Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

Die deutliche Steigerung des Schadensaufwandes hat vor allem zwei Gründe. Das liegt fast auf der Hand. Der erste Grund ist die die stark verbesserte Lebenserwartung bei schwerstgeschädigten Kindern infolge der verbesserten medizinischen Behandlungsmethoden. Es geht um die ganze Frage der perinatalen Behandlungsmethoden von Level 1 und Level 2.

Der zweite Grund ist die Steigerung der Aufwendungen im Bereich der Pflegekosten und des Erwerbsschadens. Das sind die Folgekosten, die

entstehen. Damit werden im Durchschnitt rund 2,6 Millionen € Schadensersatz für einen Geburtsfehler gezahlt.

Neben dem Schadenersatz und dem Schmerzensgeld entstehen für die Versicherer noch weitere Kosten. So werden die Hebammen zunehmend von den Krankenkassen für medizinische Behandlungen der Geburtsschäden in Regress genommen. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft entfallen inzwischen 25 % der Schadenssummen auf Regressforderungen, die ebenfalls durch die Versicherer abzusichern sind.

Ein erhebliches Problem für die Versicherer stellen auch die infolge des Fortschritts teilweise jahrzehntelangen Zahlungen für Schädigungen mit ungewissen Kostensteigerungen dar. Die kennt man heute noch nicht. Dadurch sind die Schäden in der Geburtshilfe für die Versicherer so schwer kalkulierbar.

Die Hebammen beklagen schon jetzt, dass die erhöhten Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung durch die von den Krankenkassen gezahlten höheren Entgelte nicht für alle Hebammen vollständig ausgeglichen werden. Damit ist schon heute keine flächendeckende Versorgung mit Hebammenleistungen mehr gegeben.

Für Sachsen-Anhalt ist jedoch festzustellen, dass die meisten Hebammen - das kann man jetzt beklagen, weil Sie sagen, man kann auch noch Werbung für freiberufliche Hebammen machen - als Angestellte in einem Krankenhaus in der Geburtshilfe tätig sind und dadurch durch das Krankenhaus haftungsrechtlich abgesichert sind. Dazu muss man anmerken, dass die Krankenhäuser auch höhere Summen für die Haftpflichtversicherung bezahlen. Das hat auch etwas damit zu tun, wenn das Land eventuell einen Fonds bereitstellen müsste.

Zusätzlich arbeiten die Hebammen häufig noch anteilig freiberuflich, jedoch hauptsächlich nur noch in der Vorsorge bei Schwangeren und in der Nachsorge für Mütter und Säuglinge. Aber auch für diese Tätigkeit ist eine Haftpflichtversicherung erforderlich.

Sie sehen also, dass das Thema der Haftpflichtversicherung für Hebammen nicht neu ist. Das beschäftigt uns zumindest seit dem Jahr 2010. Deshalb halte ich es auch für richtig, dass das bundesgesetzlich einheitlich geregelt wird.

(Zustimmung von Frau Grimm-Benne, SPD)

Da verlasse ich mich jetzt einmal auf eine grüne Landesministerin. Wenn die CDU sich auf ihren eigenen Minister verlässt, dann ist es auch gut. Ich verlasse mich auf unsere Minister, auch in der Bundesregierung. Wir haben uns am Donnerstag

abend und am Freitag in Berlin getroffen. Manchmal gibt es Vorabsprachen. Da waren sich alle einig. Es gibt auch grüne Gesundheitsminister in Deutschland, die sagen, dass das eine Bundesaufgabe ist. Hierbei muss der Bund etwas tun. Die Länder sollten sich hüten - das sage ich auch -, einen eigenen Fonds auch nur anzusprechen oder zu versprechen; denn wir werden ihn nicht finanzieren können.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Frau Lüddemann, GRÜNE: Das stimmt! Das ist richtig!)

Er müsste dann auch für viele andere gelten. Sie haben am Ende Ihres Beitrages die ganze Frage der Haftpflichtversicherung aufgemacht und wahrscheinlich die Versicherung für die Hebammen zum Anlass genommen. Ich plädiere dafür, den Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe, die nun tagt und auch in der letzten Woche mit dem Bundesgesundheitsminister getagt hat, abzuwarten.

Ich will jetzt, weil die Redezeit schon abgelaufen ist und weil eine Berichterstattung im Ausschuss heute möglicherweise eine Mehrheit findet, für Sachsen-Anhalt nur noch zwei Zahlen nennen. Im Jahr 2010 wurden in Sachsen-Anhalt 17 300 Kinder geboren. Es fanden nur 175 Geburten, also nur 1 % aller Geburten, unter der Leitung von freiberuflichen Hebammen statt. Im Jahr 2011 sind 16 800 Kinder geboren worden. Da fanden nur noch 0,5 % aller Geburten außerhalb des Krankenhauses statt.

Ich will jetzt nur einmal die Dimension nennen. Ich nehme keine Bewertung dahingehend vor, wo es schlechter oder besser ist. Da habe ich gute Erfahrungen mit dem Regenbogen-Zentrum in Halle und woanders auch gemacht, was ich stark unterstütze. Ich halte es für wichtig, dass wir das bundesgesetzlich regeln.

