Die Gutachter empfehlen eine Erhöhung der Remanenzkostenpauschale. Ich halte das auch für erforderlich, weil gerade in diesen Bereichen wesentliche Kosten anfallen, die ansonsten nicht adäquat abgebildet würden. Somit dürfte der angesetzte Betrag der Remanenzkosten zu niedrig bemessen sein. - Das ist die erste Kritik.
Der zweite Kritikpunkt - der ist eigentlich noch viel wichtiger - besteht darin, dass die Ausgleichsmaßnahme faktisch noch nicht einmal um den Betrag der Remanenzkosten erhöht wurde, der sich aus dem Gutachten ergibt, nämlich um diese Differenz von 11,3 Millionen €.
Dieser Betrag wurde zwar bei der Berechnung der Ausgleichsmasse berücksichtigt, aber im Gegenzug - auch darauf hat Minister Bullerjahn hingewiesen - wurden vermeintlich höhere Zahlen bei den SGB-II-SoBEZ von der Ausgleichsmasse abgezogen und somit wurde die Ausgleichsmasse gekürzt. Außerdem wurde der Ausgleichsstock um 10 Millionen € gekürzt.
Beides halten wir nicht für gerechtfertigt. Denn bei den SGB-II-SoBEZ wird gleichzeitig auch auf eine Spitzabrechnung bei den Wohngeldausgaben verzichtet. Diese haben im letzten Jahr immerhin zu einer Rückzahlung von 10 Millionen € geführt.
Auch die Kürzung des Ausgleichsstocks ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, weil Liquiditätshilfen an notleidende Kommunen vollkommen unabhängig von Stark IV - wenn es denn überhaupt im nächsten Jahr kommt - nun vollständig aus dem Ausgleichsstock fließen. Der Ausgleichsstock ist aber ohnehin schon durch andere Punkte belastet, zum Beispiel durch die höheren Ausgaben beim Asylbewerberleistungsgesetz. Also dürfte auch der Ausgleichsstock nach der Kürzung nicht mehr ausreichend bemessen sein.
Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, der nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem FAG steht, der in diesem Zusammenhang aber vielleicht diskutiert werden sollte, nämlich die höheren Kosten durch das KiFöG. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass die Zahlungen, die das Land für die höheren Leistungen, die sich aus dem KiFöG ergeben, an die Kommunen ausreicht, nicht auskömmlich sind.
Wir alle wissen, dass der Städte- und Gemeindebund das Konnexitätsprinzip verletzt sieht und deshalb die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde prüft. Ich denke, dass dieser Punkt zusammen mit den anderen von mir genannten Punkten in den Ausschussberatungen noch weiter erörtert werden muss.
Last, but not least ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die höheren Bundeszuweisungen im sozialen Bereich, wie die Bundeszuweisungen für die Grundsicherung im Alter, ursprünglich fließen sollten, um die finanzielle Situation der Gemeinden zu verbessern. Das geschieht eben nicht, wenn man diese Beträge gleichzeitig von der Ausgleichsmasse abzieht. Deswegen kann aus der Sicht meiner Fraktion von einer Verbesserung der finanziellen Situation für die Kommunen bei diesem Gesetzentwurf keine Rede sein. - Danke schön.
Danke, Herr Kollege Weihrich. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Barthel. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nicht wiederholen, was bereits gesagt wurde, oder ausführen, warum wir heute über den kommunalen Finanzausgleich reden.
Ich möchte eine Sache klarstellen, weil ich mit großem Interesse die Pressemitteilung meines Kollegen von der LINKEN gelesen habe. Darin heißt es, dass heute ein Reparaturversuch am FAG durchgeführt werde. Wenn Sie sich daran erinnern, so hat Herr Professor Deubel das Bild vom Blick durch die Frontscheibe geprägt.
