Protokoll der Sitzung vom 07.07.2011

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das eine ist die Frage,

(Herr Bommersbach, CDU: Mit mehr Arro- ganz geht es doch gar nicht mehr!)

wie gehen wir mit dem Vorschlag des Ministers um, einen Radikalenerlass zu erlassen.

(Herr Borgwardt, CDU: Zu prüfen!)

Dazu habe ich gesagt, dass ich ein solches Vorgehen schon aus systematischen Gründen für falsch halte. Nichtsdestotrotz habe ich einen par

lamentarischen Weg aufgezeigt, wie man ein zumindest parlamentarisch sauberes Verfahren hinbekommen würde. Dieses parlamentarisch saubere Verfahren würde dann auf einen Gesetzentwurf abzielen und nicht nur auf einen bloßen Erlass. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Weitere Fragen sehe ich nicht. - Bevor der nächste Redner an das Mikrofon gebeten wird, sind zwei Mitteilungen zu machen. Erstens. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird von ihrem Recht Gebrauch machen, die Redezeit aufzuteilen. Das heißt, die verbliebene Redezeit wird am Ende von einem zweiten Redner in Anspruch genommen werden.

Zweitens. Wir begrüßen auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Mansfeld-Südharz. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir fahren fort in der Debatte. Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Kolze das Wort.

(Unruhe bei der CDU)

- Nein, Entschuldigung, erst der Minister. - Als Nächstem erteile ich dem Minister des Innern das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bin ich Ihnen und Ihrer Fraktion dankbar für diese Aktuelle Debatte; denn ich glaube, nichts eint uns mehr in diesem Hohen Haus als die Stärkung von Demokratie. Nichts eint uns mehr in diesem Haus als der Wunsch, Extremismus in unserem Land zu verhindern, weil eben Extremismus die Demokratie gefährdet und sie am Ende auch zerstören kann. Und nichts, meine Damen und Herren, vereint uns in diesem Hause mehr als der Wille, die NPD aus dem parlamentarischen demokratischen Leben herauszuhalten. Ich glaube, insofern sind wir auch gemeinsam dankbar dafür, dass die NPD bei der Landtagswahl den Einzug in den Landtag verpasst hat.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Allerdings haben wir in Bezug auf den Weg, wie wir mit der NPD umgehen wollen, und in Bezug darauf, wie wir mit Rechtsextremisten umgehen wollen, die nicht Mitglied der NPD sind, unterschiedliche Auffassungen.

Wissen Sie, Herr Striegel, Sie hätten sich die Schärfe Ihrer Rede sparen können, wenn Sie Ihre Aktuelle Debatte nicht auf eine Presseinformation aufgebaut, sondern stattdessen zum Hörer gegrif

fen und mich, wenn Sie das Thema so sehr interessiert, angerufen hätten. Dann hätten Sie sich und uns einen Teil dessen, was Sie vorgetragen haben,

(Lachen bei der LINKEN - Zuruf von den GRÜNEN)

- ich komme noch darauf zu sprechen - und vielleicht auch die persönliche Angriffsweise, die nicht die meine ist, der ich mich jetzt auch nicht anschließen will, ersparen können.

(Beifall bei der CDU)

Zunächst möchte ich ein paar Zahlen nennen. Wir haben in den Jahren 2005 bis 2010 nahezu konstant die gleiche Mitgliederzahl bei der NPD zu verzeichnen. Sie schwankt manchmal, aber sie liegt immer bei annähernd 250 Mitgliedern. Das sind 250 NPD-Mitglieder bei 2,5 Millionen Einwohnern.

Die Methoden, wie wir mit der NPD umgehen, die auch oftmals Gegenstand der Diskussion in Landtagsdebatten waren, beschränken sich in der Regel auf drei wesentliche Säulen: erstens die Repression - darauf komme ich nachher noch -, zweitens die soziale Integration und drittens die Politik der Symbolik. Zu der Politik der Symbolik gehören auch solche Aktuelle Debatten. Dazu gehören auch der Runde Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit und Gegendemonstrationen gegen rechte Demonstrationen.

(Zuruf von der LINKEN: Das ist nicht nur Symbolpolitik!)

Aber zu der Symbolik gehört es gelegentlich auch, reflexhaft als ein Instrument ein NPD-Verbotsverfahren zu fordern.

Ich will das an einer Stelle belegen. Wir haben die neuen Zahlen, dass 67 verfassungsüberwindende Straftaten durch Rechtsextreme in Sachsen-Anhalt begangen worden sind. Meine Damen und Herren! Das sind 67 Straftaten zu viel. Dann lese ich die Mitteilung meiner sehr geschätzten Kollegin Frau Tiedge, in der sie sagt: Nun verbietet endlich einmal die NPD!

Diese Straftaten werden durch 800 subkulturell Rechtsextreme begangen, die nicht Mitglieder der NPD sind. Insofern sieht man auch an dieser Politik der Symbolik, dass wir gelegentlich etwas reflexhaft fordern, was aber, selbst wenn wir die NPD verbieten würden, den Kern der Sache nicht trifft, weil die 800 rechtsextrem Denkenden selbst bei einem NPD-Verbot nicht in ihrer Denkweise verboten würden. Insofern muss man über weitere Instrumente nachdenken.

