Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Im Ergebnis des Forums wurden schwerpunktmäßig notwendige Verbesserungen der Tiergesundheit und des Tierwohls als ein wesentlicher Lösungsansatz in den Fokus gestellt. Im Rahmen des Abschlussforums im Dezember 2011 wurde die Fortsetzung dieses Dialogs angeregt. Dieser Anregung werde ich folgen.

Wir müssen uns dabei aber auch darüber klar werden, wie wir den Tierschutz im Einklang mit den gesellschaftlichen Erwartungen, aber auch mit der Wirtschaftlichkeit und der Praktikabilität landwirtschaftlicher Produktion weiterentwickeln können.

Es ist richtig, auch Fragen in Bezug auf Anlagengenehmigungen sowie Lagerung und Verwertung von Reststoffen zur Düngung einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Zu dem genannten Themenkomplex kann das Zentrum für Tierhaltung und Technik in Iden mit seinen modernen Lehrwerkstätten für die überbetriebliche Ausbildung wesentliche Beiträge leisten.

Zur Weiterentwicklung des Zentrums für Tierhaltung und Technik Iden und seines landwirtschaftlichen Modell- und Demonstrationsbetriebes ist jedoch eine Reihe von Investitionsmaßnahmen erforderlich. Dann kann das Land seiner Vorbildfunktion im Rahmen der Aus- und Fortbildung weiterhin gerecht werden.

Zur nachhaltigen Umsetzung dieses Punktes des Antrages bedarf es einer besonderen Unterstützung aus dem parlamentarischen Raum, meine Damen und Herren.

Im Hinblick auf die Verbesserung der Akzeptanz und der Transparenz der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung steht sicherlich zuallererst auch die Wirtschaft in der Verantwortung. Das Land kann die Themen hierbei nur im Rahmen seiner Möglichkeiten begleiten.

Es ist ja nicht so, dass heutzutage die Hähnchen in Fachwerkhäusern und die Molkereiprodukte in einer Rührschüssel erzeugt werden, wie es manche Firmen der Ernährungswirtschaft in ihrer Werbung zeigen. Auch diesbezüglich sind Klarheit und Ehrlichkeit gegenüber dem Verbraucher gefordert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Aber auch der Verbraucher selbst sollte sich vermehrt über moderne Landwirtschaft informieren. Die Tage des offenen Hofes bieten dazu eine geeignete Plattform. Die Verantwortung des Verbrauchers setzt jedoch eine umfassende und sachgerechte Information aller Beteiligten voraus.

Neben dem Antrag der Regierungsfraktionen liegen weitere Anträge vor, die meines Erachtens einer sehr sorgfältigen Prüfung bedürfen, um auf dieser Basis einen Landtagsbeschluss herbeizuführen.

Wann ist Nutztierhaltung industriell? - Man kann gegen industrielle Haltung wettern, aber diejenigen, die das tun, drücken sich in der Regel davor, eine präzise Definition beizubringen.

Wie sollen wir regional und nachhaltig wirtschaftende Betriebe fördern? - Diese Betriebe muss man zuerst einmal definieren.

Welche Betriebe wirtschaften flächengebunden und welche tierschutzgerecht und welche nicht? - Auch das bedarf einer Definition.

Wenn man sich auf Bundesebene für die Abschaffung des Bauprivilegs gemäß § 35 des Baugesetz

buches für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Nutztierhaltung einsetzen soll, dann muss man wissen, dass das ein K.-o.-Kriterium für die Tierhaltung in vielen deutschen Regionen, nicht unbedingt in Sachsen-Anhalt ist.

(Beifall bei der CDU)

Ob man das will - diesbezüglich setze ich ein Fragezeichen.

Die Anmerkungen der LINKEN zur Förderungspolitik sind, so glaube ich, sehr stark erörterungsbedürftig, bevor man sie zu einem Beschluss erheben kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Bezug auf die Frage hinsichtlich eines anspruchsvollen Tierschutzlabels habe ich meine Zweifel, ob wir den Verbraucher mit weiterer Labelpolitik wirklich beglücken oder ob wir ihn damit nicht ein Stück weit überfordern. Auch dies bedarf einer sorgfältigen Diskussion.

