Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

In dieser Regelung ist fast alles dargestellt, woran sich eine Gemeinde halten kann. Wenn wir eine entsprechende Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt haben, dann wissen wir auch, dass wir - das haben Sie dargestellt - verschiedentlich und auch politisch motiviert in Gesetze eingegriffen haben. Ich erinnere nur an die authentische Gesetzesinterpretation, die kläglich vor dem Verfassungsgericht gescheitert ist.

Deshalb sollten wir bei einem Eingriff in das KAG - das wurde auch in den Diskussionen im Innenausschuss über das KAG angeführt - dieses genau prüfen und sehr vorsichtig damit umgehen. Wir sollten auch die Rechtsfolgen, die dadurch entstehen, genau im Blick haben und nicht wieder neue Fälle vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgericht provozieren.

Deshalb lautet mein Vorschlag, diesen Antrag in den Innenausschuss zu überweisen, in dem wir dann die gemachten Vorschläge erörtern bzw. auch die rechtliche Prüfung intensiv vornehmen können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Kollegin, es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie diese beantworten?

Herr Abgeordneter Weihrich, bitte.

Frau Kollegin Schindler, ich habe eine kurze Nachfrage. Sie haben durchaus auch berechtigte Kritik

an der Begründung zu dem Antrag geäußert. Aber stimmen Sie mit mir darin überein, dass wir im Plenum letztlich nur den Antragstext beschließen und die Begründung eben nicht, sodass die Begründung keinen Wert hat? Der Antragstext hat im Kern den Auftrag, genau das zu tun, was Minister Stahlknecht bereits zugesagt hat, nämlich die Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen. Ich denke, daran kann man nicht rütteln.

Ich habe es ausgeführt. Es sind zwei Aspekte. Punkt 1 des Antrages hätten wir zugestimmt. In Punkt 2 sind Ergebnisse bereits vorweggenommen. Das müsste man differenzierter sehen. Ich denke schon - ansonsten bräuchten wir keine Begründung zu einem Antrag aufzuführen -, dass diese Begründung mit zu dem Beschluss gehört. Formal haben Sie Recht, dass nur der Beschlusstext beschlossen wird. Für mich ist es ein gemeinsames Papier, das uns vorliegt. Die so formulierte Begründung können wir nicht akzeptieren.

Danke schön, Frau Kollegin. Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Zum Schluss der Debatte spricht nun der Abgeordnete Herr Grünert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf einige Bemerkungen eingehen, weil hier etwas unterstellt wird, was so nicht ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat auf § 170 der Abgabenordnung abgehoben und genau das festgestellt, was Sie, Herr Stahlknecht, in Abrede gestellt haben, nämlich dass die Festsetzungsverjährung - die ist auch Bestandteil des KAG - in § 13 Abs. 1 Nr. 4 nicht greift.

Das heißt, hier war die Ermächtigungsgrundlage von Bayern enthalten, die da lautet, dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist. Genau da hat der Bundesverfassungsgerichtshof gesagt, dass das vollkommen unerheblich ist, denn der Rechtsanwender - sprich: der Bürger - hat ein Recht auf die Festsetzung. Wenn das über Jahre - teilweise auch über Jahrzehnte - nicht gemacht wird, dann ist das der Punkt, den ich vorhin verlesen habe: Dann kann man annehmen, dass der Satzungsgeber - sprich: die Gemeinde - gar kein Interesse hatte, das geltend zu machen.

Ansonsten muss man fragen: Warum hat denn die Kommunalaufsicht seit 1999 - viele Gemeinden haben sie noch nicht - Kommunalabgabensatzungen beschlossen? - Das ist leider so. Gucken Sie

ins Land, dann werden Sie das feststellen. Das verwundert mich ein Stück weit bei der Argumentation von Herrn Bönisch.

Herr Bönisch, das ist kein Allerweltsproblem. Es trifft nicht nur den Bürger, sondern auch Unternehmen. Vielleicht sollten Sie einmal darüber nachdenken, welche Möglichkeiten es da gibt. Wir sind nicht so weit wie Thüringen gegangen, die sofort alle Bescheide ausgesetzt haben, weil sie gesagt haben, es gehört zu einer fairen, sachlichen Debatte zu gucken, was aufgrund dieses Grundsatzbeschlusses tatsächlich im Land als Regelung notwendig ist.

Deswegen, Frau Schindler, war unsere Untersetzung in Punkt 2, dass man guckt, welche Wirkung das hat. Lesen Sie einmal genau - sagen wir, beim zweiten Spiegelstrich des Punktes 2 -: Welche Wirkungen hat das auf bereits ergangene oder auf zu erlassende Bescheide usw. Das ist eine Spezifizierung der Berichterstattung. Deshalb sehe ich da keinen Grund, irgendwas daran zu machen.

