Protokoll der Sitzung vom 13.07.2012

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Frau Ministerin. Kurz war es nicht. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Nun bin ich gespannt, ob die neue Geschäftsordnung an unserem Redezeitcomputer be

reits greift. - Noch nicht. Damit ergibt sich eine Redezeit von jeweils fast zehn Minuten. Niemand ist verpflichtet, diese Redezeit auszunutzen.

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mormann.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei der Fraktion DIE LINKE dafür bedanken, dass sie mit ihrem Antrag das Thema der Innovationsstrategie für Sachsen-Anhalt wieder in den Landtag gebracht hat. Doch auch die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung sind sich der Bedeutung bewusst.

Wie Sie in Ihrem Antrag richtigerweise feststellen, hat sich die wirtschaftliche Situation in SachsenAnhalt in den letzten Jahren und Jahrzehnten dynamisch entwickelt. Trotzdem gibt es in vielen Bereichen sowohl einen wirtschaftlichen als auch einen technologischen Rückstand, gerade zu den westdeutschen Bundesländern.

Um dies zu beheben, brauchen wir vor allem eines: Innovationsfähigkeit. Innovationsfähigkeit ist ein wesentliches Merkmal langfristig erfolgreicher Wirtschaftscluster, liegen doch die größten Chancen für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung und die Entstehung neuer Arbeitsplätze in der Entwicklung innovativer Produkte und deren Umsetzung in der einheimischen Wirtschaft.

Insofern ist es absolut notwendig, dass wir uns diesem Thema eindringlich widmen. Zu der Notwendigkeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen, kommt nun auch - Frau Ministerin, Sie gingen gerade sehr ausführlich darauf ein - die anstehende neue Strukturfondsperiode von 2014 bis 2020.

Meine Damen und Herren! Dennoch können wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE so nicht folgen. Liebe Kollegen! Die Fraktionen der CDU und der SPD sehen hierin die Möglichkeit, nicht nur einen breit angelegten Evaluierungsauftrag der Landesregierung aufzugeben, vielmehr möchten wir der Ministerin ganz konkrete Hausaufgaben geben, ganz konkrete Inhalte benennen, die aus unserer Sicht wesentliche Schwerpunkte einer eingehenden Analyse und Evaluierung der Innovationsstrategie unseres Landes sind.

Dazu gehört unter anderem die Feststellung des Innovationspotenzials kleiner und mittelständischer Unternehmen. Aufgrund unserer Wirtschaftsstruktur und der fehlenden Headquarter kommt ihnen eine bedeutende Rolle bei der Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationspolitik zu. Deshalb muss zum Beispiel auch die Förderung von Existenzgründungen von technologieorientierten Unternehmen weiter vorangebracht werden.

Es gibt unter anderem die Kooperationen zwischen den Hochschulen und Universitäten und den au

ßeruniversitären Forschungseinrichtungen mit der Wirtschaft unseres Landes. Eine starke Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft, die Optimierung des Wissenschafts- und Technologietransfers von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu Unternehmen und der Ausbau von Forschungsnetzwerken sind aus unserer Sicht bedeutende Mittel, um die im Vergleich zu anderen Bundesländern geringeren Ausgaben der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung anzugleichen.

Hierbei ist in den letzten Jahren viel geschehen. Beispiele können Sie in unserem Änderungsantrag finden. Aber wir müssen diesen Weg weiterbeschreiten, das heißt, neue Forschungseinrichtungen anwerben, Wissenschaft und Wirtschaft weiter vernetzen.

Kolleginnen und Kollegen! Eine Innovationsstrategie muss aber auch die gegebenen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Deshalb wollen wir, dass die Landesregierung uns aufzeigt, wo sie jetzt und in der Zukunft die Forschungsschwerpunkte sieht, und dass sie über diese mit uns diskutiert. Deshalb wollen wir wissen, wie erstens die Finanzierung von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gesichert werden soll und wie zweitens moderne Grundlagenforschung gefördert werden kann. Darüber wollen wir mit der Landesregierung diskutieren.

Deshalb wollen wir wissen, welche Rolle welche aktuellen und zukünftigen Cluster in der Innovationsstrategie des Landes spielen. Auch hierüber wollen wir mit der Landesregierung diskutieren.

Meine Damen und Herren! Aus den aufgeführten Gründen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Ich freue mich auf die Diskussion zur Berichterstattung der Landesregierung in den betroffenen Ausschüssen. - Schönen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Danke sehr, Herr Kollege. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Kollege Erdmenger.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch wir begrüßen die Initiative der LINKEN. Wir halten - um es gleich vorwegzunehmen - beide Anträge für zustimmungsfähig. In der Tat ist der Antrag der Koalitionsfraktionen etwas konkreter in der Frage, was nun evaluiert werden soll. Im Endeffekt sehen wir allerdings nicht den zentralen inhaltlichen Unterschied zwischen den beiden Anträgen, auch wenn wir das hier Vorgetragene verfolgt haben.

Ich möchte unsere Zustimmung damit verbinden, zu der Überarbeitung der Strategie noch einige Anmerkungen zu machen. Die Überarbeitung muss

sich aus meiner Sicht auch damit auseinandersetzen, welchen Innovationsbegriff wir zugrunde legen. Frau Wolff hat dazu schon einiges ausgeführt. - Sie sitzt dort drüben, gut; ich suche Sie. Ja, das ist wunderbar. Jetzt bin ich vollkommen orientiert und weiß, an wen ich meinen Appell richten soll.

Wir wollen beim Innovationsbegriff nicht weiter über einen Innovationsbegriff reden, der letztlich alles, was neu ist, in die Innovation einschließt, auch wenn dies mehr ist als nur Technik und etwa auch organisatorische Dinge umfasst. Es geht nicht darum, dass uns alles, was neu ist, in der Entwicklung wirklich weiterbringt.

Etwas, das neu ist, kann zum Beispiel ein neues Verfahren zur Abfallbeseitigung sein. Das kann aber auch der Tamagotchi sein, den in den 90erJahren viele zu lieben oder zu hassen gelernt haben und der im besten Falle nutzlos ist. Das kann aber auch zum Beispiel die Entwicklung von Alkopops sein, wie wir auch beobachten mussten, die für unsere Gesellschaft sicherlich eher einen Rückschritt darstellte.

Es kommt nicht nur darauf an, dass etwas neu ist, sondern es kommt darauf an, dass Innovationen eine zukunftsfähige Entwicklung zuzulassen. Diesen Innovationsbegriff müssen wir zugrunde legen.

Dass es so nicht weitergeht, sieht man an vielen nationalen und internationalen Initiativen, ob sie nun Cleantech heißen, ob sie Green Economy heißen, ob sie sozial-ökologische Forschung heißen oder auch ressourcenleichtes Wirtschaften. Dazu gibt es eine umfangreiche Diskussion aus den letzten 20 Jahren, die uns zeigen kann, in welche Richtung Innovation in der heutigen Zeit gehen muss. Innovation muss eine Richtung haben und kann nicht einfach auf alles Neue, egal was kommt, ausgerichtet sein.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ich möchte das an dem verdeutlichen, was in der bisherigen Innovationsstrategie zu dem Thema Zukunftsfähigkeit steht. In der Einleitung auf Seite 4 finden wir immerhin den Satz:

„Ein effizienter Umgang mit Rohstoffen und Energie prägt zunehmend neue Wachstumsmärkte, die in entwickelten Industriestaaten neue Quellen für zukünftige Wirtschaftsdynamik und zusätzliche Beschäftigungsperspektiven erschließen.“

Nun klingt ein Bekenntnis dazu, eine zukunftsfähige Entwicklung in einem ressourceneffizienten Wirtschaften zu sehen, vielleicht etwas euphorisch, aber immerhin ist der Satz darin verankert.

Wenn man dann in die bisherige Innovationsstrategie hineinschaut und im Inhaltsverzeichnis sucht, wo zu diesem Thema etwas steht, was denn nun die Zielsetzung ist, dann findet man im Inhaltsverzeichnis schon einmal nichts. Das kann auch dar

an liegen, dass dies falsch oder anders gegliedert wurde. Denn es wurde stark nach der Frage gegliedert, wie wir an die Akteure herankommen. Blättern wir aber weiter und schauen, was zu den Innovationsschwerpunkten, die man setzen möchte, darin steht, dann finden wir dort, dass unter anderem zu den bisherigen Innovationsschwerpunkten sechs Punkte aufgeführt worden sind; einer davon sind die erneuerbaren Energien.

Das ist die bisherige Denkweise der Landesregierung, nämlich: Ja, so etwas wie erneuerbare Energien, ressourcenleichtes Wirtschaften, das wollen wir auch; das wollen wir als einen Teil oder eine Nische unserer Wirtschaftsweise. Das ist aber die Herangehensweise, die uns nicht in eine zukunftsfähige Entwicklung führt. Wir brauchen vielmehr ein Begrünen der Ökonomie in allen Bereichen, und nicht nur in der einen Nische, die wir uns aussuchen.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

An dieser Stelle lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen, Kollege Thiel, anknüpfend an die gestrige Anmerkung Ihres Fraktionsvorsitzenden, der uns vorgeworfen hat, uns würde es nur um Green Economy und nicht um Wachstumskritik gehen: Die Wachstumskritik habe ich auch bei Ihnen nicht recht heraushören können - vielleicht war er gerade nicht im Raum. Vielleicht können wir darüber an anderer Stelle reden.

Das ist genau das, was ich meine: Wenn wir uns anschauen, wie wir die gesamte Wirtschaft auf einen zukunftsfähigen Pfad bekommen können, dann reden wir darüber, dass es Bereiche in der Wirtschaft gibt, zum Beispiel die Verwendung fossiler Energien, die schrumpfen werden, und dass es andere Bereiche gibt, die dafür Wachstumsdynamiken haben. Das ist die Art, wie wir in Zukunft über Wachstumsfelder diskutieren müssen und wie wir Innovation verstehen müssen.

