Der Minister argumentiert, dass die im Regelsatz für Mobilität veranschlagte Summe unterschritten wird und deshalb der Eigenanteil zumutbar ist.
Ich mache aber darauf aufmerksam, dass 10 € von 12 € bzw. von 18 € ein ziemlich hoher Anteil ausschließlich für die Beförderung zur Schule und wieder zurück ist.
Die Bundesregierung hat auf eine entsprechende Frage der Abgeordneten Rosemarie Hein geantwortet, dass es bei der Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Kosten auch darauf ankommt, ob die Fahrkarte auch privat genutzt werden kann.
Das ist unseres Wissens höchst unterschiedlich. Manche Schülerinnen fahren mit dem Zug, und zwar nur damit. Manche fahren mit dem Bus und können den Zug nicht nutzen. Manche haben ganz andere Beförderungsmöglichkeiten. Diesbezüglich müsste man - ich weiß nicht, wie viele - Einzellösungen finden.
Es ist auch so, dass vor der 100-€-Regelung in manchen Kreisen die tatsächlichen Kosten vollständig übernommen wurden.
Das heißt, man muss sich das wirklich genauer anschauen, damit wir es hierbei nicht mit einer Ungleichbehandlung zu tun bekommen. Vor allem muss man darauf achten, dass es nicht zu einer Ungleichbehandlung der Schülerinnen in den einzelnen Kreisen und den einzelnen Orten kommt.
Unklar ist, wie die Teilhabe am soziokulturellen Leben im Einzelnen umgesetzt werden kann. Im Salzlandkreis beträgt beispielsweise der Mitgliedsbeitrag für einen Sportverein 6 € pro Monat. Man kann also mit den restlichen 4 € etwas anderes machen. Aber was? Und: Muss man jedes Mal einen gesonderten Antrag stellen? Gute Frage.
Unklar ist, wer die Anbieterinnen von Lernförderungen sind. Es gibt für die Anbieter keinerlei Qualitätskriterien. Auch die Verpflichtung zum Abschluss von Vereinbarungen ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens entfallen.
Zurzeit werden übrigens auch noch datenschutzrechtliche Barrieren beklagt, weil sie die Abstimmung zwischen den beteiligten Lehrerinnen und den beteiligten Mitarbeiterinnen in den Jobcentern erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.
Unklar ist die Zukunft der Schulsozialarbeit. Hierbei wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen der Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund. Von diesem Geld sollen die Kreise dann die Schulsozialarbeit bezahlen.
Dummerweise ist das nicht im Gesetz geregelt. Wir wissen sehr wohl - das ist auch keine Pflichtaufgabe von Kommunen -, wie die Kommunalaufsicht vor allen Dingen in den Kreisen mit noch nicht konsolidierten Haushalten mit so genannten freiwilligen Leistungen umgeht.
Die Landkreise arbeiten zurzeit auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung, die nur zwei Jahre Gültigkeit haben soll. Wir hoffen, dass das Gesetzgebungsverfahren nicht allzu lange auf sich warten lassen wird. Wir wollen möglichst bald wissen, was in diesem Gesetz wie geregelt werden soll.
Unser Fazit: Wir haben es mit einem ziemlich bürokratischen Monstrum und mit jeder Menge offener Fragen zu tun. Wir können Ihnen versprechen, sehr geehrte Damen und Herren, an die Landesregierung und an den Landtag gerichtet: Mit diesem Thema werden wir Sie nicht in Ruhe lassen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dirlich. - Wir steigen nunmehr in die Aussprache zur Aktuellen Debatte ein.
Das Thema, um das es geht, beschäftigt nicht nur die Fraktionen des Landtags, sondern natürlich auch die Landesregierung.
Ich möchte voranstellen, Frau Dirlich: Die Schlachten um die Frage, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wird und wie mehr Kinder durch neue Regelsätze am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, ohne ausgegrenzt zu werden, sind meines Erachtens geschlagen.
