Das Ganze auch noch „Lebensleistungsanerkennungsgesetz“ zu nennen kann man nur als zynisch bezeichnen.
Und was bietet die SPD an? - Die große Koalition! Die SPD macht keinen Vorschlag zur Rücknahme falscher Entscheidungen, sie stellt keine der falschen Weichenstellungen infrage. Das Rentenniveau soll auch nach dem Vorschlag der SPD auf 43 % sinken. Die SPD setzt zur Kompensation auf eine allein von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finanzierte kapitalgedeckte zusätzliche Altersvorsorge, diesmal in Form staatlich geförderter Betriebsrenten.
Mit der Beibehaltung der Niveauabsenkung werden gute Vorschläge wie die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente oder die bessere Bewertung von Zeiten der Arbeitslosigkeit unwirksam. Die Solidarrente ist an sehr, sehr hohe Voraussetzungen gebunden und sieht eher wie eine verbesserte Fürsorgeleistung aus. An der Rente erst ab 67 wird festgehalten. Aber wer genug Einkommen hat, kann sich mit Zusatzbeiträgen rauskaufen. - Politikwechsel, liebe SPD, sieht anders aus!
Wir wollen die Lebensstandardsicherung wieder zum Prinzip der gesetzlichen Rente machen. Die Rente muss wieder auf 53 % angehoben werden. Die Rente erst ab 67 gehört abgeschafft.
Die Angleichung der ostdeutschen Renten ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit und soll in den nächsten fünf Jahren erfolgen.
Gute Arbeit - gute Rente! Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn und die Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Alle Erwerbstätigen müssen in die gesetzliche Rente einbezogen werden, und Höchstverdiener müssen einen Teil ihrer Ansprüche abgeben. Nur so ist Solidarität finanzierbar.
Wir wollen eine solidarische Mindestrente einführen, die sicherstellt, dass kein Mensch im Alter ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze hat.
Da das Ende meiner Redezeit angezeigt wird, nur noch einen Satz: Dieses Thema, meine Damen und Herren, wird und darf uns nicht loslassen, soll und muss uns weiter umtreiben. Mit dieser Aktuellen Debatte ist es nicht getan. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Danke, Frau Kollegin. - Wir fahren fort. Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Minister Bischoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte ist heute besonders aktuell, weil seit ein paar Tagen der Armutsbericht des Arbeitsministeriums vorliegt. Wir konnten in der Zeitung lesen, dass darüber jetzt ein großer Streit ausgebrochen ist. Gleichwohl halte ich es für richtig, dass Frau von der Leyen diesen Bericht vorgelegt hat, auch wenn für die Dinge, die er anspricht, zurzeit niemand von uns eine endgültige Lösung weiß bzw. eine Mehrheit für eine solche Lösung hat.
Aus dem Bericht wird deutlich - ich sage das einmal so platt, aber wir kennen das ja alle -: Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer.
Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Für uns in diesem Hause ist es nichts Neues, dass wir in den neuen Ländern und gerade hier in Sachsen-Anhalt vor einer riesigen Herausforderung in Bezug auf diejenigen stehen, die in den nächsten Jahren in Rente gehen. Wir wissen, welche Personengruppen angesichts einer Arbeitslosigkeit zwischen 12 % und 20 % zwar in Rente gehen, aber tatsächlich auf Zuschüsse angewiesen sein werden oder von der Grundsicherung leben müssen.
Die „Mitteldeutsche Zeitung“ hat in ihrer heutigen Ausgabe - ich habe das der Presseschau entnommen - das Armutsrisiko nach Bevölkerungsanteil beziffert. Danach liegt Sachsen-Anhalt bei 20,5 %, Mecklenburg-Vorpommern bei 22 %, Sachsen bei 19 % und Berlin bei 21 %. Das spiegelt ungefähr die Arbeitslosenquote im Durchschnitt der neuen Länder und insbesondere in Sachsen-Anhalt wider. Dazu kommt noch das Niedriglohnniveau, Stichworte wie Leiharbeit, Zeitarbeit und Ähnliches.
Ich muss ehrlich sagen - das beschäftigt mich schon seit Langem -: Dafür habe ich keine Lösung. Dafür sehe ich auch keine Lösung bei denen, die jetzt einen Vorschlag unterbreitet haben. Was machen wir mit denjenigen, die jetzt und in den nächsten Jahren in Rente gehen? Deren Rente können wir ja nicht nachbessern, es sei denn, es gäbe Sozialleistungen dazu. Aber das würde auf der anderen Seite Ungerechtigkeiten im Hinblick auf diejenigen schaffen, die gearbeitet haben.
Dafür habe ich keine Lösung. Ich hoffe, dass die 70 %, die eine ausreichend bis sehr gute Rente haben, sich solidarisch zeigen und nicht auf ihren Einkommen sozusagen hockenbleiben, sondern andere teilhaben lassen. Dass es so etwas gibt, dafür gibt es genügend Beispiele. Aber wie gesagt:
Ich gehe davon aus, dass das, was die Bundesregierung damals in dem sogenannten Rentendialog versprochen hat, bis zum Ende der Wahlperiode nun doch nicht mehr kommen wird. Wir Länder - das ging damals quer durch alle Länder, egal ob A- oder B-Länder; ich war seinerzeit bei den Gesundheitsministern dabei - haben uns damals übrigens gefragt, warum der Bund uns nicht am Rentendialog beteiligt.
Wir Länder waren jedenfalls nicht dabei, als das Lebensleistungsanerkennungsgesetz bzw., wie es später hieß, Alterssicherungsstärkungsgesetz formuliert wurde.
Das Modell der Zuschussrente wurde, wie schon gesagt, von vielen kritisiert. Klar, es ist Ausdruck des Armutsberichts. Ich nehme an, dass Frau von der Leyen den Armutsbericht schon kannte, bevor er veröffentlicht wurde.
Für den Osten Deutschlands bringt dieses Modell jedenfalls fast nichts. Das gilt sowohl für die Regelung mit den 45 Jahren als auch für die mit den 35 Jahren kapitalgedeckter Zusatzversorgung. Letzteres ist übrigens ein Lotteriespiel, weil man sich nachher einer Bedürftigkeitsprüfung unterziehen muss. Und wenn man nicht bedürftig ist, wird die Zusatzrente, obwohl man sie abschließen musste, um überhaupt diesen Zusatz zu bekommen, dagegengerechnet. Das weiß man bloß vorher nicht. Zum anderen sind diejenigen, die ohnehin wenig verdienen, kaum in der Lage, eine private Vorsorge treffen zu können.
Also, das Modell ist ein Versuch - so will ich es einmal bezeichnen -, etwas für die Zukunft ein bisschen geradezurücken. Übrigens: Die Regelungen für die, deren Kinder nach 1992 geboren worden sind, sind durchaus richtig. Nur was ist mit denen, deren Kinder in der Zeit davor geboren worden sind? - Die werden nicht berücksichtigt. Das heißt, eine richtige Austarierung derer, die ihr Leben lang gearbeitet bzw. Kinder erzogen haben, lässt sich in diesem Modell nicht sehen.
Was die SPD vorschlägt, wird ja, wie man in der Zeitung liest, auch innerhalb der Partei selbst noch diskutiert. Zum Beispiel wird die Absenkung des Rentenniveaus auf 43 % kritisiert. Auch ich habe Bedenken, dass man das in Zukunft so machen kann, bzw. generell gegen die Beschränkung ab 2014. Vor allen Dingen gibt es ja auch Kritiker, die sagen: Das gilt alles nur für die Neurentner ab 2014. Was ist mit denen, die jetzt in Rente gehen bzw. in den letzten Jahren in Rente gegangen sind?
Allerdings will ich feststellen, dass sich alle großen Parteien - mit Ausnahme der FDP - Gedanken ma
chen, was man machen kann. Das Konzept der LINKEN kenne ich allerdings nicht. Das muss erst vor ein paar Tagen vorgestellt worden sein.
Aber da kann man sicherlich mutmaßen, dass es wieder um höhere Steuern für gut verdienende Millionäre geht. Da geht es um einen Steuersatz von 75 %, habe ich gelesen.
Etwas Ähnliches hat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch vorgeschlagen. Danach sollen, glaube ich, Einkommen ab 100 000 € mit 49 % besteuert werden.
Und dann gibt es natürlich auch die Meinung - auch die will ich nicht verschweigen -: 10 % der Gutverdiener zahlen schon 50 % in die Rentenversicherung ein, die darf man nicht mehr belasten, weil sie dann aus Deutschland wegziehen. - Ich persönlich habe allerdings meine Zweifel, ob sie wegziehen; denn Deutschland ist immerhin ein Land, das Unternehmen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit bietet.
Warum sollen die - im Vergleich zu denen, die eine monatliche Grundsicherung von 600 oder 700 € beziehen -, die ein monatliches Einkommen von mehreren 100 000 € und mehr haben, nicht auch 60 % und 70 % des Gesamteinkommens beitragen?
Ich habe noch eine Erklärung, die mich immer stutzig macht. Wenn man über die Mehrwertsteuer redet, dann sind davon alle gleich betroffen. Jemand, der wenig verdient, bezahlt genauso 19 % Mehrwertsteuer wie jemand wie ich, der relativ gut verdient. Man hat ausgerechnet, dass die Belastung für Geringverdiener insgesamt doppelt so hoch ist, nämlich bei 12 % liegt. Demgegenüber liegt sie bei uns oder bei denen, die recht gut verdienen, nur bei 6 %. Die Mehrwertsteuer müssen alle bezahlen.
Deshalb ist mein Vorschlag und ringe ich dafür, dass man bei den anderen Sicherungssystemen, die solidarisch finanziert werden, keine Kappungsgrenzen einzieht. Warum soll es Kappungsgrenzen geben? Wer gut verdient, der soll auch den entsprechenden Anteil seines Einkommens in die Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen.
Generationen gesichert wird und die Schere nicht weiter auseinandergeht. Das ist nicht nur ein Gebot der Fairness und der Anerkennung der Lebensleistung, sondern dient dem sozialen Frieden. Dazu gehört mit Sicherheit auch ein Mindestlohn.
Der Ministerpräsident hat es aber gestern ehrlich gesagt: Es gehören 11,20 € dazu, um überhaupt dahin zu kommen, ohne noch zusätzlich etwas verdienen zu müssen.
Ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 € ist der unterste Rand. Man bleibt trotzdem in der Situation, noch einen Zuschuss im Rahmen der Grundsicherung bekommen zu müssen.