Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Ich finde es schade, dass die Frage nicht beantwortet wird. Aber egal. Ich wollte einfach Folgendes sagen: Herr Kollege Rotter hat einen Großteil seiner Rede über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit philosophiert. Ich hätte ihn einfach gefragt, ob

er nicht mit mir der Meinung ist, dass es eine gewisse Ungerechtigkeit ist, wenn Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I seit vielen Jahren kostenlos zur Schule gefahren werden und Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II nicht, und welche Position die CDU denn vorlegen würde, um dieser Ungerechtigkeit ein Stückchen Abhilfe zu leisten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Bull. Wir haben die Intervention gehört. - Jetzt hat wirklich Frau Lüddemann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kollegin Bull hat eine der Interventionen, die ich in meiner Rede vorbringen wollte, vorweggenommen - zu Recht. Das ist in der Tat eine Ungerechtigkeit, die ich noch nie verstanden habe, an die ich mich auch nie gewöhnen werde und die ich als zutiefst ungerecht empfinde.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Man könnte das noch fortführen. Neben der Ungerechtigkeit zwischen Sekundarstufe I und II gibt es auch eine Ungerechtigkeit in der Behandlung von Schülerinnen und Schülern im ländlichen Raum und im städtischen Raum. Das ist nachgewiesen, denn - das sollte man vielleicht noch einmal deutlich sagen, damit allen Kollegen klar ist, worüber wir hier reden - für Jugendliche im Gymnasialalter stehen maximal 14 € im Monat zur Verfügung. Wenn man 100 € Eigenanteil im Jahr zahlen soll: Woher soll man das Geld für ein Fahrrad nehmen? Woher soll man das Geld für eine Fahrradreparatur nehmen? Woher soll man das Geld für andere ÖPNV-Leistungen nehmen?

(Zuruf von Herrn Rotter, CDU)

- Herr Rotter, wenn das für Sie so einfach ist - also ich möchte mich mit diesem Geld nicht herumschlagen müssen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Deshalb sind wir als GRÜNE auch schon lange dafür, den Regelsatz deutlich zu erhöhen. Wenn man Ihre Worte positiv interpretieren würde, könnte man ihnen entnehmen, dass auch Sie für eine Erhöhung des Regelsatzes sind. Dann haben Sie nämlich nicht mehr das Problem, dass es solch eine große Schwelle zu denen gibt, die zwar arm sind in diesem Land, die aber nicht bedürftig im Sinne dieses Gesetzes sind, was ich auch als eine Ungerechtigkeit empfinde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Grundsätzlich finde ich es richtig, das Thema noch einmal aufzurufen. Wir haben uns in der Tat eigentlich schon viel zu lange auf unterschiedlichen Ebenen mit dieser Thematik beschäftigt. Ich habe viel Zuspruch gehört, aber keine wirkliche Lösung. Insofern sehe ich auch, dass das Thema jetzt hier angekommen ist, wo es hingehört und wo es vielleicht noch eine Chance auf eine Lösung gibt.

Wir unterstützen also diesen Antrag und halten auch eine Direktabstimmung für sinnvoll. Wir brauchen jetzt nicht mehr länger darüber zu reden. Entweder wir wollen es an den Bundesrat herantragen oder nicht. Wenn wir es an den Bundesrat herantragen wollen - - Ich meine mich zu erinnern, dass der Minister im Ausschuss schon einmal zugesichert hat zu checken, wie die Erfolgsaussichten sind. Aber ich glaube, dass es nicht mit einer Abfrage getan ist, sondern man muss dann wirklich offensiv für solch ein Ziel werben. Nur das macht dann Sinn, wenn wir das heute beschließen.

(Herr Borgwardt, CDU: Es wäre schön, wenn das all Ihre Koalitionen in den west- lichen Ländern mitmachen würden! Das würde uns schon helfen!)

- Das kriegen wir mit Sicherheit hin. Denn wir halten uns an Beschlusslagen, auch wenn die Beschlüsse auf der Bundesebene gefasst werden.

Ich denke, es ist wirklich bitter nötig. Das möchte ich auch noch sagen. Ich weiß nicht, ob bei Ihnen im Wahlkreisbüro oder in der Fraktion die Fälle bekannt sind, wo tatsächlich Schülerinnen und Schüler diese 100 € zu dem geforderten Zeitpunkt nicht bezahlen konnten und wo so der Schulbesuch ausgefallen ist. Das ist etwas, was wir aus diesem Hause nicht weiter unterstützen konnten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist nicht nur eine Ungerechtigkeit, sondern es fällt den Schülerinnen und Schülern, die davon betroffen sind, wirklich in ihrer Bildungsbiographie nachhaltig auf die Füße - und nicht nur diesen Schülerinnen und Schülern, sondern im Endeffekt uns allen.