Lassen Sie mich mit folgenden Worten schließen: Wir halten es für gut, dass die bisherige Innovationsstrategie evaluiert werden soll. Wir glauben, es muss eine neue Strategie vorgelegt werden. Es wird sicherlich spannend, im Ausschuss über die Details zu reden, an welchen Stellen welches Augenmerk auf welche Branche gelegt werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Kollege Erdmenger. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas. Doch zuvor haben wir die Freude, Mitglieder des Gemeinderates Hedersleben bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Thomas, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jawohl, Forschung und Innovation sind die Motoren einer jeden Volkswirtschaft. Wenn die Volkswirtschaft nur auf Dienstleistungen setzt, wenn ein Land keine Rohstoffe hat, dann sind es die Erfindungen, die dieser Volkswirtschaft die Kraft geben, in einer globalisierten Welt zu bestehen. Sollte das nicht funktionieren und sollten die Erfindungen nicht zur Marktreife gebracht werden, dann ist diese Volkswirtschaft zum Scheitern verurteilt. Scheitern bedeutet dann, kein Wachstum mehr, sondern Rückständigkeit, Stillstand und sozialer Abstieg.

Meine Damen und Herren! Die Weltwirtschaft ist seit der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr die, die sie einmal war. Der Wissenswettlauf beschleunigt sich von Tag zu Tag. Der internationale Wettbewerb um Talente, um Technologie und um Marktführerschaft ist voll entbrannt. Die Bedeutung von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung steigt beständig.

Ich bin dem Kollegen Thiel außerordentlich dankbar für ein paar, wie ich glaube, mutige Sätze, die aus meiner Sicht selbstverständlich sind. Er hat heute gesagt, der Staat allein kann es hier nicht richten. Ich glaube, das ist genau die richtige Einschätzung. Die Wirtschaft ist in erster Linie gefragt. Dort, wo es der Wirtschaft gelingt, diese Bereiche zu aktivieren, über Forschung, Innovation, neue Produkte die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, dort entstehen die Arbeitsplätze, dort entstehen Wachstum und Wohlstand. Das ist dann auch zukunftssicher.

Es gibt aber auch Beispiele, wo das nicht gelingt. Wir kennen einige Beispiele dafür, dass das versäumt wurde und wo es unternehmerische Fehlentscheidungen gab. Ich möchte davor warnen, dass wir als Staat dann versuchen, diese unternehmerischen Fehler zu heilen. Das wird uns auf Dauer nicht gelingen. Es gibt genug Beispiele, an denen wir das leider merken mussten.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, meine Damen und Herren. Jawohl, wir leben in einem Wohlstandsstaat; wir leben in Deutschland. Viele Mitbürger nehmen diesen Wohlstand als gottgegeben. Sie glauben, das war immer so und wird immer so bleiben. Wir wissen, dass gerade Deutschland diesen Wohlstand und dieses Wachstum nur durch innovative Produkte, durch Erfindergeist, durch Pioniergeist erreichen konnte.

Mir macht es etwas Sorge, dass wir wahrnehmen müssen, dass es eine gewisse Technikfeindlichkeit in unserem Lande gibt, dass es Widerstände gegen Bauvorhaben gibt, die unseren Wohlstand, sollte sich diese Entwicklung verstetigen, zu gefährden drohen.

Ich erinnere nur an die Bio- und die Gentechnik. Darin war Deutschland einmal führend. Ich erinne

re an die Kernforschung, an die Chemie und an die Medizin. All diese Branchen sind still und heimlich aus Deutschland abgewandert, da die Rahmenbedingungen bei uns nicht mehr stimmten. Trotzdem findet Forschung und Entwicklung auch auf diesen Gebieten weiterhin statt, nur eben im Ausland unter abenteuerlichen ethischen Bedingungen und ohne ernsthafte Kontrollmöglichkeiten, wie wir sie in Deutschland kennen.

Wenn wir mit diesem Thema Innovation und Forschung weiterhin so leichtfertig umgehen, werden wir in wenigen Jahren ein großes wirtschaftliches Problem bekommen.

Ich halte die gestrige Debatte um mögliche zukünftige Energiespeicher für einen guten Anfang. Darüber haben wir offen diskutiert. Ich bin auch den Kollegen der Grünen-Fraktion außerordentlich dankbar; denn sie zeigten Bereitschaft, auch Bauvorhaben zu unterstützen. Es wurden Pumpspeicherwerke im Harz genannt, Gasspeicherung in der Altmark. All das könnten Projekte sein.

Ich hoffe, dass die Grünen auch weitere Projekte offensiv unterstützen. Denn was ist die beste Strategie, die wir hier entwickeln und diskutieren, wert, wenn wir sie dann nicht umsetzen, weil sie vor Ort an eventuellen Widerständen scheitert? Ich glaube, wenn wir das verabreden, dann haben wir heute schon einen großen Fortschritt erreicht.