Meine Damen! Meine Herren! Der erste Teil der Einbringung befasste sich mit dem Prozess der Entstehung des Aktionsplanes, der Gegenstand dieses Antrages ist. Ich möchte mich damit auseinandersetzen, was uns bewegt hat, diesen Antrag jetzt und hier einzubringen. Ein Punkt, der uns bewegt hat, das einzubringen, war die Landesregierung selbst. Ich zitiere:
„Die Landesregierung sieht ihre Aufgabe darin, punktuell und ressortbezogen Einzelprojekte … zu unterstützen und zu fördern. Insoweit plant die Landesregierung nicht die Erarbeitung eines ‚Aktionsplans gegen Homophobie und Transphobie’“.
So heißt es in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und intersexuellen Menschen in Sachsen-Anhalt. Wir teilen diese Intention der Landesregierung nicht - im Gegenteil.
Meine Fraktion hält die Implementierung und Umsetzung eines gesamtgesellschaftlichen Aktionsplanes gegen Homo- und Transphobie für dringend erforderlich. Deshalb haben wir heute gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Antrag eingebracht und hätten uns gewünscht, dass dieser Antrag einer des gesamten Hauses gewesen wäre.
Punktuell und ressortbezogen an eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung heranzugehen, das kann nur unserer Landesregierung einfallen. Das Ergebnis dieser Herangehensweise dokumentieren die Antworten auf die damalige Große Anfrage.
Das selbst gesteckte Ziel der Landesregierung - ich zitiere nochmals aus der Antwort auf die Große Anfrage -:
„Sie sieht es als eine ihrer Aufgaben an, die Emanzipation von Menschen mit verschiedener sexueller Identität zu unterstützen, Diskriminierungen abzubauen und die gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern, damit diese Menschen in Sachsen-Anhalt selbstbestimmt leben können. Unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Lebensentwürfe sollten in einer Gesellschaft nicht nur toleriert werden, sondern zur Normalität gehören.“
lässt sich nicht punktuell erreichen, sondern es lässt sich nur durch ein gesamtheitliches Herangehen erreichen und in einzelressortbezogenen Projekten schon gar nicht.
Ich bin den Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN für die Anfrage außerordentlich dankbar, hat sie doch Erkenntnislücken der Landesregierung offengelegt und auch dargestellt, dass punktuell und ressortbezogen nicht geht. Die Datenlage ist unvollkommen; sie zu verbessern ist nicht das Ziel der Landesregierung.
In der anschließenden Debatte wurde dann die Losung ausgegeben, der, der solche Daten wolle, greife in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ein und rede dem Überwachungsstaat des Wort. Dem folgte dann die Feststellung, wo keine Daten seien, sei kein Problem.
Nun sagt die Lebenserfahrung, dass ich, wenn ich die Augen schließe, nicht viel sehe, obwohl doch etwas da ist. Statt Datensammelwut zu beklagen, könnte die Landesregierung jemanden fragen, der sich damit auskennt; denn ich bin überzeugt davon, dass das Wissen dazu in der Gesellschaft existiert.
Ein Beispiel dafür, dass dieses Wissen nicht nur existiert und nicht nur punktuell Früchte trägt, ist der vom Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalts vorgelegte Entwurf eines gesamtgesellschaftlichen Aktionsplanes. Er ist entstanden - Kollegin Lüddemann hat darauf hingewiesen - unter Mitwirkung gesellschaftlicher Akteure und erfreulicherweise auch der Landesregierung, wenn auch nur ressortbezogen.
Der Aktionsplan beinhaltet drei Handlungsfelder: Bildung und Aufklärung, den öffentlichen Dialog und die Bekämpfung von Diskriminierung, Gewalt und vorurteilsmotivierter Kriminalität. Die Hand
lungsfelder werden analysiert und Empfehlungen für die weitere Herangehensweise formuliert. Der Aktionsplan entstand in engagierter ehrenamtlicher Arbeit, wofür ich den Beteiligten meinen Dank aussprechen möchte.
Wir möchten, dass dieses Papier die Grundlage für den gesamtgesellschaftlichen Aktionsplan des Landes Sachsen-Anhalt bildet. Wir möchten, dass sich alle Politikbereiche - ressortübergreifend und auf keinen Fall nur punktuell - mit diesem Thema auseinandersetzen und dann für ihren Bereich daraus Ziele ableiten und formulieren.
Wir möchten das dialogorientiert gestalten, das heißt: nicht Leerstellen in amtlichen Statistiken suchen, sondern gemeinsam mit den gesellschaftlichen Akteuren Informationen austauschen, Probleme erörtern und Lösungen erarbeiten.
Wir möchten Ihnen dabei helfen, liebe Landesregierung, zum einen, indem wir Ihnen in dem Antrag eine zeitliche Orientierung geben, die Ihnen helfen soll, den Aktionsplan in Ihre Arbeit einzuordnen. Auch brauchen Sie keine Angst vor der Größe der Aufgabe zu haben - Abschreiben und vor allem Nachmachen ist erlaubt. Blicken Sie ruhig nach Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Berlin oder in andere Bundesländer, die hierbei schon weit vorangeschritten sind und Ihnen vorgemacht haben, wie es geht.
Zum anderen beinhaltet der Antrag auch direkte parlamentarische Hilfe. Wir haben unter Punkt 5 des Antrags den Ausschuss für Arbeit und Soziales als federführenden Ausschuss sowie weitere Ausschüsse zur Mitberatung benannt.
Ich weiß, es fehlt der Ausschuss für Finanzen, auch wenn wir bei der Umsetzung des Aktionsplans sicherlich über Geld reden müssen. Sie können auch hierzu in die Große Anfrage hineinschauen; Sie werden feststellen: Das, was Sachsen-Anhalt in diesem Bereich aufwendet, ist wirklich nicht angemessen. Machen Sie es einfach wie der Finanzminister, rechnen Sie einmal aus, was Sachsen-Anhalt für LSBTI-Projekte pro Kopf der Bevölkerung im Verhältnis zu egal welchem anderen Land ausgibt.
Ich halte es auch vor diesem Hintergrund für entbehrlich, den Antrag vor der Beschlussfassung an Ausschüsse zu überweisen. Ich denke, dass eine Direktabstimmung angemessen wäre.
ten Kollegin Frau von Angern übernommen. Bei mir ist eine Frage aufgetaucht: Warum ist in Sachsen-Anhalt für eine Frage der Gleichstellung, für eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz das Gesundheitsministerium zuständig? Eine Gleichstellungsfrage sollte doch im Gleichstellungsministerium behandelt werden.
Es geht hierbei nicht um Krankheiten oder um soziale Probleme, sondern darum, in unserer Gesellschaft Akzeptanz für eine Normalität in unserer Gesellschaft zu gewinnen. Ich würde mich freuen, wenn ich diese Frage auch noch beantwortet bekommen würde. - Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Knöchel. - Die beiden Kollegen haben eine sekundengenaue Punktlandung hinbekommen. Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Bischoff. Bitte, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fangen wir mit dem Letzten an, Herr Knöchel. Ich habe mit meiner Kollegin Angela Kolb gesprochen. Wir haben uns überlegt, ob das Thema besser bei ihr oder bei uns verortet ist; denn die Beauftragten für Schwule und Lesben sitzen bei uns im Haus, Gleichstellung ist bei ihr angesiedelt. Das ist eine Frage, über die wir tatsächlich nachdenken sollten. Bei der Frage sind wir aber schon ein Stückchen weiter.
Interessant ist, Herr Knöchel, - und das gehört zur Wahrheit dazu - dass Sie den Antrag zur federführenden Beratung in den Gesundheitsausschuss überweisen wollen.
(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Na, weil das Mi- nisterium zuständig ist! - Herr Knöchel, DIE LINKE: Wir folgen Ihnen!)
- Ach, Sie wären doch frei gewesen, es auch in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu überweisen. Das wollte ich nur einmal sagen.
Ich möchte mit der Begründung des Antrags beginnen. Frau Lüddemann, man kann es so sehen, dass sich die Probleme verschärfen und dass die Akzeptanz abnimmt, weil zum Beispiel entsprechende Schimpfworte auf den Schulhöfen verwendet werden. Ich weiß gar nicht, ob das zunimmt oder abnimmt. Ich möchte das nicht beiseite schieben.
Aber ich sehe, dass bei einer im vergangenen Jahr durchgeführten Befragung in Deutschland mehr als 70 % der Befragten gesagt haben, dass sie für eine Gleichbehandlung der Ehe mit eingetragenen Lebenspartnerschaften seien oder dass die Ehe für homosexuelle Menschen geöffnet werden sollte. Darin erkenne ich schon eine ziemlich große Akzeptanz, was das große Problem angeht. Auch Szenen, wie es sie zum Beispiel in Frankreich gibt - ich möchte gar nicht von Russland reden -, gibt es in Deutschland nicht, und Frankreich gilt eigentlich als ein eher liberales Land.
