Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Das Jugendparlament, das in der letzten Woche hier im Landtag zusammentrat, hat sich auch mit solchen Fragen befasst und forderte in einem Antrag mehr Mitbestimmung in der Kommunalpolitik. Sie fordern die Einrichtung von ständigen Jugendbeiräten in Städten und Gemeinden und haben sich nahezu einstimmig für die Mitsprache von Jugendlichen in institutionellen Verankerungen ausgesprochen. Genau das möchten wir jetzt auch auf Landesebene. Jugendliche sollen auch auf Landesebene über ihr eigenes Programm, das ihre eigene Lebenswelt gestaltet, mitbestimmen dürfen.

Wir glauben, dass man die Menschen ernsthaft in Politikgestaltung einbeziehen muss. Sie dürfen nicht nur gefragt werden, sondern müssen auch gestaltend beteiligt werden. Deswegen ist es aus unserer Sicht unausweichlich, dass man Jugendliche einbezieht - egal in welcher Form. Da gibt es unterschiedlichste Möglichkeiten. Man kann Veranstaltungen durchführen oder Infomaterialien ver

teilen. E-Partizipation ist gerade bei dieser Zielgruppe ein ganz wichtiges Wort. Letztendlich ist es aber zweitrangig, welche Form man wählt. Wichtig ist, dass man es ernst meint und es tatsächlich tut.

Meine Fraktion hat am 1. Dezember hier im Hohen Hause ein Open Space mit Jugendlichen aus dem ganzen Land durchgeführt. Ich kann eigentlich nur jedem wünschen, einmal eine solche Veranstaltung zu erleben. Es war unglaublich, wie kreativ und konstruktiv die Jugendlichen gearbeitet haben. Solche Formen würde ich gern in die Erarbeitung des jugendpolitischen Programms einbinden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Wir haben in unserem Antrag vorgesehen, die Jugendverbände und die Jugendgremien auf Landesebene einzubeziehen. Ich glaube, das ist dort auch in guten Händen.

(Unruhe)

Entschuldigung, ich bin sicher, dass sich alle einig sind, dass das Thema Aufmerksamkeit verdient.

Ich versuche noch einmal nahezubringen, warum es uns so wichtig ist, dass wir in unserem Antrag die Jugendgremien, die Jugendvertretungen auf Landesebene einbezogen wissen wollen. Wir denken - das wissen wir auch aus Erfahrung -, dass dort das Know-how vorhanden ist, dass diejenigen, die dort engagiert sind, wissen, wie Beteiligung geht, und sie sollte man auf jeden Fall in diese Erarbeitung einbeziehen.

Ansonsten halten wir es für selbstverständlich, dass die Regeln, die für normale Partizipation gelten, auch bei der E-Partizipation Anwendung finden. Jugendliche benötigen dafür entsprechend aufbereitete Informationen. Sie brauchen Zeit, um miteinander in Austausch zu treten. Sie müssen ihre Anliegen an entscheidender Stelle äußern können und es muss einen Dialog, eine Rückspiegelung vonseiten der Verantwortlichen geben.

Unser Antrag formuliert eine weitere grundsätzliche Vorgabe: Wir möchten, dass Jugendliche mit unterschiedlichen Bildungsniveaus ebenso wie Jugendliche mit und ohne Behinderung sowie Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund einbezogen werden. Ich sage das hier in diesem Hohen Hause nicht zum ersten Mal, weil ich glaube, dass man es nicht oft genug sagen kann. Uns geht es um tatsächliche Einbeziehung, um barrierefreie, inklusive Beteiligungsstrukturen.

Ich habe natürlich nichts gegen Abiturienten. Das wäre Quatsch, ich war ja selbst einmal Abiturientin.

(Lachen bei der CDU)

Jedoch glaube ich, dass wir, wenn sich am Ende eines solches Beteiligungsprozesses herausstellen würde, dass nur höher gebildete, wohlhabende Jugendliche ohne Migrations- und Behinderungshintergrund an dieser Beteiligung mitgearbeitet haben, etwas falsch gemacht hätten. Die Breite der Bevölkerung muss sich auch in einem solchen Beteiligungsprozess widerspiegeln. Wir brauchen Mitwirkung mit Wirkung!.

Wir sehen das jugendpolitische Programm - ähnlich wie das bereits erwähnte seniorenpolitische Programm „Aktiv und Selbstbestimmt“ - als Teil der bevölkerungspolitischen Gesamtstrategie dieses Landes. Das Handlungskonzept für eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung gehört fortgeschrieben, und zwar in die Richtung, dass der erwähnte jugendpolitische Bereich dort herausgehoben platziert wird.

