Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Die Koalitionsfraktionen begrüßen ausdrücklich, dass das von der EU verbindlich vorgegebene Querschnittsziel der Gleichstellung von Frauen und Männern in den gesamten Programmierungs- und Umsetzungsprozess zu den EU-Fonds in der kommenden Förderperiode kontinuierlich und systematisch implementiert wird. Hierdurch wird die Geschlechtergerechtigkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig vorangetrieben und verbessert. Davon sind wir zutiefst überzeugt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kabinett hat am 6. März 2012 die Ober- und die Querschnittsziele des Landes für den Einsatz der EU-Fonds in Sachsen-Anhalt in der Periode von 2014 bis 2020 festgelegt. Ich nenne sie noch einmal kurz: nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Innovation, Umwelt- und Naturschutz und die Bewältigung der demografischen Herausforderungen. Es ist selbstverständlich, dass bei all diesen Oberzielen auch das Querschnittsziel der Gleichstellung von Frauen und Männern Beachtung findet.

Um Redundanzen zu vermeiden, möchte ich nicht auf die Eckpunkte für den Einsatz der Mittel aus dem EFRE, dem ESF und dem ELER eingehen. Meine Kollegin Nadine Hampel hat das bereits mit vielen Beispielen untersetzt.

Das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit ist für die EU-Fonds klar definiert. Das Land Sachsen-Anhalt hat sich bereits in den bisherigen Programmen zu dessen Umsetzung bekannt. Gleichwohl halten wir es für notwendig, dass die Evaluierung der gleichstellungspolitischen Umsetzung des Mitteleinsatzes bei den operationellen Programmen in der kommenden Förderperiode im parlamentarischen Bereich durch die Unterrichtung des für Gleichstellung zuständigen Ausschusses begleitet wird.

Lieber Kollege Czeke, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung in Ihre Richtung. Ich schließe mich Ihrem Antrag betreffend die Ausführungen und die Bewertung meiner Kollegin an. Ich bitte zum Abschluss um Zustimmung zu unserem Antrag. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Wer hatte die Idee? - Herr Borgwardt, CDU: Du wolltest noch die Urheberschaft aufklären!)

Ach so. Die Urheberschaft muss ich noch klären. Darf ich noch?

Ja. Sie haben noch Zeit.

Wie Frauen so sind, ist das ein Gemeinschaftsprodukt. Da Frau Hampel ein klein wenig schneller gedacht hat als ich, sollte sie natürlich auch den Antrag einbringen. Es war vielleicht eher ein Kommunikationsfehler im Verwaltungsprozess.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Hampel, SPD - Herr Czeke, DIE LINKE: Deswegen fehlen mir die Worte!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, was dieser Antrag soll.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Erklärung der Kollegin Koch-Kupfer, das muss ich ehrlich sagen, macht es nicht besser.

Wenn es des gesammelten Sach- und Fachverstands der beiden Koalitionsfraktionen bedarf, um hier einen solchen Antrag einzubringen, dann mache ich mir echt Sorgen, was es mit den Strukturfonds in den nächsten Jahren hier werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ich will das ein bisschen näher erläutern. Wir halten es für eine Selbstverständlichkeit, dass gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Nichts anderes ist die Gleichstellung für die EU-Strukturfonds. Die Verordnung, nicht nur die jetzige, sondern auch die beiden letzten vorher, sind geltendes Recht in Deutschland. Der gemeinsame strategische Rahmenplan ist durchzusetzen. Alles, was hier genannt wurde, ist eine reine Selbstverständlichkeit. Es braucht keinen Antrag, es braucht keine Begründungen - ich erspare mir den Rest.

Der Antrag der LINKEN reiht sich da ein, auch er nennt Selbstverständlichkeiten, die in diesem Land längst umgesetzt sein müssten. Insofern ist beides, ich sage mal, nicht schädlich, aber es hätte beider Anträge nicht bedurft, wenn man sich in diesem Land an Recht und Gesetz halten würde. Da kommt auch das Fragezeichen. Denn dass alles mit der Gleichstellung und der Umsetzung insbesondere in den Strukturfonds in Sack und Tüten und im Positiven ist, das kann auch ich nicht konstatieren.

(Frau Hampel, SPD: Habe ich auch nicht ge- macht!)