Da sagen wir - da bin ich mit Ihnen einer Meinung, Herr Striegel -, wir brauchen auch Prävention. Die Prävention würde ich in zwei Teilbereiche aufteilen. Zunächst muss die Frage gestellt werden, wo Prävention anfängt und wo sie aufhört. Ist es

nicht schon Prävention, zumindest in einem gesellschaftlichen Diskurs darüber nachzudenken, ob wir diejenigen, die außerhalb der Verfassung stehen, die Nihilisten sind, die unseren Staat nicht wollen, in Kommunalparlamenten, Kreistagen oder Landtagen haben wollen? Wollen wir diesen Menschen, die unsere Verfassung ablehnen, auch noch eine politische Bühne geben? - Nichts anderes habe ich formuliert.

Ich bin doch mit Ihnen einer Meinung, dass wir das, wenn wir es tun, durch eine Gesetzesänderung umsetzen müssen, indem wir das Kommunalwahlrecht ändern, sodass ein Wahlprüfungsausschuss im Prüfungsverfahren eines Bewerbers für ein öffentliches Amt - das kann immerhin ein Beamtenverhältnis nach sich ziehen - prüft, ob Erkenntnisse vorliegen, dass der Bewerber offensichtlich außerhalb der Verfassung steht. Wenn diese Erkenntnisse im Wahlprüfungsausschuss vorliegen, dann ist es völlig legitim, beim Verfassungsschutz in diesem konkreten Einzelfall anzufragen, ob dieser Mann oder diese Frau auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Das ist gesetzlich geregelt.

Ich will nicht, dass das auf den Begriff „Radikalenerlass“ heruntergebrochen wird, der vielleicht bei dem einen oder anderen von Ihnen posttraumatische Erlebnisse nach sich zieht, wofür ich doch Verständnis habe.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich sage Ihnen: Eine Freiheit sollte man nur im äußersten Extremfall einschränken.

Wenn Sie meine Interviews einmal lesen- Sie haben von Abbruchunternehmen geredet -, dann stellen Sie fest, dass ich gesagt habe: Freiheit geht ohne Ordnung nicht, aber Ordnung ist ohne Freiheit wertlos. Ich bin der Letzte, der situativ sagt, wir müssen Freiheit ohne Grund und ohne Gesetz einschränken.

In diesem Hause möchte ich eines erreichen, nämlich dass wir gemeinsam eine Lösung finden. Denn ich glaube, das Thema, diese Demokratie zu stärken und zu erhalten, kann doch nicht dazu dienen, dass sich einige Parteien zulasten anderer profilieren. Denn der einzige Profiteur dieser Profilierung sind diejenigen, die wir am Ende nicht wollen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb habe ich in meinem Ministerium ein Referat eingerichtet, in dem wir Ihre Vorschläge gerne mit bündeln. Ich möchte gemeinsam mit Ihnen diesen gesellschaftlichen Diskurs hier im Haus, mit den Kirchen und den Gewerkschaften führen. Dann werden wir Ergebnisse finden.

Wenn Ihre Aussage ist, dass Sie keine Verbote wollen, weil Sie jede Form von Verbot als einen Eingriff in grundrechtliche Freiheitsrechte werten, dann sagen Sie uns doch, dass Sie möchten, dass

die NPD nicht verboten wird. Diese Aussage kritisiere ich doch nicht. Da sind Sie in guter Gesellschaft mit vielen Politologen.

Sagen Sie uns, dass Sie möchten, dass diese Rechtsextremen für die Parlamente kandidieren, weil Sie die Auseinandersetzung im Parlament - Landtag, Bundestag, Kreistag oder Kommunalparlament - wünschen. Dann müssen wir uns im Ältestenrat aber nicht ständig darüber Gedanken machen, wie wir Gremien so zuschneiden, dass die Rechtsextremen, wenn sie in ein Parlament gewählt werden, nicht in diese Gremien kommen. Ich bin lange genug dabei. Das ist unglaubwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Manchmal habe ich das Gefühl - das sage ich ganz allgemein -, dass eine Antifa auch eine AntiAntifa braucht. Um es deutlicher zu formulieren - -

(Herr Herbst, GRÜNE: Das geht zu weit! - Zuruf von der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Die Demonstrationen, die wir in diesem Land in jeder Woche haben, belasten unsere Polizei auch deshalb, weil es eine Reihe von Linksautonomen gibt, die permanent die Anlässe von Rechtsextremen dazu nutzen, Krawall zu machen. Das kriegen Sie nicht wegdiskutiert.

(Beifall bei der CDU)

Sie brauchen sich doch gar nicht aufzuregen. Sie sind doch nicht linksautonom.

(Unruhe bei der LINKEN - Frau Bull, DIE LINKE: Kurzschlüsse!)

Insofern sollten Sie es doch gemeinsam mit uns gutheißen, dass jedes demokratische Mittel ausgenutzt wird, damit Extremisten und insbesondere Rechtsextremisten in diesem Land keine Chance haben. Aber man muss auch Tatsachen nennen dürfen, die wir tagtäglich auf den Straßen erleben und die statistisch belegt sind.

Abschließend möchte ich sagen: Wir bieten Lösungsvorschläge an, bei denen wir das Parlament selbstverständlich einbeziehen. Dabei brauchen wir uns nicht persönlich anzugreifen oder so zu zerstreiten, dass wir am Ende möglicherweise nicht mehr miteinander reden. Das Ziel, das uns eint, ist, dass wir in einer freiheitlichen Gesellschaft leben - das war das Thema der vorherigen Debatte - und dass wir zumindest die Frage stellen müssen, ob wir denen, die die Freiheit nicht wollen, so viel Freiheit geben sollen, dass sie so wie in der Weimarer Republik am Ende unsere eigene Freiheit abschaffen. Diese Frage stelle ich in dieser Runde, und ich hoffe, dass wir dafür gemeinsam Lösungen finden, ohne uns gegenseitig vorzuführen. - Danke.

(Beifall bei der CDU)