Protokoll der Sitzung vom 12.07.2013

Warum aber die Ablehnung von uns zur vorliegenden Beschlussempfehlung? - Ich wiederhole gern das, was ich im Ausschuss und hier im Landtag gesagt habe: weil das Vergabegesetz mit der Beschleunigung der Verfahren nichts zu tun hat. Es reicht eben nicht aus, die Schwellenwerte auf das Niveau der europäischen Vergaberichtlinien anzuheben und zu sagen: All das gilt erst einmal ein Jahr lang nicht. Das reicht bei Weitem nicht aus. Denn mit der Erhöhung dieser Gültigkeitsgrenze bzw. der Aussetzung des Vergabegesetzes werden auch Wettbewerbsbeschränkungen für Unternehmen wirksam, nämlich in den Bereichen, die nicht unmittelbar von Hochwasser betroffen sind.

Entscheidend für uns ist für die Beschleunigung des Verfahrens eben nicht § 1 Abs. 1 Ihres Ver

gabegesetzes, sondern § 1 Abs. 2. Dieser enthält die dynamischen Verweisungen zur Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen im Unterschwellenbereich. Im Oberschwellenbereich gelten diese Vergabe- und Vertragsordnungen unmittelbar durch die Vergabeordnung des Bundes, geregelt in der jeweiligen Fassung. Landesrechtlich ist daher eine Regelung zur Anwendung der Verdingungsordnungen im Oberschwellenbereich entbehrlich und wäre auch rechtssystematisch verfehlt.

Dem für die Angelegenheiten im öffentlichen Auftragswesen zuständigen Ministerium wird die Befugnis eingeräumt, Regelungen und Wertgrenzen nach den Vergabe- und Vertragsordnungen für die erleichterte Zulässigkeit der freihändigen Vergabe und der beschränkten Ausschreibung zu erlassen.

Da die Vergabe- und Vertragsordnungen selber keine staatlichen Normen sind und durch eine Verwaltungsvorschrift nur die dort enthaltenen Möglichkeiten, Beschaffungen im Wege der freihändigen Vergabe oder der beschränkten Ausschreibung zu tätigen, konkretisiert werden, ist die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung entbehrlich. Dieses Verfahren ermöglicht ein schnelles Reagieren auf konjunkturelle und wirtschaftliche Erfordernisse.

Im Rahmen des Konjunkturpakets II konnten durch die zügige Anpassung der Wertgrenzen schnell und wirkungsvoll Maßnahmen im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise eingeleitet werden. Das war auch die Intention unseres Antrags.

Der im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft gefasste Beschluss ist nicht nur politisch eine Fehlentscheidung, sondern auch fachlich falsch, weswegen wir die Beschlussempfehlung ablehnen werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dank sehr, Herr Kollege Thiel. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Steppuhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen zunächst von einem Gespräch berichten, das ich gestern geführt habe. Ich hatte gestern Gelegenheit, mit einem älteren Ehepaar aus Fischbeck zu reden, das in Magdeburg war und mir darüber berichtet hat, wie die Situation bei ihnen zu Hause aussieht. Daran konnte ich ermessen, welch menschliches Leid dort entstanden ist.

Ich habe dann die Frage gestellt: Was kann man denn über das hinaus, dass man den Menschen

direkt hilft, noch tun? Daraufhin wurde der große Wunsch geäußert, dass wir alles dafür tun, dass möglichst schnell die Schäden im Bereich der Infrastruktur beseitigt werden und dass das, was im Rahmen der Flut kaputtgegangen ist, wiederhergestellt wird, damit das Leben wieder in Gang kommt, damit Betriebe wieder arbeiten können und damit die Menschen wieder an ihre Arbeitsplätze kommen. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass wir heute die Entscheidung treffen, die öffentliche Auftragsvergabe im Rahmen des Vergabegesetzes zu erleichtern.

Herr Kollege Thiel, ich habe nicht ganz verstanden, was Sie uns mit Ihrer Rede sagen wollten.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das kann ich ver- stehen! - Weitere Zurufe von der LINKEN)

- Darüber kann man streiten, aber Sie hätten einmal über das, was wir bezüglich der Veränderungen des Vergabegesetzes vorgeschlagen haben - ich rede jetzt nicht über den Punkt, über den wir später unter einem anderen Tagesordnungspunkt noch reden werden -, sprechen sollen.

Wenn Sie einmal mit den Arbeitgeberverbänden, der Bauwirtschaft oder auch den Gewerkschaften geredet hätten, hätten Sie festgestellt, dass die gesagt haben: Genau das ist jetzt richtig, dass wir die Schwellenwerte nach oben setzen und uns auf die Grundlage der EU-Schwellenwerte begeben, damit freihändige Vergaben möglichst schnell stattfinden können und damit die öffentliche Auftragsvergabe in Gang kommt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Auf dieser Grundlage hat das zuständige Ministerium die Möglichkeit zu handeln. Das ist das, was man tun kann, was sofort eine entsprechende Wirkung entfaltet, damit Auftragsvergaben nicht angefochten werden.

Ich mache mir im Moment eher darüber Sorgen, ob es überhaupt genügend Firmen und Fachkräfte gibt, die diese Arbeiten abarbeiten können. Das wird ein Thema sein, das uns noch beschäftigen wird. Ich glaube, es ist insgesamt gut, dass wir das, was uns jetzt als Beschlussvorschlag des Wirtschaftsausschusses vorliegt, verabschieden. Den Schwellenwert bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Baubereich auf 5 Millionen € hochzusetzen und bei Lieferleistungen auf die EUNorm von 200 000 € zu gehen, sind die richtigen Schritte.

Ich glaube, wir haben klug gehandelt, als wir gesagt haben: Es kann sich nur um Auftragsvergaben handeln, die auch mit dem im Zusammenhang stehen, was das Hochwasser an Schäden angerichtet hat, nämlich in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang. Ich glaube, wir haben auch klug gehandelt, als wir gesagt haben, dass

diese Ausnahme bis zum 30. Juni 2014 gilt, nämlich für einen Zeitraum von einem Jahr, damit das, was dort zu leisten ist, entsprechend geleistet werden kann. Daher bin ich davon überzeugt, dass wir mit dem, was wir auf den Weg gebracht haben, richtig liegen.

Richtig ist auch - darin sind wir uns einig; dazu werden wir noch debattieren -, dass es gut wäre, wenn die Landesregierung auf die EU einwirkte, damit wir auch dort eine Lockerung der Rechtsvorschriften erhalten. Übrigens gab es entsprechende Regeln auch beim Hochwasser im Jahr 2002; diese müsste man dann wieder anwenden. Es wäre sicherlich auch gut, wenn der Bund aktiv würde und wir die Regelungen hätten, die es damals im Bereich des Konjunkturpakets II gab, um die öffentliche Auftragsvergabe zu erleichtern.

An den Ministerpräsidenten und die Landesregierung gerichtet: Ich denke, Sie werden nachher den Antrag zum Anlass nehmen, um auf die EU, aber auch auf den Bund einzuwirken, damit es zu Erleichterungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe kommt. Daher ist der dazu vorgelegte Antrag eine sinnvolle Ergänzung zu dem, was wir jetzt im Gesetzgebungsverfahren haben.

Ich kann Sie nur bitten, der Änderung des Landesvergabegesetzes zuzustimmen. Das ist eine gute Sache und das wird die öffentliche Auftragsvergabe erleichtern und beschleunigen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Herr Kollege Steppuhn, es gibt eine Nachfrage von Herrn Dr. Thiel. - Bitte.

Lieber Kollege Steppuhn, ich verstehe nicht, warum ich Ihnen immer wieder Ihr eigenes Gesetz erklären muss.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der LINKEN)

§ 1 Abs. 1 regelt die Gültigkeit des Vergabegesetzes, also den Bereich der Auftragswerte, für den das Gesetz gilt. Die Schwellenwerte liegen momentan bei 50 000 € bzw. bei 25 000 €. Darunter gilt das Vergabegesetz nicht. Das wird dort geregelt.

