Protokoll der Sitzung vom 19.10.2012

Aber was Schwarz-Gelb seit der zweiten erklärten Energiewende tut, offenbart ein sonderbares Bild. Man halte sich einmal vor Augen, dass es in den letzten drei Jahren drei Novellen zum EEG gab. Die tagespolitisch motivierten Änderungen am EEG bringen das Projekt Energiewende aber nicht weiter. Das EEG ist ein gutes Instrument, um Anreize zur Etablierung und Nutzung von erneuerbaren Energien zu schaffen. Es soll vor allem einen planbaren und sicheren Rahmen für den Umstieg auf erneuerbare Energien und damit die Energiewende gewährleisten. Ein dauerndes Herumdoktern ist nur kontraproduktiv.

Zweitens. Die EEG-Umlage. Wie wir alle am Montag erfahren haben, wird die EEG-Umlage 2013 auf 5,277 Cent pro Kilowattstunde ansteigen, ein Anstieg, der zu Recht kontrovers diskutiert wird. Auch hierbei wird das nichteinheitliche Auftreten der Bundesregierung deutlich. Man erinnere sich an das anfängliche Zitat der Kanzlerin gegenüber den Bestrebungen des Wirtschaftsministers Rösler.

Fakt ist eines: Die EEG-Umlage steigt. Bemerkenswerterweise erleben wir aber erst seit 2009 die großen Preissprünge. Wir hatten 2009 eine EEGUmlage in Höhe von 1,31 Cent pro Kilowattstunde - eine stetige Steigerung seit 2000. Aber was passierte dann? - 2010 2,05 Cent, 2011 3,53 Cent, 2012 3,59 Cent und 2013 5,28 Cent pro Kilowattstunde. Wer allein die erneuerbaren Energien als Preistreiber anprangert, liegt wohl daneben.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ursprünglich waren die Ausnahmeregelungen als Schutz für stromintensive Industriezweige vor Benachteiligungen im internationalen Wettbewerb angedacht. Heute sind die Schwellen so niedrig gehalten, dass Golfplätze und Hähnchenmastanlagen darunter fallen. Solche Absurditäten haben dazu geführt, dass sich das Volumen der Entlastungen in den letzten zwei Jahren verdoppelt hat. Mit den Neuerungen im EEG sollen sie sogar weiter steigen.

Unter Rot-Grün waren 400 Betriebe von der EEGUmlage ganz oder teilweise befreit. Heute sind es rund 2 000 Unternehmen, und weitere 2 000 Anträge auf Teilbefreiung liegen für das kommende Jahr vor. Das ist ein Punkt, eine Grenze, an der wir uns ernsthaft über Gerechtigkeit und Akzeptanz unterhalten müssen. 5,27 Cent je Kilowattstunde beträgt die Steigerung der EEG-Umlage für 2013. Für Golfplätze, die sich angeblich dem internationalen Wettbewerb stellen müssen, gilt dies nicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren! Daneben gibt es noch andere Dinge, die hier und in Berlin besprochen werden müssen - denken Sie zum Beispiel an die notwendige Weiterentwicklung von Speichertechnologien.

Lassen Sie mich als dritten Punkt noch auf die Strompreise und deren Bezahlbarkeit eingehen. Der Verbraucher ist mündig, und er weiß, dass er die Energiewende nicht zum Nulltarif bekommt. Aber dass die Strompreise geradezu davonlaufen, das kann und das will er sicherlich nicht verstehen. Das würde auch die Akzeptanz der Energiewende gefährden, und die ist - wir werden nicht müde, das zu betonen - alternativlos.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Was muss die Politik, was müssen wir tun? - Die Energiewende ist gesamtgesellschaftlich gewollt und notwendig. Wir brauchen sie, um unser Land von den teuren und endlichen fossilen Energieträgern unabhängig zu machen und die Folgen des Klimawandels einzudämmen.

Nebenbei sind in dieser Branche rund 380 000 neue Arbeitsplätze - mehr als 16 000 in SachsenAnhalt - entstanden. Diese Entwicklung wirkt sich vor allem vor Ort, für Kommunen und für Bürgerinnen und Bürger, die in die erneuerbaren Energien investieren, positiv aus. Es wäre ein fataler Fehler, das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Gänze infrage zu stellen; es geht darum, vernünftige Anpassungen vorzunehmen.

Wenn dem Bundesankündigungsminister Altmaier nicht mehr einfällt, als dem Volk Energieberater zu empfehlen, die dem kleinen Mann das Stromsparen erklären sollen, dann ist das dasselbe, als wenn man den Flutopfern, nachdem bei Hoch

wasser der Deich gebrochen ist, Schwimmunterricht anbietet.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, dem Projekt Energiewende endlich die Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu widmen, die es aufgrund seiner industriepolitischen und gesellschaftlichen Bedeutung verdient. Alles andere ist Realitäts- bzw. Arbeitsverweigerung. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Mormann. Es gibt eine Frage vom Kollegen Gallert und eine Frage vom Kollegen Thomas. - Zunächst ist Kollege Gallert an der Reihe.

