Protokoll der Sitzung vom 10.06.2011

Ich hatte allerdings von der LINKEN erwartet, dass sie auch noch einen anderen Bereich anspricht, der mir genauso viele Sorgen macht; denn wenn man sich die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen anschaut, dann stellt man fest, dass das ein Zustand ist, der angesichts der Tatsache, dass wir auch europarechtlich zur Entgeltgleichheit verpflichtet sind, unhaltbar ist. Es ist eigentlich erschreckend, dass in Deutschland nach wie vor noch ein Unterschied von 23 % besteht. Zwei Drittel dieser Lohnlücke sind strukturell bedingt.

Wir hatten in den neuen Bundesländern immer noch die Hoffnung, dass es hier etwas besser aussieht. Mit diesem Mythos hat jüngst das Statistische Bundesamt aufgeräumt, indem es Zahlen zum so genannten bereinigten Gender-Pay-Gap vorgelegt hat. Hierbei hat sich herausgestellt, dass zwischen Frauen und Männern mit vergleichbaren Eigenschaften der bereinigte Gender-Pay-Gap bei 12 % liegt, während er in den alten Bundesländern - in Anführungsstrichen - nur bei 8 % liegt.

Das heißt also: Weibliche Beschäftigte in den ostdeutschen Bundesländern verdienen auch bei glei

cher Tätigkeit, mit äquivalentem Ausbildungshintergrund, einer vergleichbaren Leistungsgruppe und einem ähnlich ausgestalteten Arbeitsvertrag 12 % weniger als Männer.

Es kommt hinzu, dass Frauen in den neuen Bundesländern von dem niedrigeren Ost-Mindestlohn betroffen sind. Ich erinnere nur an die Pflegebranche. Dort wird diese schwere Arbeit im Wesentlichen von Frauen getan.

Wir stellen also fest, dass ein Unterschied von 1 € bis 2,50 € im Vergleich zu den anderen Bundesländern besteht.

Vor dem Hintergrund der im Amsterdamer Vertrag enthaltenen Verpflichtung, Entgeltgleichheit herzustellen, und der Tatsache, dass auch in diesem Bereich bisher weder Tarifverträge noch freiwillige Verpflichtungen etwas Positives bewirkt haben, bedarf es einer gesetzlichen Regelung in Form eines Entgeltgleichstellungsgesetzes, um endlich diese Lohnunterschiede zu beseitigen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU)

Ich werde in der nächsten Woche an meiner ersten Frauenministerkonferenz in Schleswig-Holstein teilnehmen. Für diese gibt es einen Tagesordnungspunkt, der sich mit der diskriminierungsfreien Neubewertung der sozialen Berufe beschäftigt. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um diese strukturellen Unterschiede anzugehen und zu beseitigen.

Lassen Sie mich abschließend noch auf die europäische Ebene eingehen; denn ich glaube, dass wir mit den EU-Strukturfonds ein weiteres wichtiges Instrument haben, mit dem wir tatsächlich auch praktisch erreichen können, dass diese Ungleichheit für Frauen und Männer im Arbeitsleben in Zukunft beseitigt wird.

Im Pakt für die Gleichstellung des Europäischen Rates für die Jahre 2011 bis 2020 wird zu Recht auf eine Verbesserung der Work-Life-Balance für Frauen und Männer abgestellt. Dabei geht es auch um die Überwindung von Rollenstereotypen. Wir könnten die EU-Strukturfonds, die auch die Verbesserung der Chancengleichheit als eines der Hauptziele und quasi auch als Querschnittsaufgabe festgelegt haben, nutzen, um hiermit ein Steuerungsinstrument für die Beseitigung von Benachteiligungen zu haben.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Deshalb sehe ich es als eine zentrale Aufgabe an, in den EU-Gremien des Landes auf eine durchgängige Berücksichtigung dieses Querschnittsziels Chancengleichheit in dem gesamten Verfahren zur Umsetzung des EU-Strukturfonds und vor allem in allen Politikfeldern in Sachsen-Anhalt hinzuwirken.

Ziel muss es sein, eine geschlechterdifferenzierte Datenbasis zur Abbildung der konkreten Lebens

wirklichkeit von Frauen und Männern in SachsenAnhalt kontinuierlich weiterzuentwickeln. Denn ich glaube, anhand der Beispiele, die ich gebracht habe, zeigt sich deutlich: Man braucht eine verlässliche Datenbasis, um ausgehend davon festzustellen, worin die Ursachen für die strukturellen Unterschiede liegen. Ausgehend davon geht es dann darum, eine geschlechtergerechte Ausrichtung der EU-Fonds, angefangen bei der Zielbestimmung bis hin zum Monitoring, zu erreichen.

Wir haben mit der EU-Doppelstrategie, gezielte Frauenförderung auf der einen Seite, GenderMainstreaming-Ansatz auf der anderen Seite, gute Grundlagen, um eine ausgewogene Repräsentanz von Frauen in Entscheidungsprozessen zu erreichen, um Rollenstereotype in Verwaltung und Politik zu verändern.

Deshalb plädiere ich für die Fortschreibung des Gender-Mainstreaming-Konzeptes in der Landesverwaltung in einem Dialogverfahren. Das heißt, es geht nur, wenn alle Ressorts sich daran beteiligen und wenn alle Minister es zur Chefsache machen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Ministerinnen auch!)

- Entschuldigung. Das gilt natürlich auch für Ministerinnen.

In diesem Arbeitsprozess werden dann alle Ressorts aufgefordert, Vorschläge, Projekte und Maßnahmen einzubringen, um das in der Koalitionsvereinbarung avisierte Ziel, den Frauenanteil in Führungspositionen der Landesverwaltung deutlich zu erhöhen, tatsächlich praktisch umzusetzen. Wir werden dazu noch in diesem Jahr einen aktuellen Handlungsrahmen vorlegen, Handlungsschwerpunkte beschreiben und Empfehlungen geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleichstellungspolitische Erfolge lassen sich nur in einem kontinuierlichen Arbeitsprozess auf einer soliden Datengrundlage, verbunden mit einer klaren Programmatik, die sich auf die Ziele fokussiert, erreichen. Darauf setze ich. In diesem Sinne werde ich die notwendigen Anstrengungen und Aufgaben gern in Angriff nehmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin Professor Kolb. Es gibt eine Anfrage der Abgeordneten Frau Edler. Möchten Sie diese beantworten?

Ja.

Bevor ich Frau Kollegin Edler das Wort zu ihrer Frage erteile, möchte ich noch zwei Dinge bekannt geben. Es haben Schülerinnen und Schüler des Fallstein-Gymnasiums Osterwieck auf der Besuchertribüne Platz genommen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Noch einen gut gemeinten technischen Hinweis an Legislative und Exekutive, weil es heute früh auch Fragen zum Handling gab. Wir haben jetzt in Abweichung von der vorgesehenen Redezeit eine Überschreitung von ungefähr neun Minuten.

Jedes Mal, wenn ein Mitglied der Landesregierung die vorgesehene Redezeit ausdehnt bzw. länger spricht - das steht ihm jederzeit zu -, bedeutet das, dass jeder Redner aus dem Parlament, der danach spricht, dieselbe zusätzliche Redezeit bekommt. Das heißt, alle nachfolgenden Redner, alle Fraktionen erhalten zu diesem Tagesordnungspunkt zusätzlich jeweils neun Minuten Redezeit.

Wir haben einen Zeitplan bis ca. 20 Uhr. Ich denke nur, dass wir alle für die Disposition des heutigen Tages das vielleicht im Hinterkopf haben sollten. - Frau Kollegin Edler, bitte.

Mich würde interessieren, wie sich die Landesregierung zu den Bundesratsinitiativen anderer Länder zu dem Thema positionieren wird bzw. wie sie sich bisher dazu positioniert hat.

Bezüglich des Antrages von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat zur Erhöhung der Frauenquote in den Aufsichtsräten hat es zunächst einen Antrag gegeben, das Verfahren auszusetzen. Es steht noch aus, dass das Thema im Bundesrat wieder aufgerufen wird. Das wird sicherlich erst im Herbst der Fall sein. Dann wird sich die Landesregierung im Kabinett darüber verständigen.

Meine Meinung zu dem Thema ist bekannt. Auch der Herr Ministerpräsident hat sich dazu schon positiv geäußert. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir das unterstützen können.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wir kommen zu dem nächsten Debattenbeitrag. Für die Fraktion der CDU nimmt der Abgeordnete Herr Borgwardt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin Kolb!

(Ministerin Frau Prof. Dr. Kolb: Ich habe Sie abgelenkt!)

- Ich habe jetzt ein bisschen mehr Zeit.

(Zuruf von Ministerin Frau Prof. Dr. Kolb)

Dass Frauen und Mädchen die Schätze SachsenAnhalts sind, kann niemand ernsthaft bestreiten.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Viele Mitglieder meiner Fraktion - da weiß ich es ein bisschen genauer - und auch ich persönlich haben immerhin für zwei mehr im Land SachsenAnhalt gesorgt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

- Sehr geehrte Frau Bull, völlig klar.

Meine Damen und Herren! Der wichtige Artikel 34 unserer Landesverfassung schreibt dem Land und den Kommunen verpflichtend vor, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft durch geeignete Maßnahmen zu fördern.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass in jüngster Zeit - es sind unterschiedliche Meinungen dazu zu erkennen, sehr geehrte Frau Edler - deutlich positive Trends auf dem Gebiet der Gleichstellung zu verzeichnen sind, zum Beispiel die steigende Zahl der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die hohen Bildungsabschlüsse der Frauen.

Laut einer Bestandsaufnahme der Universität Magdeburg aus dem Jahr 2010 liegt der Frauenanteil bei den Führungskräften im Land Sachsen-Anhalt weit über dem Bundesdurchschnitt. Der Anteil der Frauen bei den Unternehmern und den Geschäftsführern beträgt in Sachsen-Anhalt rund 28 %.

Auf dem Weg in die Gleichberechtigung haben CDU-geführte Bundesregierungen viel bewirkt. Einiges ist schon angeführt worden: Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub, Elterngeld, Witwenrente, Mutterschutz und Gleichberechtigungsgesetze waren, meinen wir, Meilensteine einer erfolgreichen Frauenpolitik.

Es war ein langer Weg bis hierher und natürlich sind wir noch nicht an dessen Ende angelangt. Das wissen wir alle. Es gibt auf vielen Gebieten noch geschlechterspezifische Unterschiede. Obwohl Frauen, wie Sie wissen, einen großen Teil der Erwerbstätigen auf dem Arbeitsmarkt und über die Hälfte der Hochschulabsolventen stellen, sind sie in Führungspositionen noch weit unterrepräsentiert. Deshalb brauchen wir - dies unterstützen wir ausdrücklich - gezielte Initiativen zur Erhöhung des Frauenanteils in den Parteien, in den Chef

etagen der Wirtschaft und in der Landesverwaltung.

(Herr Striegel, GRÜNE: Und in den Fraktio- nen! - Heiterkeit bei den GRÜNEN)

- Sehr geehrter Herr Striegel, ich habe noch genügend Redezeit; ich brauche es nicht am Ende zu machen. Sie wissen, dass wir uns in dieser Hinsicht bemühen.