Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Vielen Dank, Frau Kollegin Schindler. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Herr Abgeordneter Meister.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Landesverfassungsgericht in Dessau hat in seinem Urteil vom 29. Mai 2013 wie auch im Fall Gernrode, Rieder und Bad Suderode leider nicht entschieden, ob die seinerzeitige Eingemeindung Mühlangers in die Stadt Zahna-Elster in der Sache rechtmäßig und verfassungsgemäß war. Es hat auch in diesem Fall nur entschieden, dass die Eingemeindung aus formaljuristischen Gründen nicht rechtmäßig war, weil nämlich die Fristen zur öffentlichen Bekanntgabe und Bürgeranhörung nicht gewahrt waren. Der Minister hat im Detail ausgeführt, wie es dazu gekommen ist.

Ich sage „leider“, weil wir dann hinsichtlich der Frage, ob die Vorgaben zur Gemeindeneugliederung vor Ort materiell gewahrt wurden, im vorliegenden Fall schlauer gewesen wären.

Ich will nicht in die Genese der Gemeindegebietsreform, der Eingemeindungen und der Gemeindezusammenschlüsse der vergangenen Jahre und deren Sinnhaftigkeit im Einzelnen eingehen. Hierüber wurde aktuell sowohl im Plenum als auch im Innenausschuss in Bezug auf die Stadt Gernrode sowie die Gemeinden Rieder und Bad Suderode

und deren Eingemeindung nach Quedlinburg bereits debattiert.

Der Fall Mühlanger ist jedoch im Vergleich zum Fall Gernrode, Rieder und Bad Suderode insofern etwas anders gelagert, als es nicht um die Frage geht, ob Mühlanger eingemeindet wird, sondern um die Frage, wohin Mühlanger eingemeindet wird. Eine Eigenständigkeit Mühlangers scheidet angesichts einer Einwohnerzahl von derzeit etwa 1 300 Einwohnern von vornherein aus. Mühlanger ist damit weit entfernt von der gesetzlichen Regelmindesteinwohnerzahl für Einheitsgemeinden, nämlich 10 000 Einwohner, und auch von der Dispensregelung, die für Gemeinden mit 8 000 Einwohnern gilt.

Fraglich ist lediglich, ob nach Wittenberg, Kemberg oder Zahna-Elster eingemeindet wird, wobei wegen der geografischen Lage rechts der Elbe Wittenberg und Zahna-Elster zu präferieren sind.

Sofern die Landesregierung in ihrem Abwägungsprozess zu dem Ergebnis gelangt, dass das Interesse an einer Stärkung des Mittelzentrums Zahna-Elster stärker ins Gewicht fällt als die Notwendigkeit, Wittenberg zu stärken, was von anderer Stelle Zuspruch erfahren hat, kann ich diese Begründung nachvollziehen.

Teil des Abwägungsprozesses ist es aber auch, dass wir uns nicht einfach über die Köpfe der Einwohner hinwegsetzen können. Nicht umsonst postuliert unsere Landesverfassung in Artikel 90 die Anhörung der betroffenen Einwohner. Dass es sich dabei nicht lediglich um eine Empfehlung des Verfassungsgebers handelt, sollte unumstritten sein. Eine solche Anhörung darf auch nicht nur zum Schein erfolgen, weil das Ergebnis bereits vorweggenommen worden ist.

Ich bin der Auffassung, dass man sich mit dem Ergebnis der Anhörung der Einwohner, die sich wiederholt mehrheitlich gegen eine Eingemeindung nach Zahna-Elster ausgesprochen haben, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit auseinandersetzen muss. Ich meine, dem wird die Gesetzesbegründung nicht gerecht.

Dies belegt meines Erachtens erneut ein falsches Verständnis von Bürgerbeteiligung. Man kann das Ergebnis der Bürgeranhörung nicht so einfach vom Tisch wischen. Ich befürchte sogar, dass das Landesverfassungsgericht gerade aufgrund dieser Nichtbeachtung des verfassungsrechtlich verbrieften Anspruchs auf Bürgerbeteiligung dieses Gesetz wieder zurückschicken könnte.