Es ist nicht nur so, dass wir heute aufgrund der Revisionsklausel darüber reden, dass wir das Ergebnis des Gutachtens klagefest im FAG installieren und nicht pauschal, wie wir es gemacht hatten. Vielmehr aktualisieren wir quasi auch die Datenbasis für die Berechnung der Ausgleichsmasse und packen zum Beispiel für die Steuermindereinnahmen aufgrund der Mai-Steuerschätzung Mittel in Höhe von 7 Millionen € oben drauf.
Herr Kollege Weihrich, genau das ist das Prinzip: Es ist keine Einbahnstraße, sondern das ist ein Prinzip, das in beide Richtungen funktioniert. Das heißt, dass wir auf beiden Seiten der Stellschraube auch Spielräume haben.
Wenn wir in Artikel 88 unserer Landesverfassung den Begriff der Aufgabenangemessenheit definiert haben, dann ist es tatsächlich so, dass bestimmte Entlastungen für Aufwände, die die Kommunen nicht mehr haben, gegengerechnet werden. Das ist ausdrücklich so gewollt, weil wir eine aufgabenangemessene Finanzierung haben. Das funktioniert nach meinem Dafürhalten und nach Ansicht meiner Fraktion sehr gut.
Es ist tatsächlich so, dass wir bei den SGB-IISoBEZ schauen müssen. Ich habe auch nicht abschließend durchdrungen, inwieweit man dieser Idee systematisch gefolgt ist.
Wir haben zum Beispiel ein Thema auf dem Schirm, das Sie noch nicht angesprochen haben, das sind die Mehrkosten aus dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wir hatten diesbezüglich einvernehmlich mit dem Finanzministerium beschlossen, dass wir zunächst die vermuteten Mehrkosten im laufenden Haushaltsjahr aus dem Ausgleichsstock decken. Jetzt habe ich gehört, dass dabei eine Größenordnung von 10 Millionen € erreicht werden soll. Das ist nach unserem Dafürhalten systematisch nicht gut, wenn wir diese Kosten künftig aus dem Ausgleichsstock decken.
Wir werden uns sicherlich überlegen müssen, wie wir das so machen, dass es auch systematisch im FAG enthalten ist; denn der Ausgleichsstock wird für seine originären Zwecke benötigt. In dieser Hinsicht sind wir, glaube ich, gar nicht so weit voneinander entfernt. Das ist also eine Baustelle, die auch wir sehen.
Ansonsten muss man zu dem Gutachten sicherlich zwei Sätze sagen. Denn es ist in der Tat so, dass es in der Republik noch niemandem gelungen ist, die Wirkung der Altersstruktur und des Bevölkerungsverlustes rechnerisch zu ermitteln und abzubilden. Das ist erstmalig durch das Kölner Institut gelungen. Ich finde das durchaus bemerkenswert.
Ich räume ein, dass das Gutachten, da es voll von Zahlen ist, eine ausgesprochen schwere Kost darstellt und auch nicht ohne Widersprüche ist. Sie haben den Bereich der Kreisstraßen angesprochen. Das ist für uns - auch aufgrund meiner Herkunft - immer so ein Musterbeispiel für Kostenremanenzen gewesen.
Der Umstand, dass man in der Berechnungssystematik ausgerechnet an dieser Stelle zu dem Ergebnis kommt, dass es dort keinerlei Remanenzkosteneffekte gibt, hat sogar den Gutachter misstrauisch gemacht. Er hat dann selber vorgeschlagen, dass der Gesetzgeber möglicherweise normativ tätig werden sollte. Das ist natürlich eine reichlich vage Aussage.
Das liegt in der Tat aber genau an dem Effekt, über den wir schon damals mit dem Finanzministerium diskutiert hatten, nämlich dass die Instandhaltung von Kreisstraßen im Wesentlichen nach Kassenlage passiert ist und dass dadurch der tatsächliche Sanierungsaufwand nicht abgebildet wurde. Wenn man das fortschreibt, kann man rein mathematisch zu dem Ergebnis kommen, dass es dort keine Kostenremanenzen gibt. Das ist natürlich nicht richtig. Darüber muss man im Zuge der weiteren Beratungen im Ausschuss reden.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Gutachter selbst in den Finanzausschuss eingeladen würden, um über bestimmte Fragen zum Gutachten gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden mit den Gutachtern diskutieren zu können.