Ich kann ganz deutlich sagen - zumindest wenn ich für die SPD und nicht für die Landesregierung spreche -, dass wir uns gewünscht hätten, dass mehr in die Strukturen gefördert worden wäre. Es gab aber andere Argumente, die besagt haben, das Bundesverfassungsgericht habe das Urteil so gefasst, dass die Leistungen direkt den Kindern zugute kommen, also individuell gefasst werden müssten.
Die Schlachten sind nun geschlagen. Es gab den Kompromiss über Nacht mit den Ministerpräsidenten, die dabei waren.
Wir haben nun die Aufgabe, als Landesregierung das umzusetzen, was der Bund beschlossen hat, jedenfalls dabei mitzuhelfen; denn größtenteils sind ja die Kommunen verantwortlich.
Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass die Zuständigkeiten für die Durchführung des Bildungs- und Teilhabepakets geklärt sind. Nur für die Kinder und Jugendlichen der Rechtskreise des SGB II und des SGB XII - Sie haben diese eben auch genannt - sind von vornherein die Landkreise und die kreisfreien Städte als Leistungsträger bestimmt worden.
Für die Kinder und Jugendlichen, deren Familien Kinderzuschlag und Wohngeld beziehen, hat die Landesregierung die sofortige Leistungserbringung durch die Landkreise und kreisfreien Städte als Leistungsträger durch das Angebot und den Abschluss entsprechender Verwaltungsvereinbarungen abgesichert. Das ist in den letzten Wochen passiert. Es gibt also verlässliche Anlaufstellen und Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger im Land.
Ferner wurde in der Verwaltungsvereinbarung die Finanzierung des Bildungs- und Teilhabepakets geregelt. Die Deckung der Aufwendungen erfolgt durch die Erhöhung der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft und Heizung.
Der Anteil der einschließlich für die Hortkinder und für die Schulsozialarbeit bereitgestellten Mittel beträgt 8,2 %. Die Höhe der Mittel wurde von den Kosten der Unterkunft und Heizung des Jahres 2010 abgeleitet; das war die Grundlage. Dabei handelt es sich um einen Betrag von ungefähr 45 Millionen €. Ab dem Jahr 2013 soll der Betrag revidiert und an die tatsächlichen Ausgaben angepasst werden. Das Jahr 2011 ist sozusagen nur das Referenzjahr.
Die abschließenden Regelungen hinsichtlich der Zuständigkeit sowie der Finanzierung müssen freilich einem Landesgesetz vorbehalten bleiben. Aus
Gründen der Neukonstituierung des Landtags wäre das für einen sofortigen Vollzug des Bildungs- und Teilhabepakets aber zu spät gekommen. Sie wissen, wie lange es gedauert hat, bis der Bund seinerseits das Gesetz in die Wege geleitet hat.
Die Landesregierung plant, Ihnen zeitnah einen Entwurf für die Neufassung des Grundsicherungsgesetzes des Landes vorzulegen.
Die Punkte, um die es geht, haben Sie genannt. Die Inhalte brauche ich nicht zu wiederholen. Sie haben auch kritisch betrachtet, wo überall Anträge gestellt werden müssen.
Ich will noch einmal auf das hinweisen, was ich vorhin schon gesagt habe: Wir hätten es uns auch besser in den Strukturen vorgestellt. Es ist nun einmal aber so. Es ist deutlich geworden, dass es direkt den Kindern zugute kommen soll. Das sicherzustellen, geht zu einem großen Teil eben nur über Anträge.
Sie haben der Presse sicherlich entnommen, dass das Paket trotz umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit von den Bürgerinnen und Bürgern nur schleppend in Anspruch genommen worden sei. Auf den Internetseiten des Bundesministeriums, aber auch der Jobcenter der Kommunen werden umfassende Informationen nicht nur für die leistungsberechtigten Personen, sondern auch für mögliche Anbieter bereitgestellt. Das haben wir mitgekommen. Nicht nur die Essensanbieter, sondern auch die Sportvereine sind mit im Boot.
