Gemeinsam, zivilgesellschaftlicher Protest und Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, können wir es schaffen. Seitens des Landes sollte alles unternommen werden, um zivilgesellschaftliches Engagement zu unterstützten und anzuerkennen, rechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen und vorhandene Kapazitäten zu bündeln und gezielt einzusetzen. - Vielen Dank.
Danke schön, Frau Abgeordnete Schindler. - Wir fahren fort. Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Quade.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt hat ein Problem mit Nazis und ist einer der Hauptveranstaltungsorte neonazistischer Musikveranstaltungen. Es ist bereits erwähnt worden: Als wir den Ursprungsantrag einbrachten, mussten wir zunächst einmal darum streiten, ob es überhaupt ein Problem gibt. - Nicht dass es irgendjemandem im Hohen Hause gefallen würde, dass solche Konzerte in Sachsen-Anhalt stattfinden. Nein, darum geht es nicht. Aber die Frage ist natürlich, was zu tun ist.
Bis vor Kurzem konstatierte die Landesregierung, sie tue alles Notwendige und alles Mögliche und unsere Problemanalyse sei vollkommen überzogen. Das sahen nahezu alle Experten in der Anhörung des Innenausschusses anders. Aber davon ließ sich die Landesregierung nicht beeindrucken. Geändert hat sich das erst, nachdem Ihnen erstens ein eklatanter Fehler, nämlich die Genehmigung zum Vortrag indizierter Musikstücke bei dem Nazifestival „In Bewegung“ in Berga, einem Familienfest übrigens, nachgewiesen wurde und dieser zweitens auf ein erhebliches mediales Interesse stieß.
Die jetzt vorliegende Beschlussempfehlung skizziert also einen Handlungsbedarf und einen Handlungsansatz seitens der Landesregierung, und ich begrüße dies ausdrücklich, auch vor dem Hintergrund der vorangegangenen Diskussion. Meine Fraktion wird dieser Beschlussempfehlung dennoch nicht zustimmen, sondern wir werden uns, wie wir es auch im Innenausschuss getan haben, der Stimme enthalten. Ich will die Gründe dafür anführen.
Hauptanliegen unseres Antrags war es, in Sachsen-Anhalt zu einem Konzept zum Umgang mit neonazistischen Konzerten zu kommen, das die inhaltliche Dimension dieser Konzerte in den Blick nimmt. Es reicht eben nicht, Bau- und Ordnungsrecht zu bemühen und entsprechende Auflagen zu erlassen; denn an der Realität dessen, was sich bei solchen Konzerten abspielt, ändert das wenig.
Sie sind von enormer Bedeutung für die Neonaziszene, sie haben identitätsstiftende und identitätsfestigende Wirkung, sie sind wichtiger Bestandteil der nationalen und rechtsextremen Erlebniswelt, sie sind wichtige Einnahmequelle für die Szene, und sie sind vor allem die Begleitmusik zur Ideologie des Hasses und der Gewalt gegen Menschen, die Neonazis verbreiten und ausleben.
Genau das muss stärker als bisher in den Fokus genommen werden, wenn wir dem Problem wirksam begegnen wollen. Dieser Punkt fehlt in der vorliegenden Beschlussempfehlung jedoch völlig, und das ist in unseren Augen ihr größter Mangel.
Die nunmehr angekündigte Zentralstelle für extremistische Musik - über den Extremismus-Begriff können wir uns sicherlich an anderer Stelle streiten - und die engere fachaufsichtliche Begleitung der Kommunen, die angekündigt worden ist, sind zweifellos Schritte in die richtige Richtung. Die Frage ihrer Wirksamkeit jedoch ist völlig offen. Denn wir wissen weder, wann die Fachstelle arbeitsfähig sein wird, noch wer sie besetzen soll.
Insofern greift die Beschlussempfehlung in unseren Augen ein Stück zu weit vor, zumal die Frage steht, ob nicht zunächst als erster Schritt die Hinterfragung der bisherigen Prüfpraxis gestanden hätte. Denn wir wissen, dass es die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gibt, die selbstverständlich für die Länder sehr einfach und sehr unkompliziert nutzbar ist.
Zudem zielte unser Antrag darauf ab, stärker als bisher den Austausch mit anderen Bundesländern und den zivilgesellschaftlichen Partnern und Fachstellen zu suchen, um von ihren Kompetenzen und Erfahrungen zu profitieren. Dieser Punkt findet sich ebenso wenig in der Beschlussempfehlung wieder wie die Berichtspflicht im Innenausschuss, was wir für einen schwerwiegenden Fehler halten; denn wir finden, dass das Parlament hierbei nach wie vor beteiligt sein sollte.
Uns und vielen zivilgesellschaftlich Engagierten ist es wichtig, Sachsen-Anhalt ein Stück weit unattraktiver für die Veranstalter und Besucher neonazistischer Musikveranstaltungen zu machen.
