Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Empörend finden wir Fragen wie - ich zitiere aus einem solchen Fragebogen -:

„Sind die Kosten für den Kauf von Medikamenten einmalig entstanden oder entstehen sie regelmäßig? Wie hoch belaufen sich die Kosten im Monat und im Jahr?“

Familienkassen wollen wissen: Muss ihr Kind öfter im Jahr ins Krankenhaus und wenn ja, wie oft?

- Bitte teilen Sie mit, wie hoch Ihre gesamten Kosten für die Renovierung des Zimmers ihres Kindes waren. - Wie oft renovieren Sie das Zimmer ihres Kindes?

(Herr Grünert, DIE LINKE: Im Jahr!)

Betroffene berichten unabhängig voneinander auch noch davon, dass sie beim Einzelnachweis per Quittung oder Beleg sich die Frage stellen lassen müssen - ich zitiere -:

„Hat ihr Kind aufgrund der Behinderung einen hohen Verschleiß an Kleidung und Schuhen? Wenn ja, legen Sie bitte die Gründe dar und teilen Sie mit, welche Kosten im Jahr für Schuhe und Kleidung anfallen.“

Hier hört der Spaß auf.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in seiner Klarstellung an die örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger die Rechtsauffassung vertreten, dass die Abzweigung des Kindergeldes nur einheitlich und nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen soll. Die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bezüglich der Anwendbarkeit des § 74 des Einkommensteuergesetzes bewirkt demnach keinen Wandel in der geltenden Rechtslage. Insbesondere ist sie keine Grundlage für eine großzügige Abzweigung des Kindergeldes durch entsprechende Anträge der Sozialhilfeträger.

Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hat in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 K 454/11 und das Finanzgericht Thüringen in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 K 309/10 im November 2011 entschieden, dass eine Abzweigung des Kindergeldes in den Fällen, in denen das Kind im Haushalt der Eltern betreut und versorgt wird, grundsätzlich ausgeschlossen ist. Beide Finanzgerichte halten die den Eltern auferlegten Nachweispflichten für unverhältnismäßig. Gegen beide Urteile ist Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt worden.

Während einige Landkreise ganz verzichten, machen andere die Nachweispflicht nur dann geltend, wenn tatsächlich einer Unterhaltsverpflichtung durch die Eltern nicht nachgekommen wird. Andere Landkreise haben die Abzweigung in der Zwischenzeit wieder zurückgenommen und sich bei den betroffenen Eltern entschuldigt.

Allerdings gibt es in unserem Land Landkreise und kreisfreie Städte, die mit dieser Abzweigungssumme ganz fest planen und rechnen. So wird im Landkreis Harz die Summe von 180 000 € aus der erfolgten Abzweigung des Kindergeldes als Deckungsquelle für überplanmäßige Ausgaben für die Grundsicherung im Alter geplant und eingesetzt.

(Frau Weiß, CDU: Das gibt es doch gar nicht! Das stimmt doch gar nicht! - Zurufe von der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Wir denken, dass all das bisher Gesagte Grund genug ist, die Landesregierung aufzufordern, die örtlichen Sozialhilfeträger von der aktuellen Rechtsprechung in Kenntnis zu setzen, damit diese unsägliche Praxis endlich ein Ende findet.

(Beifall bei der LINKEN)

Darüber hinaus möchten wir, dass im Ausschuss für Arbeit und Soziales darüber berichtet wird, in welchem Umfang, wie und in welchen Landkreisen Abzweigungen beim Kindergeld vorgenommen werden. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Zoschke hat die Details erklärt. Deshalb will ich darauf nicht noch einmal eingehen.

Die Verunsicherung durch die unterschiedliche Handhabe haben wir aus zwei Landkreisen mitbekommen. Aber der Umfang der im Harz und in Magdeburg getätigten Abzweigungen ist uns nicht bekannt. Deshalb müsste man - das sage ich jetzt einmal im Konjunktiv - recherchieren, aus welchem Grund das dort sozusagen regelhaft passiert.

Auf die Besonderheit haben Sie hingewiesen. Ich weiß es nicht. Ich habe nur mitbekommen, dass die Verunsicherung erst in den letzten Monaten entstanden ist; denn vorher haben wir davon nichts gehört.

Ich vermute einmal - Sie haben auf eines hingewiesen -, dass das Bundesministerium zwar eine Klarstellung gebracht hat, nämlich die Regelung in begründeten Ausnahmefällen, und die Ankündigung, dass es eine möglichst einheitliche Verfahrensweise geben soll, aber der 4. Senat des Finanzgerichts ist zu einer anderen Auffassung gelangt als der 5. Senat. Das hatte zu der großen Verunsicherung beigetragen.

Der eine hat noch vor September 2011 getagt und hat vereinbart, dass sich im September ein Runder Tisch zusammensetzt, an dem Vertreter des 4. und 5. Senats, der Familienkasse, der Landkreise und der kreisfreien Städte, der Bundesagentur und der Beauftragte der Landesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen teilnehmen. Diese Runde sollte eigentlich Lösungsvorschläge für einen vereinfachten Umgang mit dieser Problematik unterbreiten. Bedauerlicherweise hat dieser Runde Tisch bis heute nicht wieder getagt.