Darüber hinaus liegen in den Jobcentern seit einigen Wochen kostenlose Flyer und Broschüren aus. Ich hoffe, dass wir dieses Informationsmaterial demnächst auch auf den Internetseiten der Landesregierung zur Verfügung stellen können.
Zudem wirken die Leistungserbringer darauf hin, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu entsprechenden Angeboten der gesellschaftlichen Teilhabe erhalten.
Bundesweit war dennoch vor etlichen Wochen noch von Antragsquoten von 1,2 % die Rede. Der Bundesgesetzgeber hat deshalb kürzlich die Antragsfrist für die rückwirkende Leistungserbringung bis zum 31. Mai verlängert. Ob diese Frist schrittweise noch bis Juni und darüber hinaus verlängert wird, weiß ich nicht genau. Es werden auch Stimmen laut, die sagen, je weiter man es hinauszögere, desto mehr verringere man den Druck, sich tatsächlich damit zu beschäftigen und Anträge zu stellen.
Wie sieht es für Sachsen-Anhalt aus? - Mit Stand vom 30. April 2011 sind bei den zuständigen Trägern im Land insgesamt 23 000 Anträge auf die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets eingegangen. Wie bereits erwähnt beläuft sich die Zahl der potenziell anspruchsberechtigten Kinder und Jugendlichen im Land auf insgesamt 120 000.
Daraus folgt, dass in Sachsen-Anhalt bereits knapp 20 % der möglichen Leistungsberechtigten und damit weit mehr als im Bundesdurchschnitt einen Antrag gestellt haben, um in den Genuss der Integration in gemeinschaftliche Strukturen zu gelangen.
Nach Aussagen der kommunalen Träger steigt die Zahl der Antragseingänge in diesem Bereich weiter an. Es werden von Woche zu Woche mehr Anträge, wenn man einmal in die Landkreise hineinfragt.
Was kann die Landesregierung noch tun? - Das Land führt im Bereich des Bildungs- und Teilhabepakets die Rechtsaufsicht über die Kommunen und steht mithin bei auftretenden Rechtsfragen als Ansprechpartner bereit. Um möglichen Umsetzungsschwierigkeiten effektiv begegnen zu können und eine möglichst einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wurde im Rahmen des Bund-Länder-Ausschusses nach dem SGB II eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit grundsätzlichen Fragen der Durchführung dieses Pakets befasst und wesentliche Leitlinien erarbeitet. Die Landesregierung wirkt in dieser Arbeitsgruppe mit.
Darüber hinaus wird das Land mit den Optionskommunen künftig auch Zielvereinbarungen zur Verbesserung der sozialen Teilhabe abschließen, um die Leistungserbringung zielgerichteter zu steuern.
Deutlich gesagt: In der Kürze der Zeit kann man ein bisschen Verständnis dafür haben, dass es in der Umsetzung noch etliche Unsicherheiten gibt. Das ist eine völlig neuartige Leistungsart. Es lässt sich, glaube ich, nicht vermeiden, dass es noch Schwierigkeiten gibt. Wir werden das Nötige tun, um diese zu beseitigen.
Das gilt sicherlich auch für die Frage, ob der Verwaltungsaufwand riesig ist. Der Verwaltungsaufwand ist sehr groß. Das ist aber vielleicht auch verständlich, weil die Leistungen eben nicht als reine Geldleistung im Gesamtbudget der Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaften aufgehen, sondern als direkte Leistungen bei den Kindern und Jugendlichen ankommen sollen. Damit ist naturgemäß ein gewisser Verwaltungsaufwand verbunden.
Ich hoffe, dass die Kommunen dafür für das ganze Jahr auch rückwirkend eine Entschädigung erhalten; ein bestimmter Prozentsatz ist ja vorgesehen.
Wir werden das weiterhin begleiten. Dass Sie uns kritisch begleiten und dass wir die Kommunen und andere kritisch begleiten, das halte ich für richtig.