Ich gehe davon aus, dass wir in den letzten Jahren einiges geschafft haben, was die Akzeptanz und auch rechtliche Fragen der Gleichstellung angeht. Ich gebe Ihnen Recht, dass das Bundesverfassungsgericht die Politik immer erst ordentlich schieben muss, bevor sie reagiert. Ich würde aber immer das Positive in den Vordergrund stellen, weil die besten Beispiele von dort, wo es funktioniert, die Leute mehr überzeugen, als wenn ich mich bei den Vorurteilen aufhalte, die engstirnig sind, die dahergesagt werden und die - darin gebe ich Ihnen Recht - wohl auch sehr viel mit fehlender Bildung zu tun haben.
Ich möchte jetzt nicht auf das eingehen, was die Fachministerkonferenzen der Gleichstellungsminister und der Arbeits- und Sozialminister der Länder dazu gesagt haben. Sowohl bei den Gleichstellungsministern - dort ist Frau Professor Kolb zuständig - als auch bei den Arbeits- und Sozialministern - dort bin ich zuständig - ist das Land Sachsen-Anhalt in diesem Jahr federführend. Insofern gibt es immer Parallelen. Wir machen auch parallele Telefonschaltkonferenzen, bei denen wir beide im Boot sind.
Dass es im Alltag - das möchte ich nicht bestreiten - noch immer Vorurteile und Diskriminierungen gibt, merken nicht nur die Betroffenen, sondern alle anderen auch. Denn mit abwertenden Begriffen, mit Vorurteilen hat man auch in seinem Umfeld zu tun, manchmal bis in die Familie hinein. Manchmal ist es auch nur ein dummes Daherreden, das bewusstseinsprägend ist.
Auch in Deutschland kommt es zu schwulenfeindlichen Übergriffen. Insbesondere Menschen, die nicht zu der großen Gruppe der Heterosexuellen gehören, werden in alltäglichen Lebenssituationen noch immer mit Unwissenheit, mit Unverständnis und manchmal auch mit regelrechtem Hass konfrontiert. Das wird auch in der Begründung des Antrages dargestellt.
Ich komme damit zu der zentralen Aussage, mit der Sie die Landesregierung kritisieren, von ihr fordern, sie müsse das doch machen. Herr Knöchel, Sie sagen, die Beamten in der Landesregierung, in
Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie mich, wenn ich so ein Programm mit den Beamten, die ich habe, gemacht hätte, dafür kritisiert hätten und gefragt hätten: Warum machen das Beamte? Warum machen das nicht diejenigen, die davon mehr Ahnung haben? Die Fachleute sitzen meistens vor Ort, die sitzen meistens an der Basis, die beschäftigen sich mehr damit.
Man kann eines ganz deutlich sagen - das lobe ich auch ausdrücklich -: Für mich ist der gesamtgesellschaftliche Aktionsplan, der am Runden Tisch erarbeitet worden ist, nicht nur eine gute Grundlage. Ich habe als Erstes gesagt: Warum nehmen wir den Aktionsplan nicht gleich und sehen uns an, wo es finanzielle Begrenzungen gibt? Alles werden wir nicht finanzieren können. Der Aktionsplan ist eine prima Grundlage, um zu sehen, wohin es gehen soll.
Meine Überzeugung ist - das gilt übrigens für alle Bereiche -, dass wir es - dafür geben wir ja auch Geld aus - vorrangig von denen bearbeiten lassen sollten, die dafür zuständig sind. In Bezug auf die Jugend bin ich auch der Ansicht, dass das der Kinder- und Jugendring sein muss.
Als Teil der Landesregierung verstehe ich mich dann als denjenigen, der es unterstützt, der es mit koordiniert, der es moderiert und der sich bei bestimmten Fragen, bei denen es um die Öffentlichkeit geht und bei denen die Landesregierung auch repräsentative Aufgaben hat, deutlich dahinterstellt und sagt: Das ist unsere Auffassung, das unterstützen wir.
Wenn Sie aber fordern, zuallererst müsse das die Landesregierung als Exekutive machen - etwa so war es herausgekommen: wir sollten das machen, wir sollten uns einmal andere Länder als Vorbild nehmen -, dann sehe ich das nicht so.