Sollte die Stadt Thale von ihrem Recht Gebrauch machen und gegen den Beschluss des Landtages gerichtlich vorgehen, dann kann sie dies vor dem Landesverfassungsgericht als dem zuständigen Gericht tun. Dort gehört das Verfahren hin. Sie sollte aber den Landtag nicht von einem Verwaltungsgericht permanent vorführen lassen.
Meine Fraktion fordert Sie, werte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, auf, heute einen Schlussstrich unter die Gebietsreform zu ziehen und der Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am Brocken zuzustimmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ja, was soll man dazu noch sagen? - Das ist ja wohl ein Trauerspiel auf der ganzen Linie.
Die Berichterstattung war bereits kurz und knapp. Die SPD-Fraktion traut sich schon gar nichts mehr dazu zu sagen. Herr Grünert hat den Sachverhalt relativ klar gedeutet, auch die Vermutung, die dahinter steht.
Aber eines ist völlig klar: Einmal abgesehen davon, dass das Ob dieser Gemeindegebietsreform schon infrage zu stellen ist - darauf will ich nicht noch einmal eingehen -, ist das Wie, das Sie hier zutage treten lassen, eine einzige Katastrophe.
Seit dem 1. Februar 2009 haben sich die Leute in dieser Gemeinde entschieden. Sie haben dann einen Gemeinderatsbeschluss gefasst. Sie haben einen Gebietsänderungsvertrag abgeschlossen. Sie haben all das gemacht, was Sie als Koalition von ihnen verlangt haben - alles für nichts. Das interessiert überhaupt nicht, weil der Landtag gesagt hat, wir machen alles ganz anders, und zwar deshalb, weil er sich vorher schon verstrickt hat und die eigenen Regeln gebrochen hat.
Was glauben Sie eigentlich, was bei den Menschen ankommt? Tolle Reform; es wird alles besser; die Politik löst die Probleme? - Ganz im Gegenteil; die Leute in der Gemeinde sind zerstritten und stocksauer auf „die da oben“. Sie haben das verschuldet.
Ich habe nun im Hintergrund auch noch gehört, dass Sie beabsichtigen - wenn Sie das tun, wäre das ein Armutszeugnis - dieses Gesetz zurück in den Innenausschuss zu überweisen. Es mag sein, dass man die SPD deswegen nicht reden lässt, weil der Vorsitzende des Innenausschusses das jetzt selber machen wird. Dann, so sage ich Ihnen, haben Sie das Armutszeugnis komplett unterzeichnet. Herzlichen Glückwunsch!
Herr Kollege Wolpert, ich rede nicht als Vorsitzender des Innenausschusses, weil mir dann eine gewisse Neutralität auferlegt wäre. Vielmehr rede ich für die CDU-Fraktion. Allerdings rede ich, so denke ich einmal, relativ wertneutral, weil wir eine Sach- und Rechtslage haben, die wir zu beachten haben.
- Moment, Herr Wolpert. Dann wollen wir mal von vorn anfangen. Es hat in dem Gemeinderat der Gemeinde Allrode - ich werde Sie jetzt nicht mit Jahreszahlen und mit genauen Tagen des Monats langweilen - innerhalb der freiwilligen Phase einen Mehrheitsbeschluss gegeben, der besagte, die Gemeinde Allrode solle nach Thale gehen. Es gab also in der Gemeinde Allrode einen Mehrheitsbeschluss in der freiwilligen Phase, dass die Gemeinde Allrode nach Thale soll.
Diese Mehrheit war denkbar knapp. Ich glaube, es war eine Stimme Mehrheit. Zu den Unterlegenen gehörte der damalige noch ehrenamtliche Bürgermeister der Gemeinde Allrode, der sich geweigert hat, diesen Beschluss innerhalb der freiwilligen Phase umzusetzen, indem er seine Unterschrift verweigert hat.
Das ist ein Entscheidung nach Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes - kommunale Selbstverwaltung -, an der der Landtag überhaupt keine Aktie hat. Wenn gewählte kommunale Mandatsträger das, was eine Mehrheit dort entscheidet, am Ende nicht exekutieren, handeln sie rechtswidrig; sie handeln möglicherweise sogar verfassungswidrig. Aber es ist nicht die Aufgabe eines Landtags, das zu beurteilen.
