Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Aber so ist der Mensch. Es liegt in unserer Natur und es ist auch normal, dass wir auf bestimmte Ereignisse besonders reagieren, zumal es auch zu Zerstörungen kam und ab dem Jahr 2003 ein großer Teil der Mittel für die Schadensbeseitigung eingesetzt worden ist.

Natürlich ist es auch so, dass sich der Hochwasserschutz der Prioritätensetzung im Haushaltsplan dieses Landes und den politischen Schwerpunktsetzungen unterzuordnen hat. Dass Schadensereignisse die Prioritäten in einem neuen Licht erscheinen lassen und es gegebenenfalls zu Veränderungen kommt, ist uns allen klar. Wir sprechen in diesem Hohen Haus so häufig über

Geld, dass ich nur einen Satz sagen muss: Wenn die Decke an allen Enden zu kurz ist, ist das Ziehen in die richtige Ecke schwierig.

Die vom Hochwasser betroffenen Menschen sind mit solchen Reden nicht glücklich zu machen.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Die ihnen entstandenen Schäden sind durch solche Reden nicht zu beseitigen. Sie brauchen die Unterstützung schon während des Ereignisses. Diese bekommen sie zum Beispiel durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, den ich schon in früheren Verwendungen als ein sehr kompetentes Instrument der Landesverwaltung erlebt habe,

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

und sie bekommen sie von den vielen Hilfsorganisationen; ich nenne stellvertretend für alle das Technische Hilfswerk.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich werden wir als Land den Kommunen auch bei dem Hochwasser dieses Sommers sowohl bei der Beseitigung des Wassers - das ist in diesem Fall besonders schwierig - als auch bei der Wiederherstellung der Infrastruktur zur Seite stehen. Wie weit sich das dann auch auf den privaten Bereich des Einzelnen bezieht, will ich an dieser Stelle offen lassen. Es muss dann, wenn es geschieht, mit der notwendigen Sorgfalt, wie mit Steuergeldern umzugehen ist, erfolgen.

Meine Damen und Herren! Wenn man heute durch Siedlungsgebiete geht, welche ohne Deiche natürliche Überflutungsgebiete wären, so fällt uns Folgendes auf: Gebäude, die vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden sind, sind meist - man könnte fast sagen, regelmäßig - mit einem Hochparterre versehen gewesen.

Später, insbesondere nach 1990, wurden Häuser gebaut, bei denen das Erdgeschoss zu ebener Erde liegt. Ich halte das persönlich für eine Fehlentwicklung. Wir sollten uns an der Klugheit der Altvorderen ausrichten und wieder dorthin kommen, wo sie waren. Wenn man schon in so einem Gebiet baut - das tun Menschen übrigens seit Jahrtausenden -, dann muss man der Situation entsprechend bauen. Ich glaube, in dieser Angelegenheit sollte die Politik beraten und gegebenenfalls auch durch die Gesetzgebung begleitend zur Seite stehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass die Diskussion über die Umschichtung der Mittel, die heute geführt worden ist, in den Fachausschüssen noch einmal konkret und im Einzelnen geführt werden muss. Ich, der ich mich damit nicht jeden Tag beschäftige, habe vorhin den jeweiligen Zahlen mit Interesse gelauscht. Ich gehe davon aus, dass auch letzte Unklarheiten dort noch beseitigt werden.

Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass die Umschichtung der Mittel, die erfolgt ist, rein gar nichts mit den eingetretenen Schadensereignissen beispielsweise im Raum Jessen zu tun hat.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Sie wissen alle, dass wir ein - ich glaube, das darf man so sagen - ehrgeiziges Hochwasserschutzkonzept ha

ben, das fachlich begründet ist und das entsprechend der Prioritätenliste abgearbeitet werden wird. Dabei spielen das Hochwasserpotenzial und der Zustand der jeweiligen Deichanlagen die dominierende Rolle. Das war in der Vergangenheit so, das war auch richtig so und das wird auch in Zukunft so bleiben.

Wir erleben immer wieder, dass es Naturereignisse gibt, die sich unserer Mentalität oder unserem Glauben - so möchte man es fast sagen -, es sei alles per Knopfdruck aus- oder einzuschalten, entziehen. Auch das wird sich in Zukunft nicht ändern.

