Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

Natürlich können Erinnerungen trügen.

(Frau Budde, SPD: Nein! - Frau Lüddemann, GRÜNE: Nein!)

- Doch, sie können.

(Frau Budde, SPD: Sie können nur anders gedeutet werden!)

- Nein, sie können trügen. Wir haben deshalb den Text unseres Antrages auch mit den Beteiligten an diesem Forum abgesprochen, weil wir uns eben nicht darauf verlassen wollten, dass nur unsere Interpretation in diesen Antrag einfließt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deshalb haben wir gesagt, wir rückversichern uns noch einmal und fragen nach, damit wir nicht etwas Falsches in den Antrag hineininterpretieren. Das muss ja nicht sein.

Zeitdruck. Der Landtagsbeschluss datiert vom November 2009. Der Zwischenbericht - Sie können ihn sich anschauen - enthält erste Ergebnisse. Überall steht „Zwischenergebnisse“ oder „erste Ergebnisse“.

(Frau Niestädt, SPD: Wir haben ihn auch gelesen!)

Es fehlt auch noch eine ganze Reihe von Beratungsangeboten. Es sind keinerlei Vorschläge zu irgendeiner Struktur gemacht worden.

(Frau Niestädt, SPD: Wir kennen den Zwi- schenbericht doch!)

- Gut. - Fakt ist: Es ist noch sehr viel zu tun. Entschuldigen Sie bitte - ich möchte niemandem zu nahe treten -, aber das Wenige, das jetzt auf dem Papier steht, hat ein Jahr gedauert, und das Viele, das noch zu tun ist, dauert ein halbes Jahr - wer, bitte, glaubt denn das?

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich möchte um Gottes willen niemandem zu nahe treten, aber seien wir doch bitte einmal realistisch. An dieser Stelle fordern wir vielleicht doch nicht das Unmögliche.

Natürlich stehen die Träger schon wieder unter Druck. Auch das stimmt.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Wer steht nicht unter Druck?)

Sie werden vom Landesverwaltungsamt kritisiert, weil die Aufwüchse in den Tarifen und die Tarife nicht angepasst werden bzw. weil bestimmte Tarife nicht eingehalten werden. Wollen sie aber beim Ministerium diese höheren Ansprüche anmelden, wird ihnen gesagt: Beantragt bloß nicht so viel Geld. Mehrforderungen werden abgelehnt. Das macht die Träger dann natürlich ein bisschen misstrauisch. Das muss man doch bitte auch verstehen.

Wir sind vorhin aufgefordert worden, nicht zu große Geschütze aufzufahren. Deshalb habe ich natürlich überlegt, ob ich den Begriff „Wahlbetrug“ verwenden soll. Ich werde es jetzt nicht tun.

Aber Fakt ist doch eines: Wenn man wusste, dass dieser Diskussionsprozess über die Neustrukturierung im Haushalt 2012/2013 seinen Niederschlag finden sollte, dann hätte man das auf dieser Veranstaltung der Wohlfahrtsverbände, auf beiden Veranstaltungen, bitte sagen müssen. Das ist nicht passiert.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Man hat sich darauf geeinigt, dass man dem Prozess Zeit lassen will. Es wurde eine Frist bis 2013 gewährt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns bis 2013 damit Zeit lassen, den Haushalt aufzustellen. Auch das wird nicht gehen.

Es soll die Methode angewandt werden „erst abschneiden, dann nachmessen“. Denn es entsteht immer der Eindruck, dass ich, wenn ich unter finanziellem Druck Entscheidungen treffen muss, eher bereit bin, mich zu bewegen. Aber in diesem Falle halten wir das einfach für falsch, weil viel zu viel auf dem Spiel steht.

Deshalb bestehen wir darauf, dass über unseren Antrag direkt abgestimmt wird. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dirlich. - Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Es hat einen Antrag oder sogar zwei Anträge auf Überweisung gegeben, und zwar zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Finanzen und für Inneres. Über diesen Überweisungsantrag lasse ich jetzt abstimmen.

Wer dafür ist, dass der Antrag an die genannten Ausschüsse überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag in die entsprechenden Ausschüsse überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 13 ist erledigt. Frau Dr. Paschke übernimmt die Sitzungsleitung.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Beratung

Bildung eines Beirates für nachhaltige Entwicklung beim Landtag von Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/65

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/106

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Lüderitz. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor fast fünf Jahren habe ich einen nahezu gleichlautenden Antrag in diesem Hohen Haus eingebracht. Er war damals von der Koalition abgewiesen worden und Kollege Bischoff als damaliger Redner der SPD-Fraktion und parlamentarischer Geschäftsführer ließ sich nach dem Verweis auf den eigenen Antrag der SPD aus dem Jahr 2002 zu den Sätzen hinreißen:

„Damit haben wir uns als SPD einen Storch gebraten, wie man so sagt. So ist das, wenn man einige Jahre später auf der Regierungsbank sitzt und sich schwer tut, auf einmal Anträge abzulehnen, die man einmal selbst gestellt hat.“

Nun, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir bieten Ihnen heute die Möglichkeit der

Korrektur und der Rückbesinnung auf Ihren ursprünglichen Antrag aus dem Jahr 2002.

