Protokoll der Sitzung vom 13.05.2011

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Herr Minister, ich will die kritische Begleitung nicht verhindern, aber würden Sie vielleicht eine Frage

der Abgeordneten Dirlich beantworten? - Frau Dirlich, Sie haben das Wort.

Herr Minister, Sie sind jetzt nicht noch einmal auf das Problem der Schülerbeförderung eingegangen. Ich würde gern nachfragen: Können Sie tatsächlich ausschließen, dass Schülerinnen und Schüler in Sachsen-Anhalt durch diese Regelung im Schulgesetz gegenüber Schülerinnen in anderen Ländern benachteiligt werden?

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich in dieses Thema erst hineinarbeiten muss. Ich habe mich sozusagen kundig gemacht, weil wir als einziges Land diese Schulgeldregelung bei uns haben.

Das, was ich gestern als Antwort auf Ihre Frage dargestellt habe, dass von den Regelsätzen, die für die individuelle Schülerbeförderung in der Grundsicherung enthalten sind, quasi der Eigenanteil von 100 € auch von jedem verlangt werden, ist erst einmal so. Ob das gegenüber den Regelungen in anderen Ländern eine Benachteiligung ist, kann ich noch nicht beurteilen.

Ich habe es schon einmal gesagt, ich muss mich selber noch einmal kundig machen, ob das, was ich gestern gesagt habe und was die Fachleute dargestellt haben - den Bereich der Arbeit haben wir jetzt erst übernommen -, so schlüssig ist. Aber ob es eine Benachteiligung ist, das muss ich selber erst noch einmal nachfragen. Diese Antwort muss ich Ihnen schuldig erst mal bleiben.

Vielen Dank, Herr Minister Bischoff, für Ihren Beitrag und die Beantwortung der Frage. - Als nächstes hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Jantos,

(Herr Rotter, CDU: Nein, ich!)

- Herr Rotter das Wort. Peter Rotter, nicht Jantos.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Das SGB II, im Volksmund besser bekannt als Hartz IV, ist vor kurzem sechs Jahre alt geworden. In diesem relativ kurzen Zeitraum hat sich das Bundesverfassungsgericht zwei Mal mit grundlegenden Fragen des SGB II zu beschäftigen gehabt.

Ende März 2011 standen nun die erforderlichen Neuregelungen im Bundesgesetzblatt und traten größtenteils rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft. Die Umsetzung wird den Kommunen viel Arbeit abfordern, den Kindern aber deutlich bessere Bildungschancen bieten. Ich denke, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, darauf kommt es an.

Neben der fehlerhaften und intransparenten Herleitung der Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger bemängelte das Bundesverfassungsgericht, dass Bildungs- und Teilhabebedarfe bei der Festsetzung des Existenzminimums bislang nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden hatten. Mit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes werden nun Leistungsansprüche für Kinder und Jugendliche eingeführt, die zum Ziel haben, die Bildungschancen und die Teilhabemöglichkeiten bedürftiger Kinder zu verbessern und zu erhöhen.

Zuständig für das Bildungs- und Teilhabepaket sind die kommunalen Träger in den Jobcentern. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen im Bundestag vom 26. Oktober 2010 sah noch die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit in den Jobcentern vor. Erst im Laufe des Vermittlungsverfahrens einigten sich Bund und Länder auf die kommunale Zuständigkeit, dies allerdings unter der Prämisse, dass ein Kostenausgleich durch den Bund für diese neue kommunale Aufgabe erfolgt.

Leistungsberechtigt sind nicht nur Kinder und Jugendliche im SGB-II-Bezug, sondern auch die Kinder und Jugendlichen, die Sozialhilfe nach dem SGB XII erhalten, sowie und Kinder und Jugendliche aus Familien, die Wohngeld oder einen Kinderzuschlag empfangen.

