Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Es ist zunächst eine Situationsbeschreibung aus der Geschlechterperspektive vorgenommen worden. Dafür sind landesspezifische Daten und Informationen für die einzelnen Bereiche mittlerweile auch vollständig vorgelegt worden. Aus dieser Datenanalyse sind zunächst einmal die gleichstellungspolitischen Defizite herausgearbeitet worden, und auf dieser Grundlage erfolgt als dritter Schritt die Benennung der wichtigsten Handlungsfelder innerhalb der fünf Schwerpunktbereiche.

Davon - das ist die eigentliche Aufgabe - sollen konkrete Maßnahmen abgeleitet werden, die sich in einem Masterplan wiederfinden. Wir werden einen entsprechenden Zeitplan vorlegen. Wir haben auch konkrete Indikatoren vorgesehen, um die Fortschritte in den einzelnen Phasen verifizieren zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben am Anfang gewusst, dass es eine anspruchsvolle Aufgabe ist, die wir uns vorgenommen haben. Wir waren am Anfang wahrscheinlich ein bisschen zu ehrgeizig, was den Zeitplan betrifft. Ich habe dann gesagt: Mir geht hierbei Gründlichkeit vor Schnelligkeit. - Ich glaube, wir sollten uns im Hinblick auf die Bedeutung dieses Programms die Zeit nehmen, die wir brauchen.

Stolpersteine und Schwierigkeiten, die zwischenzeitlich aufgetreten sind, sind aus meiner Sicht mittlerweile aus dem Weg geräumt worden, sodass ich einschätze, dass wir mit diesem erweiterten Zwischenbericht nunmehr einen guten Schritt nach vorn getan haben, dem weitere Schritte folgen werden und der eine gute Grundlage für die weitere Arbeit in Richtung Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt sein wird.

Vielleicht nur noch einen kurzen Einblick dazu, was noch bis zur Sommerpause geplant ist: Die Julisitzungen der Arbeitsgruppen dienen vor allem der Anhörung von Expertinnen und Experten sowie der Vorstellung von gleichstellungspolitischen Best-Practice-Beispielen. Dabei werden unter anderem die Themen frühkindliche Prägung, Berufsorientierung, Berufsbildung sowie Entgeltgleichheit behandelt.

Nach der Sommerpause ist der nächste Schritt die Entwicklung der gleichstellungspolitischen Ziele bzw. Teilziele. Bis zum Ende des Jahres sollen die konkreten Maßnahmen, die im Zentrum unserer Arbeit stehen, erörtert werden.

Sie sehen also, dass wir nicht nur in den letzten anderthalb Jahren intensiv gearbeitet haben, sondern wir werden das auch in Zukunft tun. Ich möchte mich auch bei Ihnen für die aktive Unterstützung und für die aktive Mitarbeit auch vieler Abgeordneter bedanken. Ich glaube, wenn wir den Prozess in diesem Sinne weiterführen werden, wird es uns durch die aktive Einbindung aller Beteiligten gelingen, ein gutes Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt auf den Weg zu bringen, das letztlich auch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sichern hilft. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Borgwardt, CDU)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Als erste Debattenrednerin spricht Frau Quade für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der prinzipielle Ansatz, an den Beginn der Arbeit zunächst eine Ist-Standsanalyse zu stellen, ist richtig und notwendig, und er setzt natürlich eine ehrliche und eine realistische Defizitbeschreibung voraus.

Mit Blick auf den Bericht fällt auf, dass es vor allem frauenpolitische Defizite sind, die benannt und hervorgehoben werden. Das verwundert einerseits nicht wirklich, denn die Benachteiligung von Frauen macht natürlich keinen Bogen um SachsenAnhalt.

Die Schwierigkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Erwerbsarbeit, ungleiche Bezahlung, schlechte, unwürdige, nicht existenzsichernde Bezahlung in Berufen, die insbesondere von Frauen ausgeübt werden, die stärkere Belastung von Frauen durch zusätzliche Aufgaben, beispielsweise die Pflege Familienangehöriger, die Ungerechtigkeit beim Zugang zu Führungspositionen - all das sind nur einige Probleme. All diese wirken auch hier in Sachsen-Anhalt. Natürlich existieren in diesem frauenpolitischen Bereich die größten Defizite, die es politisch anzugehen gilt.