Zumindest hat es der Begriff der Nachhaltigkeit in die Überschrift Ihres gemeinsamen Koalitionsvertrages geschafft. Damit sollte es der Koalition auch nicht schwerfallen, ein solches Gremium auch im Landtag Sachsen-Anhalt zu kreieren. Thüringen hat es in einer ähnlichen Koalitionsform im Jahr 2008 bereits vorgemacht. Auch wenn man es Ihrem Alternativantrag so nicht entnehmen kann und Sie sich nach wie vor damit schwertun, haben Sie noch die Chance, Ihre Auffassung zu ändern.

Mit dem Nachhaltigkeitsbegriff hat sich der Landtag, wie bereits in der Begründung dargelegt, mehrfach befasst. Er dürfte allen in diesem Hohen Hause geläufig sein. Ich muss ihn also nicht noch einmal erläutern.

Wir, DIE LINKE, stehen für eine komplexe Herangehensweise bei landespolitischen Entscheidungen ganz im Sinne der Nachhaltigkeit, auch wenn das manche hier immer nicht wahrhaben wollen. Diese Nachhaltigkeit besteht bekanntermaßen aus einem gleichseitigen Dreieck - ich betone: gleichseitig - von sozialer, ökonomischer und ökologischer Herangehensweise sowie deren Umsetzung in konkrete Politik.

Ihr Alternativantrag hingegen versucht, wieder sehr einseitig nur die ökologische Sichtweise aufzunehmen. Das finde ich eigentlich schade.

Hier beginnt allgemein auch die Crux in der Politik. Der Begriff der Nachhaltigkeit wird inflationär benutzt. Er wird nicht als Korrektiv für einmal getroffene politische Entscheidungen zugelassen und dient oftmals als grünes Mäntelchen, als Überschrift ohne Bindungswirkung.

Hinweise oder Kritiken von außen sind verpönt und unerwünscht. Allzu oft wird nur in Wahlperioden gedacht und gehandelt. Wir meinen, dass sollten wir gemeinsam ändern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für einen solchen Beirat für nachhaltige Entwicklung gibt es unterschiedliche Beispiele, sei es auf Bundes-, Landes- oder regionaler Ebene. Wir betreten also weder Neuland, noch ist dieses Anliegen in einem Parlament unmöglich.

Ich möchte in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Bundestag verweisen. Dort gibt es ein solches Gremium bereits seit drei Wahlperioden. Er hat dort die Aufgabe, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zu begleiten und bei der Festlegung sowie bei der Konkretisierung von Zielen, Maßnahmen und Instrumenten tätig zu werden.

Daneben kann der Beirat Schwerpunkte für eine eingehende Beratung, die die nachhaltige Entwicklung betreffen, auswählen und dem jeweils federführenden Ausschuss des Bundestages zur Bera

tung vorlegen. Mindestens alle zwei Jahre soll - und so macht er es auch - der parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung dem Bundestag einen Bericht vorlegen.

Wer den letzten Bericht des parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung, des PBNE - so lautet die Abkürzung -, vom Januar 2011 liest, wird feststellen, dass viele Vorschläge sehr schnell Eingang in die Arbeit des Bundestages und auch der Bundesregierung gefunden haben. So haben Bundesregierung und Bundestag ihre Geschäftsordnungen kurzfristig geändert und die Nachhaltigkeitsprüfung in die Gesetzesfolgenabschätzung eingefügt.

Kritisch möchte ich aber auch anmerken, dass der Bundestagsbeirat eine rein parlamentarische Institution ist. Der fachliche Input erfolgt über Anhörungen und auf der Basis von Honorarverträgen.

Ein zweite kritische Anmerkung zu der Bundestagslösung: Der Beirat ist noch immer kein Bestandteil der Geschäftsordnung. Er agiert auf reiner Beschlusslage, auch wenn wiederholt - so auch im letzten Bericht des Beirats - eine Geschäftsordnungsregelung angemahnt wurde.

In den Bundesländern Baden-Württemberg, Thüringen und Brandenburg gibt es ebenfalls Nachhaltigkeitsbeiräte. Diese sind dort teilweise sehr opulent mit großzügigen Geschäftsstellen und eigenen Budgets ausgestattet. Sie sind aber nicht direkt beim Parlament angesiedelt, sondern bei der Landesregierung, und setzen sich aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammen.

In Brandenburg besteht zumindest eine Berichts- und Informationspflicht auch gegenüber dem Landtag. Erarbeitete Empfehlungen bzw. Stellungnahmen sind auch für die Öffentlichkeit frei zugänglich; sie finden Eingang in die Landtagsarbeit.