Ansonsten kann ich nur sagen: Es ist bemerkenswert, dass jetzt die Demografie als Bedarfsindikator im FAG enthalten ist und dass wir jetzt diese Anpassung vornehmen. Wenn wir am Ende des Tages auch noch das Problem der kommunalen Altfehlbeträge, das meiner Fraktion sehr am Herzen liegt, in den Griff bekommen, und ein System finden, mit dem wir Konsolidierungsbemühungen im Sinne der Konsolidierungspartnerschaft zwischen dem Land und den Kommunen gemeinsam
hinbekommen, damit es eine faire Verteilung gibt, dann haben wir, denke ich, eine ganze Menge zugunsten der Kommunen geschafft.
Ich bin sehr optimistisch, dass bei den weiteren Diskussionen um das FAG keine dramatischen Änderungen notwendig sind, sondern dass wir jetzt erstmalig mit der Systematik ein gutes FAG, ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht haben, das für die künftige Finanzierung kommunaler Aufgaben bestens geeignet ist.
Zwei Sätze zu dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Er ist abzulehnen. Ich weiß gar nicht, wer Ihnen so etwas immer aufschreibt, etwa die Vermutung, dass in Ballungszentren die Abnutzung der Infrastruktur größer sei als auf dem Land.
Ich komme aus dem Verkehrsbereich. Ich möchte noch zwei Sätze sagen, auch wenn meine Redezeit zu Ende ist. Die Straßenabnutzung hängt im Wesentlichen von der Belastung der Straßen ab. Dabei spielt der Pkw-Verkehr gar keine Rolle, sondern nur der Schwerlastverkehr.
Die Belastung einer Straße durch einen Lkw, einen 30-Tonner, beträgt grob geschätzt ungefähr das 50 000-Fache der Belastung durch einen Pkw. Also ist die Abnutzung allein vom Schwerlastverkehr abhängig. Erntefahrzeuge und große Lkw fahren in Innenstädten eher selten. Diese fahren eher - ich kann Sie einmal in den Bördekreis einladen - auf den Kreisstraßen im ländlichen Raum. Insofern ist unsere Systematik völlig richtig. Das, was Sie vorschlagen, ist falsch.
Übrigens ist deswegen auch der Ansatz falsch, dass man die Entflechtungsmittel über die KfzSteuer verteilt. Das ist politisch so gewollt, das ist aber fachlich überhaupt nicht richtig. Deswegen ist Ihr Antrag abzulehnen. Der Rest, den Sie fordern, ist systematisch auch nicht zu erklären. Deswegen freue ich mich auf die Beratungen unter der Federführung im Finanzausschuss und im mitberatenden Ausschuss für Inneres und Sport. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Barthel. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt der Abgeordnete Herr Knöchel. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Bartel, Sie haben mir fast aus der Seele gesprochen, als Sie vorhin zum Remanenzkostengutachten gesprochen haben. Ihre Analyse ist durchaus richtig. Allerdings ist die Schlussfolgerung, es sei
Wenn wir jetzt schon über Straßen und Ballungszentren sprechen, dann stelle ich Ihnen nur die Frage: Kennen Sie die Bundesstraße B 80 und die anderen Bundesstraßen, die durch ein Oberzentrum führen?
Unsere Kritik an dem im vergangenen Jahr beschlossenen Finanzausgleichsgesetz war milde, aber sie war substanziell. Die Gesamtsumme ist damals gestiegen. Das hat uns gezeigt, dass Finanzminister Bullerjahn nicht nur eine Kommunalfinanzierung nach Kassenlage machen wollte. Das haben wir auch anerkannt. Wir haben durchaus eine Verbesserung der Binnenverteilung gesehen.