Für Kinder und Jugendliche, die Sozialhilfe nach dem SGB XII erhalten, sind die Kreise und kreisfreien Städte nach den allgemeinen Regelungen zuständig. Für Kinder von Wohngeld- oder Kinderzuschlagsbeziehern konnte eine kommunale Zuständigkeit durch den Bundesgesetzgeber wegen des Verbotes der Aufgabenübertragung in Artikel 84 Abs. 1 Satz 7 des Grundgesetzes nicht bestimmt werden. Daher übertrug der Bundesgesetzgeber die Zuständigkeit für diese Leistungsberechtigten auf die Länder. Dort sind nun landesrechtliche Regelungen zu treffen, um die Aufgabe letztlich bei den Kommunen zu verorten.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes fehlte es in allen Ländern noch an dieser Zuständigkeitsbestimmung. Gleichwohl versuchen die Länder im Zusammenwirken mit dem Bund und mit den Kommunen, auch für diesen Kreis zumindest die Annahme der Anträge zeitnah sicherzustellen.

Mithin gibt es vier verschiedene Gruppen von Leistungsberechtigten, die in verschiedenen Rechtsnormen geregelt sind. Grundsätzlich erhalten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene diese Leistungen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die Leistungen zur Teilhabe allerdings nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.

Der Umfang der Leistungen für die verschiedenen Personengruppen ist identisch. Die Leistungen, die hierfür infrage kommen, möchte ich nicht noch einmal näher ausführen,

(Zustimmung bei der LINKEN)

weil sich die Kollegin Dirlich in ihrem Redebeitrag sehr ausführlich damit befasst hat und uns sehr anschaulich darlegen konnte, um welche Leistungen es sich handelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Anfang an bestand zwischen dem Bund und den Ländern Einigkeit darüber, die neuen Leistungen nicht als Geldbetrag an die Leistungsberechtigten zu zahlen, sondern als Sach- oder Dienstleistung möglichst nah an die Kinder heranzubringen. Die einzigen Ausnahmen bilden die Mittel für den Schulbedarf und die Schülerbeförderung, die als Geldleistungen ausgezahlt werden.

Diese bildungspolitisch richtige Zielsetzung bringt naturgemäß einen höheren Verwaltungsaufwand mit sich. Die zuständigen Träger müssen nun ein Verfahren entwickeln, wie sie die Leistungen erbringen wollen, ob sie als Gutscheine, als Direktzahlungen an die jeweiligen Leistungsanbieter oder als sonstige Verfahren ohne Bargeld ausgestaltet werden. Dabei haben die zuständigen Träger auch sicherzustellen, dass es sich um geeignete Anbieter handelt. Sie übernehmen somit eine Gewährleistungsfunktion.

Die kommunalen Träger hatten bislang nur wenig Zeit, sich auf diese neue Aufgabe vorzubereiten, da die kommunale Zuständigkeit erst im Laufe des Vermittlungsverfahrens zur Diskussion stand. Daher konnte und kann mit dem Inkrafttreten des Bildungs- und Teilhabepakets noch keine perfekte Umsetzung möglich sein. Darin stimme ich Ihnen durchaus zu, Frau Dirlich, dass dort noch Handlungsbedarf besteht.

Herr Kollege Rotter, wollen Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Dirlich beantworten?

Am Ende, selbstverständlich.

Am Ende der Rede.

Die Auskömmlichkeit der Finanzierung des Bildungs- und Teilhabepaketes wird den Bund, die Länder und die Kommunen im Rahmen des Revisionsverfahrens auch weiter beschäftigen. Aktuell geht es aber in erster Linie darum, das Paket in die Praxis umzusetzen und die Kinder und Jugendlichen mit den Leistungen zu versorgen, um deren Bildungs- und Teilhabechancen zu verbessern. Die Kommunen arbeiten mit Hochdruck daran, auch wenn nicht sofort bei dem Inkrafttreten des Gesetzes alle organisatorischen Vorkehrungen bereits perfekt getroffen werden konnten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits Anfang März dieses Jahres haben sich das Land, die

Landkreise, die kreisfreien Städte und die Bundesagentur für Arbeit in Magdeburg darauf verständigt, das so genannte Bildungs- und Teilhabepaket in Sachsen-Anhalt zügig umzusetzen. Unserem damaligen Wirtschaftsminister und heutigen Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff ist es zu verdanken, dass sich die Akteure so schnell auf eine zügige Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets geeinigt haben.

Wie gesagt, das neue Paket hilft vor allem den Kindern und ist eine echte Chance für Familien, die auf die Unterstützung des Staats angewiesen sind. Die Leistungen können seit März von den Hartz-IV-Empfängern bei den Jobcentern beantragt werden. Familien, die Wohngeld oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz erhalten, wenden sich an die Kommunen, an die Landkreise bzw. an die kreisfreien Städte.

