Protokoll der Sitzung vom 19.10.2006

In Mecklenburg-Vorpommern wurde beispielsweise seit der Einführung im Jahr 2004 mehr als 400 Anträgen auf solche Darlehen entsprochen. Bei einer durchschnittlichen Größe von etwa 8 000 € pro Kredit wurden insgesamt 3,3 Millionen € an Krediten bewilligt.

Das Darlehensprogramm umfasst dort ein zweistufiges Verfahren, die Entscheidung durch einen Bewilligungs- oder Ablehnungsbescheid und den Abschluss eines Darlehensvertrages nach der Maßgabe der De-minimisRegelung. Natürlich erfolgt eine Bewilligung nur für die Branchen und Bereiche, die auch sonst den landesüblichen Kriterien für die Fördermittelvergabe entsprechen. Es wird natürlich auch Ausfälle geben; aber die bisherigen Erfahrungen gehen dahin, dass die Mehrzahl der Kreditnehmer die Tilgungen bis dato leisten konnte.

Wir sprechen hier über Maßnahmen, die von der EU bereits genehmigt sind, bei denen es also keiner erneuten Notifizierung bedarf.

Im Gespräch mit dem zuständigen Referatsleiter Herrn Dufreil während eines Arbeitsbesuches des Europa- und

Medienausschusses im September hatte dieser ausdrücklich die Einführung solcher Vorhaben begrüßt, auch unter der Maßgabe, dass revolvierende Fonds gebildet werden, die im Land immer wieder für diese Zwecke eingesetzt werden können, gerade wenn die Mittel aus Brüssel zurückgehen werden.

Im Land werden derzeit weitere Konzepte für solche revolvierenden Fonds erarbeitet. Es soll einen KMU-Darlehensfonds geben, einen Investitionsfonds für Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, einen Landesfonds für Infrastruktur und Umwelt, Schulbauförderung etc. Das sind alles Vorhaben, die derzeit durch die Investitionsbank geprüft und mit den zuständigen Gremien beraten werden sollen.

Wir wollen mit diesem Antrag keinen Nobelpreis gewinnen, würden uns aber über eine Überweisung in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Finanzen zur Mitberatung freuen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Dr. Thiel, vielen Dank für die Einbringung. - Wir haben auf der Tribüne als Gäste Damen und Herren der städtischen Volkshochschule Magdeburg und Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Oschersleben. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Landesregierung nimmt das Wort Minister Dr. Haseloff. Bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Herr Thiel, Sie haben schon eine ganze Reihe von Fakten herübergebracht. Die Statistiken stimmen natürlich; sie sind teilweise von uns zugearbeitet worden. Ansonsten hatten Sie hervorragende eigene Quellen, die Sie nutzen konnten. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Das Zweite, was ich an dieser Stelle sagen möchte, ist: Sie haben schon auf die große Komfortabilität der verschiedenen Darlehensmöglichkeiten hingewiesen, die innerhalb der Kapitalbereitstellung kaum noch eine Lücke aufweisen, die allerdings von den Konditionen her - darin gebe ich Ihnen Recht - für die Existenzgründer schon ein Problem darstellen können.

Dieses haben wir ernst genommen. Deshalb sind wir mit dem Kollegen Maas von der Investitionsbank zurzeit dabei, darüber zu sprechen, inwieweit wir ein Produkt der KfW so zinsverbilligen, dass wir faktisch mit einem symbolischen Eigenanteil die Existenzgründung so attraktiv gestalten, dass auch finanziell sehr schwach ausgerüstete Gründungswillige davon partizipieren können.

Darüber können wir auch gern im Ausschuss sprechen. Ich würde dort gern eine Information geben, damit Sie wissen, dass wir dieses Tableau weiterhin qualifizieren, mit unseren Instrumenten verzahnen und damit attraktiver machen.

Sie sprechen aber im Sinne der Erweiterung der Möglichkeiten ganz konkret die Möglichkeit der Einbeziehung des ESF an. Das ist legitim. Ich kann Ihnen auch sagen, dass wir bei der sehr kooperativen Erarbeitung des Koalitionsvertrages lange über dieses Thema gesprochen haben und uns vorgenommen haben, an diesen Stellen

etwas zu tun, einschließlich der Möglichkeit, daraus revolvierende Fonds erwachsen zu lassen. Wir sind dabei, mit der Europäischen Union eine ganze Reihe von klärenden Gesprächen zu führen, damit wir hier weiterkommen.

Sie heben aber jetzt ganz konkret auf die schon existenten Möglichkeiten ab und fühlten sich auch bestärkt durch einen - so habe ich es wohl akustisch richtig verstanden - Europaabgeordneten, der zumindest Ihnen gesagt hat: Macht das, tut das und realisiert das!

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Herr Dufreil, der zuständige Mitarbeiter bei der Europäischen Kom- mission!)

- Okay, dann war das ein Mitarbeiter der Europäischen Kommission.

Ich habe mir daraufhin noch einmal das geltende Haushaltsrecht und auch die aktuelle ESF-Verordnung angesehen, um erst einmal für mich zu prüfen, inwieweit wir bisher etwas unterlassen haben, was nach Ihren Aussagen auf jeden Fall in Mecklenburg-Vorpommern - allerdings so nicht in Thüringen und in Sachsen; das wissen wir ganz genau - schon realisiert wird.

Wir haben also die ESF-Verordnung Nr. 1081/2006 genommen und die letzte Fassung vom 31. Juli 2006 zugrunde gelegt. Der darin wortwörtlich als „Kleinstkredit“ ausgewiesene Kredit wird in Artikel 11 Abs. 1 als eine von einer ganzen Reihe von Finanzierungsformen genannt. Andere Finanzierungsformen sind zum Beispiel Zuschüsse, rückzahlbar oder nicht rückzahlbar, Kreditzinsvergünstigungen usw. Die Finanzierungsform ist unabhängig von dem, was mit dem ESF insgesamt finanziert werden darf.

In Artikel 11 Abs. 2 der Verordnung steht dann, was nicht finanziert werden darf, und in Absatz 3, was finanziert werden darf. Nicht finanziert werden dürfen zum Beispiel der Kauf von Möbeln, Betriebsmitteln, Fahrzeugen, Immobilien oder Grundstücken. Damit haben wir schon eine starke Limitierung des Einsatzzweckes. Finanziert werden dürfen dagegen nur Ausgaben, die der Finanzierung von Qualifizierungsprojekten dienen, also die dazu erforderlichen Personal- und Sachkosten.

Die Landeshaushaltsordnung schränkt uns an dieser Stelle jedoch noch zusätzlich etwas ein, und zwar in der Form, dass Abschreibungen nicht finanziert werden dürfen. Wir haben das alles sozusagen in dieser Kaskade abgeprüft, schon zu früheren Zeiten, aber aufgrund Ihrer Anfrage jetzt aktuell nochmals.

In Kenntnis dieser Zusammenhänge geht die Landesregierung deshalb einen anderen Weg. Die Vermittlung von Kleinstkrediten an Existenzgründer erfolgt, wie bekannt, in Sachsen-Anhalt in enger Kooperation mit den ego-Piloten - Sie wiesen auch schon darauf hin - durch die den Kredit vergebende Investitionsbank. An der Produktentwicklung sind wir dran. Dieses regional gegliederte Angebot verschafft potenziellen Existenzgründern durchaus einen sehr einfachen und unbürokratischen Zugang zu den KfW-Instrumenten.

Wir haben das wirklich einmal evaluiert. Die Gründungszahlen lassen sich durch das Drehen an diesem Schräubchen kaum erhöhen. Wir haben durchaus noch einmal mit allen ego-Beauftragten und mit allen aus dieser Beratungsindustrie Stammenden gesprochen, was sozusagen das Selektionskriterium für eine Gründungs- oder eine Nichtgründungsentscheidung darstellte, und

konnten klar konstatieren, dass wir hierbei bei einem absoluten Restbetrag in Höhe von vielleicht einigen Prozent liegen, was das eigentliche Kapitalbereitstellungsproblem angeht. Entscheidend waren doch mehr die Geschäftsideen, die Belastbarkeit der Unternehmenskonzepte, individuelle Voraussetzungen, betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Ähnliches.

