Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

der Speichervorschriften im Verfassungsschutzgesetz des Landes soll unter anderem die Voraussetzungen für die Erfüllung der in § 73 des Aufenthaltsgesetzes normierten Aufgabe schaffen.

Viertens. Das allgemeine Datenschutzrecht ist bereits an die heute übliche elektronische Form der Datenverarbeitung angepasst worden, indem die Differenzierung zwischen der herkömmlichen Informationsverarbeitung in Akten und in Dateien bei der letzten umfassenden Novellierung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger, dem Datenschutzgesetz SachsenAnhalt, weitgehend aufgehoben worden ist.

Diese Anpassung wird im Verfassungsschutzgesetz des Landes nunmehr nachvollzogen. Die Vorschriften zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten werden mit diesem Gesetz an die allgemeine Entwicklung der elektronischen Kommunikation und des elektronischen Schriftverkehrs angepasst.

Fünftens. Die Voraussetzungen und das Verfahren des Einsatzes technischer Mittel im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes werden mit dem Gesetzentwurf an die Grundzüge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst, soweit sie auf die präventive Wohnraumüberwachung übertragbar sind. Zudem werden Regelungen zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel eingeführt. Wichtig ist mir hier die Feststellung, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung damit dem staatlichen Zugriff durch den Verfassungsschutz vollständig entzogen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In intensiven parlamentarischen Beratungen sowohl im Innenausschuss - zuletzt am 23. September 2010 - als auch im Ausschuss für Recht und Verfassung hat der Gesetzentwurf inhaltliche Änderungen erfahren, die in der nun vorliegenden Beschlussempfehlung dokumentiert sind.

Ich möchte an dieser Stelle den folgenden Punkt besonders hervorheben. In § 10 des Verfassungsschutzgesetzes wurde die Befugnis zur Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen unter 14 Jahren gestrichen.

Der Grund hierfür waren rechtswidrige elektronische Speicherungen von Daten Minderjähriger, die infolge einer fehlerhaften Anwendung der geltenden Rechtslage vorgenommen worden sind. Nach der Auswertung der in der Sitzung des Ausschusses für Recht und Verfassung am 18. Februar 2009 gewonnenen Erkenntnisse wurden auf meine Weisung hin am gleichen Tage vom Verfassungsschutz sämtliche in elektronischer Form gespeicherte Daten von Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, gelöscht.

Mit der jetzt vom Gesetzgeber gewählten Lösung wird eine Speicherung auch in Papierakten künftig nicht mehr möglich sein. Es ist daher für ein Höchstmaß an Rechtsklarheit gesorgt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Gesetzesvorhaben und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kosmehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, wenn man nur fünf Minuten Redezeit hat.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Am besten anfan- gen!)

Herr Minister, ich fange mit zwei Punkten an, die Sie jetzt auch noch einmal in Ihrer Rede aufgegriffen haben. Sie haben gesagt - das haben Sie auch schon in der Einbringung gemacht -, dass Sie die im Bundesgesetz enthaltenen abgestuften Einsatzschwellen übernommen haben. Sie haben gesagt, dass das jetzt auch immer noch so gilt. Da habe ich Ihnen widersprochen und Sie haben gesagt, das stimmt doch.

Wir können einmal das Bundesverfassungsschutzgesetz und das Verfassungsschutzgesetz des Landes SachsenAnhalt nebeneinander legen. Sie können mir dann erklären, wo Sie das Bundesgesetz übernommen haben; denn im Bundesgesetz ist von einer schwerwiegenden Gefahr und im Landesgesetz von einer erheblichen Gefährdung die Rede. Das ist keine Übernahme. Das ist sozusagen eine weitere Untergrabung und eine Absenkung der Eingriffsschwelle.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Punkt. Herr Minister, wir haben erst im parlamentarischen Verfahren in § 17a Abs. 2 Nr. 5 die Einschränkung hinsichtlich der Bestrebungen, zu Hass und Willkür aufzurufen - ich will das jetzt nicht im Einzeln zitieren -, hinbekommen. Die im Bundesgesetz enthaltenen Passagen hatten Sie in Ihren Entwurf gar nicht übernommen. Das Parlament hat sie jetzt eingefügt. Ich weiß nicht, inwieweit Sie die im Bundesrecht vorgenommenen Änderungen in den Gesetzentwurf übernommen haben wollen. Ich glaube, diese Geschichte sollten wir auch nicht weitererzählen.

Sie haben einfach einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem Anregungen aus dem Bundesrecht aufgegriffen worden sind und der in einigen Punkten - darin will ich Ihnen zustimmen -, insbesondere was die Frage der Finanzquellen der Rechtsextremisten angeht, recht weit geht. Wir haben das als erstes Bundesland umgesetzt. Die anderen halten sich offensichtlich noch nicht an die in der IMK getroffenen Absprachen. Ich hoffe, das folgt noch. Aber an der einen oder anderen Stelle haben Sie das, was an dem Gesetz zu verbessern wäre, nicht konsequent verbessert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will auf drei Punkte näher eingehen und dabei konsequenterweise auch die Änderungsanträge der FDP noch einmal erläutern.

In dem ersten Änderungsantrag geht es um die Ersetzung der Wörter „erhebliche Gefährdung“ durch die Wörter „schwerwiegende Gefahr“. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns bei dem Terminus Technicus des Bundesgesetzes bleiben. Der ist klar, deutlich und aus meiner Sicht auch ausreichend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die Aufnahme der Wörter „erhebliche Gefährdung“ heißt es in dem in Rede stehenden Zusammenhang:... soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten notwendig ist und tatsächliche Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Schutzgüter vorliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsächliche Anhaltspunkte und eine erhebliche Gefährdung schließen sich quasi aus, weil sich eine erhebliche Gefährdung auf Vermutungen stützt, also auf Indizien. Das ist das Vorfeld vom Vorfeld der Ermittlungen. Das sind nicht die konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte.

