Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will noch vier Dinge anmerken.

Erstens. Sie alle wissen, dass ich relativ neu im Landtag bin. Ich bin enorm froh darüber, dass ich erleben darf, dass wir uns im Interesse von Betroffenen in diesem Hause zumindest für mich zum ersten Mal einig sind, was die Inhalte betrifft. Das ist ein durchaus positives Zeichen.

Zweitens. Das Einzige - das hat der Kollege Schwenke schon angedeutet -, was den Antrag, den wir eingebracht haben, von dem Antrag der Koalition unterscheidet, ist die Forderung, einen Landespsychiatrieplan zu erstellen.

Herr Minister, wir haben uns schon kurz unterhalten. Ich denke, wir kommen als Land nicht aus der Rolle heraus, den Prozess zumindest zu moderieren. Lieber wäre es mir, wenn wir tatsächlich einen solchen Landespsychiatrieplan auf den Weg bringen würden. Ich hoffe, wir können uns zwischen meiner Forderung und Ihrem Ansinnen irgendwo einigen und vielleicht noch etwas draufsetzen auf das, was Sie sagen.

Drittens. Selbstverständlich halte ich es nicht nur in diesem Fall für wichtig, dass wir Betroffene einbeziehen. Das Aktionsbündnis ist eine Initiative, die wir ganz besonders einbeziehen müssen.

Viertens. Ich denke, um auch in der Wirtschaft und im öffentlichen Leben beispielgebend zu sein, sollten wir die betriebliche Gesundheitsversorgung in unseren eigenen Häusern so entwickeln, dass sie tatsächlich beispielgebend ist.

Die Frage von Frau Dr. Paschke, was die ressortübergreifende Gesundheitsversorgung betrifft, sollten wir tatsächlich ins Auge fassen und vielleicht in der nächsten Sitzung des Ausschusses Ideen entwickeln, wie wir dies auf den Weg bringen können. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Zoschke. Ich hatte in Ihrer Einbringungsrede gehört, dass Sie um Überweisung bitten. Das halten Sie aufrecht; Sie wollen, dass ich jetzt darüber abstimmen lasse?

(Frau Zoschke, DIE LINKE, nickt mit dem Kopf)

- Ich mache das, wenn Sie das wollen.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Wir können auch direkt abstimmen!)

Die Alternative wäre, dass direkt abgestimmt wird. Das heißt, es würde als Erstes über den Änderungsantrag abgestimmt. Dann würde über Ihren Antrag abgestimmt werden. Wenn dieser keine Mehrheit fände, würde über den gegebenenfalls geänderten oder ergänzten Alternativantrag abgestimmt werden.

Frau Zoschke, das wollen Sie so nicht? Sie bleiben bei der Bitte um Überweisung?

(Frau Zoschke, DIE LINKE: Ja!)

- Ich wollte nur sichergehen. Dann lasse ich jetzt darüber abstimmen.

Wer ist für die Überweisung des Antrags der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/719 in den Ausschuss für Soziales?

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Aller Anträ- ge!)

- Aller Anträge, gut. - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. - Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

(Frau Niestädt, SPD: So ist es!)

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die Anträge. Ich frage als Erstes die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, ob sie mit dem Vorschlag von Frau Grimm-Benne und der Koalitionsfraktionen einverstanden wäre, diesen Halbsatz einfließen zu lassen, und dann ihren Antrag zurückzöge.

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, nickt)

Dann würde ich Frau Grimm-Benne insbesondere für das Protokoll bitten, die Ergänzung noch einmal vorzulesen, aber erst wenn der Alternativantrag zur Abstimmung kommt. Über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimme ich jetzt nicht ab.

Dann stimmen wir über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/719 ab. Wer stimmt diesem zu? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Dann kommen wir zum Alternativantrag der SPD und der CDU. Frau Grimm-Benne liest für das Protokoll bitte den Einschub vor.

Bei dem Alternativantrag der Fraktionen von CDU und SPD soll unter Punkt 2 nach dem Semikolon folgende Passage eingefügt werden:

„dabei sind die Erfahrungen des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit zu nutzen.“

Vielen Dank. Es ist aufgeschrieben. Es gibt keinen weiteren Diskussionsbedarf dazu.

Dann lasse ich über den so ergänzten Alternativantrag in der Drs. 6/748 abstimmen. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 5 ist abgearbeitet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung

Bundesratsinitiative zur Änderung des Zugangs zu den Leistungen der Schülerbeförderung gemäß Bildungs- und Teilhabepaket

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/720

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Dirlich. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schülerbeförderung im Zusammenhang mit dem Bildungs- und Teilhabepaket ist bereits zum vierten Mal Thema in diesem Hohen Haus. Zum vierten Mal, man soll es nicht glauben.

Schon im Mai 2011 haben wir das Thema in der von uns angeregten Aktuellen Debatte angesprochen. Der erste Eindruck, der damals bei uns entstand, war, dass durch die Regelung in SachsenAnhalt zur Übernahme der Kosten der Schülerbeförderung auch in der Sekundarstufe II durch das Land - allerdings erst nach Ableistung eines Eigenanteils - eine Ungleichbehandlung gegenüber Schülerinnen und Schülern in anderen Bundesländern eingetreten ist.

Das eigentlich Problem - das haben wir sehr schnell festgestellt - ist, dass Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums, die auf Hartz IV angewiesen sind, nahezu ihren gesamten für Mobilität zur Verfügung stehenden Betrag ausschließlich dafür verwenden sollen, zur Schule und wieder zurück zu kommen. Das halten wir nach wie vor und vor allem für unzumutbar.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Frau Lüddemann, GRÜNE)

Ich will auch daran erinnern, dass es von Anfang an zu Umsetzungsproblemen gekommen ist, weit vor dem Bildungs- und Teilhabepaket, weil dieser Eigenanteil nämlich am Anfang des Jahres erst einmal erbracht werden und erst dann die Förderung durch das Land erfolgen sollte. Es hat also von Anfang an Riesenprobleme damit gegeben.

Deshalb war es kein Wunder, dass es auch nach und mit dem Bildungs- und Teilhabepaket Probleme gibt. Es hatte von Anfang an den Anschein, dass sich im Grunde alle darin einig sind - auch die CDU übrigens, Herr Schellenberger als Vorsitzender des Bildungsausschusses -, dass eine schnelle Lösung des Problems zu finden ist, was immerhin voraussetzt, dass es ein Problem gibt.

Wir haben bereits zwei Versuche unternommen, das Problem in und für Sachsen-Anhalt zu lösen. Zunächst gab es den Versuch, im Schulgesetz selbst eine Öffnung hinzubekommen und den Eigenanteil für die Schülerbeförderung als Bedarf für Bildung anerkennen zu können. Das wurde in einer Anhörung unter anderem von der GEW, vom Philologenverband und auch vom Landeselternrat begrüßt.

Im zweiten Versuch haben wir versucht, in unserem Landesausführungsgesetz die Beweislast umzukehren und die Einzelfallprüfung nicht zur Regel, sondern zur Ausnahme zu machen.

Beide Vorschläge wurden vor allem mit der Begründung zurückgewiesen, dass bundesgesetzliche Regelungen nicht durch Landesgesetze konterkariert werden dürfen. Es wurde auch auf die unterschiedlichen Rechtskreise hingewiesen, die durch diese Regelungen im Schulgesetz, Bildungspaket, SGB II, Kindergeldgesetz usw. berührt werden.

Eine interessante Begründung übrigens nebenbei. Diese bestand darin, dass der Bundesgesetzgeber den Ermessensspielraum nicht dem Landesgesetzgeber, sondern der zuständigen Behörde und dort dem jeweiligen Sachbearbeiter übertragen und eingeräumt hat. - Das ist ein schöner Satz. Der noch schönere Satz war, dass der zuständigen Behörde nicht vorgeschrieben werden kann, wie sie diesen Ermessensspielraum zu nutzen habe.

Dieser Grundsatz hat dann das Kultusministerium allerdings nicht daran gehindert, in einen Erlass folgenden Satz zu schreiben:

„Für die Träger der Schülerbeförderung ändert sich mit der vorbezeichneten Neufassung“

- es ging um das Bildungs- und Teilhabepaket -

„nichts. Sie dürfen für diesen Personenkreis keine Zuschüsse gewähren und haben weiterhin zu überwachen, dass die Anspruchsberechtigten die erforderlichen Eigenleistungen erbracht haben.“

So viel zum Thema Ermessensspielraum der Bearbeiterin vor Ort. Ein schönes Beispiel.

Vor allem sind wir in der Diskussion immer wieder darauf hingewiesen worden, dass diese Angelegenheit auf der Bundesebene geklärt werden muss. Deshalb also heute: Klappe, die dritte.