Vor diesem Hintergrund bin ich der Auffassung: Der Antrag der Regierungsfraktionen kann begrüßt werden. Er beinhaltet alle wesentlichen Aspekte und wir werden unsere Politik in der Landesregierung daran orientieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Wir haben eine Fünfminutendebatte vereinbart. Als Erster spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Krause.

Sehr verehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ohne Zweifel, die konventionelle Form der Nutztierhaltung steht zunehmend in der Kritik der Öffentlichkeit. Dabei geht es einerseits um mehr Transparenz bei Genehmigungsverfahren zur Errichtung von Tierproduktionsanlagen und die Einbeziehung bzw. die Einräumung von Entscheidungsrechten für die Verantwortlichen auf kommunaler Ebene. Andererseits geht es generell um die Größe der geplanten Anlagen und die Art und Weise der Tierhaltung selbst.

Nicht zuletzt wird in den öffentlichen Debatten immer wieder auf den Zusammenhang von hohen Tierkonzentrationen - Herr Barth hat das schon angeschnitten -, Tierhygiene, Tiergesundheit und den wachsenden Einsatz von Medikamenten, insbesondere von Antibiotika, aufmerksam gemacht.

Dies alles ist verbunden mit der zunehmenden Sorge um die menschliche Gesundheit und den Schutz der Tiere. Hohe Tierkonzentrationen verursachen zudem erhöhte Folgekosten für die kommunale Infrastruktur.

Dieser Komplexität können wir nur gerecht werden, wenn Investitionsmaßnahmen in der Tierhaltung und im Veredlungsbereich künftig konsequent unter volkswirtschaftlichen Gesichtpunkten geplant und umgesetzt werden, um so Nachhaltigkeit in ganzer Breite zu sichern.

Nach unserer Auffassung reichen die gegenwärtigen bau- und immissionsschutzrechtlichen Regelungen auf Bundes- wie auf Landesebene nicht mehr aus, um diesen Anforderungen allein über das Genehmigungsverfahren gerecht werden zu können.

Im Interesse einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung und einer ausgewogenen Agrarstruktur sprechen wir uns dafür aus, dass für Anlagengrößen in der Tierhaltung Obergrenzen festgesetzt werden, die sich in erster Linie nach den sozialen und natürlichen Bedingungen und Möglichkeiten der betreffenden Regionen ausrichten. Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der Planung neuer großer Tierproduktionsanlagen sollte es generell geben.

Es ist doch nicht so, dass die Menschen im ländlichen Raum die Einrichtung von neuen Anlagen grundsätzlich ablehnen. Nein, sie wollen gehört werden und mitentscheiden, wo immer es um ihr Dorf und ihre Lebensinteressen geht.

Für die Lebensqualität im ländlichen Raum, auch für das Image der Landwirtschaft selbst ist es das Beste, wenn nachhaltig und umweltschonend auf der Grundlage regionaler Energie- und Stoffkreisläufe gewirtschaftet wird. Es gibt andere Möglichkeiten, dem Dorf oder seinen Bewohnern Arbeitsplätze zu bieten, als zum Beispiel auf eine 100 000er-Schweinemastanlage zu setzen.

Ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt spreche ich mich trotzdem dafür aus, dass wir die in Sachsen-Anhalt bestehenden Potenziale zur Erhöhung der Tierproduktion unbedingt ausschöpfen sollten. Das wäre für eine auf lange Sicht bundesweite Umverteilung der Tierbestände einfach nur vernünftig.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Während in Sachsen-Anhalt weniger als 0,5 Großvieheinheiten pro Hektar gehalten werden, ist der Tierbestand in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mehr als dreimal so hoch.

Allein über die enormen Tierkonzentrationen im Nordwesten der Bundesrepublik zu sprechen, wäre ein Thema für sich. Wir gehen davon aus, dass eine Aufstockung der Bestände nicht über Investitionen in Anlagen mit hoher und höchster Konzentration erfolgen darf. Lebendvieh, Gülle und Futter gehören nicht auf die Straße;

(Zustimmung bei der LINKEN)

vielmehr gehören die Schlachttiere auf kürzestem Wege in den nahegelegenen Schlachthof und die Gülle auf den Acker nebenan.

Futter sollte möglichst zu einem hohen Anteil aus eigenem Aufkommen produziert werden. Das senkt die Anzahl der Transporte und infrastrukturelle Folgekosten.

