Protokoll der Sitzung vom 12.07.2012

Im dritten Punkt geht es dann um die politischen Vorgaben. Dabei gibt es wiederum zwei Dinge: Das eine ist die Verwaltung, das andere ist die Technik. Bei der Verwaltung sind Sie, Herr Barthel, kurz auf die Enquete-Kommission eingegangen. Als wir sie eingesetzt haben, war der Tenor Ihrer Fraktion noch: Brauchen wir das überhaupt - insbesondere beim E-Government? Heute haben Sie dargelegt, dass Sie das wohlwollend begleiten wollen.

(Zuruf von Herrn Barthel, CDU)

In der Enquete-Kommission geht es jedoch darum, dass wir darüber diskutieren müssen, wie sich die Verwaltung aufgrund der technischen Entwicklung verändert. Hierzu sehe ich in Ihrem Antrag keine direkten Vorgaben, aber Ihre Sprache ist verräterisch, wenn Sie fordern, dass auf den Struktur- und Aufgabenwandel der öffentlichen Verwaltung - so lautet Ihre Formulierung - reagiert werden muss.

Mein Appell an Sie lautet: Nehmen Sie die Ergebnisse der Enquete-Kommission bitte nicht vorweg!

Das Problem, das dahinter steht, ist folgendes: Wir können immer sagen, dass wir eine Strategie brauchen und dass sich die Verwaltung ändern muss. Ja, das ist nicht neu. In der IT-Strategie des Landes aus dem Jahr 2003 steht bereits auf Seite 6 geschrieben, dass „Erfolge nur zu erzielen sind, wenn die Lern- und Innovationsfähigkeit der Politik und der Verwaltung gesteigert wird“. Doch in den neun Jahren seitdem ist nichts geschehen. Warum? - Weil es nur eine Bekenntnisebene war.

(Beifall bei der LINKEN)

Soll es das auch heute sein? - Das glaube ich nicht. Wir müssen in der Enquete-Kommission darüber diskutieren, was wirklich passieren muss, um weg von den Bekenntnissen und hin zu den Konzepten zu kommen.

Dann stellt sich natürlich auch die Frage nach der Technik. Ja, natürlich müssen die Forderungen in Bezug auf freie Daten, auf barrierefreie Daten und auf eine prinzipielle Zur-Verfügung-Stellung von Daten sowie die Frage des Schutzes der Privatsphäre und Fragen des Datenschutzes einfließen. Das muss eine politische Willensbekundung des Landtages sein. Dies muss der Konzeption der Landesregierung vorausgehen; denn das muss die Leitlinie sein, nach der das E-Government in Sachsen-Anhalt zu gestalten ist.

Ansonsten gibt es noch den Änderungsantrag der Grünen; diesen können wir mittragen, das ist kein Problem. Auch dieser geht prinzipiell in die richtige Richtung, auch wenn die 20 Punkte, die mit dem Antrag eingebracht werden, über die insgesamt 23 Einzelprojekte, die in Sachsen-Anhalt laufen, zum Teil schon realisiert werden.

Die Richtung ist also prinzipiell okay, allerdings fehlt die politische Flankierung im Ursprungsantrag völlig. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag eingebracht. Ansonsten lautet mein Appell: Nehmen Sie das Thema ernst, damit es nicht nur beim Appell bleibt und wir tatsächlich die Möglichkeit haben, E-Government zu realisieren!

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Wagner. - Als nächster Debattenredner spricht der Abgeordnete Herr Graner für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Herr Wagner, ich denke, wir werden das Thema ernst nehmen. Und eine Anmerkung zu Ihrer Rede, Herr Barthel: Ich bin dann doch ganz froh, dass ich mit ausgedruckten Blättern nach vorn gekommen bin. Sie kennen das vielleicht aus der „Tagesschau“ oder anderen Fernsehsendungen: Wenn einer den Kommentar spricht und der Teleprompter ausfällt, dann ist die Verwirrung groß. Manchmal hat die gute alte analoge Technik noch ihre Vorteile.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Meine Damen und Herren! Sie haben sicherlich alle verfolgt, dass Herr Bundespräsident Gauck der Politik am Wochenende ins Stammbuch geschrieben hat: Manchmal fehlt die Energie, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was eigentlich passiert. Die Politik insgesamt - so der Bundespräsident - würde manchmal zu wenig kommunizieren. Ich denke, das ist eine Feststellung, die wir alle so oder ähnlich schon getroffen haben.

Es gibt Kommunikations- und damit auch Vertrauensprobleme zwischen Volk, Volksvertretungen

und Regierungen. Aber, meine Damen und Herren, ich erwarte nicht, dass E-Government, Internet und E-Partizipation - oder wie auch immer die neuen Fachbegriffe lauten - uns diese Kommunikationsprobleme einfach abnehmen nach dem Motto: Wie durch ein Wunder wird aus Politikverdrossenheit mittels elektronischer Medien plötzlich Politikbegeisterung.