Weil es so war, wie es war, musste die Gemeinde, vertreten durch den Bürgermeister, verklagt werden, eine Willenserklärung abzugeben, dass sie bereit sei, das, was die Mehrheit beschlossen hatte, umzusetzen. Auch das ist eine Sache, die wir als Landtag nicht zu entscheiden und, meine Damen und Herren, auch im Rahmen der Gewaltenteilung, die wir seit Montesquieu verabredet haben, nicht zu kommentieren haben.
Dann gab es nach der freiwilligen Phase eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, die besagt, dass in dieser Gemeinde unter rechtmäßigen Umständen eine Mehrheitsentscheidung zustande gekommen sei - die wir emotional nicht zu kommentieren haben - und dass der Bürgermeister diese umzusetzen habe. Daraufhin, meine Damen und Herren, hat sich der Bürgermeister krank gemeldet. Das muss ich auch nicht kommentieren. Er hat also wiederum nicht unterzeichnet, sondern den Stellvertreter unterzeichen lassen.
Nachdem diese Unterschrift vorlag und das Verwaltungsgericht später in dem ersten Verwaltungsgerichtsverfahren sagen sollte, dass die raumordnerische Entscheidung des Gemeinderates von Allrode, zu Thale zu gehen, richtig wäre, hat der Landkreis die Genehmigung verweigert. Auch das haben wir nicht zu kommentieren. Das ist eine rein kommunalrechtliche Selbstverwaltungsangelegenheit.
Daraufhin haben wir als Gesetzgeber gesagt, dann wollen wir - das war der erste Verfahrensgang - diese Angelegenheit auf dem rechtlichen Wege klären lassen. Was dann passiert ist, habe ich auch nicht zu kommentieren; das können Sie alle für sich selber bewerten. Ein Gericht hat dann gesagt, jetzt entscheiden wir im Rechtsschutzverfahren nicht mehr zu Ende, weil sich die Sache erledigt hat. Das ist menschlich verständlich; darüber muss man nicht weiter nachdenken.
Es kam zu einem Stillstand der Rechtspflege. Deshalb haben wir als Gesetzgeber gesagt: Es kann nicht sein, dass eine Gemeinde, nur weil man sich dort nicht einigen kann, am Ende als einziger weißer Fleck übrig bleibt. Wir haben das Verfahren also wieder angeschoben.
Daraufhin hat es wieder - nun nähern wir uns dem Punkt, an dem wir heute sind - ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren der Gemeinde Thale gegeben, das die Gemeinde Thale gewonnen hat. Dagegen hat der Landkreis Harz als Antragsgegner Beschwerde eingelegt.
In dem laufenden Beschwerdeverfahren hat der Landkreis unter dem 20. Oktober 2010, bevor das Oberverwaltungsgericht überhaupt entschieden hatte, seine Genehmigung erteilt. Er hat also das gemacht, was er eigentlich in der freiwilligen Phase schon hätte tun müssen. Nach der Erteilung dieser Genehmigung hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtig gewesen sei und dass damit auch justiziabel festgestellt worden sei, dass aus raumordnerischer Sicht Thale zu Allrode passe bzw. Allrode zu Thale.
Durch die Genehmigung des Landkreises ist das exekutiert worden, was in der freiwilligen Phase entschieden worden ist, aber nicht umgesetzt werden konnte, weil ein Bürgermeister sich nicht verfassungsgemäß verhalten hat.
Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren, ob das ein Trauerspiel im Landtag oder in der Gemeinde ist. Diese Frage werden Sie je nachdem, ob sie regierungstragend oder in der Opposition sind, völlig anders beurteilen.
Ich sage Ihnen aus meiner Sicht als Jurist: Wir haben eine veränderte Sach- und Rechtslage, über die wir neu beraten müssen. Wir müssen uns persönlich in diesem Hohen Hause die Frage stellen, ob Entscheidungen, die in der freiwilligen Phase getroffen worden sind, aber aufgrund rechtsstaatswidrigen Verhaltens nicht umgesetzt werden konnten, jetzt von uns begleitet anders getroffen werden müssen.
Da sage ich Ihnen - jetzt folgt das erste Mal eine Bewertung meinerseits -: Wir sollten die Gewaltenteilung einhalten. Dort haben Gerichte, die Judikative, entschieden. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung der Landkreise wurde die erforderliche Genehmigung erteilt. Es ist schlicht und ergreifend kein Platz mehr für die Legislative. Darüber müssen wir neu beraten.
