Protokoll der Sitzung vom 11.07.2013

Längst hat es sich herumgesprochen, dass es sich bei einem landwirtschaftlichen Beruf zwar um eine abwechslungsreiche Tätigkeit, meist an der frischen Luft, handelt, dass es dabei aber nicht ausschließlich wie in einem Streichelzoo zugeht. Gerade junge Menschen aus städtischem Gebiet, die die Landwirtschaft bisher nur aus der Goldhamsterperspektive kannten, mussten erst lernen, mit Wind und Wetter und mit einer unbequemen Arbeitszeit umzugehen sowie damit, dass die Tiere an 365 Tagen im Jahr versorgt werden wollen.

Frau Take sprach es schon an: Der Agrarbericht des Landes Sachsen-Anhalt - sie hat die Zahlen genannt - benennt die Zahl der neuen Ausbildungsverträge. Erschreckend ist aber auch, dass allein im Jahr 2009 233 Ausbildungsverhältnisse vorzeitig und ohne Abschluss beendet wurden. Das ist eine äußerst prekäre Situation. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Tatsache, dass sich die Altersschere in allen landwirtschaftlichen Unternehmen stetig weiter öffnet, verschärft sich hierdurch die Situation zusätzlich.

Hierbei ist noch nicht einmal berücksichtigt worden, dass die Zahl der Schulabgänger seit dem Jahr 2001 von ca. 28 000 auf rund 15 000 zurückgegangen ist. Dadurch bleibt für die Land- und Forstwirtschaft wie für alle anderen grünen Berufe immer weniger Spielraum. Eigeninitiative ist gefragt; darauf ging meine Vorrednerin bereits ein.

Die Sicherung des Arbeitskräftebestandes durch gut ausgebildete Nachwuchskräfte wird zunehmend schwieriger und ist ebenfalls nach Einschätzung des ZSH allein durch Ausbildung unwahrscheinlich. Wir sollten hierbei auch an eine Rückgewinnung ehemaliger Beschäftigter in der Landwirtschaft sowie an die Motivierung von Quereinsteigern denken.

Einerseits geht es vielen einzelbäuerlichen Unternehmen um eine gesicherte Hofnachfolge, andererseits bangen Vorstände und Geschäftsführungen der juristischen Unternehmen um einen geeigneten bzw. befähigten Nachwuchs für die Führung des Unternehmens. Gerade auch die Altersstruktur der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter bedarf des Nachwuchses.

Der Arbeitskräftebestand in der Landwirtschaft hat sich in Sachsen-Anhalt weiter verringert. Setzt sich diese Entwicklung fort, kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitskräftebestand sich jährlich um weitere 2,5 % reduzieren wird. Bedeutend ist hierbei der Anteil der Beschäftigten, die 55 Jahre und älter sind.

Es sind also alle Anstrengungen zu unternehmen, um junge Menschen für einen land- bzw. forstwirtschaftlichen Beruf zu begeistern und zu gewinnen. Hierbei ist die wichtigste Aufgabe, dass es uns gemeinsam gelingt, das Image der Landwirtschaft zu erhöhen und die Attraktivität der grünen Berufe generell zu verbessern. Für den jungen Menschen zählt hierbei vor allem, dass er als Auszubildender und dann auch als Beschäftigter bzw. Genossenschaftsmitglied im Vergleich zu anderen Berufen ordentlich entlohnt wird,

(Zustimmung bei der LINKEN)

dass das Betriebsklima stimmt und dass er oder sie nach Möglichkeit auch einen berechenbaren Arbeitsrhythmus vorfindet, der es zulässt, eine Familie zu gründen, was gerade für den ländlichen Raum so wichtig ist. Den jungen Menschen die Landwirtschaft wieder näherzubringen, fängt aber auch schon in den Kindergärten und Schulen an. Ich erwähne hier nur Projekte des Landesbauernverbandes wie „Bauernhof im Klassenzimmer“ oder „Tag des offenen Hofes“.