Die Frage, ob das Naturereignis in diesem Sommer Klima oder Wetter war, wird uns weiter beschäftigen. Die Meteorologen des MDR haben immer gesagt, es sei nur Wetter. Wetter hin, Klima her - wir sind in der Pflicht, uns mit Verantwortungsbewusstsein auch zukünftig dem Thema Hochwasserschutz zu stellen, sowohl bei der Vorbereitung, bei den Schutzmaßnahmen als auch bei der Bekämpfung von Hochwasserschäden. Das ist in der Vergangenheit so geschehen. Das wird zukünftig so geschehen.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bei denen bedanken, die das unter Einsatz von Leib und Leben auch in diesem Sommer wieder getan haben. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Vielen Dank dem Abgeordneten Herrn Miesterfeldt. - Wir kommen dann zum Debattenbeitrag der FDP-Fraktion. Der Abgeordnete Herr Kley hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem Vorredner kann ich mich nicht mehr an das Wetter im Jahr meiner Geburt erinnern. Aber ich glaube, die damaligen Wetterereignisse hatten einen begrenzten Einfluss auf das Thema des heutigen Tages.

Das heißt nicht, dass die Klimaentwicklung der damaligen Zeit nicht nachhaltig auf den Deichbau eingewirkt hätte. Wer sich das einmal anschaut, stellt fest, dass zu den Zeiten der DDR Hochwasserereignisse fast in Vergessenheit gerieten. Über einen langen Zeitraum hatten wir geringe Niederschläge und die Gefahr, die von Flüssen ausging, geriet vielerorts in Vergessenheit. Das hatte auch Einfluss auf die Mittelverwendung. Deswegen wurden wir von den ersten Fluten derart hart getroffen, weil man eben über viele Jahre hinweg an den Deichen nichts gemacht hatte.

Deswegen ist es, glaube ich, notwendig, dass wir heute immer wieder darüber nachdenken, wie wir zukünftige Schadensereignisse abwenden können, wie wir unsere Bevölkerung schützen und wie wir die Aufgaben, die uns hier als Staat übertragen wurden, wahrnehmen können.

(Zustimmung bei der FDP)

Es war Wolfgang Rauls, der erste Umweltminister des Landes Sachsen-Anhalt, der sich intensiv um die Hochwasseranlagen kümmerte. Das Pretziener Wehr war ihm fast ans Herz gewachsen, und mit viel Liebe ist dort ein altes Bauwerk wieder instand gesetzt worden, um seine Funktion zu erfüllen. Viele andere Bauwerke wurden weiter betrieben.

Es dauerte dann, bis die FDP wieder in die Regierung eintrat, bis eine Verstetigung des Hochwasserkonzeptes,

(Lachen bei der CDU, bei der LINKEN und bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Tätä, tätä, tätä!)

bis eine Verstetigung des Hochwasserkonzeptes für das Land Sachsen-Anhalt erfolgte.

(Herr Gürth, CDU: Gerry, Gerry!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Jahr 2002 eine Bevölkerung erlebt, die gemeinsam auf den Deichen stand. Wir haben viele Helden erlebt, die unbekannt blieben, weil es nicht Einzelpersonen waren, sondern weil sie gemeinsam auftraten und unsere Deiche und die Bevölkerung schützten. Wir haben seitdem eine ganz andere Achtung vor der Feuerwehr und vor dem Technischen Hilfswerk. Ich glaube, auch die Bundeswehr hat sich damals vielfach wieder in unsere Herzen hineingearbeitet.

(Beifall bei der FDP)

Nichtsdestotrotz bleibt an dieser Stelle die Pflicht des Staates, mit Baumaßnahmen - mit „Baumaßnahmen“, meine sehr geehrten Damen und Herren, meine ich nicht nur, bestehende Deiche zu erhöhen, sondern auch über Retentionsflächen, Deichrückverlegungen und Flussrenaturierung nachzudenken - dafür zu sorgen, dass zukünftig ein vernünftiges Hochwassermanagement möglich ist und dass Schadensereignisse weitestgehend ausgeschlossen werden.

