In einem Fall ließen die Polizistinnen und Polizisten den betreffenden Nazi auf das Konzertgelände verschwinden. Und auf die Frage, wie sie nun die Personalien feststellen wollten, entgegneten Sie uns, wir könnten ja fragen, ob er rauskomme.
Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Mein Hauptvorwurf gilt nicht den fünf oder sechs Beamten vor Ort, sondern der Einsatzplanung und -konzeption und der Grundeinschätzung solcher Veranstaltungen.
Die Konsequenz aus einer in zu geringer Stärke anwesenden Polizei oder aus fehlenden qualitativen Kompetenzen wäre es, dass Nazikonzerte ab einer gewissen Größenordnung zu quasi rechtsfreien Räumen würden.
Ich weiß, der Minister und auch Herr Kolze sind der Meinung, wer über Polizeieinsätze und Polizeitaktik reden möchte, der möge Polizeiführer werden. Es ist aber mitnichten eine Frage, die ausschließlich die Polizei angeht. Nazikonzerte als rechtsfreie Räume wären ein rechtsstaatliches Unding. Es wäre aber vor allen Dingen ein Schlag ins Gesicht all jener Menschen, die Opfer neonazistischer Gewalt geworden sind, und es wäre - ich bezog mich schon darauf - ein sehr deutliches Zeichen an die Veranstalter, das wir alle nicht wollen können.
Ein weiterer notwendiger Schritt wäre es, sich auf den Veranstalter Oliver Malina und auf dessen Auftreten als Veranstalter in der Vergangenheit zu fokussieren. International und bundesweit, aber gerade auch hier im Lande gibt es Erfahrungen mit ihm. Eine Erfahrung ist - neben der Tatsache, dass er offenkundig juristisch besser beraten wurde als die Kommunen, die Verbote verfügt haben -, dass Auflagen bei Konzerten von Malina verletzt wurden.
Fast auf den Tag genau ein Jahr zuvor fand in Nienhagen beispielsweise ein Konzert mit 1 800 Teilnehmern statt, das für 1 200 Teilnehmer angemeldet worden war. Das ist eine sehr deutliche Verletzung der Auflagen. Das ist ein sehr deutlicher Bruch im Sicherheitskonzept. Das wäre ein Ansatzpunkt, die Zuverlässigkeit des Veranstalters Oliver Malina infrage zu stellen und daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
Erfahrungen gibt es auch in anderen Bundesländern. Es lohnt sich aus unserer Sicht, einen Austausch zu suchen und Anregungen für künftige rechtssichere Strategien im Umgang mit solchen Veranstaltungen und für die damit gegebenenfalls verbundenen Auflagenverfügungen sowie für die Auflagenkontrolle zu gewinnen.
Besonderes Augenmerk sollte unseres Erachtens darauf liegen, die zivilgesellschaftlichen Erfahrungen der Bürgerinnenbündnisse und die Handlungsempfehlungen der Fachstellen und Träger der Bildungs- und Präventionsarbeit sowie der Beratungsstrukturen gegen Neonazis, wie sie beispielsweise im Landesnetzwerk für Demokratie und Toleranz zusammenkommen, in diese Strategieentwicklung einzubeziehen.
Ich will abschließend auf eine weitere Erfahrung zu sprechen kommen, die letztlich den entscheidenden Impuls für unseren Antrag gab. In der Woche vor dem Konzert fand im Rahmen des Netzwerks
für Demokratie und Toleranz eines der Fachgespräche der lokalen Bündnisse gegen Rechtsextremismus unter anderem mit dem Landtagspräsidenten statt. Dort waren auch Vertreterinnen und Vertreter der Bündnisse aus Nienhagen und Groß Germersleben anwesend. Sie artikulierten einen mich sehr erschreckenden Eindruck. Sie sagten sehr deutlich, sie fühlten sich vom Land und von der Politik schlecht beraten und im Grunde mit ihren Problemen alleingelassen.
Das, meine Damen und Herren, ist eine bittere Erfahrung. Es ist eine Erfahrung, auf die wir und die Landesregierung reagieren müssen. Unser Antrag zielt genau darauf ab. Ich werbe um Ihre Zustimmung und beantrage die Direktabstimmung.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Quade, um eines vorab zu sagen: Es gibt in Sachsen-Anhalt keinen rechtsfreien Raum. Den gibt es bei Nazikonzerten auch nicht.
Ich werde Sie wahrscheinlich nicht überzeugen, will Ihnen aber zumindest sagen, dass wir hier in einem Rechtsstaat leben. Gelegentlich scheint der Hinweis zu helfen.
Die allgemeinen und die besonderen Sicherheitsbehörden und die Polizei sind stets gehalten, gegen rechtsextremistische Konzerte im Rahmen des rechtlich Möglichen vorzugehen und diesen rechtlichen Rahmen auch auszuschöpfen. Das haben wir immer wieder betont.
Dies kann im Einzelfall schwierig sein und ist für die allgemeinen Sicherheitsbehörden nach dem Polizeigesetz nur dann möglich, wenn anhand tatsächlicher Anhaltspunkte Störungen für die öffentliche Sicherheit zum Beispiel durch die Begehung von Straftaten zu erwarten sind. Dies wurde auch in der einschlägigen Rechtsprechung des Landes mehrfach hervorgehoben.
Demnach unterfallen auch die Äußerungen rechtsextremistischen Gedankengutes und das Vortragen entsprechender Musik dem Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes, solange damit nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird. Man mag das nicht gut finden. Es ist aber so, wie es ist. Die Gerichte urteilen dementsprechend und dementsprechend werden eben auch Versagungsverfügungen gegen solche Kon
Im Vorfeld von Rechtsrockkonzerten wird von den betroffenen Behörden immer umfassend geprüft, ob und mit welchen Maßnahmen dagegen vorgegangen werden kann. Dabei erfolgen die Erkenntnisgewinnung und die Entscheidungsfindung in engem Zusammenwirken zwischen den allgemeinen und den besonderen Sicherheitsbehörden einschließlich deren Fachaufsichtsbehörden, der Polizei und dem Verfassungsschutz.
Erkenntnisse zum Beispiel über angekündigte Musikgruppen und deren Darbietungen, über den Veranstaltungsort, den potenziellen Teilnehmerkreis und den zu erwartenden Veranstaltungsablauf werden erhoben und ausgewertet. Darauf basierend wird entschieden, welche Maßnahme rechtlich geboten und möglich ist.
Neben allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Aspekten spielen je nach Einzelfall zum Beispiel auch jugendschutz-, immissionsschutz-, bauordnungs-, denkmalschutz-, gewerbe- und gaststättenrechtliche Bestimmungen eine Rolle. Maßgeblich für die Frage, ob und wie gegen rechtsextremistische Musikveranstaltungen vorgegangen werden kann, ist nach dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht des SOG stets die zu erstellende einzelfallbezogene Gefahrenprognose.
Verbote, Beschränkungen und Veranstaltungsauflösungen setzen voraus, dass nach den zurzeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung der Veranstaltung konkret gefährdet oder bereits gestört ist.
Eine Anweisung des Ministeriums an eine Kommune oder an einen Landkreis, eine Verbotsverfügung zu erlassen, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, lehne ich ab, weil wir damit eine Gemeinde auffordern, aus politischen Gründen von vornherein rechtswidrig zu handeln. Dann stellt sich am Ende auch die Frage, wer die Verfahrenskosten für diese Gemeinde bezahlt, wenn wir sie in einen Rechtsstreit getrieben haben, von dem wir von vornherein wissen, wir werden ihn verlieren. Das hat es alles schon gegeben.
Die Erkenntnislagen im Vorfeld von Rechtsrockkonzerten reichen eben nicht aus, das jeweilige Konzert in seiner Gesamtheit zu verbieten, auch wenn die Mitglieder der Musikgruppen oder die Besucher von einer extremistischen oder rechtsextremistischen Gesinnung geprägt sind, die ich ablehne.
Die Verhinderung von Störungen der öffentlichen Sicherheit im Wege einer Beschränkungsverfügung ist in der Regel die gefahrenabwehrrecht
lich angemessene und damit die rechtlich zulässige Maßnahme. Insoweit bleibt für Totalverbote meistens kein Raum.
In den aktuell in Rede stehenden Fällen war das besondere Problem, dass die für Fragen des Bauordnungs- und Denkmalschutzrechts zuständigen Behörden teilweise bis kurz vor Veranstaltungsbeginn prüfen mussten, ob eine vollständige Untersagung der Veranstaltung auf bauordnungs- oder denkmalschutzrechtlicher Grundlage in Betracht kam. Von einem Alleinlassen der Sicherheitsbehörden bei ihrer Erkenntnisgewinnung und Entscheidungsfindung, wie Sie es sagen, kann überhaupt keine Rede gewesen sein.
Ich will nur eines zu bedenken geben: Am Ende war es eine bauordnungsrechtliche Verfügung, mit der wir versucht haben, dieses Konzert in Nienhagen zu unterbinden. Wenn Sie einen Bauantrag stellen und am Freitag eine einstweilige Anordnung bei Gericht beantragen würden, dann wäre ich mir sicher, Sie würden sie nicht bekommen. In dem vorliegenden Fall hat es das Gericht getan. Das lasse ich einfach unkommentiert stehen.
Ich weiß, dass ich die Zeit überschreite. Aufgrund der Reihe von Vorwürfen, die Sie gemacht haben, werde ich aber das vortragen, was mir wichtig ist.
Die enge fachaufsichtliche Begleitung durch das Landesverwaltungsamt ist besonders hervorzuheben. Es kann im Einzelfall bereits im Vorfeld geboten sein, auch durch die unterschiedlichen Behörden, die auf Landkreis- und Gemeindeebene zuständig sind, gegen derartige Veranstaltungen vorzugehen. Sind Verfügungen unterschiedlicher Behörden erforderlich, so müssen diese im Vorfeld aufeinander abgestimmt werden.
Das Landesverwaltungsamt als Fachaufsichtsbehörde stellt im Rahmen der Aufsicht sicher, dass die Landkreise ihre jeweilige eigene Zuständigkeit sowie die Fachaufsicht über die Gemeinden sachgerecht ausüben und gegebenenfalls von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, sofern nicht die jeweilige Gemeinde ausschließlich zuständig ist.