Wir müssen also Anlagen protegieren, die das Potenzial des natürlichen Umlandes zwar ausschöpfen, aber nicht überfordern, und sich so in den landwirtschaftlichen Produktionsprozess integrieren. Das findet Akzeptanz bei der Bevölkerung und wird den Anforderungen des Tierschutzes viel besser gerecht.

Es darf auch nicht länger hingenommen werden, dass Großinvestitionen in der Verarbeitungsbranche, wie der Schlachthof in Wietze in Niedersachsen mit einer täglichen Schlachtkapazität von 350 000 Hähnchen oder der Schlachthof in Weißenfels mit einer geplanten Schlachtkapazität von täglich 20 000 Schweinen, ausschließlich aus eigenen betriebswirtschaftlichen und technologischen Erwägungen oder aus einer Gier - ich betone das Wort „Gier“; denn so fiel die Antwort des Geschäftsführers des Schlachthofs in Weißenfels aus - nach Marktführerschaft die Anlagengrößen für die Tierproduktion bestimmen.

Die Einführung von Obergrenzen ist aus unserer Sicht eine Möglichkeit, solche Entwicklungen zu stoppen. Dazu muss mehr Verbindlichkeit und Klarheit in Bundes- und Landesrecht festgeschrieben werden, um uns in die Lage zu versetzen, solche Megainvestitionen versagen zu können.

An dieser Stelle muss Mut von der Politik ausgestrahlt werden. Man sollte mit Mut an die Überarbeitung der Gesetze herangehen. Man muss selbstbewusst handeln und man sollte sich nicht scheuen, auch restriktive Mittel anzuwenden.

Wir bitten um die Zustimmung zu den Anträgen und beantragen die Überweisung aller Anträge in den Ausschuss; denn alle Anträge beinhalten Aspekte, über die wir uns verständigen sollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Krause. - Als nächster Redner spricht Herr Daldrup für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Mein sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Für mich dreht sich die Diskussion zu sehr um die Frage „große oder kleine Anlagen?“. Das ist eigentlich nicht das Thema. Das Thema ist die artgerechte Nutztierhaltung und die gesellschaftliche Akzeptanz. Die Korrelation zwi

schen artgerechter Nutztierhaltung und Anlagengröße kann ich nicht so richtig erkennen.

Ich bin schon der Meinung, dass man auch in großen Anlagen Tiere artgerecht halten kann. Das ist nicht das Thema. Es ist aber ein Thema, ob diese großen Anlagen gesellschaftlich akzeptiert sind. Das ist aus meiner Sicht die Frage. Es ist auch die Frage, welche Folgen das hat.

Natürlich ist es besser, wenn viele kleinere Anlagen das gleiche Ziel erreichen wie eine große Anlage und wenn das verteilt ist. Das ist auch keine Frage. Aber ich glaube, dass es die Zielrichtung dieses Antrages ist, die artgerechte Tierhaltung weiter voranzubringen. Das heißt, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, in welcher Form wir weiterhin Tiere halten und wie wir das weiterentwickeln können auch im Sinne der Tierhaltung.

Bei dieser Frage ist die Schere zwischen den gesellschaftlichen Ansprüchen sehr groß. Diese Ansprüche sind Artgerechtigkeit, Verfügbarkeit von Lebensmitteln, Kosten von Lebensmitteln, Naturschutz und Emissionsschutz. Die Schwierigkeit besteht darin, all diese Ansprüche unter einen Hut zu bekommen.

Diejenigen, die sich damit beschäftigen, nämlich diejenigen, die die Tiere produzieren und halten, müssen diese Ansprüche erfüllen. Die Frage, wie sie das machen, obliegt in erster Linie denjenigen, die das tun. Niemand kann an dieser Stelle von Planung reden. Planen und umsetzen werden das immer diejenigen, die investieren.

Mir ist natürlich der Bauer vor Ort lieber als der Investor von weit her, das ist klar. Aber die Realität ist eine andere. Dass wir so wenig Tierhaltung und einen so geringen Tierbesatz haben, hat auch damit zu tun, dass größere Anlagen einfacher zu installieren sind, weil die Fläche für die Düngerverwertung vorhanden ist.