Weil Ihr Argument immer war und auch ist - Herr Minister, Sie haben es heute wieder vorgetragen -, das gebe der Rechtsstaat nicht her, sage ich Folgendes: Lassen Sie uns dem Beispiel anderer Bundesländer folgen, die dem Rechtsstaat auch nicht den Rücken kehren, wenn sie deutlich rigider gegen solche Konzerte vorgehen, indem sie engmaschige Anfahrtkontrollen vornehmen, indem sie stringent nicht nur den von den Veranstaltern und Bands, sondern auch den von den Besuchern dargebotenen Inhalt im Blick haben und indem sie mit Polizeikräften sowohl qualitativ als auch quantitative in einer Stärke vor Ort sind, die es ihnen ermöglicht, solche Veranstaltungen, wenn es geboten ist, abzubrechen.
Letztlich braucht man eine Politik, die den Protest derjenigen stärkt, die den Nazis auch diese Fassette rechtsextremer Erlebniswelt in Sachsen-Anhalt nicht ungestört überlassen will. Wir werden weiter dafür werben. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die rechtsextremistische Szene sind Musikveranstaltungen wegen ihrer identitätsstiftenden Funktion von zentraler Bedeutung. Hierbei geht es insbesondere darum, Jugendliche und junge Erwachsene an rechtsextremistisches Gedankengut heranzuführen. Wir haben es auch in Sachsen-Anhalt mit einer steigenden Anzahl dieser Konzertveranstaltungen zu tun.
Wir haben in diesem Land aber auch viele engagierte Bürgerinnen und Bürger, die friedlich und ohne Waffen, so wie es das Grundgesetz vorsieht, gegen Nazikonzerte demonstrieren und so den Rechtsextremisten und ihrem Gedankengut entgegentreten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommen wir nun zu der Komponente, was die Politik gegen das Phänomen Rechtsrock leisten kann. Wer pauschal einfordert, dass man solche Konzertveranstaltungen einfach verbieten sollte oder müsste, der wird ganz schnell an die Grenzen unseres freiheitlichen Rechtsstaates stoßen; denn die grundlegenden Freiheitsrechte einer Demokratie gelten für jedermann, also auch für diejenigen, die wegen ihrer Ideologie auf breite Ablehnung aller Demokraten stoßen.
Diese Musikveranstaltungen sind in der Regel keine Versammlungen im Sinne des Versammlungsrechts. Eine Zuverlässigkeitsprüfung, wie es von einigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses in der Ausschussbefassung angedacht worden ist, findet hierbei daher nicht steht. Man kann aber zum Beispiel prüfen, ob man gegen solche Veranstaltungen mit jugendschutz-, gaststätten-, gewerbe- oder bauordnungsrechtlichen Mitteln vorgehen kann.
Zum Umgang mit rechtsextremistischen Musikveranstaltungen hat das Innenministerium im Juli 2011 klare Leitlinien erlassen, an die ich an dieser Stelle erneut erinnern möchte. Es gibt klare Handlungsempfehlungen für die Kommunen zum Umgang mit Neonazikonzerten, zu Gefahrenprognosen und sicherheitsbehördlichen sowie polizeilich notwendigen Maßnahmen, zu Handlungsmöglichkeiten bei der Nutzung kommunaler Einrichtungen und hinsichtlich der Auswertung zurückliegender Veranstaltungen
Die Kommunen werden nicht einfach allein gelassen, so wie es der Ursprungsantrag der LINKEN behauptet. Der Landtag bekräftigt heute erneut, dass von allen rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung von Auflagenverfügungen bis hin zum Abbruch von Konzertveranstaltungen nach dem Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch Gebrauch gemacht werden soll.
Die kommunale Ebene ist hinsichtlich des Problems Rechtsrock sensibilisiert worden. Im Bedarfsfall muss eine enge fachaufsichtliche Begleitung erfolgen, um möglichst rechtssichere Entscheidungen zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um dem Phänomen Rechtsrock noch besser begegnen zu können, wurden für Sachsen-Anhalt weitere kurzfristig wirkende Maßnahmen ergriffen. So wurde die Schaffung einer Organisationseinheit im Landeskriminalamt zur Erkennung verbotener und indizierter rechtsextremistischer Musik veranlasst. Die zentrale Informationsstelle für extremistische Musik soll die Polizei und die Sicherheitsbehörden bei der Erfüllung ihrer gefahrenabwehrrechtlichen Aufgaben unterstützen.
Es dürfte auch bekannt sein, dass der Freistaat Sachsen eine Software entwickelt hat, mit deren Hilfe das Erkennen von Musiktiteln, die in bestimmten Datenbanken vorhanden sind, möglich ist. Hierzu ist auch eine mobile Komponente vorgesehen, die es vor Ort ermöglichen soll, gespielte Musik zu identifizieren.