Den Alternativantrag der Koalition habe ich heute früh noch schnell zur Kenntnis nehmen können. Ich finde es grundsätzlich erst einmal gut, dass Sie sagen: Wir brauchen ein jugendpolitisches Programm, keine Frage. Aber ich finde es sehr schade, dass Sie die Ausschussbeteiligung wieder komplett herausgenommen haben. Wir haben extra - das beantrage ich hiermit auch - die Überweisung unseres Antrags in die Ausschüsse vorgesehen, denn wir wollen den gesamten Sach- und Fachverstand einbeziehen. Wir wollen - so wie ich es eben ausgeführt habe - die Jugendlichen einbeziehen. Wir wollen aber auch, dass die Fachpolitiker einbezogen werden. Wir wollen der Regierung helfen, dieses jugendpolitische Programm auf einen guten Weg zu bringen. Das sieht der Alternativantrag der Koalition nicht vor. Deswegen können wir diesem nicht zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen klare Formulierungen. Wir müssen sagen, was genau wir in welchen Zeiträumen wollen. Jugendliche in diesem Land haben ein Recht darauf, das zu wissen. Sie haben ein Recht darauf, einbezogen zu werden, nicht nur rhetorisch, sondern auch mit Taten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Wir haben eine Fünfminutendebatte in der Reihenfolge CDU, DIE LINKE, SPD und GRÜNE vereinbart. Für die Landesregierung spricht nunmehr Herr Minister Bischoff.

Herr Präsident! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Lüddemann, wichtig und richtig ist, dass das Thema Jugend in den Landtag und in die Politik gehört. Dennoch stellten

sich mir, als ich das las, einige Fragen. Dass Jugendpolitik etwas Eigenständiges ist, weiß ich schon seit 30 Jahren; ich komme aus der Jugendarbeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Herr Borgwardt, CDU: Danke schön! Sehr gut!)

Familienpolitik ist eigenständig, Kinderpolitik ist eigenständig, Seniorenpolitik ist eigenständig. Das sind alles eigenständige Bereiche. Das ist eigentlich selbstverständlich. Trotzdem - das haben Sie richtig beschrieben - muss man es ressortübergreifend bzw. überhaupt übergreifend machen. Denn gerade Jugend hat mit vielen Dingen zu tun, hat mit Familie, Ausbildung, Freizeit, Arbeitsmarkt zu tun. Die gesamte Breite des Lebens ist gerade in der Jugend verankert. Von daher sage ich: Es ist richtig, die Jugendpolitik eigenständig zu betrachten und in einem Programm zu formulieren. Das sollten wir tun. Jedoch ist das keine neue Erkenntnis.

Von daher ist auch der Gedanke des Dialogs wichtig - Frau Lüddemann, ich habe Ihnen zugehört -, weil ich gern im Dialog etwas machen will; ein gutes Stichwort übrigens. Ich habe, seit ich angefangen habe, fast alles im Dialog gemacht - übrigens mit den Abgeordneten zusammen. Ich verspreche Ihnen: Ich werde alles im Dialog machen.

Ich werde nachher beim KiFöG noch einmal sagen, wo es Grenzen gibt. Dass es auch Grenzen im Dialog gibt, ist völlig klar. Wir können uns nicht anmaßen - auch nicht als Verwaltung und Landesregierung -, wir wären die Fachleute in der Jugendpolitik. Dafür haben wir die Verbände wie den Kinder- und Jugendring. Wir haben die Jugendhilfeausschüsse auf der Kreisebene. Überall sind Verbände tätig, die sich um die Jugendarbeit kümmern. Das machen nicht nur die Jugendverbände selbst, sondern auch die Liga und viele andere.

Von daher ist das eine Aufforderung. Das kann man immer wieder machen. Ich sage Ihnen: Ich werde es immer weiterführen und die Abgeordneten, auch im Ausschuss, mit einbeziehen. Deshalb glaube ich, dass es dieser Aufforderung, dass Sie sagen: „Wir lehnen den Alternativantrag ab, weil das nicht drin steht“, nicht bedarf. Ich mache es sowieso. Das muss man nicht immer neu beantragen; das würde ich jedenfalls so sagen.

Sie haben gesagt, man sollte Jugendliche nicht immer als Problemfälle sehen. Das finde ich auch, denn die meisten jungen Leute, die ich erlebe, sind wirklich gut drauf. Die stark zu machen und auch Beispiele zu finden, bei denen Jugendliche - eigentlich auch Kinder - schon etwas gestalten und vor allen Dingen Verantwortung übernehmen, ist wichtig. Das fehlt ihnen oft, dass wir ihnen Partizipationsmöglichkeiten einzuräumen, aber auch die

Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Das halte ich für absolut wichtig.

Manchmal erlebe ich Momente, in denen ich sage: Jetzt kann ich mich in Ruhe zurücklehnen; denn ich erlebe junge Leute, die die Zukunft gut gestalten werden. Das müssen nicht immer wir Älteren machen. Da könnte man eher unterstützend wirken. Da könnte man ihnen ein Stückchen mehr vertrauen.

Deshalb haben sich mir bei den Worten „hegen und pflegen“ sofort die Ohren aufgestellt, denn gerade das ist nicht Eigenständigkeit, sondern sogar noch eine Hilfestellung. Ich glaube, man sollte ihnen Verantwortung zutrauen, sie begleiten und sie stark machen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Es gibt schon jetzt Möglichkeiten der Partizipation - die haben Sie auch aufgezählt -, zum Beispiel dass junge Leute, auch schon Kinder und Jugendliche in Stadträten und Kreistagen Anträge einbringen können. Das machen sie viel zu wenig. Da ist die Frage: Warum werden die vorhandenen Möglichkeiten so wenig genutzt? Sie können dort selbst Anträge stellen und reden. Das ist in der Kommunalordnung vorgesehen.

Warum unterstützen wir sie so wenig - so wenig vonseiten der Schule, so wenig vonseiten der Stadtrats- und Kreistagsmitglieder, um sie dazu zu ermutigen? Es ist eine hohe Hürde, vor einem Kreistag, vor einem Stadtrat zu reden und auf Probleme aufmerksam zu machen; ich kenne das noch aus meiner Zeit. Richtig ist, alle, die davon betroffen sind, einzubeziehen.

Einen Gedanken wollte ich noch anbringen. Ich glaube, das ist so ähnlich wie in den Familien. Wer mehrere Kinder hat, der wird sich immer um das Kind, das Probleme hat oder krank ist, am meisten kümmern, manchmal auch zulasten der anderen Kinder. Es ist fast ein Stück Normalität im Leben, dass man einen Fokus auf diejenigen hat, die Unterstützung am meisten brauchen. Von daher habe ich ein Stück weit Verständnis, dass es in der Politik oft so erscheint, als würden wir uns um diejenigen kümmern, die besondere Unterstützung brauchen, die es aus eigener Kraft nicht können.

Bedenken habe ich bei der Forderung, das Programm von 2000 zu evaluieren. Sie haben Recht, das liegt lange zurück. In der Zwischenzeit ist viel passiert, es ist vieles in der Entwicklung begriffen. Ich nenne nur die Medienkompetenz. Daran hat im Jahr 2000 noch niemand gedacht. Was sich da entwickelt hat an Kompetenzzentren, auch in den großen und kleineren Städten, ist schon erheblich.

Von daher denke ich: Das ist für mich Geld, das ich nicht in die Hand nehmen würde, um das zu evaluieren, was darin steht. Das liegt viel zu lange zurück. Daraus werden wir keine großen Erkennt

nisse gewinnen. Dann würde ich mich lieber auf das Neue konzentrieren.

Ein letzter Punkt, den ich mit Schmunzeln gelesen habe; das darf ich vielleicht auch einmal sagen. Sie haben das seniorenpolitische Programm in den Vordergrund gestellt und haben gesagt, Sie würden das jugendpolitische Programm ähnlich verorten.

(Herr Borgwardt, CDU: Beispielhaft!)

- Ja, beispielhaft. - Ich habe zunächst gedacht: Klasse, das ist ein Lob an die Landesregierung, dass das gut ist. Das ist übrigens noch vor meiner Zeit passiert. Aber wissen Sie, Frau Lüddemann, wie das seniorenpolitische Programm entstanden ist? - Das haben die Fachleute im Ministerium zusammengeschrieben. Sie sind dann in die Verbände, also den Behindertenbeirat und die Seniorenvertretungen, gegangen und haben gefragt, ob sie noch Ergänzungen dazu haben. Dann ist es in Kraft gesetzt worden.

Das ist ein Programm in starkem Maß auch für die kommunale Ebene. Wissen Sie, was man auf der kommunalen Ebene teilweise gesagt hat? - Dort wurde gesagt: Das ist ein schönes Programm; es ist auch alles richtig, was darin steht, aber wie wir das umsetzen - das kann man heute sehen -, entscheiden wir, weil das kommunale Selbstverwaltung ist.

Alle Programme, die wir machen und die wir auch brauchen, scheitern, wenn das Land nicht die Möglichkeit hat, sie durchzusetzen; vielmehr brauchen wir dazu die unterschiedlichen Ebenen.

Daher sage ich: Wir sollten uns diesbezüglich auf den Weg machen. Danke für die Anregung; ich nehme sie mit. Wir werden darüber, so wie es in dem Alternativantrag festgelegt ist, im vierten Quartal 2013 berichten. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die Fraktion der CDU spricht nun Herr Abgeordneter Jantos.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wesentlichen Aspekte zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu dem Alternativantrag der Regierungsfraktionen sind bereits ausführlich dargestellt worden, sodass es schwer ist, neue Gesichtspunkte in die Debatte einzubringen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Muss man doch nicht!)

In der Vergangenheit haben wir oftmals Politik für Jugendliche hauptsächlich aus der Perspektive heraus betrachtet, bei der ein problemzentrierter

Ansatz vorherrschte. Herr Minister führte das gerade aus. Jugendpolitik wurde hauptsächlich als Instrument genutzt, um für den Umgang mit Jugendlichen mit Problemen Antworten zu liefern. Dieser Ansatz ist auch aus der Sicht meiner Fraktion überholt, zeichnet er doch ein sehr unvollständiges Bild von Jugendlichen mit ihren individuellen Interessen und Problemen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Was antworten wir vielen Jugendlichen, die nicht durch Gewalt, Extremismus, Suchterfahrung oder Armut unsere Aufmerksamkeit erregen, sondern sich ganz unauffällig auf den Weg begeben, um ihr zukünftiges Leben zu gestalten? Welche Perspektiven geben wir ihnen, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen?