Ich hoffe, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie merken am Duktus, dass dies ein Zitat war, ein Zitat ausgerechnet aus einer Zeitung, die sich damals „Freiheit“ nannte. Der Artikel stammt vom 26. August 1953 und hatte die Überschrift „Die Parteiorganisation entlarvt die Provokateure des 17. Juni“.
Meine Damen und Herren! Dieses Zitat zeigt - meine Vorredner haben es bereits gesagt -, wie die Machthaber der SED versucht haben, diesen Tag zu einem faschistischen Putschversuch umzudeuten. Immer wieder ist auch in den Jahren danach versucht worden, die Ereignisse um den 17. Juni aus der deutschen Geschichte zu verdrängen. Ich, ein Schulkind der 80er-Jahre in POS und EOS, muss Ihnen sagen: Dieser Verdrängungsversuch war nicht ganz erfolglos. Der 17. Juni 1953 ist heute als ein revolutionäres Ereignis ein Stück gesamtdeutsche Geschichte.
Ich mache keinen Hehl daraus: Die CDU-Landtagsfraktion hätte sich durchaus vorstellen können, dass wir diesen Tag im Parlament mit einer Gedenkveranstaltung des Landtagspräsidenten begehen, so wie es auch im Deutschen Bundestag und in vielen Landtagen der Fall war. Die SPDFraktion hat eine Aktuelle Debatte beantragt. Damit besteht diese Möglichkeit so nicht. Aber mit der Aktuellen Debatte haben die Fraktionen die Möglichkeit, die Geschehnisse von 1953 zu bewerten und zu würdigen.
so wie die friedliche Revolution vom Herbst 1989 Teil der deutschen Freiheitsgeschichte. Am 17. Juni stand das Volk auf. An diesem Volksaufstand beteiligten sich mehr als eine Million Menschen in mehr als 560 Städten und Gemeinden der DDR.
Aus anfangs sozialen Protesten - denn die Verschärfung der Arbeitsnormen führte de facto zu einer beispiellosen Lohnsenkung - entwickelte sich der Ruf nach Demokratie und Freiheit - das ist heute schon in der Rede von Gerhard Miesterfeldt angeklungen -: „Kollegen reiht euch ein! Wir wollen freie Menschen sein!“
Der Aufstand wurde mit sowjetischen Panzern blutig niedergeschlagen. Mehr als 50 Menschen starben, sieben Menschen wurden hingerichtet, etwa 1 600 Menschen wurden zu zum Teil langjährigen Haftstrafen verurteilt. Vor allem bei der jüngeren Generation, die die DDR nicht erlebt hat, sollten die Ereignisse von damals nicht in Vergessenheit geraten.
Für mich und meine Fraktion sind vor allen Dingen drei Schlussfolgerungen aus diesem Tag für die politische Arbeit besonders wichtig.
Erstens. All diejenigen, die sich auch international für Freiheit und Menschenrechte und gegen Unterdrückung einsetzen, verdienen unsere Unterstützung und unsere Solidarität.
Zweitens. Eine Verklärung und Verharmlosung des SED-Unrechts dürfen wir nicht zulassen. Einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung dieses Unrechts wird es mit uns nicht geben.
Drittens. Unsere Freiheitsrechte müssen wir gegen jedwede Form politischer Extreme verteidigen. Träumereien und Ideologien von einer kommunistischen Gesellschaftsordnung, die mit demokratischen Möglichkeiten unvereinbar bleibt, kennen wir bis heute. Es gibt sie noch, die Sympathien für diesen Kommunismus. Die damalige Chefin der Linken Gesine Lötzsch hatte Anfang 2011 ihre Partei um Unterstützung für die Suche nach Wegen zum Kommunismus gebeten und auch Unterstützung aus Sachsen-Anhalt erhalten.
Der Bundestagsabgeordnete Harald Koch aus Sachsen-Anhalt sagte, Frau Lötzsch spreche den Linken aus dem Herzen, ein demokratischer Sozialismus könne nur die Vorstufe zu einem Kommunismus sein. Und wörtlich sagte Koch - ich zitiere -:
„Wer also von uns Linken meint, nur für den demokratischen Sozialismus zu kämpfen, ebnet dennoch den Weg zum Kommunismus.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU bedeutet der 17. Juni 1953, Solidarität mit allen zu üben, die für Freiheit und Menschenrechte
kämpfen. Für die CDU bedeutet der 17. Juni 1953, SED-Unrecht weiterhin konsequent aufzuarbeiten. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die CDU bedeutet der 17. Juni 1953 das klare Bekenntnis: Freiheit statt Kommunismus. - Danke schön.