Eine Aussage darüber, ob und wie die mobile Komponente funktionieren wird, ist derzeit noch nicht möglich. Sachsen-Anhalt wird die in der Datenbank vorhandenen Musikdateien zur Verfügung stellen. Wenn die Software anwendungsbereit zur Verfügung steht, dann wird auch eine Einführung dieser in Sachsen-Anhalt erfolgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Grundlage von Recht und Gesetz wird gegen rechtsextremistische Musikveranstaltungen vorgegangen. Die Kommunen werden hierbei nicht allein gelassen. Wir haben viele engagierte Bürgerinnen und Bürger, die gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Flagge zeigen. Wir sind auf einem guten Weg und lassen uns auch von den Protagonisten der Opposition nicht schlecht reden.
Ich bitte Sie abschließend um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön. - Damit schließen wir die Aussprache zu dem Tagesordnungspunkt ab und treten in das Abstimmungsverfahren ein.
Wer der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drs. 6/2712 zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltungen der Oppositionsfraktionen hat die Beschlussempfehlung eine Mehrheit bekommen und ist damit beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt 10 ist somit erledigt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Zu einer modernen Bildungsreform gehört die Reform der Lehramtsausbildung. Gerade im Zusammenhang auf die Debatten über den gemeinsamen Unterricht, über Inklusionspädagogik, über die Vielfalt an Lebens- und Lernformen und darüber, dass das alles eine pädagogische Herausforderung ist, hören wir immer wieder: Dafür braucht man erst einmal Lehrerinnen und Lehrer. Es gibt noch einen Satz, der auch gern in den Kollegien formuliert wird: Dafür bin ich nicht ausgebildet.
Zu beidem würde ich ja und nein sagen. Ich denke, auch für Pädagoginnen, also für Lehrerinnen und Lehrer, gilt das Prinzip des lebenslangen Lernens. Kein Chirurg würde wahrscheinlich auf die Idee kommen, die Arbeit im Operationssaal zu verweigern, weil dort medizinische Kompetenzen, Wissen und Erkenntnisse nötig sind, die er oder sie eben nicht vor 30 Jahren in seinem oder ihrem Medizinstudium studieren konnte.
Dennoch: Für Innovation und Wandel in pädagogischen Teams braucht man junge Leute. Jetzt könnte ich wieder das Personalentwicklungskonzept der Landesregierung entsprechend würdigen, natürlich nur in Anführungsstrichen. Aber ich sage einmal, dass mir an dieser Stelle die Zeit dafür zu schade ist.
Ich will gleich zum Kern kommen. Was sind die Vorstellungen meiner Fraktion? Was halten wir für wichtig, um die Reform der Lehramtsausbildung weiter zu entwickeln? Welche Vorstellungen haben wir, die in den abzuschließenden Zielvereinbarungen mit den Unis festgelegt werden sollen?
Zu einigen ausgewählten Punkten will ich konkreter werden. Ich komme zum ersten Punkt. Es geht um das große Thema Inklusion. Mit Inklusion ist nicht die Zuführung von Kindern mit Beeinträchtigungen, mit Behinderungen oder sonst etwas gemeint, was auch immer das sei. Die Grundprämisse ist vielmehr: Die Kinder sind verschieden und die Verschiedenheit ist die Normalität und nicht die Abweichung von derselben.
brauchen eine Pädagogik, die mit sehr vielfältigen Methoden und Instrumenten Kindern in ihrer natürlichen Unterschiedlichkeit vielfältige Bildungswege und Lernprozesse ermöglicht.
Also nicht die Kinder, meine Damen und Herren, haben sich verändert, sondern die Pädagogik hat sich in ihrer Herangehensweise verändert und die menschenrechtlichen Grundlagen haben sich in den letzten Jahren verändert.
Derzeit gibt es in den Zielvereinbarungen ein verpflichtendes Modul, das da heißt „Kommunikation, Heterogenität und Inklusion“, und zwar für alle Lehramtsstudierenden. Ich finde, das ist ein hoffnungsvoller Beginn. Das ist ein Einstieg. Den muss man würdigen und den kann man auch würdigen.
Aber das Problem ist trotzdem: Es geht nicht um ein zusätzliches Etwas, meine Damen und Herren, sondern es geht um eine grundsätzlich andere Herangehensweise, und zwar in a l l e n wissenschaftlichen Angeboten, beispielsweise in der Fachwissenschaft. Da muss man gucken, was die Inhalte betrifft. Vor allem aber betrifft das Didaktik, Pädagogik, Psychologie, kurz gesagt: die gesamte Bildungswissenschaft. Ich hoffe, Frau Professor Dalbert, Sie verzeihen mir, wenn ich jetzt die Psychologie in die Bildungswissenschaften einordne.