Protokoll der Sitzung vom 13.05.2011

Hierin liegen gerade auch für Sachsen-Anhalt Entwicklungsmöglichkeiten. Nur wenn der wirkliche Ausstieg aus der Atomenergienutzung gelingt, wird sich Sachsen-Anhalt weiter als Vorreiter für erneuerbare Energien profilieren können, werden Anreize für den Bau neuer Anlagen, für die Durchführung von Pilot- und Modellprojekten oder auch für die Entwicklung von Speicherlösungen vorhanden sein.

Ich meine, dass die Landesregierung diese Chancen nicht verspielen darf. Sie muss deshalb ihre Position gegenüber der Bundesregierung klar formulieren und auf wirkliche Schritte zum Ausstieg

statt auf Absichtserklärungen drängen. Die nur sehr vage im Koalitionsvertrag formulierte Position, sich für die Rücknahme der Laufzeitverlängerung einsetzen zu wollen, reicht dazu nicht aus.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Dieser Beitrag ist für eine wirkliche Energiewende zu klein. Ich hoffe nicht, dass so die gestern mehrfach beschworene Energiepolitik mit Augenmaß aussieht.

Die Fraktion der LINKEN im Bundestag hat gerade erst ein mögliches Ausstiegskonzept vorgelegt, das sich auf verschiedene Studien stützt, zum Beispiel auch auf die des Sachverständigenrates für Umwelt, und von der Möglichkeit ausgeht, den Ausstieg bis 2014 zu realisieren.

Dazu werden verschiedene Schritte beschrieben: die dauerhafte Stilllegung der bereits im Rahmen des Moratoriums abgeschalteten Kraftwerke, die Auflegung von Förderprogrammen für Energieeffizienz oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze für die Atomkraftwerker. Im Einzelnen möchte ich darauf heute gar nicht eingehen; entsprechende Schlussfolgerungen für Sachsen-Anhalt sollen späteren Anträgen vorbehalten bleiben.

Mit dem heutigen Antrag möchten wir erreichen, dass das Land konkrete Forderungen an den Bund richtet, den Ausstieg wirklich zügig zu beginnen und nicht aufkündbar zu machen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Deshalb noch einmal kurz zu den drei Punkten, die in dem Antrag angesprochen werden.

Zum ersten Punkt. Das Moratorium kann wirklich in eine Stilllegung münden. Das wird in keiner Weise die Versorgungssicherheit gefährden. Zurzeit sind sogar elf AKWs vom Netz und trotzdem ist die Versorgungssicherheit im Land gewährleistet. Deutschland ist Stromexporteur in Größenordnungen.

Zum zweiten Punkt. Mit einer Klage gegen die Laufzeitverlängerung wäre das Land in der Lage, sich klar zu positionieren, dass es ein Mitspracherecht in Fragen der Nutzung der Atomenergie haben will. Die SPD hatte diesen Schritt gleich nach dem Inkrafttreten der Laufzeitverlängerung angekündigt; er wäre also eigentlich überfällig.

Zum dritten Punkt. Ich halte eine Verankerung des Verbotes der Nutzung der Atomenergie im Grundgesetz für wichtig, und zwar schon deshalb, weil ich dies als die wirksamste Hürde gegen die Aufkündigung eines Ausstiegs empfinde. Wie schnell man vom Ausstieg aus der Atomenergie wieder Abstand nehmen kann, haben wir gerade erfahren.

Zum Änderungsantrag nur wenige Worte. Die Punkte 1 und 2 nehmen eigentlich unsere Intention

auf. Wir könnten diese Änderungen durchaus übernehmen. Über kleinere Differenzen möchte ich jetzt gar nicht streiten. Dafür ist mir das Thema insgesamt viel zu wichtig.

Ich würde aber nicht akzeptieren wollen, dass auf den Punkt 3 offensichtlich verzichtet werden soll. Ich habe schon gesagt, dass ich eine Regelung im Grundgesetz für die wirksamste Hürde halte, um einen Ausstieg wirklich unkündbar zu machen.

Hinsichtlich der Abstimmung möchte ich eine Direktabstimmung beantragen. Sie wissen, dass das Moratorium im Juni 2011 ausläuft. Wenn der Antrag wirksam werden soll, dann müssten wir über den Antrag schon direkt abstimmen. Wir können über alle Punkte einzeln abstimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hunger. - Als nächstes hat Ministerin Frau Professor Dr. Wolff das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Im erst kürzlich zwischen den Regierungsparteien geschlossenen Koalitionsvertrag für die jetzt anlaufende Legislaturperiode heißt es zur Atomenergie wörtlich:

„Die Atomenergie ist eine Risikotechnologie, weil selbst beste Sicherheitstechnik eine atomare Katastrophe nicht vollständig ausschließen kann. Für uns ist die Rücknahme der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken als Minimalforderung die Voraussetzung für die Entwicklung einer neuen Gesamtstrategie für den Atomausstieg.“

Sachsen-Anhalt steht diesbezüglich nicht allein. Die Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz haben dies auch schon aufgegriffen.

