Protokoll der Sitzung vom 19.10.2006

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt drei Nachfragen. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Ja.

Die Fragesteller sind Herr Wolpert, Professor Paqué und Herr Schulz. Herr Wolpert, Sie haben das Wort.

Danke schön. - Herr Minister, Sie sprachen von der Zwangshaftpflichtversicherung als einem Steuerungsinstrument zur Vermeidung von Beißvorfällen durch gefährliche Hunde. Auf welcher Erkenntnis beruht diese Einstellung, wenn Sie wissen, dass Kommunen die Hundesteuer bereits entsprechend der Gefährlichkeit der Hunde abgestimmt haben und das keinerlei Auswirkungen auf die Beißstatistik hatte?

Die zweite Frage ist: Haben Sie die Absicht, die Verordnungsermächtigung im Gesetz zu so zu nutzen, dass die Verordnung das gleiche Bürokratiemonster wie die Gesetzesinitiative der SPD in der letzten Legislaturperiode enthält?

Bitte schön, Herr Minister.

Zur zweiten Frage. Ich habe vor, die Inhalte der Verordnung des Bundeslandes Hessen im Wesentlichen für Sachsen-Anhalt zu übernehmen, auch deshalb, weil diese bisher einer höchstrichterlichen Rechtssprechung standgehalten haben und wir ein Interesse daran haben müssen, eine rechtssichere Grundlage zu schaffen, die nicht durch eine erneute Gerichtsentscheidung infrage gestellt wird, sodass wir eine entsprechende Arbeitsgrundlage für die Kommunen in diesem Land haben.

Zur ersten Frage. Sie wissen, dass die Kommunen in unserem Bundesland sehr unterschiedliche Regelungen zu den Hundesteuern getroffen haben. Es gibt Kommunen, die Differenzierungen zwischen so genannten Kampfhunden und Hunden anderer Rassen vorgenommen haben. Es gibt in unserem Land Kommunen, die überhaupt keine Differenzierung vorgenommen haben. Das hat mit Sicherheit auch etwas mit den konkreten Bedingungen in den einzelnen Kommunen vor Ort zu tun.

In einer kleinen Gemeinde, in der kein Hund einer gefährlichen Rasse vorhanden ist, besteht natürlich auch keine Notwendigkeit, eine entsprechende Regelung durch Satzung herbeizuführen.

(Herr Wolpert, FDP: Per Gesetz muss man es!)

- Per Gesetz kann man es machen. Sie haben aber nach den Regelungen auf der kommunalen Seite gefragt. - Insofern ist es nachvollziehbar, weshalb die kommunale Seite sehr differenzierte Regelungen für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich geschaffen hat.

Ich hoffe, wir sind uns darin einig, dass zumindest bei bestimmten Hundehaltern bei der Frage, für welche Rasse man sich entscheidet, nicht die Frage nach der Funktion des Hundes als Bewacher und treuer Begleiter einer Familie gestellt wird, sondern dass es darum geht, durch die Auswahl einer bestimmten Hunderasse einen besonderen Eindruck im persönlichen Lebensumfeld zu vermitteln. Direkt gesagt: Es gibt nicht wenige Halter von Hunden - meistens junge erwachsene Männer -, die sich einen Hund einer bestimmten Rasse zulegen, um damit in ihrem sozialen Umfeld für eine besondere Wirkung zu sorgen.

Das sind dann oft nicht die, die sich verantwortungsbewusst verhalten, weder verantwortungsbewusst gegenüber dem Tier, was die artgerechte Haltung anbelangt, noch verantwortungsbewusst gegenüber der Gesellschaft, indem sie dafür sorgen, dass von diesen gehaltenen Hunden keine Gefahren ausgehen. Schon gleich gar nicht verantwortungsbewusst verhalten sie sich in der Frage, ob man zum Beispiel eine Hundeschule besuchen sollte, um persönlich die Fähigkeiten zu erwerben, mit dem Hund artgerecht umzugehen.

Von daher halte ich eine gesetzliche Regelung auch an dieser Stelle, was die Einführung einer Haftpflichtversicherung anbelangt, für eine Möglichkeit und für ein Steuerungsinstrument, das darauf hinwirkt, dass Menschen genau überlegen, ob sie sich ein Tier einer solchen Rasse zulegen oder nicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es gibt eine zweite Frage von Herrn Professor Paqué. Bitte schön.

Herr Minister, ich habe eine Frage, die sich auf die Einschätzung des absoluten Gefahrenpotenzials bezieht. Es geht um Folgendes: Ein bekanntes Faktum, das aufgrund von Untersuchungen ermittelt worden ist, macht deutlich, dass die Population der Schäferhunde etwa mindestens zehnmal so hoch ist wie die der Pitbulls und dass nach Untersuchungen die Anzahl der Beißvorfälle etwa in der gleichen Größenordnung liegt. Da gibt es je nach Untersuchung Schwankungen ein wenig nach oben und nach unten. Die relative Wahrscheinlichkeit für Beißattacken ist bei beiden Rassen aber in etwa gleich.

Inwieweit berücksichtigen Sie mit Ihrer Rassenliste, die den Schäferhund nicht, den Pitbull aber mit aufnimmt, die absolute Gefährdung der Öffentlichkeit? Denn diese ist aus meiner Sicht beim Schäferhund allein wegen der Größe der Population erheblich größer. Das Gleiche gilt für den Rottweiler, der sogar in der relativen Zwischenfallwahrscheinlichkeit über dem Pitbull liegt, und für zwei oder drei weitere Rassen.

Ich möchte Ihre Anregung gern aufnehmen und über die Zahl der Rassen, die auf einer Rassenliste vermerkt sind, noch einmal mit Ihnen ins Gespräch kommen. Wenn der Wunsch besteht, es noch weiter auszudehnen, dann muss man sich darüber verständigen.