Wir haben es - darauf hat der Kollege Herr Miesterfeldt schon Bezug genommen - vielfach auch mit Baumaßnahmen in Gebieten zu tun, die lange als hochwasserfrei betrachtet wurden, die aber, schaut man in die Historie, eigentlich nie hochwasserfrei waren. Das sind die üblichen Themen, einerseits der Wiederanstieg der Pegel aufgrund des nachlassenden Bergbaus und andererseits auch die Tatsache, dass Flussauen, die viele Jahre lang mit einem Bann belegt waren, plötzlich wieder bebaut werden konnten. An dieser Stelle haben wir das Problem, dass heute nachgezogen werden muss; denn wenn die Kommune dort einmal Bauland ausweist, dann haben wir auch die Pflicht, diese Einwohner zu schützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein ganz anderes Thema - darauf ist auch von allen Vorrednern verwiesen worden - ist die Finanzpolitik, die offensichtlich in der Landesregierung gepflegt wird. Es ist schon erstaunlich, dass ein Betrag von mehr als 40 Millionen € in diesem Haushaltsplan umgeschichtet wird, ohne den Haushaltsgesetzgeber auch nur andeutungsweise zu kontaktieren.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LIN- KEN)

Alle Reden, meine sehr geehrten Damen und Herren, die im Vorfeld und die heute gehalten wurden, haben - das haben auch die Nachfragen gezeigt - nichts zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Nach wie vor ist nebulös, woher die Mittel kommen. Ich glaube, uns bleibt in den Ausschüssen noch sehr viel zu tun.

(Zustimmung bei der FDP und bei der LINKEN)

Da ist auch viel Arbeit für die Landesregierung, dieses zu rechtfertigen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es ist erstaunlich, dass der Wirtschaftsminister of

fenkundig nicht in der Lage ist, EFRE-Mittel in Höhe von 10 Millionen € auszureichen, und sie anderen Häusern zur Verfügung stellen muss.

(Beifall bei der FDP)

In einem Land, für das sinkende Einnahmen aus dem Solidarpakt ein Problem darstellen, ist es, glaube ich, notwendig, dass das Wirtschaftsministerium aktiv in das Flächenmanagement geht, dass man diese Mittel dazu verwendet, Ansiedlungen voranzutreiben, statt sie für Dorferneuerung, für den ländlichen Wegebau und Ähnliches zur Verfügung zu stellen. Da müsste einmal ein anderes Denken in die Regierung einziehen.

(Zustimmung bei der FDP)

Wenn man davon ausgeht, dass das Geld dort frei wäre - dafür könnte es ja eine Begründung geben -, dann wäre die zweite Frage, warum die freiwerdenden Mittel, entweder aus dem EFRE oder aus dem ELER, nicht zur weiteren Aufstockung unseres Schulbauprogramms genutzt werden. Wir haben bei den Schulbauprogrammen weitaus mehr Anmeldungen gehabt, als bewilligt werden konnten. Die Begründung für die Ablehnung war immer, die Mittel reichen nicht. Jetzt haben wir Mittel und was machen wir damit? - Ländlicher Wegebau.

Das ist alles, was der Regierung einfällt. Das mag ja positiv für das Landwirtschaftsministerium sein. Herr Minister Aeikens, da haben Sie meinen Respekt, Sie haben Ideen entwickelt, haben Konzeptionen entwickelt, was man mit den Geldern anfangen könnte. Offensichtlich wird es angewendet.

Aber ich glaube, wenn es schon der Landesregierung im laufenden Haushalt möglich ist, 40 Millionen € umzuschichten, dann gab es sicherlich auch noch andere Maßnahmen und andere Möglichkeiten.

(Zustimmung bei der FDP)

Aufzuklären bleibt letztlich die Frage: War das Geld wirklich da? Das kann in einer Aktuellen Debatte selbstverständlich nicht nachvollzogen werden. So sehe ich diese nur als Auftakt für die Diskussion der Thematik im Weiteren.

Vielleicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Finanzministerium dann auch bereit, uns auch über andere Umschichtungen im Haushalt zu berichten; denn ich glaube, es ist zwingend geboten, dass der Haushaltsgesetzgeber seine Kompetenzen zurückholt und dass nicht im Haushaltsvollzug derart große Umschichtungen vonstatten gehen.