Soweit nun ein Konzept der Landesregierung für den Umgang mit neonazistischen Konzerten gefordert wird, möchte ich den Landtag an den Runderlass des Ministeriums des Inneren zum Umgang mit rechtsextremistischen Musikveranstaltungen vom Juli 2011 erinnern, der Ihnen hinlänglich bekannt ist und bekannt sein sollte.
In diesem Erlass werden den Behörden umfassende Hinweise gegeben, wie mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten gegen rechts
extremistische Musikveranstaltungen vorgegangen werden kann. Er zeigt dabei aber auch die rechtlichen Grenzen auf. Der Erlass richtet sich an die allgemeinen und besonderen Sicherheitsbehörden, die Kommunen und die Polizei mit dem Ziel, rechtsextremistische Musikveranstaltungen mittels der Ausschöpfung aller tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten und unter intensiver Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden weitgehend einzuschränken.
Dieser Erlass ist die Grundlage jedes Handelns. Insoweit sehe ich für ein weiteres Konzept der Landesregierung keinen fachlichen Bedarf. Soweit in einem solchen Konzept, wie hier gefordert wird, stärker als bisher auf die politische Dimension solcher Konzerte fokussiert werden soll, muss ich Ihnen Folgendes entgegenhalten:
Die Behörden sind dem Rechtsstaat verpflichtet. Sie dürfen sich im Umgang mit Rechtsrockkonzerten nicht von politischen Erwägungen leiten lassen, weil wir in Deutschland Gott sei Dank keine politische Justiz haben. Vielmehr haben sie nach Recht und Gesetz Entscheidungen zu treffen. Das haben wir zur Kenntnis zu nehmen, ob uns diese Entscheidungen gefallen oder nicht.
Landeskonzepte, in denen rechtliche und politische Aspekte im Kampf gegen Rechts verflochten sind, existieren bereits zahlreich. Auf das Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt sei beispielhaft hingewiesen. Soweit der Landtag die Erarbeitung eines weiteren Konzepts fordert, möchte ich darauf hinweisen, dass dies nicht in alleiniger Zuständigkeit des Innenministeriums erfolgen kann, sondern allenfalls ressortübergreifend.
Ich sage noch einmal abschließend - ich habe dies vorgelesen und mir auch Zeit genommen -, dass ich mich auch für meine Mitarbeiter, für die Kommunen und für das Landesverwaltungsamt dagegen verwahre, dass ständig behauptet wird, sie würden bei rechtsradikalen Konzerten alleingelassen und die Polizei wäre nicht ausreichend vorhanden, sodass wir einen rechtsfreien Raum hätten.
Wir sind gemeinsam gegen Rechtsradikalismus und gemeinsam gegen Konzerte. Ich habe aber zu akzeptieren, dass ich nur im Rahmen des rechtlich Möglichen dagegen vorgehen kann. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Sonst entsteht bei den Akteuren, die gegen Rechtsextremismus sind, gelegentlich der Eindruck, was ich Ihnen gar nicht unterstellen will, Sie würden uns vorwerfen, wir würden den Rechtsextremismus aus politischen Gründen tolerieren, um uns zur stigmatisieren. Dagegen verwahre ich mich ganz entscheiden. - Herzlichen Dank.
Wir haben eine Fünfminutendebatte vereinbart. Der Minister hat es schon erwähnt; er hat drei Minuten überzogen. Diese Zeit würde auch den Rednern zustehen, muss aber nicht ausgeschöpft werden.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Protest gegen Neonazikonzerte in Sachsen-Anhalt hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Ich möchte unter diesem Tagesordnungspunkt zu diesem Antrag von meinen Erfahrungen berichten, die ich in Groß Germersleben, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, gewonnen habe.
Nach dem Ankauf bzw. der Ersteigerung des Objekts in Groß Germersleben durch Malina ging natürlich sofort ein großer Aufschrei durch die Bevölkerung. Viel wichtiger, und das fand ich an dieser Stelle gut und richtig, war aber der Protest bzw. das Aufbegehren der Bevölkerung vor Ort. Sofort fanden sich bei der ersten Zusammenkunft vor Ort - es ist ein kleiner Ort - mehr als 200 Leute, die sich sofort engagieren und in den Kampf und Protest gegen ein Nazikonzert in ihrem Ort einbringen wollten. Das finde ich richtig und gut. Diese Beispiele wiederholten sich an allen Orten, an denen Malina - sie bezeichneten es als Katz-und-MausSpiel - den Versuch unternahm, ein Konzert anzumelden.
Wir müssen vor allem feststellen, dass die Bevölkerung ihr Recht auf zivilgesellschaftlichen Protest wahrnimmt und auch sehr aufmerksam geworden ist, dass es in unserem Staat nicht still ist, wenn Neonazis Konzerte durchführen wollen, und dass sich die Bevölkerung aufmacht und dagegen kämpft. Ich finde es gut. Das ist anerkennenswert. Das sollte uns als politisches Vorbild gelten.