Ich möchte all denen danken - die Ministerin hat dies bereits getan -, die in der Projektlenkungsgruppe und in den Arbeitsgruppen ehrenamtlich arbeiten und wirken. Ich möchte auch ausdrücklich hervorheben - ich halte das tatsächlich für besonders bemerkenswert -, dass es sich hierbei nicht

selten um Mitglieder von Vereinen und Verbänden handelt, die in finanzieller Abhängigkeit von der Landesregierung stehen und die sich dennoch sehr selbstbewusst in den Diskurs eingebracht haben, ihre Kompetenz eingebracht haben und auch den Dissens nicht gescheut haben. Davor ziehe ich den Hut.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Frau Lüddemann, GRÜNE - Frau Hampel, SPD: Das sollten wir auch!)

Wenn ich aber einmal in den Fokus nehme, wie die Projektlenkungsgruppe und die Arbeitsgruppen durch die Ministerien besetzt wurden, dann komme ich zu einer etwas negativeren Einschätzung. Es ist nämlich so, dass diese Gremien nahezu ausschließlich mit weiblichen Vertretern besetzt wurden und sich der Gedanke der Quotierung dadurch quasi umkehrt. Das halte ich für bedauerlich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn wenn das Thema Gleichstellungspolitik und Geschlechtergerechtigkeit nahezu ausschließlich von denjenigen betrieben wird, die von Geschlechterungerechtigkeit betroffen sind, dann zeugt das eben nicht davon, dass es als gesamtpolitisches und gesamtgesellschaftliches Problem begriffen wird.

Dazu passt, dass der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung die Ministerien im letzten Jahr erst explizit dazu auffordern musste, ihre Hausaufgaben zu machen und den Beschluss des Landtages umzusetzen. Konkret ging es darum, den notwendigen Faktencheck zügig und zeitnah zu erarbeiten und an das Justizministerium weiterzugeben.

Ich möchte dem Justizministerium an dieser Stelle - das ist durchaus sehr ernst gemeint - für das Dranbleiben danken. Ich möchte aber zugleich sagen, dass ich es durchaus beschämend finde, dass es tatsächlich erst des Insistierens des Ausschusses bedurfte, um die anderen Ministerien zum Handeln zu bewegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich lassen sich nicht alle Defizite von heute auf morgen beheben. Aber es gibt sehr wohl Bereiche, die die Landesregierung angehen könnte und müsste. Eine geschlechtergerechte Frauenquote in der öffentlichen Verwaltung des Landes wäre beispielsweise ein löblicher und ein notwendiger Schritt.

Dies zeigt auch die Auswertung der Anfragen meiner Kollegin Eva von Angern. Obwohl der Gesamtanteil von Frauen an der Belegschaft in der Landesverwaltung mitunter recht hoch ist, sind in den gehobenen Funktionen Frauen in der Regel unterrepräsentiert. Bis auf wenige Ausnahmen sind Frauen mit einem Anteil zwischen 20 % und 36 % in Führungspositionen vertreten.

Im nachgeordneten Bereich sieht es etwas differenzierter aus. Dort gibt es sehr positive Beispiele, beispielsweise an den Hochschulen und Fachhochschulen. Dort liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen durchschnittlich bei 40 %. Dagegen besetzen Frauen gerade einmal 8,8 % der gehobenen Positionen bei der Polizei. Ein weiteres Negativbeispiel ist auch das Landesamt für Geologie und Bauwesen.

(Herr Felke, SPD: Bergwesen!)

Bei einem Beschäftigungsanteil von Frauen von nahezu 50 % beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen dort nicht einmal 12 %.

Hiefür bedarf es des politischen Willens und es bedarf einer verbindlichen Quote.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Endfassung des Berichtes - bei dem vorliegenden Bericht handelt es sich um einen Zwischenbericht - wird sehr konkrete Handlungsempfehlungen formulieren und beschreiben. Die Landesregierung und der Landtag der künftigen Wahlperiode werden darin einen sehr klar formulierten Auftrag erhalten.

Mit Blick auf die ersten Empfehlungen, die bereits im Zwischenbericht enthalten sind, muss ich feststellen, dass die seit 2002 in Regierungsverantwortung befindliche CDU zwar sehr viel zum Abbau von Strukturen, aber wenig zum Abbau von Geschlechterungerechtigkeit beigetragen hat und dass die SPD dies zumindest seit 2006 duldet und mitträgt. Insofern bin ich sehr gespannt darauf, welche politische Konstellation die Empfehlungen zur Geschlechtergerechtigkeit dann umsetzen wird. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Quade. - Für die CDUFraktion spricht die Abgeordnete Frau Koch-Kupfer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich ein Beispiel dafür anführen, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht immer vom vermeintlich unterrepräsentierten Geschlecht in den Führungsetagen ausgeht, sondern von jungen Helden, von jungen Muslimen.