Ich hoffe daher, dass uns entsprechend dem Beispiel Gernrode, Rieder und Bad Suderode zumindest in der weiteren Ausschussberatung ausreichend Gelegenheit gegeben wird, uns mit dem Votum der Einwohner Mühlangers auseinanderzusetzen, sodass wir uns als Abgeordnete selbst ein

Bild machen und auch im Fall Mühlanger das Für und Wider abwägen können. Einer Überweisung in den zuständigen Ausschuss für Inneres und Sport stimmen wir GRÜNE selbstverständlich zu. - Danke.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Meister. - Für die Fraktion der CDU spricht nun Herr Abgeordneter Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gemeinde Mühlanger hat gegen die im Juli 2010 vorgenommene Bildung einer Einheitsgemeinde Zahna-Elster unter Einschluss von Mühlanger vor dem Landesverfassungsgericht erfolgreich geklagt. Aus formalen Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen werde, ist die Neubildung der Stadt Zahna-Elster in Bezug auf Mühlanger nichtig, sodass die Gemeinde Mühlanger seit Mai 2013 wieder selbständig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur zur Erinnerung ein Hinweis auf die vergangene Wahlperiode dieses Hohen Hauses: Aufgrund der Kleinteiligkeit der gemeindlichen Ebene und aufgrund des fortschreitenden demografischen Wandels ist die Koalition aus CDU und SPD gemeinsam mit dem Ziel angetreten, die gemeindlichen Strukturen leistungsfähig und langfristig zukunftsfähig zu gestalten.

Die Landesregierung hat ein Leitbild zur Gemeindegebietsreform entwickelt, das in diesem Hohen Haus mit der Koalitionsmehrheit von CDU und SPD gesetzlich kodifiziert worden ist. Das Leitbild ist für uns verbindlich; denn es steht für leistungsstarke und effiziente Strukturen, um möglichst gleiche Lebensbedingungen im ganzen Land zu schaffen.

Es gibt Stimmen, die sich vor Ort für eine Eingemeindung von Mühlanger nach Wittenberg stark machen und dies auch in den regionalen Medien so verkünden. Ich sage es ganz deutlich: Die CDU-Fraktion wird nicht Abstand nehmen vom gesetzlich verankerten System.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die durch Gesetz gebildete Einheitsgemeinde Stadt ZahnaElster hatte bei ihrer Entstehung nach dem gesetzlich maßgeblichen Stand Ende 2005 einschließlich Mühlanger 10 799 Einwohner. Ohne Mühlanger hätte Zahna-Elster die für eine leitbildgerechte Einheitsgemeinde gesetzlich vorgesehene Zielzahl von mindestens 10 000 Einwohnern nicht nur geringfügig, sondern deutlich unterschritten. Perspektivisch wird, bedingt durch den demografischen Wandel, die Stadt Zahna-Elster ohne die Gemeinde Mühlanger weniger als 8 000 Einwohner haben.

Ohne Mühlanger ist Zahna-Elster nicht leitbildgerecht.

Es liegt auch keine atypische Konstellation vor, die es rechtfertigen würde, von der Regelmindestgröße einer Einheitsgemeinde abzuweichen. Denn der Landkreis Wittenberg hat keine unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte von 70 Einwohnern pro Quadratkilometer.

Unabhängig von dem gesetzlich vorgesehenen Leitbild besteht nicht die Notwendigkeit, das Mittelzentrum Lutherstadt Wittenberg durch eine Eingemeindung von Mühlanger zu stärken; denn dieses Mittelzentrum ist stabil. Für uns ist es jedoch wichtig, dass insbesondere das Grundzentrum Zahna nicht geschwächt wird. Allein schon deshalb muss es bei der Zuordnung von Mühlanger zu Zahna-Elster bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, dass die Ortsschilder von Wittenberg und Mühlanger nur zwei Kilometer voneinander entfernt stehen. Zugegeben, die räumliche Nähe ist ein Argument. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Mühlanger bereits 2005 Teil der Verwaltungsgemeinschaft Elbaue-Fläming mit Sitz in der Stadt Zahna war und bis zur Urteilsverkündung der neu gebildeten Stadt Zahna-Elster zugeordnet war. Dort gibt es vor Ort seit Jahren gewachsene Strukturen und Verflechtungen, die man nicht auseinanderreißen kann.