Herr Mormann, ich frage Sie im Grunde genommen in demselben Zusammenhang, in dem ich schon die Wirtschaftsministerin befragt habe: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den Gewinnen der vier großen Energiekonzerne in der Bundesrepublik Deutschland und der Strompreisentwicklung?

(Herr Thomas, CDU: Das haben Sie die Mi- nisterin nicht gefragt! - Oh! bei der LINKEN)

- Ist gut. - Ich frage Sie das jetzt: Sehen Sie einen solchen Zusammenhang zwischen der Energiepreisentwicklung und den Gewinnen der vier großen Stromkonzerne?

Den sehe ich eindeutig.

Danke.

Nunmehr ist der Kollege Thomas an der Reihe.

Herr Kollege Mormann, ich habe Ihren Äußerungen zu Beginn Ihrer Rede entnommen, dass vielleicht der Eindruck entstanden sein könnte, dass ich durch gewisse Aktivitäten in meiner Rede dazu beigetragen habe, dem Ansehen des Hohen Hauses zu schaden. Sollte sich dieser Eindruck ergeben haben, möchte ich mich dafür entschuldigen. Das war nicht mein Ansatz.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich wollte eher einen Beitrag für eine lebendige Debatte leisten. Herr Striegel, falls Sie es mir persönlich übel nehmen sollten, möchte ich mich auch bei Ihnen dafür entschuldigen.

(Zustimmung bei CDU)

Ich möchte aber auch noch eine Frage stellen. Kollege Mormann, Sie haben in Ihrer Rede auch auf Ausnahmeregelungen abgestellt und erwähnten dabei beispielsweise Golfplätze. Ich nehme an, dass Ihre Informationsquelle die gleiche ist, die ich auch habe: Das ist der „Tagesspiegel“ vom 2. Oktober 2012, der das veröffentlicht hat.

Meine Frage lautet: Ist Ihnen bekannt, dass sich der Redakteur dieses Artikels mittlerweile von diesem Artikel distanziert? - Mir liegt eine Erklärung vor, in der er schreibt, dass das eine Falschaussage ist, dass es mitnichten Ausnahmeregelungen für Kinobetreiber, Geflügelhöfe, Spielbanken oder auch den Friedrichstadtpalast Berlin gibt. Das möchte ich nur zur Klarstellung beitragen. Nicht, dass wir hier an Legenden stricken, die nicht stimmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist mir nicht bekannt

Vielen Dank für die Fragen und Antworten, auch für Ihre persönliche Erklärung, Herr Kollege Thomas. Ich denke, wir haben sie so zur Kenntnis genommen.

Ich würde, bevor ich als nächste Rednerin Frau Hunger für die Fraktion DIE LINKE aufrufe und sie bitte, nach vorn zu kommen, noch einmal auf das Thema Redezeit zu sprechen kommen. In der Aktuellen Debatte wurde am Anfang angesagt, dass alle, auch die Landesregierung, zehn Minuten Redezeit haben. Wenn die Landesregierung ihre Redezeit überzieht, dann gilt § 62 Abs. 3 der Geschäftsordnung und die Redezeit der Abgeordneten verlängert sich. Deswegen haben Sie jetzt zwölf und der Kollege Herr Erdmenger hat dann noch etwa vier Minuten Redezeit. - Frau Hunger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Energiewende mit Vernunft und Augenmaß“, so haben Sie Ihre heute angekündigte Debatte überschrieben und machen sie, wie es zu erwarten war, an der gestiegenen EEG-Umlage fest. Reden wir also zuerst über den Strompreis - ein bisschen im Schnelldurchgang. Frau Frederking hat dazu hier schon sehr viele Zahlen genannt. Auch Herr Mormann ist an der Stelle schon eingestiegen.

14 % EEG-Umlage, 33 % Erzeugung und Vertrieb und 24 % Steuern sind zurzeit die Hauptbestandteile des Strompreises. Die EEG-Umlage in Höhe von 14 % führt zu etwa 5 € Mehrkosten im Monat für den Durchschnitts-Dreipersonenhaushalt. Die Stromkosten sind mit etwa 3 % an den Ausgaben eines Durchschnitts-Dreipersonenhaushaltes beteiligt. 3 % gibt er für Strom aus.

Ich meine, dass diese 5 € für die meisten Haushalte zu tragen sind, wenn ich mir das Ziel dieser Energiewende ansehe. Es geht darum, eine Energiewende anzustreben, die wirklich unsere Zukunft ist und unser Leben zukünftig auch schützen wird. Dafür sind die 5 € im Monat für den Durchschnittshaushalt nicht zu viel.