Kennen Sie das Projekt „Heroes“, das kürzlich ausgezeichnet wurde? Heroes sind junge Muslime, die sich als Vorbilder für den Kampf gegen Ungerechtigkeit und gegen unzeitgemäße Geschlechterstereotype in ihrem Kulturkreis verstehen. Sie finden es nicht nur ungerecht, wie ihre Schwestern behandelt werden, sie finden es zudem nicht ge

rechtfertigt, Aufpasser ihrer Schwestern sein zu müssen.

Was aber ist im Verhältnis der Geschlechter gerecht und zeitgemäß? Frau Professor Dr. Holzleitner von der Universität Wien, zitiert in der Einleitung des Ihnen vorliegenden Zwischenberichts der Landesregierung, bringt es auf den Punkt, wenn sie konstatiert: Die Frage nach der Gerechtigkeit im Geschlechterverhältnis befasst sich mit den Ungleichheiten in den Beziehungen zwischen Frauen und Männern. Sie betrifft sowohl die Organisation des Privatlebens als auch das öffentliche Leben, in dem Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind.

Immer wieder wird also die Frage nach Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern aufgeworfen. Zwei Dinge sind dabei sicherlich unbestritten ungerecht, wenn nämlich gut ausgebildete Frauen ihr Potenzial nicht ausschöpfen dürfen und wenn junge Männer oder Männer als Alleinverdiener heißlaufen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Frage: Die Geschlechterpolitik und die Gleichstellungspolitik spielen eine Schlüsselrolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum. So stellte bereits Kurt Tucholsky vor 70 Jahren fest: Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen.

Für die Verwirklichung einer gleichen Teilhabechance von Frauen und Männern im Erwerbsleben ist es eben eine vorrangige Aufgabe, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, da Frauen in diesem Bereich klar unterrepräsentiert sind. Wir wissen, dass wir an dieser Stelle noch viel zu tun haben. Wir wissen auch, dass das gar nicht so einfach ist.

Wir denken, wir haben einen praktikablen Ansatz für Veränderungen gefunden. Für die laufende Wahlperiode wäre es sicherlich auch richtig, wenn wir uns das Thüringer Gleichstellungsgesetz einmal genauer ansehen würden. Meine Fraktion hat bereits Bereitschaft hierzu signalisiert.

An dieser Stelle möchte ich nochmals auf das Zitat von Tucholsky - es gibt keinen Erfolg ohne Frauen - eingehen und möchte ergänzen: Es gibt auch keine Chancengerechtigkeit ohne, sondern immer nur mit den Männern.

(Zustimmung bei der CDU)

Losgelöst von der Diskussion darüber, ob eine weiche oder eine harte Quote der richtige Weg ist, ist nach meiner Auffassung der Thüringer Vorstoß ein geeignetes Instrument für den Landesdienst.

In Thüringen werden vorrangig diejenigen Bewerber eingestellt, deren Geschlecht in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentiert ist. Ist ein Anteil der Beschäftigten von weniger als 40 % weiblich, werden

Frauen bevorzugt, und natürlich auch umgekehrt. Wenn wir an die Lehrerschaft an den Schulen denken, dann wissen wir, dass Männer Mangelware sind. Auch an dieser Stelle besteht dringend Handlungsbedarf.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch nicht zu übersehen - das merken wir an der heutigen Debatte -, dass die Sensibilität in der Gesellschaft für das Thema Geschlechtergerechtigkeit sehr hoch ist. Deswegen bin ich guten Mutes und optimistisch, dass das Landesprogramm - das Verfahren zur Erarbeitung hat Frau Ministerin Kolb vorgestellt - ein Programm ist, an dem wir uns gut orientieren können. Der Zwischenbericht ist eine gute Grundlage, um die festgestellten Defizite auszumerzen, und wird als Orientierungshilfe dienen.

Wir können gespannt sein auf die Debatten, die wir zukünftig zu diesem Thema führen werden. Ich freue mich auf eine konstruktive und angeregte Diskussion zu dem Thema in der weiteren Befassung im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung. Es sei angemerkt, dass hinsichtlich der Zeitachse nicht die Gefahr besteht, dass wir in Verzug geraten. Zum Abschluss bitte ich Sie um die Kenntnisnahme des Zwischenberichts und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Frau Kollegin. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin froh, dass wir erst heute über den Zwischenbericht debattieren und nicht, wie es ursprünglich vorgesehen war, vor drei oder vier Monaten. Denn dann hätte ich, ehrlich gesagt, nicht gewusst, was ich kommentieren soll; denn damals hat noch nichts vorgelegen. Ich möchte damit sagen, dass der Zeitplan nicht nur zu ambitioniert war, sondern dass er auch mit zu wenig Engagement angegangen wurde.