Sie haben darauf verwiesen, dass es Bundesratsinitiativen gibt. Diese gibt es schon seit gestern. Sie haben die Länder erwähnt - wir werden uns da anschließen -: Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In den Bundesratsinitiativen sind die Prüfaufträge enthalten, wie sie hier auch beschrieben werden: entweder eine Haftungsobergrenze einzuziehen oder mit den Krankenkassen betreffs höherer Beiträge zu verhandeln oder tatsächlich eine Mischform zu finden, bei der eine Bundeshaftung infrage kommt.

Über diese drei Punkte soll im Bundesrat beraten und abgestimmt werden. Ich glaube, es ist zuallererst eine Bundesaufgabe, bei der wir als Land uns zurückhalten sollten, eigene Regelungen anzugehen oder gar zu prüfen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. - Als Nächster in der Aussprache spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Schwenke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten und anerkanntesten Berufe der Welt. Schon im zweiten Buch Moses im Alten Testament heißt es: „Und Gott tat den Hebammen Gutes, und das Volk mehrte sich und wurde sehr stark.“

(Zustimmung bei der CDU)

Auch schon in Berichten über das alte Ägypten und viele weitere Epochen und Geschehnisse der Weltgeschichte wird mit großer Bewunderung auf die bedeutsame Aufgabe der Hebammen Bezug genommen. Bis in die heutige Zeit genießen Hebammen größte Anerkennung.

Übrigens ist der Hebammenberuf noch vorwiegend ein Frauenberuf, den in Deutschland seit 1985 auch Männer ausüben dürfen. Sie heißen dann allerdings Entbindungspfleger - in Österreich heißen sie übrigens auch Hebamme -, von denen es laut Wikipedia im Januar letzten Jahres drei in Deutschland gab. - Aber das nur am Rande.

Heute reden wir über die aktuelle und akut berufsgefährdende Situation der freiberuflichen Hebammen in Deutschland. Frau Lüddemann und Herr Bischoff haben die Ursachen für die Situation gerade umfänglich beschrieben. Dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. Zahlen werde ich jetzt nicht ergänzen, diese sind genannt worden und sind bekannt.

Ja, sehr geehrte Frau Lüddemann, man kann durchaus mit Recht kritisieren, dass es bis heute für die Problematik der Berufshaftpflichtversicherung keine Lösung gibt. Das Problem ist nun schon einige Jahre bekannt, und auch ich hätte mir gewünscht, es wäre schon gelöst. Auch ich kenne die Online-Petition und habe diese übrigens auch mit unterzeichnet. Stand heute früh: 290 000 Unterschriften. Das ist eine bemerkenswerte Reaktion der Öffentlichkeit auf dieses Thema. Wir brauchen - da sind wir uns, denke ich, alle einig - eine schnelle Klärung des Versicherungsproblems.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als CDUFraktion halten die Wahlfreiheit für Frauen hinsichtlich der Wahl des Geburtsortes und die wohnortnahe und niedrigschwellige geburtshilfliche Versorgung, wie vom Deutschen Hebammenverband gefordert, für unverzichtbar. Auch wir fordern zuverlässige, verlässliche Rahmenbedingungen für die Hebammen. Nur hinsichtlich des Lösungsweges scheinen wir unterschiedliche Auffassungen zu haben.

Wir erwarten eindeutig eine bundeseinheitliche Lösung. Hierbei steht die Bundesregierung in der Pflicht, die Probleme der Hebammen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ernst zu nehmen und eine Problemlösung herbeizuführen. Dazu wurde - der Minister führte es aus - eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Beteiligung des federführenden Gesundheitsministeriums, anderer betroffener Ministerien und auch des Hebammenverbandes gegründet, die demnächst ihren Abschlussbericht vorlegen wird.

Ich bin optimistisch, dass dann nachhaltige Vorschläge vorliegen werden, die den freiberuflichen Hebammen eine langfristige Sicherheit in ihrer Berufsausübung geben. Der neue Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat diesbezüglich klare, optimistisch stimmende Aussagen gemacht. Ich vertraue ihm da einfach, das gebe ich zu.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Ich nicht!)

- Das unterscheidet uns, Frau Lüddemann. - Übrigens wurden diese Aussagen vom gesundheitspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion gestern im „Morgenmagazin“ auch noch einmal untersetzt und wiederholt. Ich bin ganz optimistisch, dass wir eine Lösung finden. Deshalb kommt der Vorschlag für eine Bundesinitiative einfach zum falschen Zeitpunkt.

Selbstverständlich müssen wir das Thema permanent im Auge behalten. Sollte sich wider Erwarten doch keine Lösung abzeichnen, sind auch wir sicherlich bereit, erneut über andere Wege zur Unterstützung der Hebammen zu sprechen. Aber jetzt ist erst einmal der Bund in Zusammenarbeit mit den anderen Beteiligten am Zuge.