Ich möchte aber mit einer anderen Schwerpunktsetzung auf Ihre Frage antworten. Die Verordnung des Landes Hessen, die wir - das habe ich ausgeführt - im Wesentlichen in sachsen-anhaltisches Recht übernehmen wollen, berücksichtigt genau diesen von Ihnen zu Recht angesprochenen Sachverhalt, nämlich dass neben den auf einer Rassenliste namentlich erwähnten Hunderassen darüber hinausgehend auch andere auffällig gewordene Hunde den gleichen Regelungen dieses Gesetzes unterworfen werden können. Ich sage das, weil das Argument ja immer kommt, es gibt auch andere Hunde, die nicht auf einer solchen Rassenliste stehen, aber gefährlich werden. Denen können dann, wenn sie zum ersten Mal auffällig geworden sind,

(Unruhe bei der FDP - Herr Kosmehl, FDP: Ach!)

sozusagen präventiv mit den gleichen Regelungen des Gesetzes, mit den gleichen Regularien der Haftpflichtversicherung, des Hundehalterführerscheins, der Wesensprüfung und so weiter bestimmte Vorgaben gemacht werden.

(Zuruf von der FDP: So ein Quatsch!)

Das halte ich für eine ausgewogene und angemessene Rechtsgrundlage für die präventive Arbeit unserer Kommunen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Nico Schulz das Wort. Bitte schön.

Herr Minister, gegen ein Rassenverbot spricht ja das, was Herr Professor Paqué gerade angesprochen hat, nämlich dass auch andere Hunderassen wie Schäferhunde in Beißattacken verwickelt waren.

Jetzt meine Frage: Gibt es konkret eine statistische Auswertung bezogen auf die gehaltenen Hunderassen und die Anzahl der Beißattacken? - Falls Sie mir die Antwort jetzt hier nicht geben können, werde ich mich bei Herrn Professor Paqué erkundigen. Ich denke, eine solche statistische Auswertung würde uns Abgeordneten bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein.

Es gibt mit Sicherheit statistische Auswertungen. Die habe ich aber weder im Kopf noch in der Tasche, sodass ich Ihnen Ihre Frage sofort beantworten könnte.

(Herr Kosmehl, FDP: Die haben Sie noch nicht berücksichtigt!)

- Moment! Schießen Sie doch nicht immer gleich über das Ziel hinaus. Wir reden im Moment über einen Gesetzentwurf - im Übrigen sollte Sie das freuen -, der aus einer Seite mit vier Paragrafen im Sinne von ganz einfachen und klaren gesetzlichen Regelungen besteht. Über das, was wir auf dem Verordnungswege dann de

tailliert regeln wollen, ist ja abschließend überhaupt noch nicht entschieden.

Ich habe Ihnen gesagt, woran wir uns orientieren wollen. Wir wollen uns an einer Rechtslage in einem Bundesland orientieren, die höchstrichterlich Bestand hat. Zunächst gehe ich davon aus, dass dies eine solide Grundlage ist.

Über die Frage, ob wir darüber hinaus für Sachsen-Anhalt aufgrund der besonderen Situation in unserem Lande davon abweichende Regelungen treffen wollen, können wir gern miteinander offen ins Gespräch kommen. Damit habe ich doch überhaupt kein Problem.

Aber das konsequente, reflexartige Ablehnen von Rassenlisten und der Vorwurf, wir würden damit pauschal ganze Hunderassen und ihre Halter diffamieren und beschimpfen, ist durch nichts gerechtfertigt, weil die gesetzliche Grundlage und das, was an gesetzlichen Regelungen vorgesehen ist, ja nicht darauf abzielt, Hunderassen zu diffamieren.

(Herr Kosmehl, FDP: Doch!)

Vielmehr zielt es darauf ab, die Halter zu verpflichten, bestimmte Vorgaben einzuhalten, wenn sie Hunde solcher Rassen halten wollen. Das dient dem Schutz der Bevölkerung. Das halte ich für eine verantwortliche Aufgabe dieser Landespolitik. Daher gehe ich davon aus, dass Sie dem auch folgen werden.

Die Daten werden wir dem Kollegen Schulz selbstverständlich zuleiten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen jetzt zur Zehnminutendebatte. Als erstem Debattenredner erteile ich einem Abgeordneten der Fraktion der FDP das Wort. Herr Kosmehl, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bemühen, nicht zu aggressiv zu wirken; am Ende wird der Herr Innenminister mir auch noch den Leinenzwang auferlegen.

(Oh! bei der CDU und bei der SPD - Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: Maulkorb!)

- Oder Maulkorb, jawohl. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, zehn Minuten Redezeit pro Fraktion reichen gar nicht aus, um dieses Thema wirklich zu besprechen, weil das Thema Hund ein sehr polarisierendes ist. Für den einen ist es der beste Weggefährte, ein treuer Freund, ein Helfer, die anderen sehen in dem Hund eine unzumutbare Gefahr.

(Herr Tullner, CDU: Beißt!)

- Ja, Herr Tullner, Sie gehören zu denjenigen, die nur die Gefahr sehen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der FDP)

Gerade weil es diese gegensätzlichen Ansichten gibt, darf die Politik die notwendige Differenziertheit nicht verlieren. Ich glaube, alle Fraktionen sind sich darin einig, dass Beißvorfälle mit zum Teil schweren Verletzungen

und manchmal sogar tödlichen Folgen verhindert werden müssen.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Ich möchte feststellen, dass wir Liberale die Ängste der Bürger sehr ernst nehmen.

(Herr Tullner, CDU: Ach!)