Eine Klarstellung zur authentischen Gesetzesinterpretation: Warum haben Sie dieses Mittel gezogen? - Sie haben das Mittel gezogen, weil Sie keine Rückwirkung haben wollten. Wir hatten vorgeschlagen, die Rückwirkung mit Stichtagsregelung einzusetzen. Da haben Sie gesagt: Nein, das brauchen wir nicht, wir waren schon immer der Meinung, dass … Da hat das Verfassungsgericht gesagt, dass das nicht normiert ist, dass das so nicht tragbar ist. - Das war die eigentliche Ursache.

Eine letzte Bemerkung, werte Kolleginnen und Kollegen: Ich bitte Sie, sich einmal mit den Berichterstattern Ihrer Fraktionen im Petitionsausschuss zusammenzusetzen, um nachzuvollziehen, wie viele Petitionen wir allein zu Fragen des Kommunalabgabenrechts in den letzten Jahren hatten. Sie werden erstaunt sein. Das sind keine Einzelfälle. Es trifft querbeet in diesem Land zu.

Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, eine Rechtsklarheit, eine Rechtsverbindlichkeit herzustellen, die den Einzelnen nicht von seinen Vorteilsbezahlungen freistellt, sondern ihm eine verlässliche Grundlage gibt, bezüglich deren er sagen kann, jawohl, der Beitrag ist endlich, damit nicht mit permanenter Gleichmäßigkeit immer wieder die gleichen Themen hochgenommen werden und der Beitragszahler nachträglich zur Kasse gebeten wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist das eigentliche Problem dabei. Deswegen trifft es die Bevölkerung in diesem Land - nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Unternehmen, und das in Größenordnungen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Grünert. - Damit schließen wir die Debatte ab. Nachfragen gibt es nicht.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/1999 ein. Beantragt wurde die Überweisung in den Innenausschuss. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenenthaltungen? - Auch nicht. Damit ist der Antrag in den Innenausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 21 ist erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Beratung

Netzneutralität gesetzlich festschreiben

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2000

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2029

Für die einbringende Fraktion nimmt nunmehr Herr Abgeordneter Wagner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die „Drosselkom“ macht ernst. Was seit Jahren durch die Deutsche Telekom AG vorbereitet und im politischen Raum kommuniziert wurde, steht unmittelbar bevor: Das Ende der FlatrateTarife rückt nah, die „Güteklassen“ kommen.

Viel Aufregung gab es um die Ankündigung anfangs der Woche, wonach die DT AG eine neue Tarifstruktur etablieren möchte. Dabei will sie Datenvolumenbegrenzungen in die Tarifstruktur leitungsgebundener Internetversorgungsverträge einbauen, wie wir sie von den Mobilfunktarifen bereits kennen. Das begründet sie mit einer sich abzeichnenden zu hohen Auslastung im Hintergrund des Netzes, dem Backbone.

Doch die Absicht ist selbstverständlich eine andere. Die DT AG will Kasse machen, indem sie sowohl den Zugang zu einem Medium - wie hier dem Internet - anbietet, als auch zu einem großen Inhalteanbieter aufsteigt oder exklusiv mit anderen Inhalteanbietern entsprechende Verträge abschließt. Als ich in der Begründung zu unserem Antrag den Telekom-Spotify-Deal als „einleuchtendes Indiz“ bezeichnete, wusste ich auch nicht, wie schnell das Thema mitten in der Gesellschaft ankommen würde.

Die Empörung in der Bevölkerung bezüglich der Ankündigung der DT AG ist groß - und das völlig zu Recht. Die Menschen im Land wissen, dass die Ankündigung zunächst für sie eine Einschränkung

des bisherigen Netzverhaltens oder teurere Tarife bedeutet. Wenn das Internet, wie hier an dieser Stelle erst vor fünf Wochen von uns und vorher bereits vom Bundesgerichtshof festgestellt, unerlässlich für die wirtschaftliche und soziokulturelle Existenz ist, so ist eine Drosselung ein Schlag ins Kontor von all jenen, die maßgeblich durch das Netz ihre soziale Teilhabe wiederentdecken und erhöhen und ein umfassendes Bildungsangebot wahrnehmen konnten.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dass die DT AG nun sowohl Netzzugänge als auch Inhalte anbietet, dies aber kausal verknüpft, muss auch kartellrechtlich geprüft werden. Kommen die Tarife, fiele es anderen Internet-ServiceProvidern zusehends schwerer, mit Flatrate-Tarifen am Markt zu konkurrieren, da diese ohne eine weitere Monetarisierung durch Inhalteangebote funktionieren.

