Protokoll der Sitzung vom 15.11.2013

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Das stört ungemein. Es nervt wirklich, dass so viele zum Teil mit dem Rücken zum Redner stehen und sich pausenlos unterhalten. Das ist dem Thema nicht angemessen und den Personen, die hier sprechen, nicht zuzumuten.

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Kolze.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen der antrag

stellenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitten um Unterstützung der Bundesratsinitiative der Freien Hansestadt Bremen für ein Gesetz über den Zugang von Ausländerinnen und Ausländern zu den Sprachkursmodulen der Integrationskurse.

Richtig ist, dass geduldete Ausländer sowie Asylbegehrende keinen Rechtsanspruch auf Zugang zu einem Sprachkurs haben. Die Beantwortung der Großen Anfrage zur Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten in Sachsen-Anhalt hat gezeigt, dass für geduldete Ausländer und Asylbegehrende unter Einbindung von Vereinen, Initiativen und des Ehrenamtes Sprachkurse angeboten werden, allerdings in unterschiedlichem Umfang und nicht in einheitlicher Form.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, dass eine Entscheidung über ein Bleiberecht oft erst nach einem mehrjährigen Aufenthalt erfolgt. In dieser Zeit wirken sich fehlende Sprachkenntnisse negativ auf die Lebenssituation aus, sie behindern die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und sind im Alltag oder bei der Kommunikation mit Behörden und Ärzten hinderlich. Bei Minderjährigen ist das im Gegensatz zu den Erwachsenen sicherlich kein großes Problem, da der Kita- bzw. Schulbesuch schnell ausreichende Sprachkenntnisse vermitteln kann.

Als Lösung dieses Problems hat sich bereits im März 2013 die Konferenz der für die Integration zuständigen Ministerinnen und Minister einstimmig dafür ausgesprochen, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch Flüchtlingen im laufenden Asylverfahren und Geduldeten der Zugang zum Basis- und Aufbausprachkurs des Integrationskurses ermöglicht wird.

Ich stelle fest, dass im Hohen Haus fraktionsübergreifend die Position vertreten wird, dass man hier aktiv werden sollte. Minister Stahlknecht hat vorgeschlagen, Asylbewerbern und geduldeten Ausländern zunächst den Zugang zu Sprachmodulen der Integrationskurse im Rahmen verfügbarer Plätze zu ermöglichen. Das halten wir für zielführend, zumal Integrationskurskapazitäten insbesondere in der ländlichen Region nicht ausgeschöpft werden.

Es ist richtig, Deutschkenntnisse zu vermitteln, zumal ein großer Teil des Personenkreises nach Abschluss des Asylverfahrens entweder über die Anerkennung als Asylberechtigter oder im Wege einer Duldung im Land verbleibt.

Für diejenigen, die in ihr Heimatland zurückkehren müssen, kann sich mit den erlangten Sprachkenntnissen die berufliche Perspektive verbessern. Es ist keine Frage: Das Angebot zur Teilnahme an den Sprachkursmodulen der Integrationskurse für Asylbewerber und Geduldete verursacht Kosten für den Bundeshaushalt. Die Höhe der zu erwartenden zusätzlichen Kosten hängt zum einen von

der Entwicklung der Zahl der Asylbewerber und Geduldeten und deren Aufenthaltsdauer und zum anderen von der Annahme des Angebots durch diese Personen ab.

Wir wissen aber auch, dass Asylbewerbern und Geduldeten unter gewissen Voraussetzungen der Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlauben ist. Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird durch die erworbenen Sprachkenntnisse natürlich wesentlich erleichtert, was auch zu einer Entlastung der öffentlichen Kassen führt, da die Betreffenden dann für die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts sorgen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regelung eines Rechtsanspruchs für diesen Personenkreis auf Teilnahme am Integrationskurs sieht meine Fraktion jedoch skeptisch. Für die CDU-Fraktion gilt immer noch der Grundsatz, dass ein Rechtsanspruch auf Integration nicht vor einer Anerkennung des Asyl- oder des Aufenthaltsanspruchs besteht.

Des Weiteren dürfen wir nicht vergessen, Frau Quade, dass das Thema der heutigen Debatte derzeit auch ein Thema in den Koalitionsverhandlungen in Berlin ist und dass die Hansestadt Bremen die Bundesratsinitiative aus diesem Grund bis zum Ablauf der Verhandlungen zunächst zurückgestellt hat. Wir tun gut daran, zunächst die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Berlin abzuwarten.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu einer Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Inneres und Sport zur weiteren Beratung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt eine Nachfrage, Herr Kollege Kolze. - Bitte sehr, Frau Quade.

Herr Kollege Kolze, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Hansestadt Bremen diese Bundesratsinitiative keineswegs zurückgestellt hat, sondern dass sie in den zuständigen Ausschuss des Bundesrates überwiesen wurde. Sie stand sehr wohl auf der Tagesordnung der letzten Bundesratssitzung und ist in die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden. Von Zurückstellung kann keine Rede sein.

Liebe Kollegin Quade, ich nehme das zur Kenntnis, sage aber auch: Gerade die Überweisung in die zuständigen Ausschüsse gibt die Zeit, die Koalitionsverhandlungen genau zu beobachten, um

dann eine zielführende Entscheidung treffen zu können.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Herr Herbst noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! In der Tat scheint es so zu sein, dass in diesem Hohen Haus bei diesem Thema grundlegend Einigkeit besteht. Aber es scheint eben nur so zu sein. In den Details gibt es schon noch Unterschiede, was auch das angekündigte Abstimmungsverhalten zeigen wird. Diese Unterschiede, dieser im Detail sitzende Teufel, bestimmen dann sehr oft das Wohl oder Wehe für die Betroffenen.

Insofern finde ich es schon schade, dass Sie, Herr Minister, obwohl Sie einen absoluten Handlungsbedarf sehen - so haben Sie es formuliert; es ist eine sehr weitgehende Formulierung, wenn man einen „absoluten Handlungsbedarf“ postuliert -, dann doch wieder nach der Salamitaktik vorgehen.

(Zuruf von der CDU)

Es ärgert mich einfach, dass man, obwohl man klar sieht, dass man aktiv werden muss - ich glaube Ihnen auch, dass Sie das sehen; das ist keine Frage -, doch erst einmal bremst und sagt: aber nur, wenn es freie Plätze gibt, und nur im ländlichen Raum usw. usf. Das ist für mich ein Widerspruch, den Sie hier auch nicht aufklären konnten. Das finde ich schade. Ich glaube, dass wir den zunehmenden gesellschaftlichen Herausforderungen und Realitäten mit einer solchen Salamitaktik nicht wirklich beikommen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Kollege Kolze ist eben auf die Problematik eingegangen, die sich in unserem Bundesland zeigt, und hat ausgeführt, dass Sprachkurse gerade an den Gemeinschaftsunterbringungseinrichtungen sehr unterschiedlich angeboten werde bzw. dass in einigen Gemeinschaftsunterbringungseinrichtungen überhaupt keine Sprachkurse angeboten werden.

Wir hatten in der jüngsten Vergangenheit in Sachsen-Anhalt sogar Fälle, in denen die privaten Betreiber von Einrichtungen Angebote, die von außen kamen, Sprachkurse, die beispielsweise über EUMittel finanziert wurden, abgelehnt haben, so zum Beispiel im vergangenen Jahr in Vockerode. So etwas dürfen wir nicht zulassen. Es darf nicht sein, dass Integrationsmaßnahmen, die freiwillig angeboten werden, abgelehnt werden.

(Herr Borgwardt, CDU: Die Gründe wären einmal interessant!)

- Die Gründe hierfür zu erfahren wäre in der Tat interessant, Herr Borgwardt. Ich weiß einiges über diese Gründe. Das sind nicht immer rationale Gründe - so viel kann ich Ihnen sagen -,

(Herr Borgwardt, CDU: Das weiß ich!)

sondern dabei spielen viele Befindlichkeiten der privaten Betreiber eine Rolle. Das könnten wir an anderer Stelle einmal ausdiskutieren. Es wäre, glaube ich, sehr interessant, die Gründe hierfür zu erfahren.

In einigen Unterbringungseinrichtungen gibt es einen Sprachkurs, der dann einmal pro Woche für 20 Personen in irgendeinem Raum dort stattfindet. Das ist natürlich nicht wirklich eine strukturierte Vorgehensweise. Das reicht einfach nicht aus. Deswegen ist klar: Eine Regelmäßigkeit bei diesen Sprachkursmodulen der Integrationskurse muss einfach sein. Ich bin mir sicher, dass sie auch kommen wird.

Ein letzter Punkt noch. Herr Kollege Kolze, Sie sind auf das grundlegende Verständnis der CDUFraktion zu diesem Thema eingegangen. Es war für mich interessant zu hören, dass Sie sagen: Integrationsanspruch erst dann, wenn es einen Aufenthaltstitel gibt, also entweder einen Asylanspruch oder einen Aufenthaltstitel.

(Zuruf von Herrn Kolze, CDU)

Das halte ich in Anbetracht der vielen Jahre, in denen einige der Betroffenen ohne einen solchen Titel hier leben, für eine sehr schwierige Herangehensweise,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Herr Kolze, CDU: Aber das bleibt die Rechtslage!)

weil sie eine wie auch immer postulierte Andersartigkeit - die es aber eigentlich gar nicht gibt - geradezu manifestiert und für die Bürgerinnen und Bürger nach außen deutlich macht.

Wenn Sie sich einmal anschauen, was zurzeit in Sachsen - in Schneeberg und in Leipzig - los ist, wo die Menschen mit der NPD an der Spitze zu Tausenden auf die Straßen und auf die Marktplätze gehen, um gegen Flüchtlinge zu demonstrieren, gegen die Unterbringung von Menschen, die hier ihren Rechtsanspruch auf Asyl sozusagen bestätigt wissen wollen und die die Wartezeit, bis das Verfahren abgeschlossen ist, in Deutschland legal verbringen - -

(Herr Kolze, CDU: Das hat nichts damit zu tun!)

- Doch, das hat etwas damit zu tun, Herr Kolze. Denn der Blick der Leute auf diese Menschen ist: Das sind irgendwie Fremde, die gehören nicht hierher.

Ich glaube, ein solches Verständnis von Integration - Integration gibt es bei uns in Deutschland erst, wenn der Titel da ist - leistet genau solchen Handlungen Vorschub. Das finde ich sehr gefährlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Um es abzuschließen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe zum einen das Wohlwollen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, sehe zum anderen aber auch Unterschiede in der Intensität. Wir hätten gern ein positives Votum im Landtag zu dem Antrag gehabt; denn das wäre bei einer Beauftragung zur Unterstützung einer Bundesratsinitiative die richtige Herangehensweise. Aber wir unterhalten uns über dieses Thema auch gern im Ausschuss mit Ihnen. Wir werden einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen, sondern uns der Stimme enthalten, weil wir gern eine Direktabstimmung über den Antrag gehabt hätten. Gleichwohl diskutieren wir mit Ihnen sehr gern auch im Ausschuss darüber. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Danke sehr, Herr Kollege Herbst. - Damit ist die Debatte beendet. Wir stimmen ab über den Antrag in der Drs.6/2546. Es ist eine Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Sport beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und Teile der Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Teile der Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 13.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

Erfolgreiche Entwicklung des Bauhauses Dessau fortsetzen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2559