Darüber hinaus erhalten qualifizierungsbereite Existenzgründer in Sachsen-Anhalt Unterhaltsleistungen für Qualifizierungszeiten. Diese Unterhaltsleistungen können sie frei verwenden. Wir haben also eine sehr große Variationsbreite eingebaut, die Sie in den Richtlinien der anderen neuen Länder, die in den Größenordnungen wie wir auf den ESF zurückgreifen können, nicht vorfinden.

Die Richtlinie über die Gewährung von Mikrodarlehen aus ESF-Mitteln in Mecklenburg-Vorpommern vom April 2006, also die dort angewendete Richtlinie, auf die Sie konkret abheben und auf die Sie zu Recht im Sinne einer Prüfungsnotwendigkeit hinweisen, halten wir nach intensivsten Gesprächen auch mit der Europäischen Union für nicht mit der neuen ESF-Verordnung vereinbar. Das ist ein ganz klares Petitum, das bei uns auch protokolliert wurde, weil wir, wie gesagt, keine Lücke zulassen wollten. Ich kann darüber gern noch einmal im Wirtschaftsausschuss berichten.

Das heißt nicht, dass wir für die neue OP-Periode, in der noch eine ganze Reihe von Möglichkeiten gestaltbar sind, an diesen Stellen nicht nachjustieren. Aber die existente ESF-Verordnung vom Sommer des Jahres 2006 lässt dies nicht zu.

Wir haben das zum Anlass genommen, dies noch einmal auf der Arbeitsebene mit Mecklenburg-Vorpommern zu besprechen, weil wir auch vermeiden wollen, dass man uns, die wir gemeinsam versuchen, in der gleichen Intention mit dem Europäischen Sozialfonds zu arbeiten und im Osten Effekte zu erzielen, sozusagen gegen die Wand laufen lässt. Wir wollen uns gegenseitig informieren, wenn gegebenenfalls Fehler gemacht werden.

Wie brutal so etwas ausgehen kann, haben wir in den letzten Monaten in Sachsen erlebt, wo durch die Europäische Union erhebliche Rückzahlungsforderungen gerade im Bereich des ESF realisiert bzw. in Gang gesetzt wurden. Davor wollen wir uns gemeinsam bewahren. - Ansonsten herzlichen Dank für die interessante Diskussion, die wir dann im Ausschuss fortsetzen können.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Bischoff, SPD, und von Herrn Felke, SPD)

Ich darf mich beim Wirtschaftsminister Herrn Dr. Haseloff herzlich bedanken. - Wir kommen jetzt zu der verabredeten Fünfminutendebatte. Als erster Debattenredner hat der Abgeordnete Herr Miesterfeldt von der SPD das Wort. Bitte, Herr Miesterfeldt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt müssen Sie auch mich zum zweiten Mal ertragen. Ich habe zum zweiten Mal das Vergnügen, nach den detaillierten Ausführungen des jeweiligen Ministers reden zu dürfen. Ich kann mich deshalb kurz und im Allgemeinen fassen.

Das kleine Land Israel ist so groß wie Hessen und hat gut fünfeinhalb Millionen Einwohner, aber per anno in absoluten Zahlen mehr Existenzgründungen als das

große Deutschland. Das muss uns nicht nur nachdenklich stimmen, sondern zwingt uns zum Handeln. Bei diesen Existenzgründungen sind auch viele dabei, die sich in dem Rahmen bewegen, von dem wir jetzt hier sprechen.

Es ist unstrittig, dass sich die Selbständigenquote in Deutschland und insbesondere in Sachsen-Anhalt weiterentwickeln muss. Auch deshalb wurde dies in die Koalitionsvereinbarung mit dem Satz hineingenommen:

„Die Koalition prüft die Einführung revolvierender Fonds zur effektiveren Nutzung der Fördermittel und Anreizprogramme.“

So steht es da expressis verbis drin, aber es steht eben klugerweise „prüft“ drin. „Prüft“ heißt, je nachdem, ob es dann im Einzelfall auch geht.

