Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

In Brandenburg besteht zumindest eine Berichts- und Informationspflicht auch gegenüber dem Landtag. Erarbeitete Empfehlungen bzw. Stellungnahmen sind auch für die Öffentlichkeit frei zugänglich; sie finden Eingang in die Landtagsarbeit.

Der dortige Beirat hat ein sehr umfängliches und anspruchsvolles Arbeitsprogramm. Er setzt sich aus erfahrenen Politikern, Wissenschaftlern und Netzwerkern zusammen, insgesamt 15 Persönlichkeiten.

Die Bandbreite der Arbeit reicht von „Vision 2050. Dialoge Zukunft für Brandenburg“ über fiskalische Nachhaltigkeitsstrategien bis hin zum Thema „Parlament und Nachhaltigkeit“ und ist für den Zeitraum von 2010 bis 2013 angelegt.

Darüber hinaus äußert sich der Beirat auch zu Landesthemen und gibt Empfehlungen bzw. Stellungnahmen ab. Wie so etwas aussieht, kann man sich bei dem Gesetzgebungsverfahren zum Wassergesetz sehr gut ansehen.

Der Nachhaltigkeitsbeirat in Baden-Württemberg besteht seit 2002 und wird durch das dortige Umweltministerium für die jeweilige Legislaturperiode berufen. Er besteht aus zwölf Mitgliedern des öffentlichen Lebens und befasst sich mit Themen,

die durch die jeweilige Landesregierung vorgegeben werden. Die jetzige grün-rote Landesregierung will seine Stellung wesentlich verändern und den Beirat beim Ministerpräsidenten ansiedeln.

In Thüringen wurde der Beirat auf einen Antrag der CDU und der SPD hin auf der Grundlage eines Landtagsbeschlusses am 9. Mai 2008 gebildet. Er umfasst neun Mitglieder, und es gibt mehrere Arbeitsforen, die weitere kleinere Beiräte, unter anderem ein Jugendforum, haben.

Der dortige Beirat hat der Öffentlichkeit im März 2011 eine Nachhaltigkeitsstrategie für Thüringen vorgestellt. Auch in Thüringen kann der Beirat nur begrenzt Themen in eigener Verantwortung aufgreifen. Eine zweijährige Berichtspflicht vor dem Landtag und der Öffentlichkeit ist auch hier festgelegt.

Weiterhin gibt es bei der Bundesregierung und bei verschiedenen Landesregierungen und Verbänden Räte für Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung. Diese fungieren aber als wissenschaftliche Beratungsgremien und nicht als Bewertungsgremien.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe bereits im Jahr 2006 darauf verwiesen, dass ein solcher Beirat aktiv agieren sollte und eine rein parlamentarische Besetzung wenig zielführend ist. Die Einbeziehung von Personen des öffentlichen Lebens ist in unserer Geschäftsordnung nur für die Enquetekommission vorgesehen und dies auch nur in sehr begrenztem Umfang. Deshalb ist der Beirat der Länder auch nicht auf die Geschäftsordnungen abgestellt.

Erinnern möchte ich an den in diesem Hohen Hause berufenen Rat für Zukunftsfähigkeit in der zweiten und dritten Wahlperiode. Dort waren zwölf Vertreter des öffentlichen Lebens benannt.

Oder man entscheidet sich für eine Mischform mit jeweils einem Vertreter der Fraktionen und acht Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Auch das ist durchaus praktikabel. Aber all diese Details sollten nicht im Plenum diskutiert werden. Dies sollte dem Ältestenrat vorbehalten bleiben.

Für meine Fraktion wäre es ein wichtiges Signal, wenn sich der Landtag zu einem Beirat für nachhaltige Entwicklung in Sachsen-Anhalt bekennen würde und damit auch der Öffentlichkeit signalisiert: Nachhaltigkeit in der Landespolitik findet sich nicht nur in Überschriften und Sonntagsreden wieder; vielmehr ist Nachhaltigkeit ein wesentliches und öffentliches Bewertungskriterium bei landespolitischen Entscheidungen.

Um dies zu verdeutlichen, möchte ich aus dem unveränderten Beschlusstext des Bundestages zitieren. Dort steht geschrieben:

„Angesichts der Herausforderungen der Globalisierung kommt es darauf an, dass sich

der Deutsche Bundestag weiterhin zu einer nachhaltigen Entwicklung bekennt. Die Dringlichkeit einer nachhaltigen Entwicklung in allen Politikbereichen wird immer deutlicher und benötigt eine angemessene parlamentarische Begleitung.

Das zentrale Merkmal eines parlamentarischen Gremiums zur Nachhaltigkeit besteht darin, das es über die Grenzen der Fachausschüsse hinweg insbesondere die Langfristigkeit politischer Entscheidungen und ihre Auswirkungen auf zukünftige Generationen im Auge hat. Der parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung kann somit Anwalt langfristiger Verantwortung im politischen Geschehen sein und Politik für kommende Generationen strukturieren.

Der gesellschaftliche Dialog auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung muss von Politik und Öffentlichkeit als eine grundlegende Aufgabe der gemeinsamen Zukunftsgestaltung verstanden werden.“

Ich glaube, dem ist nichts hinzufügen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Lüderitz, für die Einbringung. - Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein.

