Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

Danke sehr, Frau Kollegin Görke. - Für die SPD spricht die Abgeordnete Frau Dr. Pähle.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen zu regeln ist heute so notwendig wie zu kaum einem anderen Zeitpunkt, wenn wir an gleicher Stelle darüber diskutieren, die Menschen, die zu uns kommen, durch Integration in unsere Gesellschaft aufzunehmen, und der Dreiklang von Sprache, Bildung und Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Natürlich ist das wichtig, deshalb gibt es in diesem Hohen Hause wohl niemanden, der grundsätzlich gegen den vorgelegten Gesetzentwurf sprechen wird.

Aber genau jetzt steht das Parlament vor einem Dilemma: Das Ministerium bringt einen Gesetzentwurf durch das Kabinett, und nun stehen wir Parlamentarier vor dem Problem: Wie gehen wir mit dem Gesetz, das uns in den Landtag „gekippt“ wird, um?

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Wie schaffen wir die Beratung?

Bei allem Verständnis für schwierige Abstimmungen zwischen den Bundesländern - insbesondere das Thema Vorwarnmechanismus schien in den Verhandlungen zwischen den Bundesländern relativ strittig zu sein - und bei allem Respekt für die Abstimmung zwischen den Bundesländern kann es nicht sein, dass das Parlament in dieser Kette an letzter Stelle steht. Es ist einfach ein Unding, dass wir jetzt sehen müssen, wie wir die Kuh vom Eis bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Das Dilemma des Zeitablaufes lässt sich ganz einfach darstellen: Der vorgelegte Entwurf eines Artikelgesetzes fasst insgesamt elf Einzelgesetze an. Das sind nicht irgendwelche Gesetze, sondern es geht beispielsweise um das Kammergesetz für die Heilberufe. Wer sich an die letzten Diskussionen zu dem ersten Berufsanerkennungsgesetz erinnert, der weiß, wie schwierig gerade diese Diskussion war.

In der angehängten Auswertung der durch das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft durchgeführten schriftlichen Anhörung zeigt sich, dass auch bei diesem Gesetzentwurf die Ärztekammer wieder erhebliche Bedenken angemeldet hat. Über diese kann das Parlament nicht einfach hinweggehen. Wie wollen wir also in unserem Zeitablauf eine Anhörung organisieren?

Die Geschäftsordnung bestimmt, dass der federführende Ausschuss als erster Ausschuss berät. Wie kann es dann sein, dass in einem vorgelegten Vorschlag zur Beratungsfolge der mitberatende Sozialausschuss vor dem federführenden Wirtschaftsausschuss tagen und sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigen soll? - All das geht gegen die Geschäftsordnung des Landtages.

Nun kann man sagen: Mit etwas gutem Willen bekommt man das schon hin. Das ist sicherlich so, meine Damen und Herren, und ich denke, wir alle haben guten Willen. Aber dennoch muss eine geordnete Beratung sichergestellt sein, und die Anzuhörenden müssen auch die Möglichkeit haben, angehört zu werden.

Das heißt, es gibt viel Diskussionsbedarf. Ich bin sehr froh darüber, dass sich im Anschluss an die Debatte hier im Landtag die Obleute zusammensetzen und darüber beraten werden, wie wir mit dem Gesetzentwurf umgehen.

Ich kann sagen - ich habe das auch mit unserem Ausschussvorsitzenden abgesprochen -: Natürlich werden wir uns bemühen, den Gesetzentwurf zügig zu beraten und auch einer Beschlussfassung zuzuführen. Gleichzeitig sagt aber der GBD, er habe große Bedenken, zu dem Gesetzentwurf eine Synopse vorlegen zu können, bis die Ausschüsse nach den Vorstellungen des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft dazu tagen. Die Grundlage wird aber die Synopse des GBD sein. Anders können wir parlamentarisch dieses Verfahren nicht durchziehen,

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

sodass an dieser Stelle wirklich sehr viele Anstrengungen notwendig sind, um ein geordnetes Verfahren in Gang zu bringen.