Dann, sehr geehrte Damen und Herren, kommen wir zu unseren Ausbildungsstätten für künftige Land- und Forstwirte bzw. für die grünen Berufe. Wenn diese ebenso attraktiv sind wie der künftige Beruf selbst, dann stellt sich die Aura einer besonderen Ausbildungsqualität ein. Das ist für den Agrarstandort Sachsen-Anhalt nur förderlich.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, in der Begründung zu Ihrem Antrag auf eine respektable Ausbildungsdichte verweisen, möchte ich das nicht kleinreden. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die Naturwissenschaft

liche Fakultät III der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die aus unserer Sicht zwischen Geowissenschaften und Informatik schwierig eingeordnet ist und ihren Status als Vollfakultät aufgeben musste. Das hat der Agrarwissenschaft Schaden zugefügt und auch dem Image generell.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Budde bemerkte gestern treffend: Auch Landwirtschaft ist Wirtschaft. Wir jedenfalls haben ausdauernd um den Erhalt der Landwirtschaftlichen Fakultät gekämpft und halten die Installierung einer solchen Fakultät nach wie vor für alle ostdeutschen Länder für gerechtfertigt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Etwas, das wir überhaupt nicht brauchen, ist die ewige Diskussion um die Zukunft unserer Ausbildungseinrichtungen. Hierbei sei als Beispiel das Forstliche Bildungszentrum Magdeburgerforth genannt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wie viele Runden es dazu hier gab, mag ich nicht mehr zählen.

Herr Kollege, ich muss Sie an das bereits erreichte Ende Ihrer Redezeit erinnern.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich komme jetzt zum Ende. - Solche Diskussionen schaden unserer Ausbildungslandschaft. Es nützt nichts, wenn unsere Ministerpräsidenten die Schirmherrschaft für Ausbildungspakte übernehmen.

Die Frage der Berufsschullehrer ist schon angesprochen worden. Ich freue mich auf eine fruchtbringende Diskussion und hoffe, der Minister erklärt uns auch, wie es mit der überbetrieblichen Ausbildung der Pferdewirte in Prussendorf weitergehen soll. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Barth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grüne Berufe sind Berufe mit Zukunft. Ich denke, hinter diesem Spruch können wir uns alle versammeln. Die SPD-Fraktion ist überzeugt davon, dass grüne Berufe auch in Zukunft attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen bieten werden.

Unser heutiger Wohlstand wäre ohne unsere hochentwickelte Land- und Forstwirtschaft nicht denk

bar. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir auch in Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte in der Land- und Forstwirtschaft haben.

Neben der allgemeinen Frage, wie wir zukünftig qualifizierten Berufsnachwuchs gewinnen können, müssen wir der Frage nachgehen, welche Möglichkeiten wir nutzen sollten, um die berufliche Ausbildung in Zukunft attraktiver zu gestalten. Die Berufsausbildung ist immerhin ein wichtiger Lebensabschnitt im Leben junger Leute. In ihm werden die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben gelegt. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir hier ansetzen und nach Möglichkeiten für eine Verbesserung suchen.

Es wurden von meinen Vorrednern schon viele Zahlen genannt. Ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, auch einige zu nennen. Bis zum Jahr 2020 ist gemäß einer Untersuchung des Zentrums für Sozialforschung Halle mit einem Abgang von 5 700 Arbeitskräften in der Landwirtschaft zu rechnen. Der Ersatzbedarf wird entsprechend den weiteren Entwicklungstrends auf ca. 3 300 Arbeitskräfte geschätzt.

Der jährliche Bedarf an Auszubildenden in den kommenden Jahren liegt bei ca. 350 Lehrlingen. Derzeit bilden wir aber nur 250 Lehrlinge aus. Bis 2020 ergibt sich entsprechend der derzeitigen Entwicklung eine Deckungslücke von 630 Auszubildenden. Hinzu kommt - es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden - der relativ hohe Anteil an Lehrabbrüchen, der entsprechend dem derzeitigen Niveau in einem Zeitraum von zehn Jahren etwa 400 Arbeitskräften entspricht.

Insgesamt ergibt sich daraus eine Lücke von etwas mehr als 1 000 Arbeitskräften bis zum Jahr 2020. Damit wird deutlich, dass mit dem derzeitigen Ausbildungsniveau der Fachkräftebedarf zukünftig nicht gedeckt werden kann.

Was können wir tun, um dieser Lücke an Fachkräften zu begegnen? - Zunächst ist es wichtig, das Image grüner Berufe zu verbessern. Meine Vorredner haben darauf schon mehrfach darauf hingewiesen. Auch die Sendung „Bauer sucht Frau“ wurde heute schon mehrfach erwähnt. Ich möchte nur sagen: Diese Sendung wirkt sicherlich abschreckend und spiegelt den modernen Beruf des Landwirts nicht wider.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Schröder, CDU)

Es muss also intensiv an der Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet werden.