Wir wissen, dass nicht jede Existenzgründung erfolgreich sein wird. Jetzt kann man über die Zahlen streiten, wie viele es sind. Ich will einmal mit einem Prozentsatz arbeiten. Wenn wir von einer Ausfallquote von 40 % ausgingen, wäre ein revolvierender Fonds nach zweieinhalb Jahren in seinen Mitteln erschöpft, wenn die Fondssumme zu einem bestimmten Zeitpunkt zu 100 % ausgereicht wäre. Das ist ein Punkt, den man dann sicher im Einzelnen im Ausschuss besprechen muss.

Ich bin eigentlich auch der Auffassung gewesen, dass die bis jetzt ausgereichten Mikrodarlehen bis zu einer Höhe von 25 000 € auch die Kreditvolumina, von denen wir jetzt reden, in Höhe von 10 000 € mit einschließen. Sicher sind auf diesem Gebiet noch Verbesserungen möglich. Ich denke, es wird eine Aufgabe der Abgeordneten im Ausschuss sein, mit den Fachleuten darüber zu reden, ob wir vielleicht nicht ein neues Produkt, aber ein verbessertes Produkt auflegen können und auflegen müssen. Deshalb bin ich ebenfalls für eine Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Weiß, CDU)

Ich darf mich bei Herrn Miesterfeldt herzlich bedanken. - Jetzt hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Herr Professor Dr. Paqué das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben also die gleiche Mannschaftsaufstellung wie bei dem letzten Thema. Es ist auch in mancher anderen Hinsicht eine Duplizität vorhanden; denn auch hierbei ist natürlich gegen eine Ausschussüberweisung überhaupt nichts einzuwenden.

Die Fragen, die hier zu besprechen sind, sind hochinteressant. Sie gehen an ein wirtschaftspolitisches Grundproblem, das wir in diesem Land haben - Herr Miesterfeldt hat es gesagt -: die zu niedrige Selbständigenquote. Daran laborieren wir. Wir machen Fortschritte. Wir haben in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht, aber es muss in dieser Hinsicht weitergehen. Darüber lohnt es sich in jedem Fall im Wirtschaftsausschuss intensiv zu sprechen.

Was den eigentlichen Inhalt des Antrags betrifft, muss ich allerdings genauso wie vorhin erhebliche Skepsis anmelden, und zwar aus einer Reihe von Gründen, die

zum Teil schon genannt wurden. Was die Parallelität oder die Möglichkeiten der Übertragung des mecklenburgischen Beispiels betrifft, hat der Minister, glaube ich, schon wesentliche Punkte vorweggenommen. So einfach ist es nicht, das mecklenburgische Beispiel einfach zu kopieren.

Es gibt darüber hinaus ganz gravierende Gründe, unser derzeit über die Investitionsbank laufendes Programm als das bessere für das Land anzusehen. Zum einen machen wir da ja enorme Fortschritte. Wir haben gestern in der Beiratssitzung genau über diesen Punkt diskutiert.

Herr Thiel hat erwähnt, dass sich diese sehr schwache Inanspruchnahme der Mikrodarlehen inzwischen deutlich verbessert hat, sogar so verbessert hat, dass wir in absoluten Zahlen inzwischen an sechster Stelle in Deutschland stehen. Viel mehr kann man eigentlich gar nicht erwarten. Wenn wir bis Ende des Jahres 100 Fälle haben, dann ist das in der Tat eine ganz beachtliche Bilanz, wenn man hinzunimmt, dass in den anderen Bereichen der Investitionsbank ohnehin eine sehr positive Entwicklung bezüglich der Kredit- und der Darlehensvolumina zu verzeichnen ist.

Es kommt aber noch ein ganz praktischer finanzieller Aspekt hinzu, der die Mikrodarlehen der Investitionsbank in der gegenwärtigen Form als besonders attraktives Instrument für das Land erscheinen lässt. Das ist die Tatsache, dass sie von der KfW schlicht durchgeleitet werden und dass damit für das Land eine Haftungsfreistellung in Höhe von 80 % vorliegt. Das ist natürlich außerordentlich günstig. Das ist etwas, was bei anderen Konstruktionen meines Erachtens - nun habe ich das nicht im Detail geprüft - nicht möglich wäre.