Ich glaube, es kommt in erster Linie noch immer auf den persönlichen Kontakt mit den Menschen an. Das wird meines Erachtens auch noch viele Jahre lang so bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das Angebot an neuer Technik allein reicht nicht aus, um neue Formen politischer Kultur zu begründen. Es ist mir ganz wichtig, das an dieser Stelle zu sagen. Meines Erachtens verändert das Internet die Politik nicht radikal, doch es beeinflusst natürlich die Meinungsbildung. Damit hat es auch ein hohes Veränderungspotenzial in Bezug auf politische Prozesse. Diesen Veränderungsprozess müssen wir als Politiker annehmen, aufgreifen und selbstbewusst bestimmen, meine Damen und Herren.

Wenn die Nutzung des Internets unter den jungen Menschen nahezu bei 100 % liegt, dann liegt es natürlich nahe, vor allem junge Menschen nach ihren Erwartungen an die Politik zu befragen. Mir ist vor einigen Tagen ein Beschluss der 28. Mitgliederversammlung des Kinder- und Jugendringes Sachsen-Anhalt in die Hände gefallen; darin wird von Landtag und Landesregierung konkret gefordert, „die ernsthafte Beteiligung junger Menschen an politischen Entscheidungsprozessen unter besonderer Berücksichtigung der Partizipationsmöglichkeiten durch das Internet“ zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren! Ich denke, genau das haben wir vor. Ich habe beim KJR nachgefragt, was das konkret bedeutet. Ich erhielt ein ganzes Bündel von Antworten. Zwei, drei davon möchte ich hier kurz vorstellen. Es wurde zum Beispiel die Schaffung einer Kommentarfunktion auf der Homepage des Landtages und die Schaffung eines Landtagsblogs vorgeschlagen. Ja, wenn man sich die Landtagsseite anschaut, dann sieht man, dass sie - ganz vorsichtig ausgedrückt - nicht sonderlich zeitgemäß ist.

Des Weiteren wurde die Einführung des E-Votings vorgeschlagen. Damit ist gemeint, dass man auch Meinungsbilder von jungen Menschen zu geplanten Gesetzesänderungen einholt.

Schließlich wird vorgeschlagen, ein Tool wie Adhocracy zu nutzen. Diesbezüglich bin ich etwas skeptisch; denn das betrifft Gruppen von Menschen, die, wie es der Name schon sagt, immer nur ad hoc zusammenkommen. Ich habe Zweifel daran, dass man diesen zufällig zustande gekommenen Gruppen tatsächlich Entscheidungskompe

tenz zugestehen sollte. Über solche Fragen werden wir in der Enquete-Kommission sicherlich auch intensiv sprechen können. Darauf freue ich mich. Wir werden dabei den spezifischen Ansatz junger Menschen besonders berücksichtigen.

Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu den vorliegenden Änderungsanträgen sagen. Zunächst zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1287. Unter Punkt 1 wird die Institution Europäische Union erwähnt. Ich muss zugeben, dass wir das übersehen haben. Danke für den Hinweis, wir nehmen ihn gern auf.

Unter Punkt 2 wird gefordert, die öffentlichen Online-Dienstleistungen für Unternehmer und die Basisdienstleistungen für Bürger, also das, was die Europäische Kommission fordert, aufzunehmen. Daraus wollen wir zunächst einmal einen Prüfauftrag an die Landesregierung formulieren. Unter Berücksichtigung des Änderungsantrages der Grünen würde die Formulierung in unserem Antrag dann lauten: Nr. 3 des Antrages wird um den folgenden Absatz ergänzt:

„f) Die Prüfung der Umsetzung der von der EU-Kommission definierten acht öffentlichen Online-Dienstleistungen für Unternehmen und zwölf öffentlichen Basisdienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger.“

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem so geänderten Antrag.

Herr Wagner, Sie haben vorhin gesagt, dass unser Antrag ein Potpourri von Begriffen sei. Genau das finde ich in Ihrem Antrag auch: schon wieder „schnelles Internet“, schon wieder „Open Data“, schon wieder „Veröffentlichung aller Datenbestände“. Das geht uns entschieden zu weit.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Deshalb lehnen wir Ihren Änderungsantrag ab.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Zu der Frage: Warum jetzt? - Meine Damen und Herren! Der Antrag ist notwendig. Wenn Sie einmal auf dem Portal der Landesregierung unter E-Government nachschauen, stellen Sie fest, dass die meisten Dokumente von 2003 sind. Die Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden zum Thema E-Government, die dort wiedergegeben ist, ist von Innenminister Klaus Jeziorsky unterschrieben. Höchste Zeit, dass sich das ändert. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Was man so alles erfährt. Vielen Dank, Herr Kollege Graner. - Als Nächster in der Debatte spricht Herr Kollege Herbst für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor E-Government braucht niemand Angst zu haben. Das Wort klingt zwar erst einmal nach einer typischen Politsprech-Worthülse, ist jedoch eigentlich eine ziemlich gute Sache, von der wir alle letztlich profitieren können, allen voran wir Bürgerinnen und Bürger.