Allerdings benötigt eine zunehmende Zahl an Haushalten eine deutliche Entlastung. Wo kann diese Entlastung herkommen? - Ich hatte schon gesagt, dass 33 % der Kosten aus Erzeugung und Vertrieb stammen. Seit dem Jahr 1997 ist die Strompreisaufsicht für die Preisbildung der Privathaushalte abgeschafft. Damit ist eine deutliche Quelle für Extraprofit eröffnet worden, indem sinkende Börsenpreise eben nicht an die Endkunden weitergegeben werden.

Hierbei geht es schon um erhebliche Summen. Allein die beiden großen Unternehmen E.ON und RWE erwarten in diesem Jahr einen Gewinn von gut 19 Milliarden €. Das ist deutlich mehr als das, was für die Vergütung für die EEG-Umlage gezahlt wurde. Das waren nämlich nur 16,7 Milliarden €.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn nur ein Teil dieses Gewinns an die Endkunden weitergegeben worden wäre, dann hätte der Preis um zwei Cent gesenkt werden können. Die EEG-Umlage - das ist heute schon mehrfach gesagt worden - wird von fast 700 Firmen in Deutschland, die etwa 20 % der Energie verbrauchen, nur minimal mitgetragen. Das bringt diesen einen Vorteil von etwa 9 Milliarden € ein. Wenn davon nur ein Teil bezahlt worden wäre, dann hätte der Preis noch einmal um etwa 1,5 % gesenkt werden können. Damit wäre die Mär von den unerträglich hohen Energiepreisen durch erneuerbare Energien eigentlich vorbei.

Die Willkür der Stromwirtschaft bei der Preisgestaltung und unberechtigte Privilegien der Industrie sind die Preistreiber. Die erneuerbaren Energien sorgen für sinkende Börsenpreise, die sich aber bis jetzt eben die Großhändler und auch die stromintensive Industrie in die Tasche stecken.

Im Übrigen ist auch konventioneller Strom nicht billig, nur tauchen manche Kosten nicht direkt im Strompreis auf. Denken wir nur an die Kosten für Maßnahmen gegen den Klimawandel oder an die Kosten für die Asse-Entsorgung und die Suche nach einem geeigneten Endlager. Wenn man diese Kosten sozusagen in eine Konventionelle-Ener

gien-Umlage umrechnen würde, dann würde diese den Berechnungen der Organisation Greenpeace zufolge 10,6 Cent betragen. Diese Umlage ist wohl deutlich höher als die, die wir heute für die erneuerbaren Energien zu zahlen haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

„Energiewende mit Vernunft“ heißt für mich: eine entschiedene und bewusste Hinwendung zu erneuerbaren Energien, immer mehr Verwendung von kostenloser Sonne und Wind anstatt ständig teurer werdender konventioneller Brennstoffe. Energiewende mit Vernunft heißt eben auch, alle an den Kosten für die nötigen Umbauten in der Infrastruktur zu beteiligen. Die Wende wird nicht gelingen, wenn nicht die Belastungen auf alle verteilt werden und die schwächsten keine Unterstützung bekommen.

Diese kann in einem Sozialtarif bestehen, in einem Verbot von Stromsperren oder auch in der Unterstützung der Anschaffung energieeffizienter Geräte. Meine Kollegen in der Bundestagsfraktion hatten angeregt, zum Beispiel die zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen, die durch die Erhöhung des Strompreises zustande kommen, zur Unterstützung der Anschaffung energieeffizienter Geräte zu nutzen.

„Energiewende mit Vernunft“ heißt auch: Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Es ist schon angesprochen worden - Herr Mormann hat das sehr ausführlich gewürdigt -, dass das EEG ein Erfolgsmodell ist. Es ist weltweit anerkannt. Es hat eigentlich erst die Entwicklung der erneuerbaren Energien ermöglicht und diese schnelle Zunahme in Deutschland initiiert.

Natürlich ist eine Weiterentwicklung des EEG auch eine Anpassung an vorhandene Gegebenheiten. Diesbezüglich muss man der Bundesregierung eigentlich schon jetzt deutliche Versäumnisse vorwerfen. Viele Sachen hätten viel eher gemacht werden können. Viele falsche Signale, die damit gesetzt wurden, hätten auch viel eher zurückgenommen werden können.

Das heißt nicht, dass man an dieser Stelle in Aktionismus verfallen muss. Es muss berechenbar bleiben. Aber an vielen Stellen hätte man eher reagieren können. Frau Frederking ist darauf eingegangen. Es geht um die Marktprämie, das Eigenstromprivileg und die unheimlich großen Ausnahmeregelungen. Hierbei hätte man viel eher reagieren können.

Herr Altmaier hat das nun angekündigt. Ich hoffe, dass es eine ernstzunehmende Ankündigung ist.