Die Bundesregierung hat nach den Ereignissen in Fukushima ein dreimonatiges Moratorium verkündet - es wurde eben schon erwähnt -, innerhalb dessen alle deutschen Kernkraftwerke einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden.

Als rechtliche Grundlage wurde § 19 Abs. 3 des Atomgesetzes herangezogen, in dem es um die staatliche Aufsicht geht. Diese beginnt mit der Errichtung der Anlage und erstreckt sich über die gesamte Betriebszeit bis hin zur Stilllegung und endgültigen Beseitigung.

Sachsen-Anhalt ist nun vom Moratorium zwar nicht direkt betroffen, da wir im Land bekanntermaßen kein AKW haben. Diese formal andere Betroffenheit bedeutet jedoch keineswegs, dass die Frage nach einem zügigen Atomausstieg nicht auch von

uns mit Nachdruck gestellt wird. Allein das sich in der Schließung befindliche Endlager Morsleben ist Grund genug, alle atomrechtlichen Sicherheitsanforderungen auch unsererseits ganz deutlich einzufordern.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN)

Die atomrechtliche Aufsicht über kerntechnische Anlagen wird gemäß § 24 des Atomgesetzes in Verbindung mit Artikel 85 des Grundgesetzes von den zuständigen obersten Landesbehörden im Auftrag des Bundes ausgeübt. Die zuständigen Aufsichtsbehörden der Bundesländer haben den Betreibern der Kernkraftwerke entsprechende Anordnungen zugestellt.

Meine Damen und Herren! Die Ministerpräsidenten der Länder haben nach einem Gespräch mit der Bundesregierung am 15. April dieses Jahres den Zeitplan für einen beschleunigten Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie vereinbart. Am 6. Juni soll danach das Bundeskabinett die erforderlichen Gesetzentwürfe beschließen, unter anderem die Atomgesetznovelle, die Gesetze zum Netzausbau, zum Planungsrecht und Maßnahmen zugunsten erneuerbarer Energien. Nach den Beratungen des Bundestages soll der Bundesrat in seiner Sitzung am 17. Juni den Gesetzen zustimmen.

Die während des Moratoriums mit der Prüfung beauftragten Kommissionen sollen ihre Abschlussberichte noch im Mai vorstellen; die haben wir aber noch nicht. Die Arbeiten der Reaktorsicherheitskommission sollen am 16. Mai und die Arbeiten der Ethikkommission am 27. Mai beendet sein.

All dies unterstreicht das erklärte Ziel der Bundesregierung, unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit den Ausstieg aus der Kernenergie konsequent und zügig zu organisieren. Das oben beschriebene Gesamtpaket wird somit auch dem in der aktuellen Koalitionsvereinbarung formulierten Ziel der Entwicklung einer Gesamtstrategie für den Atomausstieg grundsätzlich gerecht.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE greift insofern einzelne Punkte der bereits zwischen den Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesregierung geführten Gespräche auf, ließe aber insbesondere in der geforderten zeitlichen Abfolge die meines Erachtens sinnvollerweise zu berücksichtigenden Ergebnisse der verschiedenen Kommissionen unberücksichtigt.

Demzufolge möchte ich gerade aufgrund der Komplexität der Materie und der intensiven Diskussion, die die Nutzung der Atomkraft und der beschleunigte Ausstieg aus dieser Technologie erfordern, für eine Überweisung des Antrags in unseren Ausschuss werben. Dort können wir die Diskussion unter Berücksichtigung der dann jeweils vorliegenden Erkenntnisse in der erforderlichen Breite und Tiefe weiterführen.

Lassen Sie mich abschließen mit einem Zitat vom Chef der Deutschen Energieagentur, Stephan Kohler:

„Energiewende heißt nicht nur, AKW ausschalten. Energiewende heißt Energieeffizienz vorantreiben, heißt erneuerbare Energien ausbauen, heißt intelligente Stromsysteme aufbauen. Es ist ein grundlegender Umbau.“

Die Quelle - das ist ja heutzutage wichtig - ist die „Berliner Zeitung“ vom 8. Mai.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns diese Diskussion auch in dieser Breite führen. Darauf freue ich mich im Ausschuss. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Wir treten nunmehr ein in die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt. Man hat sich darauf verständigt, eine Fünfminutendebatte durchzuführen in der Reihenfolge SPD, GRÜNE, CDU, DIE LINKE. Die GRÜNEN werden in dem Debattenbeitrag ihren Änderungsantrag mit einbringen. Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD Herr Kollege Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Atomkraft, nein danke!“ - ein Slogan, der in diesen Tagen so um die 40 Jahre alt sein müsste. Er ist 35 bis 40 Jahre alt.

Als ich hörte, dass ich zu diesem Thema sprechen darf, war es schon fast ein nostalgisches Gefühl. Man dachte an alte Zeiten zurück. Trotzdem ist dieser Slogan, dieser Satz „Atomkraft, nein danke!“ aktueller denn je. Es bleibt natürlich die Frage zu beantworten, warum dauert es fast 40 Jahre, bis man so weit ist, wie man jetzt vielleicht ist.

Nicht erst Fukushima, Frau Kollegin Hunger, nicht erst Fukushima hat gezeigt, dass der Weg, Energie durch Atomkraft zu erzeugen, eine Sackgasse ist. Es hat in der Vergangenheit, in der Geschichte viele Störfälle gegeben. Lassen Sie mich einige benennen.

Es hat selbst auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 1975 einen Störfall im AKW Greifswald gegeben, der auf der Stufe 4 der INES-Skala eingeordnet worden ist. Es hat einen sehr interessanten Zwischenfall gegeben - interessanten oder, sagen wir besser, einen schrecklichen - in den USA in der Nähe von Harrisburg, am Reaktor Three Mile Island 1979. Auch danach erfolgte kaum eine wirklich verstärkte Diskussion über die Sinnhaftigkeit der atomaren Nutzung. Es gab das Unglück in Tschernobyl.

Man kann sich natürlich fragen - man sollte da ruhig ehrlich sein -, warum nicht bereits diese Anlässe zu einen Umdenken geführt haben. Ich sage es einmal aus deutscher Sicht: Wenn die Amerikaner einen Unfall haben und machen weiter, dann ist das richtig; dann machen wir auch weiter. Das ist typisch. Wenn auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion so etwas passiert, dann ist das eben russische Technik, das ist keine Siemens-Technik und das geht bei uns besser. Machen wir uns nichts vor: Da ist eine gewisse arrogante Haltung durchaus vorhanden.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Deswegen finde ich es umso schlimmer, dass erst „Fukushima“ passieren musste in einem Staat, der ähnlich zivilisiert und entwickelt ist wie die Bundesrepublik Deutschland, sodass man erst nach diesem schrecklichen Unfall jetzt da angekommen ist, wo wir uns zurzeit alle befinden. Ich habe im Moment schon ein bisschen das Gefühl, dass wir alle dasselbe wollen, nämlich den Ausstieg aus der Kernenergie. Mir ist auch so, dass wir das alle zusammen ernst meinen.

Ich habe hier vor einem halben Jahr gestanden bei der Generaldebatte zur Regierungserklärung zum Umweltschutz, die Herr Dr. Aeikens angeregt hatte. Da hatten wir noch ein kleines Geplänkel mit dem Koalitionspartner um die Energiepolitik. Ich kann mich noch an einen Satz erinnern. Ich hatte gesagt: „Es wäre schön, wenn Sie noch einen Schritt auf uns zukommen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, wo das ansonsten schon so schön klappt.“

Ich freue mich, dass dieser Schritt auf uns zu inzwischen gekommen ist. Frau Ministerin hat auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Ich habe die Worte von Herrn Ministerpräsident Haseloff gestern sehr genau und sehr gern gehört. Ich glaube, wir sind alle auf dem richtigen Weg.

(Zustimmung bei der SPD)

Was mir ein bisschen leid tut - verstehen Sie es nicht falsch, meine Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN -, aber nur heute und nur jetzt und für fünf Minuten, ist, dass die Kollegen der FDP dort nicht mehr sitzen. Ich hätte denen noch einiges zu erzählen, denn aus der Richtung - ich weiß, dass Sie dort nicht sitzen wollten; das haben wir alles gehört - kam sonst immer die Atomkraft, und das in geballter Form von Herrn Franke aus der Altmark.

Wir haben uns das oft anhören müssen, auch wie teuer die regenerativen Energien sind, wobei er jegliche volkswirtschaftliche Betrachtung außen vor gelassen hat. Ich hätte ihm gern heute noch ein paar Takte dazu gesagt. Das ist nun Geschichte. Auch diese Geschichte finde ich an dieser Stelle gar nicht so schlecht.