Insofern, ob Sie das als ein Trauerspiel bezeichnen oder nicht - manchmal dauert ein Stück in der Politik mehrere Akte, Herr Kollege Wolpert -, werde ich beantragen, dass wir das in den Innenausschuss zur erneuten Beratung zurücküberweisen. Das hat auch verfahrenstechnische Gründe, weil wir es nämlich heute gar nicht anders entscheiden könnten, es sei denn, Sie wollten sich über das hinwegsetzen, was dort vor Ort freiwillig organisiert worden ist und jetzt umgesetzt worden ist. - Danke.
Herr Stahlknecht, es gibt drei Nachfragen, und zwar von Herrn Grünert, Herrn Kosmehl und dann von Herrn Wolpert. - Bitte sehr, Herr Grünert.
Herr Stahlknecht, ich habe zwei Nachfragen. Sie haben gerade das Hohelied der kommunalen Selbstverwaltung gesungen, nämlich dass Gemeinderatsbeschlüsse im Rahmen der freiwilligen Phase respektiert werden.
Die erste Frage: Warum wurde dann die Ausnahme zugelassen, Gernrode, Rieder und Bad Suderode nicht einer Lösung zuzuführen und das im Vorgriff darauf bereits durch die Wegnahme von Friedrichsbrunn und Stecklenberg zu verhindern?
Die zweite Frage: Die Landesregierung und auch Ihre Fraktion haben uns beide Male eine Entscheidungsvorlage unterbreitet, die von einer Stärkung der Stadt Oberharz am Brocken ausging, sodass eine unumkehrbare Zuordnung Allrodes zu der Stadt Oberharz am Brocken notwendig ist. Sie haben das mit dem öffentlichen Wohl und der Zukunftsfähigkeit begründet.
Wenn das so war und Sie das damals letztlich aus Ihrem juristischen Sachverstand heraus - die Darstellungen sind mir noch im Ohr - so beurteilt haben, wieso haben die Koalitionsfraktionen dann überhaupt den zweiten Gesetzentwurf eingebracht, wenn sie mit der Möglichkeit einer weiteren Niederlage vor dem Verwaltungsgericht rechnen mussten?
In Bezug auf die erste Frage, die Sie gestellt haben, gilt der lapidare Satz: Sie können nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
In dem einen Bereich, den Sie angesprochen haben, gibt es vom Leitbild, von den raumordnerischen Gegebenheiten her - alles das, was wir verabredet haben - eine klare Linie, nach der das, was Sie vorgesehen hätten, nicht gegangen wäre, weil wir damit die Kommunalreform an der Stelle angreifbar gemacht hätten. Das haben wir hier alles besprochen.
Zu dem anderen Bereich - das ist auch entschieden worden - ist in der Begründung des Beschlusses gesagt worden: Es geht raumordnerisch. Insofern kann man das eine mit dem anderen nicht vergleichen.
Wir haben eine freiwillige Phase zugelassen. Für den Fall, dass die freiwillige Phase nicht umgesetzt worden wäre - auch das wäre denkbar - hätte der Landesgesetzgeber möglicherweise eine andere Variante und Vorstellung für den Oberharz gehabt. Aber wenn in einer freiwilligen Phase etwas entschieden worden ist, was jetzt erst umgesetzt werden kann, und Gerichte sagen, es ist raumordnerisch richtig, dann müssten wir doch mit dem Klammersack gepudert sein, wenn wir als Landesgesetzgeber sagen: Jetzt machen wir es wiederum anders.
Zur Stimmungslage. Das ist auch für einige Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion schwierig; das gebe ich alles zu. Nur, wenn Sie meinen, dass Sie heute in der Debatte - egal, wie Sie sich positionieren - gewinnen, dann haben Sie ohnehin verloren. Wenn Sie die Mehrheitsentscheidung in dem Gemeinderat nehmen, in dem mit einer Stimme Mehrheit votiert worden ist, dann können Sie sich heute entscheiden, auf welche Seite Sie sich stellen, 50 % sind sowieso gegen Sie. So einfach ist das Leben.
Herr Kollege Stahlknecht, ich habe zwei Fragen. Erstens. Können Sie für die Koalitionsfraktionen zusagen,