Danke schön. - Wir fahren fort. Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Herbst.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem 60. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 gedenken wir eines ganz besonderen Ereignisses, das auch heute Berücksichtigung und Beachtung verdient. Trotz des zeitlich vergleichsweise kurzen, fast eruptiven Aufstands, der als sozialer Protest auf den Straßen Berlins begann und sich binnen Stunden zum Massenprotest gegen die kommunistische Diktatur im ganzen Land entwickelte, hat sich der 17. Juni tief in das gemeinsame deutsch-deutsche Gedächtnis eingebrannt.
Im Westen wurde dem 17. Juni als Nationalfeiertag und als Tag der deutschen Einheit ein immer wiederkehrender Platz geschaffen. Im Osten brannten sich die Geschehnisse als Fanal für die volksferne SED-Führung und für die Entschlossenheit und Rücksichtslosigkeit der sowjetischen Besatzungsmacht in die Köpfe der Menschen ein.
Brutalität und rohe, todbringende Gewalt durch Panzertruppen in der Niederschlagung eines Aufstandes von Zivilisten wurden am 17. Juni 1953 zu einem Markenzeichen einer kommunistischen Diktatur, das als immer währende Bedrohung seine Wirkung bis zum Fall des Eisernen Vorhangs nicht verfehlte. Politische Justiz und deren drakonische Urteile brachten Tausende unschuldig hinter Gitter und auf den Weg in den stalinistischen Gulag.
Eine zynische Propaganda, die den bis zu 1,5 Millionen Beteiligten des Aufstandes unterstellte, sich zum Büttel faschistischer Agitation zu machen, verunglimpfte das mutige Aufbegehren der Bevölkerung für Freiheit Demokratie und Menschenrechte. Für die SED-Führung aber wurden die Geschehnisse vom 17. Juni 1953 zu einem fortwährenden Trauma, weshalb sie die Beteiligten des Aufstandes bis zum Ende der SED-Herrschaft unnachgiebig verfolgte.
So nachhaltig, wie der 17. Juni in unserer Geschichte verankert ist, so wenig vorstellbar ist für viele heute, was die Menschen damals wirklich dazu bewogen hat, auf die Straße zu gehen, was sie wirklich mit diesem Aufstand verbanden. Es wurde
Aber nur wenn es gelingt, die Motivation der Menschen zu vermitteln, die dazu geführt hat, dass sie selbstlos gegen diese Diktatur aufstanden, können wir vermitteln, worin die eigentliche Bedeutung für den Verlauf der Geschichte und für unser Handeln heute liegt.
Dafür sind die Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen von Interesse. Durch ihre Schilderungen bekommen wir einen Eindruck davon, was es bedeutet, im Jahr 1953 für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen zu sein. Halten wir uns einmal vor Augen, dass der Zweite Weltkrieg im Jahr 1953 gerade einmal acht Jahre zurücklag. Die Gesellschaft war also höchst traumatisiert. Es ist, als würden wir heute auf das Jahr 2005 zurückblicken.
Viele Menschen hatten damals berechtigte Hoffnungen und Sehnsüchte nach einem demokratischeren, einem besseren Deutschland, nicht nur im Osten. Im Jahr 1953 kamen noch Menschen aus dem Wesen in den Osten, um Teil dieser Vision zu werden, Arbeiter, Künstler, Intellektuelle, sogar Pfarrer. Mitnichten waren das alles überzeugte Kommunisten.
Aber unversehens fanden sich die Menschen im Ostteil erneut in einem Staat wieder, der ihre Bedürfnisse als freie Menschen mit Füßen trat und ihre Hoffnungen und Sehnsüchte jäh zerstörte.
Zeitzeugenberichte geben in diesen Tagen in vielen lokalen Medien davon Zeugnis, dass der Volksaufstand keineswegs auf Berlin beschränkt war, sondern in ca. 500 Orten in der DDR zu Protesten, Demonstrationen, Kundgebungen, aber auch zur Besetzung von Kreisratsgebäuden, Polizeistationen, Bürgermeisterämtern, SED-Einrichtungen und MfS-Dienststellen führte.
Diese Ereignisse, meine Damen und Herren, lagen 27 Jahre vor meiner Geburt. Dennoch bekomme ich durch die Berichte von Zeitzeugen einen Eindruck davon, welche Bilder die Ereignisse dieses Tages in den Köpfen der Menschen hinterlassen haben, Bilder, die sie nie wieder verlassen haben, die sich wie eine Mattscheibe, eine zeitlose Projektionsfläche hinter unser Bewusstsein klemmen.
Es sind Erlebnisse wie die, die am 17. Juni 2013 in einer Tageszeitung zu lesen waren, der Bericht eines damals kleinen Mädchens, das auf dem Hasselbachplatz drei sowjetische Panzer stehen und in der Carl-Miller-Straße einen Toten liegen sah. Oder die Schilderung eines damaligen Schülers der 10. Klasse, der am 17. Juni 1953 auf den Beginn des Zeichenunterrichts wartete; doch statt des Lehrers, so erinnerte er sich, sei der Hausmeister in den Klassenraum gekommen, habe stillschwei
Es sind diese Geschichten, die für mich heute die Kontinuität zu dem herstellen, was ich noch aus eigenem Erfahren verstehen kann. Wenn ich die Mattscheibe meines Bewusstseins betrachte, dann sehe ich lange Reihen von Militärfahrzeugen mit großen gitterartigen Räumschilden, die auf dem ganzen Weg von Magdeburg-Nord bis in die Innenstadt bereitgestellt waren und auf ihren Einsatz im Herbst 1989 warteten.
Und ich sehe die zu Standbildern gewordenen schwarz-weißen Fernsehbilder von brennenden Fahrzeugen und Menschen auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking.
Damals konnte ich nicht begreifen, was die Gemeinsamkeiten und was die Unterschiede dieser beiden Bewusstseinsanker sind und was beide mit dem 17. Juni 1953 zu tun haben. Heute wissen wir, dass sich um Haaresbreite die Bilder in der DDR und in China hätten gleichen können. Wir wissen, dass die militärische Niederschlagung eines zivilen Aufstandes von 1953 bis 1989 durchgängig zu den Maßnahmenplänen der SED-Regierung und der sowjetischen Schutzmacht gehörte.
Zwischen 1953 und 1989 liegen viele andere wichtige Daten im damaligen Ostblock. Es wurde hier darauf hingewiesen. Es ging um ähnliche Hindergründe, und das oft mit noch brutalerem Durchgreifen seitens der Sicherheitskräfte und des Militärs. Aber was sich trotz der rohen Gewalt und Rücksichtslosigkeit über die Jahrzehnte bei den Ostdeutschen erhalten hat, das ist das Bewusstsein für eine unbedingte Notwendigkeit von Friedfertigkeit, auch wenn nicht alle Proteste am 17. Juni 1953 friedfertig waren.
Im Angesicht einer waffenstarrenden Übermacht wurden 1989 Kerzen und Transparente zu den stärksten Verbündeten im Kampf um die Freiheit. Auch wenn die Mauer gefallen, der Kalte Krieg vorüber ist: Weder Freiheit noch Demokratie, ja nicht einmal die Einklagbarkeit von universalen und unteilbaren Menschenrechten sind weltweit Standard. Politik und Volksvertreter laufen immer noch schnell Gefahr, die Sprache ihres Volkes zu verlernen.
Bert Brecht hat in diesem Zusammenhang, nach der Niederschlagung des 17. Juni 1953, das interessante Gedicht „Die Lösung“ geschrieben. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich zitieren:
„Die Lösung - Nach dem Aufstand des 17. Juni ließ der Sekretär des Schriftstellerverbandes in der Stalinallee Flugblätter verteilen, auf denen zu lesen war, dass das Volk das Vertrauen der Regierung verscherzt habe und es nur durch doppelte Arbeit zurückerobern könnte. Wäre es da nicht
Ob 1953 oder 1989, auf dem Tiananmen 1989, in Kairo 2011 oder aktuell auf dem Istanbuler Taksim-Platz: Man kann ein Volk eben nicht neu wählen. Ob 1953 oder an den genannten Orten, zu bewundern war und ist der Mut einfacher Menschen, die sich für andere ins Zeug legen und die eigene Freiheit nicht wichtiger nehmen als die Freiheit des Volkes.
Dass dieses Engagement unersetzlich für die Veränderung von Gesellschaft heute und in der Zukunft ist, daran erinnert uns der Blick zurück. Deswegen ist der Blick zurück in unsere Geschichte vor 60 Jahren am 17. Juni 1953 auch heute unersetzlich.
Danke schön, Herr Abgeordneter Herbst. - Wir schließen damit die Aktuelle Debatte ab und den Tagesordnungspunkt gleichermaßen. Wir treten nunmehr ein in die Fragestunde.
Es liegen Ihnen acht Kleine Anfragen vor. Ich rufe die Frage 1 und den ersten Fragesteller auf. Das ist der Abgeordnete Herr Guido Henke von der Fraktion DIE LINKE. Es geht um die untersagte Teilnahme der Bürgerinitiative „Offene Heide“ am Festumzug zum Sachsen-Anhalt-Tag 2013. Bitte sehr.
Sehr geehrte Damen und Herren! In einem Schreiben der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. April 2013 an Vertreter der Bürgerinitiative „Offene Heide“ wird ausgeführt, dass der SachsenAnhalt-Tag - Zitat - „weder eine Plattform für politische Meinungsmache“ sei, noch „für andere vordergründige Zwecke missbraucht“ werden dürfe, weshalb die Teilnahme am Festumzug versagt wurde.