Unter bestimmten Voraussetzungen können bestimmte Leistungen rückwirkend zum 1. Januar 2011 erbracht werden. Sachsen-Anhalt erhält aus Bundesmitteln im laufenden Jahr ca. 45 Millionen €; der Herr Minister erwähnte es bereits.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt somit verlässliche Anlaufstellen und Ansprechpartner für die Menschen in unserem Land. Ich möchte mich hier ausdrücklich noch einmal bei allen Beteiligten, die dieses Verfahren so ermöglicht haben, recht herzlich bedanken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unabhängig von dieser vorläufigen Regelung, die erforderlich war, weil es wegen der Landtagswahl kurzfristig nicht möglich war, eine landesgesetzliche Regelung zur Umsetzung des SGB II, insbesondere des Bildungs- und Teilhabepakets, herbeizuführen, bedarf es einer landesgesetzlichen Regelung, die die Zuständigkeit sowie die Finanzierung normiert. Die Landesregierung hat angekündigt, dies zeitnah umzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets ist kritisiert worden, da bislang zu wenige Anträge gestellt worden seien. Sicherlich ist ein Teil dieser Kritik berechtigt; Frau Dirlich, Sie sind in Ihrem Beitrag auf diese kritikwürdigen Punkte eingegangen. Einige von diesen angemahnten Verbesserungsmöglichkeiten kann ich durchaus mittragen.

Wie gesagt, bedarf es natürlich einer wesentlich größeren Akzeptanz und einer wesentlich größeren Zahl an Antragstellern. Um dieses zu erreichen, hat Ende April auf Bundesebene ein Gespräch der Bundesministerin Frau Dr. von der Leyen mit kommunalen Spitzenverbänden sowie mit Ländervertretern stattgefunden. Darin hat man sich auf eine bessere Öffentlichkeitsarbeit und eine Verlängerung der Frist für die rückwirkenden Leistungen verständigt.

Minister Herr Bischoff hat in seiner Rede deutlich gemacht, dass die Antragslage bei uns in Sach

sen-Anhalt deutlich besser ist, als es die Ausgangslage für den erwähnten Gipfel war. Mit 20 % liegen wir in Sachsen-Anhalt wirklich deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

(Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel der Politik sollte es sein, dass die berechtigen Kinder und Jugendlichen schnell an die ihnen zustehenden Leistungen kommen. Die Frage, ob die Leistung über einen Gutschein, eine Direktzahlung oder eine Chipkarte abgerechnet wird, ist dabei nachranging und sollte von jedem Träger eigenverantwortlich beantwortet werden.

Was nicht geschehen sollte, ist, dass es zu einer Zersplitterung durch einzelne kommunale Insellösungen von unterschiedlicher Qualität kommt, die sich auch noch in den einzelnen Rechtskreisen unterscheiden.

Ich hoffe, dass das Bildungs- und Teilhabepaket von den Familien - nicht nur hier in Sachsen-Anhalt - weiterhin gut angenommen wird, sodass bestehende Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung möglichst schnell im Sinne aller Beteiligten abgestellt werden können. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rotter. Sie wollten noch eine Anfrage der Abgeordneten Frau Dirlich beantworten. - Frau Dirlich, bitte.

Herr Kollege, Sie haben im Grunde genommen nichts weiter bestätigt, als dass es noch nicht wirklich perfekt läuft. Sie sind nicht auf unsere rechtlichen Bedenken eingegangen. Interpretiere ich Sie richtig, dass Sie diese Bedenken teilen?

(Herr Gallert, DIE LINKE: Es ist zwar so, aber er darf es nicht zugeben! - Heiterkeit bei der LINKEN)

Kollege Gallert! - Frau Dirlich, wenn ich Ihre rechtlichen Bedenken teilen würde, hochverehrte Kollegin, wäre ich selbstverständlich darauf eingegangen. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Rotter. - Als Nächste spricht Frau Kollegin Abgeordnete Lüddemann von der Fraktion GRÜNE zu uns.

Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Dass wir uns heute über

haupt mit dieser Frage beschäftigen müssen, zeigt Planlosigkeit, die Planlosigkeit der Bundesregierung an dieser Stelle.