Ich bitte den Landtag an dieser Stelle, das Verfahren der Ausschussberatung damit zu eröffnen, dass der Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft überwiesen wird. Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Gesetze bedarf es darüber hinaus einer Überweisung zur Mitberatung an den Bildungsausschuss, an den Finanzausschuss, an den Sozialausschuss und an den Innenausschuss.

Ich hoffe sehr stark, dass wir im Rahmen dieser Legislaturperiode zumindest noch so weit kommen, dass das Gesetz wahrscheinlich zu Beginn der neuen Legislaturperiode zügig und ergebnisorientiert zu Ende beraten werden kann. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Frau Kollegin. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Meister.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich fange einmal mit der Kritik an, verspreche aber, zum Ende hin versöhnlicher zu werden. Auch Minister Herr Möllring hat sich in gewissem Sinne eben schon schuldbewusst gezeigt.

Die mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung anstehende Richtlinie ist nicht mehr die Jüngste. Letztlich harrt sie bereits seit Januar 2014 ihrer Umsetzung. Das Mustergesetz liegt bereits seit Ende 2014 vor. Die Frist zur Umsetzung läuft bereits am 16. Januar 2016, also praktisch gleich, ab. Nun erst im November 2015, erst kurz vor Ende der Legislaturperiode, uns den Hundertseiter auf den Tisch zu legen, der elf Gesetze ändert, mit dem sich dementsprechend natürlich mehrere

Ausschüsse befassen müssen und der den Anzuhörenden sehr kurze Fristen zumuten wird, ist zumindest sportlich.

Als meine Fraktion hier noch im Juli einen Gesetzentwurf einbrachte, erschien dies den regierungstragenden Fraktionen zeitlich schon nicht mehr beherrschbar zu sein, um das einmal im Verhältnis zu sehen.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Ja!)

Ich hätte mir eine rechtzeitige Einbringung des Gesetzentwurfes gewünscht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich stehe jetzt vor dem Problem wie meine Kollegen auch. Frau Pähle hat es eben auch gesagt. Ich möchte aber die Betroffenen nicht auf Herbst 2016 vertrösten. Wir sehen schon tatsächlich den Bedarf, dass wir zügig in die Beratungen kommen und es möglich machen, dass wir es tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode über die Bühne bekommen.

Ich meine auch, der Schlüssel liegt beim GBD. Ich weiß, er unterliegt einer erheblichen Belastung durch die Arbeiten im Rahmen des Untersuchungsausschusses, die für ihn noch anstehen. Trotzdem meine ich, es muss jetzt etwas passieren. Man muss sich Gedanken darüber machen, wie es jetzt schnell gehen kann. Gleich haben wir das Obleutetreffen. Dann werden wir Näheres erfahren.

Inhaltlich ist die Einbringung zu begrüßen. In diesem eher technischen und kleinteiligen Gesetz wirkt letztlich der Geist Europas, eines Europas, das - wir wissen es alle - in jüngster Zeit vor großen Herausforderungen stand und steht.

Die Finanzkrise, die Griechenlandkrise, die Herausforderungen in Sachen Flucht haben den Blick wieder stark auf die nationalen Grenzen gelenkt und gezeigt, dass Europa von einer Sozialunion noch erheblich entfernt ist. Doch zumindest auf dem Arbeitsmarkt wächst zusammen, was nach unserer bündnisgrünen Überzeugung auch zusammengehört. Wir wollen und brauchen einen europäischen Arbeitsmarkt. Die grenzüberschreitende Anerkennung von Berufsabschlüssen ist dabei ein notwendiger und wichtiger Aspekt.

Natürlich brauchen wir diesen Mechanismen auch für die berufliche Integration von Geflüchteten und Einwandernden aus Drittstaaten. Integration bedeutet vor allem eben auch Integration in den Arbeitsmarkt. Verfahren, die einen schnellen Abgleich der ausländischen Abschlüsse mit hiesigen Berufsabschlüssen und eine entsprechende Anerkennung ermöglichen, zugleich jedoch für die Einhaltung qualitativer Standards Sorge tragen, sind nötig und wichtig. Das Thema Fachkräftemangel

wurde schon von meinen Vorrednern erwähnt. Auch wir als aufnehmende Gesellschaft haben ein hohes Interesse daran, dass das passiert.