Der Ansatz, das E-Government in Sachsen-Anhalt noch deutlich auf- und auszubauen, geht in eine völlig richtige Richtung. Es ist höchste Zeit, dass wir nach vorn kommen und die Lücke schließen, die es in unserem Bundesland auf diesem Gebiet leider immer noch - gerade im Vergleich zu anderen europäischen Ländern - gibt.

Mit E-Government wird es für uns einfacher, in Kontakt mit Behörden zu treten und ihre Dienstleistungen zu empfangen. Durch E-Government wird der Zugang erleichtert und Barrieren werden abgebaut. Vielleicht ist gerade das auch ein Grund dafür, warum sich mancher Amtsschimmel immer noch gegen E-Government und solche Maßnahmen sträubt.

E-Government bietet größtmögliche Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten. Es ist sozusagen die letzte Konsequenz aus einer aufklärerischen Sicht auf Bürokratie und Verwaltung, die Dienstleistungen direkt zu den Bürgerinnen und Bürgern bringt. Es ist die Umsetzung sozialer Inklusion auf einer administrativen Ebene.

Herr Graner, sicherlich löst E-Government nicht all unsere Probleme. Sicherlich schafft E-Government nicht Politik- oder Parteienverdrossenheit ab, jedoch ist es eine Möglichkeit, Vertrauen durch besseren Kontakt und besseres Verständnis wiederherzustellen. Kurz gesagt: E-Government ist das Gegenteil vom Ziehen einer Wartenummer - und wollen wir das nicht alle?

Deshalb, meine Damen und Herren, ist der Name des Antrags schon korrekt: „Sachsen-Anhalt digital“. Überall dort, wo wir Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen, Verbände und Vereine mit Behörden in Berührung kommen, sollen sie viele Anliegen online, von zu Hause aus, von unterwegs oder vom Büro aus erledigen können. Der Weg, der dieses Maß an Partizipation möglich macht, heißt Internet.

Das 21. Jahrhundert ist das digitale Zeitalter. Regierungen weltweit müssen diesem Fakt Rechnung tragen und ihre Strukturen an die digitalen Strukturen anpassen - nicht andersherum. Oft genug ist dies noch nicht erkannt worden, ist es nicht gewollt oder wird unzureichend umgesetzt. Die Gründe dafür sind sicherlich vielschichtig.

Anders als in der Wirtschaft, die ohne E-Commerce gar nicht mehr denkbar wäre, setzen sich digitalisierte Verfahren in der Politik nur langsam durch.

Auch hier im Landtag wurden verschiedentlich gute Ansätze vorgestellt und diskutiert, letztlich aber entweder abgelehnt oder durch die Landesregierung nicht zureichend umgesetzt. Erinnert sei hier an die Debatte um Open Data oder an unsere Forderung nach einem Bürgerbeteiligungsportal ähnlich dem Maerker Brandenburg aus unserem Nachbarland Brandenburg. Die Landesregierung hatte angekündigt, dies umzusetzen. Das ist bis heute nicht geschehen.

Die bündnisgrüne Fraktion begrüßt es sehr, dass wir uns heute mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen beschäftigen, der mehr E-Government für unser Land fordert und dafür einen Maßnahmenplan als erforderlich ansieht, der dann konsequent umgesetzt wird.

Der Antrag fordert neben einem solchen Maßnahmenplan die Koordination der Aktivitäten in diesem Bereich zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die Einbeziehung und Kooperation mit unserer heimischen IT-Wirtschaft, eine Open-Data-Strategie - das steht auch in Ihrem Antrag, das finde ich gut - und Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes.

Doch wenn wir über E-Government sprechen, müssen wir auch an Europa denken; darum kommen wir nicht herum. Wenn überall Verfahren vereinheitlicht und Standards zwischen den Ländern angeglichen werden, macht es keinen Sinn, Europa außen vor zu lassen - im Gegenteil.

Aus diesem Grund schlagen wir mit unserem Änderungsantrag vor, den Antrag um eben diesen Ansatz zu erweitern; ich nehme es natürlich sehr positiv auf, dass die Koalitionsfraktionen angekündigt haben, diesen Ansatz zu übernehmen.

Im Auftrag der Europäischen Kommission wird schon seit 2001 beobachtet, wie weit die Länder mit der Umsetzung von E-Government sind. Im Benchmarking ist Deutschland in letzten Jahren übrigens erfolgreich aufgestiegen.

Letztlich stellt uns das Ganze jedoch mit Blick auf Sachsen-Anhalt - es wurde hier angesprochen, welche Möglichkeiten es auf unserer Landeswebsite gibt - noch nicht zufrieden. Hier wird man häufig auf die Dienstleistungen der Kommunen weitergeleitet. Man kann sich auch Vordrucke herunterladen. Aber es gibt noch keine Möglichkeit, seine Anliegen wirklich online zu erledigen - und darum geht es letztendlich, wenn wir E-Government zu Ende denken.