Ich gehe davon aus, dass wir spätestens im dritten Quartal dieses Jahres positive Informationen zum Sachstand bekommen werden. Trotzdem ist es gut und richtig, dass wir heute über dieses Thema debattieren. Es gibt uns als Landtag in SachsenAnhalt die Chance, den Hebammen zu zeigen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen und dass wir gemeinsam mit ihnen auf eine Lösung drängen. Wir als CDU werden unseren Einfluss in Richtung Berlin auf jeden Fall nutzen. Ich hoffe - ich wiederhole mich -, dass eine sachliche Debatte zu diesem Thema heute im Hohen Haus auch das Signal der Geschlossenheit und der ernsthaften Unterstützung in Richtung der Hebammen aussendet.

Zu den Anträgen der LINKEN ist schon einiges gesagt worden. Der erste Punkt erledigt sich sozusagen mit unserem Antrag. Für den zweiten gehe ich davon aus, dass die vorhandenen Arbeitsgruppen im Bund dieses Problem bereits angehen. Zu der Bitte um Berichterstattung unter Punkt 3 gehe ich davon aus, dass man die Inhalte unter Punkt 2 unseres Antrags subsumiert. Das sind die Fragen, die uns natürlich auch interessieren. Ich gehe davon aus, dass demzufolge die Antworten

darauf in der Sitzung des Ausschuss gegeben werden.

Ich bitte um Unterstützung unseres Änderungsantrages. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Kollege Schwenke. - Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Zoschke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion teilt die Intention des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN uneingeschränkt. Die Abfolge der Forderungen halten wir allerdings für ungeeignet und haben daher einen bereits mehrmals erwähnten Änderungsantrag vorgelegt. Wir wollen mit einer sofortigen Bundesratsinitiative erreichen, dass die Haftungsprobleme der Hebammen dauerhaft gelöst werden.

Wir benötigen hier keine Prüfung durch die Landesregierung, wie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen. Der Deutsche Hebammenverband und andere Fachleute haben längst praktikable Vorschläge auf den Tisch gelegt, wie die Einrichtung eines Fonds für besondere Haftungsfälle, die Einführung einer Haftungsobergrenze, die Vertragspflicht für Versicherungsanbieter oder auch - alternativ zu diesen Punkten - die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen.

Einen weiteren Vorschlag des Deutschen Hebammenverbandes, der die ungerechte Struktur verdeutlicht, möchte ich besonders herausgreifen. Er lautet: Einschränkung der Regressmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger. - Dahinter steckt, dass die Krankenkassen immer häufiger Hebammen für die medizinische Behandlung von Geburtsschäden auf Regress verklagen. Wohl

gemerkt, das sind die gleichen Krankenkassen, die den Hebammen derart geringe Honorare zahlen, dass die Anhebung der Versicherungsprämie sie jedes Mal in die blanke Existenznot treibt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Gründe für die höheren Haftpflichtprämien sowie den Ausstieg der Versicherungswirtschaft liegen dabei nicht etwa im Anstieg der Zahl von Fehlern in der Geburtshilfe, sondern sind vielschichtiger. Neben den soeben genannten Regressforderungen der Krankenkassen gibt es hierfür zwei weitere Gründe:

Erstens. Dank der medizinischen Entwicklung haben Menschen, die durch Geburtsfehler stark geschädigt wurden, eine wachsende Lebenserwartung. Hinzu kommt - zweitens -, dass die Entschä

digungssummen heute etwa doppelt so hoch sind wie noch vor anderthalb Jahrzehnten.

Beides ist natürlich zu begrüßen. Allerdings: Diese Besserungen für die Betroffenen darf man nicht den unterbezahlten Hebammen aufbürden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn eine Hebamme heute einen faktischen Bruttolohn von 8,50 € hat - wohlgemerkt: als Selbständige; die Sozialversicherung ist noch nicht mit eingerechnet -, dann sind wir bei dieser viel gelobten Tätigkeit auf dem Weg in das Ehrenamt.

Meine Fraktion fordert, dass sich die zuständigen Akteure gemeinsam mit dem Deutschen Hebammenverband an einen Tisch setzen und sich über die Frage von angemessenen Honoraren verständigen. Denn auch ohne das Haftungsproblem werden freiberuflichen Hebammen aus wirtschaftlichen Gründen genötigt, ihre Arbeit aufzugeben - mit weitreichenden Konsequenzen: Schwangere verlören die Wahlfreiheit für die Geburt und Betreuung. Unbegleitete Geburten würden tatsächlich die Zahl der Fälle geschädigter Babys steigen lassen, unabhängig davon, ob überhaupt jemand und wer die Haftung dafür übernimmt.

Nicht zu vergessen ist die ungeheure Leistung der Hebammen im Bereich der nachgeburtlichen Betreuung. Die Familien vertrauen dem Wort der Hebammen - anders als dem Jugendamt - und lassen sie ohne Befremden in ihre Wohnung. Damit haben die Hebammen Einblicke, die wir für den Kinderschutz benötigen. Sie arbeiten eng und auf Augenhöhe mit den Eltern zusammen. Nur so funktioniert Vertrauen. Das ist der beste Kinderschutz.