Das hat aber mit dem, was Sie wollen und was wir alle wollen, was wir unter dem nächsten Tagesordnungspunkt behandeln, überhaupt nichts zu tun. Denn das wird in Absatz 2 geregelt. Danach kann das zuständige Ministerium per Erlass die Wertgrenzen für freihändige Vergaben und für beschränkte Ausschreibungen definieren. Das hat mit den Festlegungen in Absatz 1 überhaupt nichts zu tun. Ich weiß nicht, wer aus dem Ministerium Ihnen

das immer wieder erklärt hat. Das ist einfach fachlich falsch.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Thiel, ich glaube nicht, dass wir als Koalitionsfraktionen gemeinsam mit der Landesregierung diesbezüglich falsch liegen. Wir haben die Schwellenwerte innerhalb des Vergabegesetzes auf das Niveau hochgesetzt, das die EU erlaubt. Auf dieser Grundlage hat die Landesregierung die Möglichkeit, diese Dinge auf dem Verordnungswege zu regeln.

Und natürlich hat das, worüber wir gleich noch diskutieren werden, nicht direkt mit dem Vergabegesetz zu tun, aber das ist auch eine andere Handlungsebene. Denn wenn wir Rechtsvorschriften des Bundes und der EU verändern wollen, dann müssen die Bundesregierung und die EU handeln und nicht wir hier im Land. Insofern sind wir uns bei dem nachher zu behandelnden Antrag weitgehend einig.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr. - Für die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Erdmenger.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute sind wir bei diesem Thema deutlich weiter als bei der letzten Landtagssitzung. Das ist doch schon ein Fortschritt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir haben heute zwei Vorlagen und - ich nehme das einmal vorweg - beiden werden wir zustimmen. Die wichtigere Vorlage ist die unter dem nächsten Tagesordnungspunkt zu behandelnde; darüber werden wir noch reden. Der LINKEN gilt unser Dank dafür, dass sie diese Vorlage mit so viel Beharrlichkeit eingebracht hat und wir sie heute verabschieden können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Hierbei geht es jedoch zunächst um das Landesvergabegesetz, um unser - das muss man stets wiederholen - wachsweiches Landesvergabegesetz. Das Hauptverdienst der heutigen Beschlussvorlage ist, dass wir den dreisten Vorschlag, den uns die Landesregierung beim letzten Mal vorgelegt hatte, heute nicht mehr auf dem Tisch haben und dass damit auch die - entschuldigen Sie meine

Wortwahl - skurrilen Ausführungen des Ministers vom letzten Mal vom Tisch sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es geht um das Heraufsetzen der Schwellenwerte, sodass das Landesvergabegesetz an dieser Stelle nicht angepasst wird. In diesem Sinne folge ich Ihrer Argumentation, Herr Steppuhn. Darüber, ob das tatsächlich so wichtig war, kann man sich streiten. Wenn wir damit jedoch das Signal in das Land aussenden, dass wir Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden der Hochwasserkatastrophe erleichtern, dann sollten wir das hier im Landtag tun. Deswegen werden wir der vorliegenden Beschlussempfehlung zustimmen. - Danke schön.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Herrn Thomas, CDU)

Danke sehr, Kollege Erdmenger. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben erst heute von unserem Minister für Landwirtschaft und Umwelt gehört: Die Schäden, die sich bisher beziffern lassen, liegen weit über 2 Milliarden €. Tendenziell wird, denke ich, die Summe der Schäden in den kommenden Wochen noch weiter steigen.

Meine Damen und Herren! Die durch das Hochwasser im Juni 2013 entstandenen Schäden bei Privathaushalten, Unternehmen und der örtlichen Infrastruktur sind so verheerend, dass in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle Anstrengungen notwendig sein werden, um die Schäden zu beseitigen und die Region wieder aufzubauen, wieder auf den Stand zu bringen, auf dem sie vor dem Hochwasser war, oder, wenn ich auf die Deiche schaue, sie noch besser dastehen zu lassen.

Die Bundesregierung und die Landesregierungen haben dankenswerterweise rasch gehandelt, indem sie sich darauf verständigt haben, dass für die Behebung der Hochwasserschäden ein Fonds „Aufbauhilfe“ mit einem Volumen von 8 Milliarden € errichtet wird. Der Bund wird diesen Fonds vorfinanzieren und die Länder werden ihren Anteil sukzessive erbringen.