Wir wollen dieses Netzwerk offen gelegt sehen, sowohl im Rahmen der juristischen Aufarbeitung der Terroranschläge als auch vor den Augen der Öffentlichkeit. Wir wollen die Gründe für das Versagen von 17 Verfassungsschutzbehörden untersuchen.
Dafür ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gerade auch im Bund notwendig. Nur er kann transparent und vor den Augen der Öffentlichkeit aufklären.
Dass die CDU diesen so vehement bekämpft und auch die Bundes-SPD bis vorgestern nur einen parlamentarisch zahnlosen Sonderermittler bzw. eine Regierungskommission einsetzen wollte, ist nur mit falsch verstandener Solidarität zu verstehen.
Mit Blick auf die politischen Mehrheiten insbesondere in Sachsen und in Thüringen und bei den zum Teil haarsträubenden Verhältnissen in den dortigen Sicherheitsbehörden kann ich Ihr Unbehagen nachvollziehen.
So konnte in Thüringen insbesondere unter einem SPD-Innenminister der Verfassungsschutz in den 90er-Jahren ein denkwürdiges Eigenleben führen. Und im Freistaat Sachsen gefällt sich die CDULandesregierung bis heute darin, demokratisches Engagement gegen Neonazis, zum Beispiel in
Diese Versäumnisse sind jedoch aufzuklären, unabhängig davon, ob davon auch Innenminister der eigenen Partei betroffen sind.
Sachsen-Anhalt muss diese Aufklärung auch selbst unterstützen. Wir verlangen, dass die Landesregierung sich zu ihrem Beitrag bei der Aufarbeitung bekennt und Beamten des Landes, sofern sie aus Berlin oder anderen Bundesländern angefragt werden, Aussagegenehmigungen erteilt.
Die Ergebnisse der Aufklärung können nicht vorweggenommen werden. Auch für abschließende Schlussfolgerungen ist es zu früh. Die ritualisierten Rufe nach mehr Befugnissen für die Sicherheitsbehörden - ein Stichwort an die SPD: Vorratsdatenspeicherung - kommen daher zur Unzeit und gehen fehl.
Gegen Pannen und Fehleinschätzungen bei den Sicherheitsbehörden helfen weder neue Dateien von Polizei und Verfassungsschutz noch die Vorratsdatenspeicherung oder mehr Videoüberwachung.
Die mit Pathos auch von Ihnen, Herr Minister, vorgetragene Forderung nach einem schnellstmöglichen Verbot der neonazistischen NPD bleibt angesichts von bundesweit mehr als 130 Spitzeln des Verfassungsschutzes in der Partei - ein ansehnlicher Teil davon befindet sich in Führungspositionen - derzeit noch hohl. Sie in Kriegsrhetorik à la „Dieser Schuss muss sitzen“ vorzutragen, wie Sie das in Zeitungsinterviews getan haben, macht sie nicht sinnvoller; denn zuerst sind die Voraussetzungen, unter anderem der Abzug aller V-Leute aus den Vorständen, zu schaffen, auch in Sachsen-Anhalt.
Dankbar bin ich Ihnen aber, Herr Stahlknecht, dass Sie anlässlich der Innenministerkonferenz Ihre Kollegen aus Bund und Ländern zu Sorgfalt und Gründlichkeit bei der Vorbereitung eines Verbotsverfahrens gemahnt haben. Geben die Ergebnisse dann eine tragfähige Grundlage für einen Verbotsantrag mit einem sicheren Ausgang vor dem Bundesverfassungsgericht her und ist auch die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme als zusätzlich zu erfüllendes Kriterium des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegeben, so kann und so muss die Bundesregierung, die allein über eine vollständige Aktenlage verfügt, ein Verbot anstrengen.
Die von den Gegnern eines Parteiverbotes vorgetragenen systematischen Zweifel entwertet dies im Übrigen nicht. Vor allem - auch das ist hier heute gesagt worden - kann ein Parteiverbot kein abschließendes Fanal in der Auseinandersetzung mit Neonazis sein. Selbst wenn die NPD verboten wäre, gäbe es weiter Neonazis, institutionellen Rassismus und Vorurteile in der Mehrheitsgesellschaft. Oder mit Serdar Somuncu gesprochen: „Ein NPDVerbot ist ein Pflaster auf eine Wunde, die nicht heilt.“
Die aktuellen Erkenntnisse über die Verbindungen zwischen der NPD und der NSU-Terrorzelle können in die Entscheidung über ein mögliches NPDVerbot natürlich hineinspielen. Dabei ist es aber notwendig zu beweisen, dass die Taten der NSU oder spezifische tatermöglichende Unterstützungsleistungen unmittelbar und vollumfänglich der NPD oder mehr als einzelnen Kadern zuzuordnen sind.
Eine, wie von Ihnen, Herr Stahlknecht, im Zeitungsinterview behauptet, lediglich mittelbare Verbindung zwischen der NPD und dem Umfeld der Terroristen kann als Beispiel für die Verwobenheit und die fließenden Grenzen in der rechten Szene sehr wohl gelten. Als Hebel in einem Verbotsverfahren taugt sie leider nicht.
Herr Minister, Ihr Exkurs zu den Grundlagen und der Entstehungsgeschichte des Konzeptes der wehrhaften Demokratie war nicht falsch. Sie hätten mit Blick auf den von der NPD permanent verharmlosten und häufig glorifizierten Nationalsozialismus ergänzend auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heranziehen können, die das Grundgesetz in Gänze als - ich zitiere - „Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes“ verstanden wissen will.
Es greift aus meiner Sicht jedoch zu kurz, in Sachen Rechtsterrorismus nur vor der historischen Folie zu argumentieren. Bonn war nicht Weimar und Berlin ist es auch nicht. Und für dieses Hohe Haus gilt, dass wir Demokratie und Rechtsstaatlichkeit heute und hier in Magdeburg und in Sachsen-Anhalt verteidigen müssen.
Die Fraktionen haben sich deshalb auf die Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung verständigt, wie sie bereits im Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Das ist nicht falsch, aber doch keineswegs ausreichend. Die Erklärung des Bundestages braucht die Übersetzung nach Sachsen
Anhalt. Nur ein konkreter Beitrag unseres Landes kann ein wirksamer Beitrag für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sein.
Helfen Sie mit, meine Damen und Herren, dass unser Bundesland diesen Beitrag leistet. Lassen Sie den Worten Taten folgen, wie es unser Präsident schon gesagt hat.
Zunächst fragt der Abgeordnete Herr Miesterfeldt, dann der Abgeordnete Herr Kolze und danach der Abgeordnete Herr Erben.
Herr Kollege, könnten wir uns erstens darauf einigen, dass auch einzelne oder mehrere DönerMorde ganz schreckliche Straftaten gewesen wären und es in diesem Hohen Hause niemanden gibt, der sich danach gelassen zurücklehnt?
Könnten wir uns zweitens darauf einigen, dass politische und persönliche Selbstgerechtigkeit ein vollkommen ungeeignetes Mittel ist, den Extremismus zu bekämpfen?
(Zuruf von der SPD: Das war klar! - Weitere Zurufe von Herrn Felke, SPD, und von Herrn Bergmann, SPD)
Erstens mit Blick auf die Benennung als DönerMorde. Damit kommen wir genau auf den Bereich, der zu problematisieren ist. Es geht nicht nur um die Ränder der Gesellschaft, sondern es geht um unsere eigene Wahrnehmung. Ich glaube, diese Punkte sind anzusprechen.
(Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Zu- ruf von Frau Budde, SPD - Frau Brake- busch, CDU: Bei Morden so zu sprechen! - Herr Radke, CDU. Sie setzen sich an den Rand der Gesellschaft!)
Ich möchte, um die Stimmung im Hause sozusagen wieder dem Thema angemessen gestalten zu können, Gäste begrüßen. Wir haben auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Pestalozzi-Schule in Wienrode und Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule in Zörbig. Herzlich willkommen hier im Haus!
Sie erleben gerade eine sehr lebhafte Debatte, wo es um den Austausch von Positionen geht. Wir würden uns alle sehr freuen, wenn Sie vielleicht die Debatte in Ihre Schulen, Familien und Ihren Freundeskreis mitnehmen könnten, um das Thema dort noch einmal aufarbeiten. Herzlich willkommen hier im Haus!
Danke, Herr Präsident. - Lieber Kollege Striegel, bevor ich Ihnen eine konkrete Frage stelle, mache ich eine kurze Bemerkung. Straftaten wie physische Gewalt gegen unsere Polizeibeamten, auch im wohlverstandenen Protest gegen Rechte, bleiben Straftaten und sind deswegen nicht besser.