Bei einer Zuordnung von Mühlanger nach Wittenberg müssten 16 % der Mitarbeiter der Verwaltung der Stadt Zahna-Elster nach Wittenberg wechseln. Eine wirksame Bewältigung der Verwaltungsaufgaben ist dann nicht mehr möglich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Verlauf der Debatte wurde auch der Bürgerwille angesprochen. Richtig ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger von Mühlanger mehrheitlich gegen eine Eingemeindung nach Zahna-Elster ausgesprochen haben. Es geht hierbei aber nicht nur um die Bürgerbelange in Mühlanger, sondern auch um das Gemeinwohl des gesamten von der Neugliederung betroffenen Raumes.

Meine Fraktion sieht keine Gründe, von unserem damaligen Gesetzeswillen, nämlich der Zuordnung von Mühlanger nach Zahna-Elster, abzurücken. Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Inneres und Sport für die weiteren Beratungen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Kolze. - Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Wir schließen die Debatte und treten ein in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/2467.

Es ist die Überweisung des Gesetzentwurfs in den Innenausschuss beantragt worden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Auch keine. Damit ist der Gesetzentwurf in den Innenausschuss überwiesen worden.

Weitere Überweisungswünsche habe ich nicht gehört. Dann kann ich diesen Tagesordnungspunkt schließen. Tagesordnungspunkt 10 ist somit erledigt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 11:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zum Staatsvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein, der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Land Mecklenburg-Vorpommern, der Freien Hansestadt Bremen, dem Land Niedersachsen und dem Land Sachsen-Anhalt zur rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts „Dataport“

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/2468

Für die Landesregierung spricht der Minister der Finanzen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne eine moderne IT und eine leistungsfähige Datenverarbeitung einschließlich der Verfahren, die damit bewältigt werden sollen, kann heute kein Staat, kein Bundesland mehr seine Aufgaben erledigen. Für Bund, Länder und Gemeinden gilt insofern nichts anderes als für jedes moderne Privatunternehmen und auch für viele privat zu Hause.

Seit den 90er-Jahren streiten wir darüber im Landtag und manchmal auch in der Regierung. Diejenigen, die schon länger dabei sind, wissen, dass die IT eine Geschichte hinter sich hat. Zunächst haben wir es mit drei Ministerien versucht. Dann haben wir die Aufgabe auf ein Haus übertragen, nämlich auf das Finanzministerium.

Gerade bei einer verteilten Zuständigkeit über mehrere Ministerien sind der Abstimmungs- und der Entscheidungsprozess langwierig. Eine Bearbeitung durch mehrere Ressorts hat in den vergangenen Jahren im Übrigen nicht unbedingt zum Ziel geführt. Das hat dazu geführt, dass SachsenAnhalt mit seinen Strukturen nicht unbedingt an der Spitze der Entwicklung der Bundesländer steht. Das muss man selbstkritisch einräumen.

Insofern müssen wir heute feststellen - das ist die Grundaussage für mich bei diesem Thema, das gebe ich zu; wir hatten schon mehrere Regierungsformen und Mehrheiten, die sich gegenseitig getragen haben -: Mit den derzeitigen Strukturen

und mit dem vorhandenen Personal und Geld können wir das allein nicht bewerkstelligen.

Wir alle wissen: Wer IT einmal anfasst und modern halten will, der redet nicht über Zeiträume der Erneuerung von fünf bis zehn Jahren. Ich stelle mir manchmal vor, ich sitze im Finanzausschuss und würde neben den Diskussionen über Sozialausgaben und Wirtschaftsförderung immer wieder alle drei Jahre darauf hinweisen, dass ich einen größeren zweistelligen Millionenbetrag für die IT brauche. Im Lichte der Diskussion um Auswirkungen von Haushaltsvorschlägen - das ist in den vergangenen 20 Jahren passiert - fällt die IT eigentlich immer hinten runter.

Deswegen haben wir Partner gesucht, die uns auf dem Weg dorthin beraten haben, mit welcher Lösung wir am besten fahren würden. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es einen leistungsfähigen IKT-Dienstleister geben muss, mit dem wir gemeinsam in diesem Bereich aktiv sein wollen. Einen solchen gibt es auch. Diesen nutzen schon mehrere Bundesländer. Deshalb haben wir schon vor Monaten Dataport vorgeschlagen.

Ich denke, wir werden gemeinsam eine tragfähige Lösung entwickeln und vorantreiben, die vernünftig ist, die jetzt schon länderübergreifend im Kooperationsverbund vernünftig ist. Sachsen-Anhalt wird in diesem Verbund mit 14,71 % an Dataport beteiligt sein. Das heißt, wir sind dann auch Anteilseigner. Das Land wird bei allen wesentlichen Fragen mitentscheiden und zudem über ein Vetorecht verfügen, wobei es auch - das soll sehr selten der Fall sein - gegen die Interessen einzelner Eigner gehen kann.

Ich möchte noch einmal betonen: Dataport ist kein externer Dienstleister, sondern zentraler IKTDienstleister des Verbundes in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Das ist ähnlich wie bei Hochschulen und anderen Institutionen. Insofern ist diese Rechtsform bereits politisch eingeführt worden. Das heißt, der zentrale IKT-Dienstleister des Landes wird nicht mehr wie bisher das Landesrechenzentrum sein, sondern Dataport.

Die Beitrittsentscheidung ist auch wirtschaftlich vernünftig, weil sie, wie beschrieben, eigene Lösungen für Sachsen-Anhalt ermöglicht. Denjenigen, die sich damit befasst haben, ist auch bekannt, dass wir auch geschaut haben, welche Wege andere Länder gehen. Diese haben aber - das sage ich ganz ausdrücklich - ein anderes Potenzial bei der Bewältigung dieses Problems.

In der Abwägung der Themen ist das für uns nicht unbedingt die IT-Lösung, die uns allein glücklich machen wird. Wir wissen, wie schnell sich die Entwicklung in diesem Bereich vollzieht. Das stellen wir zum Beispiel bei der Entwicklung im Bereich der Mobiltelefone fest. Was vor drei Jahren noch hoch modern war, ist heute bei manchen schon

uncool und veraltet. Bei Blackberry zum Beispiel sieht man, wie man durch die Konkurrenz sehr schnell ins Hintertreffen geraten kann, was man sich vor Jahren noch nicht gedacht hat.

Ich will das nur als Beispiel dafür anführen, dass wir uns bei solchen Sachen nicht schwer tun. Beim Thema Internet oder beim Thema Datenverarbeitung auf Landesebene aber scheinen bei manchen hier im Parlament andere Mechanismen zu gelten. Ich will das deshalb ein bisschen versachlichen. Es gibt keinen Grund, das auf politischer Ebene zu diskutieren. Das ist ein technisches Thema, das auch in anderen Bereichen diskutiert wird. Wir wollen dabei Schritt halten, aber nicht deshalb, weil wir uns daran berauschen, sondern weil die Arbeit dies erfordert.

Wir haben - das sage ich ausdrücklich dankend - nicht nur Abstimmungen mit dem Bund und anderen Ländern, sondern auch sehr viel Zustimmung hier im Parlament. Es sitzen hier viele in allen Fraktionen, die bei diesem Thema sehr fit sind und uns schon so manche Anregung gegeben haben, auch was die Erwartungshaltung gegenüber solchen Netzen oder Fachverfahren in Ausschüssen und Fraktionen betrifft.

Deswegen baut der Landtag zum Beispiel um. Ich glaube, das passiert nicht nur, um sich daran zu berauschen, dass man in Zukunft theoretisch diese Möglichkeit hätte, sondern weil von uns erwartet wird - ich denke, ich werde dazu in den nächsten Monaten etwas mehr beitragen können -, dass wir als Parlament und auch als Landesregierung solche Möglichkeiten nutzen.