Das hat sich schon bei der sozioökonomischen Analyse gezeigt, das hat sich bei der SWOT-Analyse gezeigt, das hat sich bei allen Ramboll-Berichten gezeigt, das ist von den einschlägigen NGOs, von allen Wiso-Partnern und auch von mir in diesem Hohen Hause bereits mehrfach angemerkt worden. Ich finde es schade, dass all diese Dinge - jetzt ist der Minister nicht mehr da; ach, dort hinten sind Sie -, die der Minister dargelegt hat - - Ich fand das auch sehr moderat gegenüber ihrer sonstigen Vortragsweise. Wenn Sie das alles so genau wissen, warum passiert es dann nicht?

Sie wissen, dass wir schon lange dazu im Gespräch sind. Geschlechterspezifische Datenerfassung ist nur ein Punkt. Wenn wir diese hätten, hätten wir eine ausgereiftere sozioökonomische Analyse. Dann könnten wir die gesamte Programmierung zielgerichteter machen. - Ich frage mich, warum wir seit 20 Jahren immer wieder über dieses Thema sprechen müssen.

Nur dann können wir die Kernziele richtig auswählen, nur dann können wir klare Prioritäten setzen. Dann können wir die Indikatoren auch so gestalten, dass wirklich eine Abrechenbarkeit gegeben ist, und das - das haben uns auch die Evaluatoren aus Brüssel immer wieder gesagt - ist insbesondere in diesem Land nicht gegeben.

Da, muss ich sagen, helfen uns auch alle Leitfäden nicht. Ich finde den Punkt „Gender-Wissen und Gender-Kompetenz im Land, insbesondere in der Landesverwaltung“ - das ist quasi der letzte Hauptpunkt in Ihrem Antrag, Frau Hampel - sehr, sehr sinnvoll. Das ist ein Anliegen, das auch der Landesfrauenrat schon sehr, sehr lange immer wieder hineinzutragen versucht. Ich bin da an Ihrer Seite, aber ich glaube, dass es damit allein nicht getan ist.

Zum Abschluss lassen Sie mich noch sagen: Auch wenn das alles schön in all diesen Verordnungen steht, wenn Geld für Gender-Projekte bereitgestellt wird, müssen wir darauf schauen, dass die Träger, die diese Dinge umsetzen - das sind nicht immer nur Träger, die aus der Landesverwaltung kommen, das sind nicht immer nur die großen Träger, es sind auch kleine Träger, gerade die Beispiele, die Sie genannt haben, werden sehr oft von NGOs umgesetzt -, überhaupt in der nächsten Strukturfondsperiode noch zum Handeln kommen können.

Ich nenne da als Stichworte nur den Eigenanteil, der zum Teil bei Projekten jetzt auf 10 % bis 20 % hochgeschraubt wird, ich nenne die leidige Vor- und Nachfinanzierung, die gerade für kleinere Träger eine immense Hürde darstellt, ich nenne die bürokratische Abwicklung über die IB oder das Landesverwaltungsamt, die gerade kleine Träger, bei denen das alles im Ehrenamt über Vorstände geleistet wird, oft an den Rand des Nicht-Machbaren bringen.

Insofern kann ich es für meine Fraktion nur begrüßen, dass sich, wie ich hoffe, alle Fraktionen dahinter versammeln können, dass Gesetze auch in diesem Land eingehalten werden, und kann nur hoffen, dass es tatsächlich auch zum praktischen Handeln kommt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Lüddemann. - Kollegin Hampel verzichtet auf einen weiteren Redebeitrag. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Eine Überweisung wurde nicht beantragt, also stimmen wir direkt ab, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/2188. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Ursprungsantrag in der Drs. 6/2007 in unveränderter Fassung ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 17.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung

Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt

Beschluss Landtag - Drs. 6/567

Beschlussrealisierung Landesregierung - Drs. 6/2104

Den Bericht stellt Frau Ministerin für Justiz und Gleichstellung Professor Dr. Kolb vor.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Bedeutung der Gleichstellung ist in dem eben beratenen Antrag zur EUStrukturförderung schon ausreichend betont worden, deshalb kann ich daran bei dem von der Landesregierung vorgelegten erweiterten Zwischenbericht zum Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt im Prinzip nahtlos anknüpfen.

Hintergrund sind der Landtagsbeschluss vom November 2011 und die Aufgabe, vor der wir alle stehen, die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht nur unter dem Gerechtigkeitsaspekt zu betrachten, sondern Gleichstellung auch als Zukunftsaufgabe zu sehen, als Innovationspolitik, wie es im ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung dargestellt ist.

Ausgangspunkt ist: Wir haben zwar die besten Gleichstellungsgesetze, es gibt aber nach wie vor eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Erwerbsleben, im Bildungsbereich, in der familiären Sorgetätigkeit und auch hinsichtlich der politischen Partizipation und Repräsentation. Dem Staat - und damit auch dem Land Sachsen-Anhalt - kommt nach Artikel 3 des Grundgesetzes ei

ne besondere Verantwortung zu, diese Ungerechtigkeiten, diese Ungleichbehandlung zu beseitigen, das heißt, jeder Form von Diskriminierung entschieden entgegenzutreten.

Ich glaube, wir haben in den letzten anderthalb Jahren eine ganze Menge in diese Richtung bewegt. Wir haben seit anderthalb Jahren einen sehr intensiven Diskussionsprozess in Sachsen-Anhalt. Das hängt auch mit dem besonderen Ansatz zusammen, der der Erarbeitung eines Landesprogramms für ein geschlechtergerechtes SachsenAnhalt zugrunde liegt.

Wir sind ausdrücklich vom Landtag gebeten worden, das in einem dialogorientierten Verfahren zu machen. Ich habe festgestellt, dass dieses Verfahren wirklich eine gute Möglichkeit ist, auf der einen Seite die Engagierten, die Akteurinnen und Akteure, die seit Jahren in diesem Bereich engagiert und aktiv sind, einzubinden, das Know-how zu nutzen, ihre Erfahrungen, ihr Wissen in die Erarbeitung des Landesprogramms einzubeziehen.

Der andere Vorteil ist, dass wir durch die Multiplikatorenwirkung dieser Personen erreichen, dass wir eine breite Diskussion auf ganz unterschiedlichen Ebenen haben, und das ist wichtig. Gleichstellung soll also nicht mehr als Sonderthema verstanden werden, sondern wir wollen die Bürgerinnen und Bürger, wir wollen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Verwaltung, wir wollen auch Kommunalpolitiker davon überzeugen, dass Gleichstellung eine Aufgabe ist, die bei allen Entscheidungen, unabhängig davon, um welches Politikfeld es sich im Einzelnen handelt, zu berücksichtigen ist, und vor allem davon, dass das auch Vorteile für den jeweiligen Politikbereich hat.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bei allen Mitstreitern für die engagierte Mitarbeit bedanken. Wir haben sehr viele Ehrenamtliche, die ihre Freizeit geopfert haben, um uns zu unterstützen. Ich glaube, das ist ein sehr guter Ansatz, den wir auch in Zukunft so pflegen wollen.

Wir haben eine Projektlenkungsgruppe, und wir haben fünf Arbeitsgruppen, die sich auf die entsprechende Schwerpunkte, die im Landtagsbeschluss genannt sind, fokussieren. Nur noch einmal zur Einschätzung: Im Jahr 2012 gab es 32 Sitzungen der Projektlenkungsgruppe und dieser fünf Arbeitsgruppen. Auch in diesem Jahr haben sie bereits aktiv gearbeitet, und die nächsten Sitzungen stehen bereits im Monat Juli an.

Ich muss aus meiner Sicht sagen, dass auch wir aus diesem Prozess gelernt haben. Dieses dialogorientierte Verfahren hat insoweit auch einen höheren Betreuungsbedarf, als wir festgestellt haben, dass wir eine Koordinierungsstelle brauchen, die

Ansprechpartner für die einzelnen Akteure ist, die aber auch Schnittstelle zu den einzelnen Ressorts ist, um dort die Dinge einzufordern, die notwendig sind, um erst einmal eine Bestandsaufnahme in diesem Bereich zu machen. Wir haben auch gelernt, dass wir uns nicht nur personell verstärken müssen, was wir zu Beginn dieses Jahres gemacht haben, sondern dass wir auch etwas wie Leitplanken brauchen, das heißt konkrete Vorgaben für diesen Prozess. Diese haben wir inzwischen vorgelegt, sodass alle Arbeitsgruppen nach einem einheitlichen Schema arbeiten konnten.

Es ist zunächst eine Situationsbeschreibung aus der Geschlechterperspektive vorgenommen worden. Dafür sind landesspezifische Daten und Informationen für die einzelnen Bereiche mittlerweile auch vollständig vorgelegt worden. Aus dieser Datenanalyse sind zunächst einmal die gleichstellungspolitischen Defizite herausgearbeitet worden, und auf dieser Grundlage erfolgt als dritter Schritt die Benennung der wichtigsten Handlungsfelder innerhalb der fünf Schwerpunktbereiche.