Doch zuvor begrüßen wir Damen und Herren der Katholischen Erwachsenenbildung Magdeburg, Sandersdorf und Bitterfeld. Seien Sie herzlichen willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Miesterfeldt.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir jetzt nicht hier sitzen wollten, sondern stattdessen entweder durch meine erzgebirgische Heimat oder durch den Harz wandern könnten, dann würde uns ohne Reden ein Beitrag über menschlich nachhaltiges Handeln geliefert: abgeholzte Bergkuppen,

(Frau Gorr, CDU: Ja!)

leer geräumte Bergwerke. Wenn man sich dann - zumindest für die Sachsen trifft das zu - in die flache Ebene nach Leipzig begibt, wo die NordLB - nein, die zum Glück nicht -, die SachsenLB ihren Standort hat, dann kann man auch noch leer geräumte Safes beobachten.

Der Mensch neigt dazu, den Planeten auszubeuten.

(Herr Daldrup, CDU: Für den Wald gilt das aber nicht!)

Dann beutet er sich auch noch gegenseitig aus. Das ist in den letzten Jahrtausenden fast immer so gewesen.

Herr Daldrup als Fachmann hat berechtigterweise eingeworfen: Beim Wald hat man dann versucht, dem Einhalt zu gebieten. Aber lieber Kollege, Sie werden mir darin Recht geben, dass wir, wenn wir als Jäger oder was auch immer vor tausend Jahren durch den Harz oder durch das Erzgebirge gestreift wären, noch sehr viel mehr Wald gehabt hätten als heute.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Aber in der Waldwirtschaft kam dann wirklich der Gedanke des nachhaltigen Handelns auf, nämlich: Es muss aufgeforstet werden. Es ist übrigens schon lange her, dass man dieses Handeln an den Tag gelegt hat. Das beruhte übrigens auch auf wirtschaftlichen Überlegungen; denn den Akteuren war klar: Irgendwann ist der letzte Baum abgeholzt und es kann kein Schiff - damals wurden sie aus Holz gebaut - mehr gebaut werden und es kann in keinem Bergwerk mehr die Sicherheit hergestellt werden. So entstand nachhaltige Forstwirtschaft.

Wir beschäftigen uns heute zu Recht in der Politik mit diesen und weiteren Aufgabenfeldern, wie zum Beispiel dem Thema Klima und Erderwärmung, Flächenverbrauch - er ist heute viel stärker als vielleicht vor 100 Jahren - sowie Gesetzfolgenabschätzung. Wir behandeln Fragen der Infrastruktur, der Generationengerechtigkeit und vieles andere mehr.

In dem Bericht der Brundtland-Kommission von 1987 kann man den sehr nachdenkenswerten Satz lesen:

„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“

In meinem früheren Leben hätte ich an dieser Stelle Amen gesagt. Das ist aber ein Satz, der nach dem Amen durch praktisches Handeln umgesetzt werden muss.

Trotzdem muss man einen solchen Antrag, der er uns hier vorliegt, wenn man ihm erst einmal im Grundsätzlichen zustimmt, natürlich auch im Einzelnen hinterfragen. Wir müssen uns in dieser Gesellschaft schon fragen: Wie viel Nachhaltigkeit will denn diese Gesellschaft in ihrer Mischung aus Zukunftsangst und Verdrängung genau dieser Zukunftsängste?

Gibt es am Ende in einem konkreten Raum wie dem Land Sachsen-Anhalt bereits ausreichend Nachhaltigkeitsgremien? Ich denke an die Umweltallianz, den Naturschutzbeirat, die Allianz für den ländlichen Raum, den Demografiebeirat und andere.

Sollten der Landtag als Legislative und die Landesregierung als Exekutive nicht aus sich heraus und in sich solche Gremien der nachhaltigen Entwicklung sein?

Diese Fragen werden wir bewegen. Wir haben das in der letzten Legislaturperiode an einer Stelle ganz praktisch und sehr intensiv getan, zumindest aus meiner Sicht und, ich denke, auch der damaligen und heutigen Koalition, nämlich bei der Aufstellung des Landesentwicklungsplans. Natürlich steht dort die nachhaltige Entwicklung unseres Landes im Vordergrund. Natürlich haben wir sehr viele Leute angehört, die sich aus unterschiedlichsten Gesichtspunkten heraus mit Nachhaltigkeit beschäftigt haben.

Der Minister wird in seinem Beitrag sicherlich noch viele andere Beispiele nennen, die das Regierungshandeln als Handeln der Nachhaltigkeit für das Land Sachsen-Anhalt aufzeigen.

Der Einbringer des Antrags Herr Lüderitz hat bereits gesagt, was es im Bund und in anderen Ländern für Beiräte gibt. Das brauche ich nicht zu wiederholen.

Ich denke, wir müssen uns diesen Fragen stellen. Ich schlage deshalb vor, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE in den Ältestenrat überwiesen wird und der Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD so beschlossen wird. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Weihrich.

Ich weise aber zuvor darauf hin, dass die vorliegenden Anträge keine selbständigen Anträge sind. Diesbezüglich gibt es ein Verfahren: Entweder werden sie überwiesen oder wir müssen direkt über sie abstimmen. Wenn sie überwiesen werden, dann nur gemeinsam. Vor diesem Hintergrund müssten Sie sich gegebenenfalls noch einmal abstimmen.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist uns klar!)

Herr Weihrich, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die GRÜNE-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass mit diesem Antrag das Thema Nachhaltigkeit auf die Agenda dieses Hohen Hauses gesetzt wurde. Wir sind nämlich der Meinung, dass dieses Thema insgesamt in der letzten Legislaturperiode im Plenum stark vernachlässigt wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN)