müssen, bin ich trotzdem daran interessiert, auf meine Fragen eine konkrete Antwort zu bekommen.

Deshalb sollten wir einen gemeinsamen Weg finden, egal ob man über Schlachtschiffe, über Kreuzer, über kleine Segelschiffe oder über Rettungsboote redet. Ich weiß nicht, ob die IBG mit einem Landesvermögen von 140 Millionen € ein Rettungsboot ist. Darüber können wir im Finanzausschuss beraten.

(Herr Tullner, CDU: Dort sind Sie nicht Mitglied!)

Es gibt ein Problem bei den Aussagen, die Herr Miesterfeldt getroffen hat. Er hat gesagt, wir sollten darüber in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Dezember beraten.

Meine Damen und Herren! Versuchen wir zu erfassen, in welcher Phase wir uns befinden. Nach meinem Kenntnisstand ist es derzeit so, dass mit potenziellen Bietern geredet wird, dass die Ausschreibungsunterlagen bearbeitet werden und dass die letzte Runde eingeleitet worden ist. In etwa vier Wochen, sprich Mitte November, ist die Ausschreibung schon beendet und der Bieter steht fest.

Herr Miesterfeldt, wir können in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 20. Dezember 2006 gern darüber reden. Aber zu diesem Zeitpunkt ist das Thema bereits erledigt. Das ist das, was mir an dieser Stelle Sorgen bereitet, nämlich dass diese Angelegenheit mit einer großen Hast durchgezogen wird und wir im parlamentarischen Rahmen erst darüber sprechen, wenn die Entscheidungen längst gefallen sind. Das ist das, was mir missfällt.

Ich mache an dieser Stelle, Herr Minister Paqué - ehemaliger Minister Paqué -, als Linksliberaler in den Farben von Sachsen-Anhalt immer wieder geltend, dass wir uns natürlich gegen solche Vorgehensweisen wenden. Es ist mir schon klar, dass Sie die Linie begrüßen, die Herr Bullerjahn weiterführt; denn Sie haben sie eingeleitet.

Darüber lohnt es sich im Ausschuss zu diskutieren. Ich freue mich auf die Debatte. Vielen Dank dafür, dass Sie unserem Antrag zustimmen werden.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Ich danke Herrn Dr. Thiel. - Gibt es weitere Wortmeldungen? - Das sehe ich nicht.

Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/279. Eine Überweisung ist meines Wissens nicht beantragt worden. - Gibt es den Wunsch, diesen Antrag in die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit sowie für Finanzen zu überweisen? Herr Dr. Thiel, Sie sind der Antragsteller.

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Ich habe aus- drücklich gesagt, dass wir es im Wirtschaftsaus- schuss und mitberatend im Finanzausschuss be- handeln wollen!)

Jetzt stimmen wir über die Überweisung in den Wirtschaftsausschuss ab.

(Zurufe: Nein!)

- Also ich lasse über den Antrag, so wie er ist, abstimmen. Ich habe deshalb gefragt, ob jemand die Überweisung des Antrages wünscht.

(Zuruf: Direkte Abstimmung!)

- Wir stimmen jetzt direkt über die Drs. 5/279 ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Ich erspare mir die Gegenprobe. Damit ist dem Antrag zugestimmt worden. Das Thema wird in den Ausschüssen für Finanzen sowie für Wirtschaft und Arbeit behandelt werden. Der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Da wir sehr gut in der Zeit liegen, habe ich die Bitte, den Punkt 20 - Wahl von Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern im Stiftungsrat der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt -, der in der morgigen Sitzung als letzter Punkt behandelt werden sollte, in die heutige Tagesordnung aufzunehmen. Ich schlage vor, über den Tagesordnungspunkt 20 nach dem Tagesordnungspunkt 16 und vor dem Tagesordnungspunkt 17, den wir heute als letzten behandeln wollen, zu beraten. Sind Sie damit einverstanden? - Dann verfahren wir so.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Beratung

Revolvierendes Mikrodarlehen mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/280

Einbringer ist ebenfalls Herr Dr. Thiel von der Linkspartei.PDS. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, aber Sie müssen mich zum zweiten Mal erdulden; die Tagesordnung hat es so vorgesehen.

Das Thema, dem wir uns heute zuwenden wollen, hat uns im Landtag schon mehrfach beschäftigt. Ich erinnere mich an viele Debatten - auch in der vierten Legislaturperiode - zu dem Thema Existenzgründung, die wir in diesem Hause geführt haben.

Wir werden nicht müde, immer wieder zu betonen, wie wichtig uns dieses Thema ist. Für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt ist es notwendiger denn je, die Basis der Unternehmen zu verbreitern und die Selbständigenquote zu erhöhen.

Es gibt im Land eine Vielzahl von Aktivitäten, auf die wir durchaus verweisen können, zum Beispiel die ego-Existenzgründeroffensive unter Beteiligung von ego-Piloten, Landkreisen, kreisfreien Städten, Kammern und Wirtschaftsverbänden, Banken und Sparkassen.

Mit dem Netzwerk Univations wird das Ziel verfolgt, Ausgründungen aus dem Hochschulbereich zu fördern. Es gibt einen Businessplanwettbewerb der Hochschule Magdeburg-Stendal. Mehr als 1 Million € werden im Wettbewerb an Landkreise vergeben, bei denen in den letzten Jahren die meisten Existenzgründungen durchgeführt worden sind.

Business Angels unterstützen mit ihren Erfahrungen junge Unternehmer bei ihren ersten Schritten. RKW, TGZ und eine Vielzahl von Beratungsunternehmen unterschiedlicher Couleur runden das Bild ab.

Fazit: Es wird nicht wenig Geld investiert, um Existenzgründer in der schwierigen Startphase zu begleiten. Man kann es aber auch so formulieren: Es hat sich eine filigrane Beratungsindustrie entwickelt. Es ist zu überlegen, ob zu viele Berater nicht des „Existenzgründers Tod“ sind. Darüber wollen wir jedoch heute nicht sprechen.

Unsere Aufgabe als Politiker ist vor allem, die Menschen zu ermutigen, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Dabei geht es nicht nur um jene Gründerinnen und

Gründer, die entweder arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, sondern wir müssen uns stärker auch jenen zuwenden, die aus abhängiger Beschäftigung mit einem gut ausgestatteten Know-how und Netzwerkkenntnissen den Weg in die Selbständigkeit wagen.

Aber Ermutigung ist nur die eine Seite der Medaille. Mit einer guten Idee ist der Markt noch nicht erobert. Es müssen auch Bedingungen vorhanden sein, dass sich Ideen am Markt durchsetzen können, dass Leistungen nachgefragt und nicht nur Angebote unterbreitet werden.

Bereits im Mai 2004 haben wir im Landtag sehr dezidiert über das Gründungsgeschehen diskutiert. Als eines der Haupthindernisse war und ist noch heute der Finanzierungsbedarf in der Startphase zu sehen. Wir hatten auf eine Studie der KfW verwiesen, die Folgendes zum Finanzbedarf aussagte - diese Aussage hat nach wie vor Gültigkeit -: Etwa 40 % der Gründer im Voll- und Nebenerwerb benötigen finanzielle Mittel von maximal 1 000 €. Drei Viertel der neuen Selbständigen mit einem Finanzierungsbedarf ab 1 000 € benötigen Mittel in Höhe von maximal 25 000 €. Nur 12 % benötigen Mittel in Höhe von mehr als 50 000 €.

Die geringe Eigenkapitaldecke und die restriktive Kreditvergabe durch die Banken sind ein andauerndes Problem, und das nicht nur für die bestehenden KMU, sondern auch für diejenigen, die Unternehmen neu gründen wollen. Vielfach sind Ideen vorhanden, aber aufgrund der geringen Betriebsgröße des geplanten Unternehmens erhalten viele Gründungswillige am Kapitalmarkt keine Kredite.

Sicherlich kann man es sich einfach machen und sagen: Wer keine 10 000 € bereitstellen kann, der sollte auch kein Unternehmen gründen. Aber genau diese Denkweise ist nach meiner Auffassung zu einfach. Immer wieder müssen kleine und Kleinstunternehmen aufgeben, weil ihnen ein paar Tausend Euro für die Überbrückung eines Engpasses fehlen.

Die aktuellen Förderprogramme des Landes orientieren sich an den traditionellen Finanzierungsmustern, nach denen Kredite vor allem für mittel- und langfristige Investitionen genutzt werden sollen. Die Kredite sollten deshalb eine etwa der Abschreibungszeit entsprechende Laufzeit haben. Sie sollten ein Teil der Gesamtfinanzierung sein und, um vorzeitige Bindungen an Risiken zu vermeiden, vor Beginn des Vorhabens beantragt werden. Nachfinanzierungen werden meist als Signal einer Risikoverschlechterung betrachtet und demzufolge in Förderprogrammen ausgeschlossen.

Aus der Sicht des Unternehmers führt dieses Finanzierungsmuster nicht selten zu einer Verschuldung, die den aktuellen Finanzbedarf übersteigt und im Falle des Scheiterns den Unternehmer mit entsprechenden Belastungen zurücklässt. Für die Banken ist nun einmal ein großer Kredit rentabler als mehrere kleine Kredite. Deshalb bedeutet dieses Vorgehen auch für sie ein unnötig hohes Risiko, nur um die Bearbeitungskosten niedrig zu halten.

Diese Bedingungen sind vermeidbar, so denke ich. In Sachsen-Anhalt klafft noch eine zu große Lücke im Bereich von 5 000 bis 20 000 €.

Mit Stand vom April 2006 verweisen die Merkblätter unserer Investitionsbank auf mehrere Möglichkeiten: Startgeld und Mikrodarlehen in der Größenordnung von 5 000 bis 25 000 €, Gründerdarlehen ab 20 000 €.

Die mit unserem Antrag zu erfassende Zielgruppe liegt etwa im Bereich bis zu 10 000 €. Der Unterschied zu den Mikrodarlehen der IB, die im Wesentlichen aus der KfW kommen, besteht darin: Wir favorisieren eine Mittelvergabe ohne die Hausbank. Wir wollen einen festen Zinssatz von ungefähr 5 %, der eine sichere Kalkulation erlaubt. Momentan laufen die KfW-Zinssätze bereits bei über 9 % ein. Es sind nach unserer Auffassung keine Sicherheiten über die übliche Schufa-Erklärung hinaus notwendig.

In der gestrigen Sitzung des IB-Beirates wurden konkrete Zahlen auf den Tisch gelegt. Für Startgeld und Mikrodarlehen wurden im Jahr 2004 elf Zusagen erteilt. Nach einer Intervention vor allem der damaligen Landesregierung hat sich diese Zahl erfreulicherweise erhöht. Im Jahr 2005 waren es 65 Zusagen, bis Ende September 2006 sind es sogar schon 67 Zusagen. Man rechnet damit, dass wir in diesem Jahr etwa 100 Gründer mit diesen Darlehen bedienen können.

Das Land Sachsen-Anhalt ist damit im Ranking für KfWProdukte dieser Kategorie auf Platz 6 in Deutschland angekommen. Vielleicht erreichen wir mit unserem Vorhaben einen noch besseren Platz - nicht wegen des Rankings der KfW, sondern weil wir vielleicht mehr Existenzgründern geholfen haben.

Der Unterschied zu der bisherigen Vorgehensweise im Land besteht darin, dass wir vorzugsweise eine Finanzierung über ESF-Mittel im Bereich der operationellen Programme vorschlagen. Eine Ausfallbürgschaft oder eine Risikoabsicherung ist nicht erforderlich, da es sich ohnehin um verlorene Zuschüsse handelt.

Natürlich würden wir es begrüßen, wenn Mittel für diesen Fonds auch aus anderen Bereichen bzw. Maßnahmen bereitgestellt würden, die sich mit der Förderung von Existenzgründungen beschäftigen. Fast 100 Millionen € stehen in der gesamten EU-Förderperiode zur Verbesserung der Startchancen von Existenzgründern im Land Sachsen-Anhalt zur Verfügung.

Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern, aus Sachsen und aus Thüringen genutzt werden, die seit einiger Zeit diese Möglichkeiten der Finanzierung aus dem Europäischen Sozialfonds bewerkstelligen. 75 % der Mittel kommen dabei von der EU, 25 % sind Landesmittel.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde beispielsweise seit der Einführung im Jahr 2004 mehr als 400 Anträgen auf solche Darlehen entsprochen. Bei einer durchschnittlichen Größe von etwa 8 000 € pro Kredit wurden insgesamt 3,3 Millionen € an Krediten bewilligt.