Aber - da beginnt die Kritik - dieses Gesetz ermöglicht keine angemessene Finanzausstattung, wie sie von der Verfassung gefordert wird. Es ist allenfalls ein Alimentationsgesetz.
Die kommunalen Spitzenverbände haben das Gesetz damals begrüßt, weil die in dem Gesetz enthaltene Alimentation aus ihrer Sicht besser war als die vorigen Gesetze nach Kassenlage. In diesem Jahr kritisieren sie es, und zwar kritisieren sie die vollständige Kürzung der bedarfsmindernden Anrechnung der vom Bund übernommenen Grundsicherung im Alter.
Die Kritik ist richtig. Der Bund wollte die Kommunen mit der Übernahme entlasten. Das passiert in Sachsen-Anhalt nicht. Aber das, was das Finanzministerium gemacht hat, ist systemimmanent. Es gehört zur Systematik dieses Gesetzes. Deswegen ist unsere Kritik substanziell, weil eben dieses Gesetz eine Spirale nach unten darstellt.
Das Remanenzgutachten, das bei den Gutachtern Verwunderung ausgelöst hat, haben wir Ihnen im vorigen Jahr schon erklärt. Wenn Sie den Finanzbedarf aus der Kassenstatistik vorwiegend konsolidierender Gemeinden herausnehmen, dann müssten Sie eigentlich die Konsolidierungsbeiträge oder die Ausgaben, die die Kommunen in den jeweiligen Jahren unterlassen, noch mit hinzurechnen. Wenn das nicht passiert, ist dieses Gesetz wegen der Konsolidierungsmaßnahmen unterfinanziert.
Auch im Jahr 2013 haben 59 Kommunen trotz verbesserter Einnahmensituation keinen Haushaltsausgleich erreicht. Ja, die kommunalen Einnahmen sind in den letzten Jahren landesweit gestiegen, um 42 Millionen € im Jahr 2012.
- Das ist nur die grobe Draufsicht, Herr Finanzminister. - Allerdings hatten 62 Kommunen in Sachsen-Anhalt geringere Steuereinnahmen. Diese Summe beläuft sich auf immerhin 34 Millionen €.
Das weist darauf hin, dass ich im vorigen Jahr wohl Recht hatte, als ich gesagt habe: Es gibt nicht d i e Kommune in Sachsen-Anhalt. Vielmehr haben wir ein höchst ausdifferenziertes Bild bei den Kommunen. 80 Städte und Gemeinden hatten einen negativen Finanzierungssaldo. Das verdeutlicht das Problem noch einmal, wenn wir insgesamt einen positiven Saldo hatten.
Ganz besonders kritisch ist die Lage bei den Kassenkrediten. 63 Gemeinden haben im vergangenen Jahr höhere Kassenkredite gehabt. Sie sind um insgesamt 129 Millionen € gestiegen.
Die Antwort der Landesregierung haben wir mit der Reform des Kommunalverfassungsgesetzes vernommen: Wir müssen die Dinger genehmigen. Das ist ein interessanter Ansatz; denn dann muss die Kommunalaufsicht jedes Mal überlegen, wenn sie bei den zu tätigenden notwendigen Ausgaben die Kassenkredite verweigert, woher das notwendige Geld kommt, oder sie unterstellt, dass die Kommunen das Geld nur für nicht notwendige Dinge ausgeben.
Die Gemeindereform sollte die Leistungsfähigkeit herstellen. Das haben wir gesehen. Ein schönes Beispiel dafür ist im Moment die Stadt Oberharz am Brocken. Die von uns geteilte Kritik, dass in einigen Städten und Landkreisen die Hebesätze zu niedrig seien, ist nicht falsch; aber ich habe mit Entsetzen die Diskussion zwischen dem Finanzministerium und dem Innenministerium zu den Gebietsverträgen verfolgt.