Die Ansage von Vodafone, selbst keine „Güteklassen“ einführen zu wollen, kann vor diesem Hintergrund nur vorsichtig wahrgenommen werden, zumal der große Konkurrent der DT AG im leitungsgebundenen Internetversorgungsmarkt die 1&1 Internet AG ist. Zum Glück will auch diese die Netzneutralität wahren. Es bleibt unklar, ob ihr das dann noch gelingen kann. Bestimmt wäre auch 1&1 froh, wäre die Netzneutralität gesetzlich garantiert. Wirtschaftlich macht die Netzneutralität Sinn. Ausnahme ist der bereits angesprochene DAX-Konzern.

Dass sich im Netz neue Wirtschaftspotenziale bilden konnten und Innovation entstand, liegt an der diskriminierungsfreien Weiterleitung der Internetpakete. Man stelle sich eine solche Regelung zum Beispiel im Straßenverkehr vor: Auf den Autobahnen dürfen nur noch jene Transporte fahren, die sich die Finanzleistungen an den Autobahnbetreiber leisten können - also Großunternehmen -, die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssten auf die Land- und Kreisstraßen ausweichen. Für wen wird hier ein wirtschaftlicher Vorteil geschaffen? Wem wird er genommen?

Es leuchtet ein, dass dadurch, dass jeder Zugang hat, auch gleichberechtigt gewirtschaftet werden kann. Das ist im Netz nicht anders, zumal - das ist mir jetzt als Linkem wichtig - Netzverkehr eben nicht immer nur ein Wirtschaftsgut ist, sondern einen bedeutenden Anteil an sozialer und kultureller Teilhabe verwirklicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Für viele bedeutet die Ankündigung der „Güteklasse“-Tarife ein Ende des Internets, wie sie es kennen. Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien sehen kurze, aber auch gern längere Lehrvideos auf YouTube, Professorinnen und Pro

fessoren stellen Material bei vimeo oder Slideshare parat. Beeindruckende hochauflösende Grafiken, die Bildung und Kultur niedrigschwellig der breiten Masse der Bevölkerung zur Verfügung stehen - all das benötigt Bandbreite ohne Volumenbegrenzung.

Ich will, dass die Menschen in unserem Land weiterhin ein breites kulturelles und Bildungsangebot genießen können. Ich will, dass der Zugang zu sozialen Medien und medialen Angeboten nicht noch mehr vom „Klingelbeutel“ der Familien abhängt, und ich will, dass die Hardware- und Softwareausstattung keine Gründe werden, den Zugang zu Inhalten des Netzes einzuschränken.

Meine Damen und Herren! Natürlich hat die politische Diskussion um die Netzneutralität noch einmal ein ganz anderes, hohes Niveau. Die DT AG hat schließlich nicht wirklich vor, Mehreinnahmen für den Breitbandausbau zu generieren - sie hat schließlich eine Wirtschaftlichkeitslücke, wie sie immer selbst behauptet. Sie will, dass auch mit Drosselung für einzelne Dienste und Inhalte die komplette Bandbreite weiterhin gelten soll. Das betrifft aber vor allem das HD-Streaming, also einen der Dienste, der das Netz in der nächsten Zeit am höchsten belasten wird.

So viel zum vorgeschobenen Argument der DT AG. Übrigens ist es bislang noch keinem gelungen, den Engpass im Backbone konkret aufzuzeigen und vor allem auch nicht, wie eine Volumenbegrenzung diesen entlasten würde.

Nein, das Problem der „Güteklassen“, der Drosselung und der Durchleitung bestimmter Inhalte ist der, dass der Internet-Service-Provider wissen muss, welcher Inhalt übertragen wird, um die Datenpakete entsprechend priorisieren oder minorisieren zu können. Einfache Portscans, also das Schauen auf Metadaten, reicht da natürlich nicht mehr aus. Viel zu viele Internetinhalte wurden in letzter Zeit ins Web überführt, eine Entwicklung, die ich persönlich zwar sehr bedauere, die jedoch - zugegeben - politisch nicht weiter relevant ist.

Um die Inhalte zu klassifizieren, muss man weg von den Metadaten und „reinschauen“. Ja, Sie hören richtig: Um in Güteklassen die gewünschten Dienste nach wie vor mit voller Bandbreite durchs Netz zu leiten, muss der Internet-Service-Provider in jedes Kommunikationsverhalten hineinschauen.

Nun ist in der Regel die Netzkommunikation nicht verschlüsselt, und die Daten sind schon jetzt mitzulesen. Aber an jedem Knoten eines InternetService-Providers alle Pakete direkt, live mitzulesen und auf die Inhalte zu schauen stellt eine nie dagewesene Qualität dar, die aus der Sicht der LINKEN ein nicht zu rechtfertigender und unverhältnismäßiger Eingriff in unser aller Kommunikationsverhalten ist.