(Herr Grünert, DIE LINKE: Warum nicht?)

- Richtig. Wenn bekannt gewesen wäre, dass es so lief, dann hätte man nachfragen müssen. Jetzt

will ich nicht weiter darauf eingehen, weil die Zeit nicht nur heute, sondern generell fortgeschritten ist.

Deshalb macht der Antrag der regierungstragenden Fraktionen Sinn; denn es ist davon auszugehen, dass das Problem demnächst gelöst werden wird. Als Land haben wir - das haben Sie richtig dargestellt - außer der Möglichkeit, dass wir darauf hinweisen können, keine anderen Möglichkeiten. Wir können noch einmal auf das hinweisen, was der Bund den Landkreisen, der kommunalen Ebene sagt. Mehr können wir nicht tun.

Es ist davon auszugehen, dass das Problem demnächst reduziert wird, da auf der Bundesebene eine Rechtsänderung ansteht. Der Bund und die Länder haben sich darauf geeinigt, dass der Bund den Ländern schrittweise, beginnend im Jahr 2012, die Aufwendungen der Träger der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vollständig erstattet. Im ersten Schritt sind 75 vom Hundert durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen vom 6. Dezember 2011 bereits erstattet worden.

Ab 1. Januar 2013 wird der Bund den größeren Teil übernehmen, und zwar bis zu 75 %. Dann handelt es sich bei dieser Aufgabe des örtlichen Trägers um eine Pflichtaufgabe. Bisher war es eine Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis. Daher kann das Land sowieso keine Weisung erteilen. Aber ab 1. Januar 2013 kann und sollte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf dem Erlasswege eine einheitliche Verwaltungspraxis herbeiführen. Dann ist die Bundesauftragsverwaltung dafür zuständig.

Dafür werde ich mich einsetzen. Deshalb ist es wichtig, dass ich Ihnen im Januar oder Februar 2013 im Ausschuss darüber berichte, wie der Bund das zu handhaben gedenkt. Deshalb bitte ich Sie, dem Alternativantrag zuzustimmen, damit wir dann die Gelegenheit haben, darüber zu berichten.

Ich muss auch ganz deutlich sagen, dass ich es nicht in Ordnung finde, dass so etwas in den Kreisen passiert ist. Ich muss aber ausdrücklich sagen, dass es nicht SGB-II-Empfänger betrifft, also nicht die Ärmsten der Armen, die wir haben. Aber es betrifft Menschen, die ein normales Einkommen haben und deren Anspruch auf Kindergeld bestehen bleibt, obwohl ihre Kinder das Jugendlichenalter verlassen haben. Für diese ist die unterschiedliche Praxis im Land mit Sicherheit nicht förderlich.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. Frau Kollegin Hohmann hat noch eine Frage.

Herr Minister, wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, haben Sie zugesagt, im Januar oder im Februar 2013 im Ausschuss zu berichten. Dem gegenüber steht der Antrag der Koalitionsfraktionen, nach dem im dritten Quartal 2013 im Ausschuss berichtet werden soll.

Man braucht eine geraume Zeit, um zu erfahren, wie die Landkreise das dann als Pflichtaufgabe umsetzen. Das muss man erst einmal erfragen. Ich möchte nur berichten, was der Bund macht, der ab 1. Januar 2013 zuständig ist und auf den ich dann noch einwirken werde. Ich beabsichtige, in der nächsten Woche noch einmal ein Schreiben zu schicken. Ich weiß nicht genau, ob der Bund davon Gebrauch macht oder nicht. Aber er bzw. die Bundesauftragsverwaltung ist zuständig. Wir sind überhaupt nicht mehr zuständig.

Aus diesem Grund möchte ich dann berichten, wie der Bund geantwortet hat, wie er gedenkt, das sozusagen der kommunalen Ebene zu übertragen. Es geht also um solche Fragen wie: Unter welchen Bedingungen geschieht das? Wie wird das vereinheitlicht? Gibt es eine bestimmte Form dafür? - Das kann ich jetzt noch nicht beantworten. Darüber würde ich dann berichten.

Aber hinsichtlich der Frage, wie das generell im Land gehandhabt wird, finde ich eine Berichterstattung im letzten Quartal des nächsten Jahres richtig; denn dann kann ich genau sagen, wie das die kommunale Ebene im Einzelnen umsetzt.

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Wir fahren nunmehr mit der Debatte fort. Zuerst spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Rotter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich kann es kurz machen.

(Herr Loos, DIE LINKE: Schon wieder!)

- Ja. Wenn Sie etwas dagegen haben,

(Zuruf von der LINKEN: Nein!)

dann müssen Sie es angesichts der fortgeschrittenen Zeit nur sagen.

Aber ich kann es kurz machen, weil die Kollegin Zoschke die rechtlichen Rahmenbedingungen ganz klar und eindeutig dargelegt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube, niemand hätte es besser gekonnt.

(Oh! bei der CDU - Frau Zoschke, DIE LIN- KE: Danke! - Zustimmung bei der LINKEN)

- Ja, ein Lob muss auch einmal sein.

(Unruhe)