Ich halte auch die vorgeschlagene Umkehrung der Beweislast für einen eleganten Weg, allen Schülerinnen und Schülern den Schulbesuch in dieser Weise zu ermöglichen.

Alles andere ist im Prinzip gesagt. Wir unterstützen diesen Antrag. Ich glaube, die Hoffnung, dass die Mehrheit dieses Hauses das tut, können wir uns sparen. Aber trotzdem danke für den Antrag.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Frau Grimm-Benne, SPD: Ich ver- zichte!)

Frau Grimm-Benne verzichtet auf einen Redebeitrag für die SPD-Fraktion. Somit hat Frau Dirlich die Möglichkeit zu erwidern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mutig, mutig von der SPD!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, dass es eine einfache Lösung gibt, hat wirklich noch niemand behauptet. Je mehr ich darüber lese, desto mehr merke ich auch, wie kompliziert es ist. Deshalb wollen wir eine Lösung, die so weit oben wie möglich ansetzt und dieses Problem gar nicht erst entstehen lässt, und zwar indem die Beweislast umgekehrt wird und den Leuten erst einmal nachgewiesen werden muss, dass man es ihnen zumuten kann, einen Eigenanteil zu tragen. Ich komme noch einmal darauf zurück. Ich versuche auch, es kurz zu machen.

Auf welche Weise die Bedarfe doppelt gedeckt werden sollten, Herr Rotter, das bleibt Ihr Geheimnis. Diesen Einwand habe ich nicht verstanden.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Sie haben mir ja schon des Öfteren unterstellt, dass ich es nicht verstehe. An dieser Stelle haben Sie Recht.

(Herr Rotter, CDU: Ach!)

Nicht umsonst, Herr Rotter, wurden die Berechtigten nach § 6 des Bundeskindergeldgesetzes, also diejenigen, die wegen ihres geringen Einkommens einen Kindergeldzuschlag erhalten, in das Bildungs- und Teilhabepaket einbezogen. Denn die Kritik ist schon sehr alt, dass Bezieher von Hartz IV eine ganze Reihe von zusätzlichen Leistungen in Anspruch nehmen können, was diejenige oder derjenige, dessen Einkommen knapp über dem Bedarf liegt, nicht kann. Deshalb ist diese Regelung eingeführt worden. Insofern ist Ihr Einwand nicht ganz schlüssig.

Vor dem Hintergrund der Ungerechtigkeit zwischen Schülern der Sekundarstufe I und Schülern der Sekundarstufe II, über die wir gerade diskutiert haben, sind wir nach wie vor der Meinung, dass man wenigstens diesem Personenkreis den Eigenanteil einfach mal eben ersparen sollte.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern, weshalb das Schulgesetz überhaupt geändert wurde und wie der Eigenanteil zustande kam. Das Schulgesetz ist geändert worden, um Bildungsbarrieren abzubauen. Menschen, die nicht zur Schule kommen, weil sie das Geld für die Schulfahrt nicht haben, bleibt höhere Bildung verwehrt. Für sie hört die Freiheit und der Zugang zu

höherer Bildung an der Bushaltestelle auf. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Eigenbeteiligung von 100 € ist von Ihnen deshalb einführt worden, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, also dass Leute sich eine Karte kaufen und dann trotzdem mit dem Moped fahren.

(Frau Niestädt, SPD: Das ist begrenzt auf 100 € im Jahr!)

- Ja doch, ich verkürze es etwas. Das ist vielleicht unzulässig, aber wir wollen ja fertig werden.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der LINKEN)

In diesem Falle ist ein Mitnahmeeffekt natürlich völlig ausgeschlossen, weil die Kosten für die Schülerbeförderung ohnehin nur auf Nachweis erbracht werden können. Das heißt, man muss erst einmal nachweisen, dass man eine Karte hat, dann kann diese Art der Förderung in Anspruch nehmen. Also die Frage des Mitnahmeeffektes fällt schon einmal aus.

Deshalb sind wir nach wie vor der Meinung, dass man an dieser Stelle für diesen Personenkreis eine Regelung finden muss, die so einfach wie möglich ist. Die kriegen Sie nur dann hin, wenn die Beweislast umgekehrt werden kann. Da wir das im Lande nicht machen können, müssen wir es auf der Bundesebene machen. Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf, stimmen Sie dem Antrag zu. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Damit ist die Debatte beendet. Eine Überweisung wurde nicht beantragt. Wir stimmen somit unmittelbar über die Drs. 6/720 ab. Wer stimmt dem Antrag zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 6.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung

Lehramtsausbildung Zweite Phase

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/721

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Koch-Kupfer. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was macht eigentlich eine gute Lehrerin oder einen guten Lehrer aus? Was meinen Sie? - Erinnern Sie sich vielleicht an Ihre

eigene Schulzeit. Überlegen Sie, welche Lehrer Ihnen ganz besonders im Gedächtnis geblieben sind und was diese auszeichnete.