Gerade die mit dem Gesetz zu ermöglichende partielle Berufsausübung dürfte für Menschen aus Drittstaaten von Bedeutung sein, so kritisch man sie im Einzelnen in der Umsetzung auch sehen mag. Es ist anzunehmen, dass sich die dortigen Berufsqualifikationen nicht immer eins zu eins auf hiesige Berufsfelder beziehen lassen. Es ist daher nur folgerichtig, bei einer partiellen Deckungsgleichheit mit hiesigen Berufsfeldern eine entsprechende partielle Berufsausübung zuzulassen.

An uns GRÜNEN soll die schnelle Verabschiedung des Gesetzes nicht scheitern - ich sagte es bereits -; denn - sagen wir einmal so - auch ein bündnisgrünes Wissenschaftsministerium hätte

wohl ein sehr ähnliches Gesetz vorgelegt - ich hoffe allerdings, es hätte es früher vorgelegt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Herrn Tögel, SPD)

Schließlich handelt es sich in erheblichen Teilen um die Nachvollziehung von EU-Vorgaben und die gesetzliche Normierung von Verfahrensabläufen und -zuständigkeiten. Wichtige Teile des Gesetzes sind dem Mustergesetzentwurf der Arbeitsgemeinschaft der für die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen koordinierend zuständigen Ressorts der Länder entnommen worden. Die Rechtsgleichheit mit anderen Ländern ist also nicht nur technisch begründet, sondern auch politisch gewollt. Das können wir an dieser Stelle nur gutheißen.

Detailfragen können wir sicherlich noch im Ausschuss stellen und auch klären. Wir sollten den Gesetzentwurf überweisen, damit darüber zügig beraten werden kann. - Danke schön.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollege Meister. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas. Bitte sehr.

(Frau Dr. Pähle, SPD, nimmt als Schriftfüh- rerin im Präsidium Platz)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Es ist eine ungewöhnliche Situation, weil mir die Kollegin Pähle jetzt im Rücken sitzt.

(Herr Heynemann, CDU: Lieber im Rücken als im Nacken!)

- Ja, es gibt Schlimmeres. Wenn wir den Koalitionspartner im Rücken haben, dann habe ich kei

ne Sorge. Aber gegen die Formulierung, uns wurde ein Gesetzentwurf hierher gekippt, möchte ich mich doch ein bisschen sträuben.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Ausgeschüttet!)

Ich glaube, das tut dem Inhalt dieses Gesetzes ein bisschen Unrecht. Es ist ein wichtiges Gesetz. Ich teile die Kritik, die hier von einem schlechten Timing spricht, in der Tat. Ich möchte aber dafür werben, dass wir dieses Gesetz noch umsetzen, um den Menschen zu helfen, die Hilfe benötigen.

Ich darf uns daran erinnern: Bei diesem Gesetz handelt es sich im Wesentlichen um Anpassungen, welche die Europäische Union vorgeschrieben hat und die wir im Rahmen unserer föderalistischen Strukturen umsetzen wollen und natürlich auch müssen.

Durch die vorgesehenen Änderungen werden ein einfacherer Zugang zur Anerkennung und raschere Verfahren ermöglicht. Meine Damen und Herren! Ich denke, das ist Konsens in diesem Hause; genau das wollen wir.

Das betrifft einerseits die Einführung der Option einer elektronischen Übermittlung von Unterlagen innerhalb der EU. Ich darf die Ausschusskollegen daran erinnern, dass wir schon oft darüber diskutiert haben, dass es möglich sein muss, sich von der Stelle aus, wo die Menschen herkommen, ob aus Spanien oder von anderen Stellen Europas und der Welt, schon im Vorfeld zu erkundigen. Das muss eben auch mittels elektronischer Übermittlungen möglich sein.

Andererseits geht es eben auch darum, einheitliche Ansprechpartner zu schaffen, die dieses Anerkennungsverfahren vom Anfang bis zum Ende betreuen, damit derjenige, der hier dieses Verfahren beantragt und durchläuft, einen einheitlichen Ansprechpartner hat.