(Beifall bei der FDP)

Sie begeben sich in eine Grauzone. Die sollten wir auch im Bereich des Verfassungsschutzes möglichst vermeiden, der anders als die Polizei im Vorfeld ermitteln soll. Deshalb ist der Terminus im Bundesgesetz besser. Er ist klar definiert. Er findet sich in allen anderen Verfassungsschutzgesetzen der Länder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb haben wir Ihnen den Änderungsantrag vorgelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt betrifft den so genannten Imsi-Catcher. Ich bin immer wieder überrascht über dieses Thema. Der Kollege Stahlknecht, der leider an der Innenausschusssitzung nicht teilnehmen konnte, hat gesagt, es ist leider versäumt worden. Nein, Herr Kollege Stahlknecht, es ist nicht versäumt worden. Also mir war das durchaus bewusst. Wenn es dort keine Änderung gibt, wird die Regelung zum Imsi-Catcher außer Kraft treten, weil wir dazu eben keine Vorschrift mehr haben. Das war von uns auch gewollt.

(Beifall bei der FDP)

Dass der GBD dann eine andere Meinung vertritt und noch einmal einen Hinweis gibt, dass sie es ändern und Sie auf die Änderung reagieren, mag nachvollziehbar sein. Ich verstehe das aus der Sicht der CDU. Sie waren immer für den Imsi-Catcher. Aber aus der Sicht der SPD verstehe ich das nicht. Herr Kollege Rothe, Sie haben ihn in der Opposition jahrelang abgelehnt. Plötzlich ist der Widerstand der SPD gebrochen.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Ich glaube auch, dass der Innenminister - zumindest habe ich ihn am Rande der Innenausschusssitzung so verstanden - ohne den Imsi-Catcher leben könnte. - Er nickt. Aber trotzdem kämpfen Sie nicht dafür, sondern Sie würden ihn verteidigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Evaluierungsbericht, den wir zum Imsi-Catcher vorgelegt bekommen haben, besagt, es ist ein Fall, weil wir uns den auch leihen müssen; denn wir haben kein eigenes Gerät. Trotzdem sagt die Verfassungsschutzbehörde natürlich, dass er unverzichtbar ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Imsi-Catcher ist als Befugnis für den Verfassungsschutz nicht notwendig. Deshalb sollte man daran auch nicht festhalten.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen letzten Punkt will ich dann doch noch einmal ansprechen. Es geht um die Minderjährigen.

Ja, meine Damen und Herren, es ist gut, dass wir zu dieser Regelung gekommen sind. Sie werden von mir auch hören, dass ich unter größten Bedenken in der letzten Legislaturperiode dieser abgestuften Regelung zugestimmt habe, eine Speicherung in Akten zu ermöglichen.

Aber, Herr Minister, eines kann ich Ihnen an dieser Stelle leider nicht ersparen. Wenn wir uns noch einmal Ihre Rede im Rahmen der Einbringung des Gesetzentwurfes ansehen, dann stellen wir fest, dass darin Folgendes steht:

„Diese Anpassung wird nunmehr im Verfassungsschutzgesetz des Landes nachvollzogen. Die Vorschriften zur Verarbeitung personenbezogener Daten werden mit diesem Gesetz der allgemeinen Entwicklung der elektronischen Kommunikation und des elektronischen Schriftverkehrs angepasst.“

Dazu muss man ganz klar sagen: Damit ist das Ministerium der Verfassungsschutzbehörde auf den Leim gegangen; denn sie wollte etwas in das Gesetz schreiben, was sie schon längst gemacht hat. Sie hat nämlich die Daten von Minderjährigen nicht in Akten, sondern elektronisch gespeichert.

Sie haben hier gesagt: Die Änderung ist notwendig. Wenn die Änderung gekommen wäre, wäre es plötzlich möglich gewesen, Daten von Minderjährigen unter 14 Jahren in elektronischer Weise in Dateien zu speichern. Sie haben das hier auch noch verteidigt und haben gesagt: Das ist eine Anpassung an die moderne Kommunikation.

Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, es war ein rechtswidriges Verhalten der Verfassungsschutzbehörde. Als Konsequenz ist es richtig, dass wir diese Befugnis herausnehmen.

(Zustimmung bei der FDP, von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE, von Frau von Angern, DIE LINKE, und von Frau Tiedge, DIE LINKE)

Herr Minister, aus meiner Sicht ist das keine Klarstellung.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Ja!)

Das war schon vorher klar. Aber sie haben sich nicht daran gehalten. Ich bin der Meinung, dass sie diese Funktion oder diese Möglichkeit auch nicht haben müssen. Ich glaube, sie ist für das Land Sachsen-Anhalt auch nicht von sicherheitspolitischer Relevanz.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde gern zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, ich würde Ihnen den Hinweis geben wollen, dass wir zunächst über den Änderungsantrag in der Drs. 5/2908 abstimmen. Dieser Änderungsantrag zielt auf die Streichung der Vorschrift bezüglich des ImsiCatchers.

Sollte dieser Änderungsantrag abgelehnt werden, könnten Sie über den Änderungsantrag in der Drs. 5/2907 abstimmen lassen. Dieser Änderungsantrag betrifft Nr. 1 Buchstabe b, wo wir den § 17a Abs. 6 noch enthalten haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDPFraktion wird sich der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Kosmehl. Sie wussten nicht, wie Sie anfangen sollen. Sie wussten auch nicht ganz, wann Sie aufhören müssen. Ich sage der Fairness halber, dass Herr Kosmehl zwei Minuten überzogen hat, falls andere auch in Zeitschwierigkeiten kommen.