Auch das Arrangement des Berufsstandes in der Kinder- und Jugendarbeit kann und soll dazu beitragen, Interesse an diesen Berufen zu wecken. Der Herr Minister hat schon schwerpunktmäßig darauf hingewiesen, dass es an vielen Betrieben selbst liegt, wie sie die Nachwuchsgewinnung ge

stalten und wie attraktiv sie die Ausbildung für die Jugendlichen machen. Vor diesem Hintergrund möchte ich darauf jetzt nicht im Einzelnen eingehen, sondern möchte mich auf andere Punkte konzentrieren.

Ein zweiter Punkt, den ich hervorheben möchte, ist die Verbesserung der Ausbildungsqualität. Ziel muss es sein, die Abbrecherquote deutlich zu senken.

(Zustimmung bei der SPD)

Eine intensive Zusammenarbeit der Betriebe mit den Berufsschulen kann hierzu sicherlich einen Beitrag leisten. Ich denke, auch gute Erfahrungen mit der gemeinsamen Beratung und die Weiterbildung der Berufsschullehrer spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Bis 2020 werden 50 % der Berufsschullehrer aus dem aktiven Dienst ausscheiden. In Sachsen-Anhalt gibt es keine spezielle Berufsschulausbildung für grüne Berufe. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Hochschulen im Rahmen der Aus- und Weiterbildungskurse die fachliche Qualifizierung der Berufsschullehrer verbessern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine weitere Möglichkeit besteht in der Bildung von Ausbildungsnetzwerken. Das Land Brandenburg hat hiermit im Rahmen eines Pilotprojekts bereits gute Erfahrungen gemacht. Möglich wurde das Ausbildungsnetzwerk durch die Förderung einer Koordinierungsstelle.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass neben der Berufsausbildung auch die Weiterqualifizierung eine zunehmend größere Rolle spielt, da sich die Technik rasant entwickelt. Entsprechende Strukturen dafür müssen ausgebaut bzw. weiterentwickelt werden. Insbesondere sollte Interessierten die Möglichkeit des Quereinstiegs in grüne Berufe gegeben werden.

Magdeburgerforth und Iden sind erwähnt worden. Ich denke, es ist auch unser Anliegen, dass diese beiden wichtigen Weiterbildungsstätten erfolgreich weiterarbeiten können.

(Zustimmung bei der SPD)

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen - der Herr Minister hat es erwähnt -: Wir haben vor zwei Wochen ein Werkstattgespräch durchgeführt; Sie können die Dinge, die dort vorgestellt worden sind, auf der entsprechenden Internetseite finden.

Im Namen der SPD-Landtagsfraktion möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Ich denke, dass wir die Ergänzung, die der Herr Minister angeregt hat, den Antrag auch in den Sozialausschuss zu überweisen, aufgreifen sollten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Barth. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Frederking.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Land- und Forstwirtschaft gehören zu den 14 grünen Berufen. Für die Gesellschaft zählt die Landwirtschaft zu den drei wichtigsten beruflichen Bereichen.

Grüne Berufe werben mit vielseitigen, attraktiven, anspruchsvollen und verantwortungsvollen Tätigkeiten, die durch den Einsatz modernster Technik begleitet werden. Der Umgang mit Tieren und Pflanzen und die nachhaltige Nutzung der Natur werden in den Fokus gerückt.

Das ist sicherlich auch ein ganz besonderer ideeller Reiz dieser Berufe. Junge Menschen, die diese ausüben wollen, haben eben Interesse an Pflanzen, Tieren und Technik. Sie fühlen sich mit der Natur und der Umwelt verbunden. Sie sind gerne draußen und haben auch Freude an Bewegung, körperlicher und praktischer Arbeit. Der Deutsche Bauernverband hat mit seinem Imagefilm für die Gewinnung junger Menschen für die grünen Berufe auch ein Bild der Landwirtschaft gezeichnet, das auf Idylle und Natur setzt.

Doch wo landen die Auszubildenden denn tatsächlich? - Sie finden sich wieder in endlos großen Ställen, in denen das einzelne Tier in der Masse untergeht.