Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

liegt doch die Kompetenz zur Regelung der in dem Antrag aufgeworfenen Fragen auf der Bundes- und nicht auf der Landesebene. Aber dann fiel mir ein, wir haben ja bald Kommunalwahlen.

(Unruhe bei der LINKEN)

Nichts ist leichter, als den Koalitionsparteien einen Bruch der Wahlversprechen vorzuwerfen. Ich halte das für keinen guten Stil.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU - Frau Bull, DIE LINKE, lacht)

Die Antragstellerin verkennt dabei, dass die Regierungsfraktionen auf Landesebene die in Rede stehenden Wahlversprechungen nie gemacht haben. Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll gewesen,

über den Antrag dort zu diskutieren, wo er hingehört, nämlich im Deutschen Bundestag.

Scheinbar teilt aber auch die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - jedenfalls bisher - nicht die Auffassung der hiesigen Landtagsfraktion. Denn dass die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen entsprechenden Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht hat, ist bisher nicht festzustellen.

In der Sache selbst hat der Minister Bischoff in seinem Redebeitrag den Antrag derart seziert, dass ich nicht wiederholen will, was er gesagt hat. Den deutlichen Worten des Ministers ist nichts hinzuzufügen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin allerdings erstaunt darüber, wie es der Antragstellerin immer wieder gelingt, die Bundesrepublik Deutschland, aber auch Sachsen-Anhalt in Ihren Anträgen und Redebeiträgen so darzustellen, dass man den Eindruck gewinnen könnte, dass hier der sozial kälteste Ort der Welt ist. Wir leben Ihrer Meinung nach an einem Ort, wo es keine soziale Wärme gibt.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ja, ja!)

Meine Fraktion und ich haben diesbezüglich eine gänzlich andere Wahrnehmung. Ich erkenne nicht, dass wir in Sachsen-Anhalt oder in Deutschland in einem Land der sozialen Kälte leben würden.

Die von der Antragstellerin hierzu vorgeschlagene Lösung hinsichtlich einer vom Einkommen und Vermögen der Eltern unabhängigen Kindersicherung vermag meine Fraktion und mich nicht zu überzeugen. Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, warum der Staat Menschen, die nicht der staatlichen Unterstützung bedürfen, in dem von der Antragstellerin vorgeschlagenen Umfang bedürftigkeitsunabhängig unterstützen sollte.

Unabhängig davon: Was würde passieren, wenn der Vorschlag der Antragstellerin Realität werden würde? - Eine Vielzahl von Beschäftigten würde sich - wer will es ihnen verdenken? - überlegen, ob sich unter Berücksichtigung der Leistung der Kindergrundsicherung die Erwerbstätigkeit überhaupt noch rentieren würde oder ob unter Berücksichtigung der staatlichen Sicherung des eigenen Existenzminimums die staatlichen Leistungen in der Summe für die Familien dann ein Niveau erreichen, das aus der Sicht der Betroffenen eine Erwerbstätigkeit nicht sinnvoll erscheinen lässt.

Des Weiteren stellt sich auch die Frage nach der Finanzierbarkeit dieses Vorschlags. Dieses Modell mit Veränderungen beim Ehegattensplitting oder der Einführung der immer wieder gern herangezogenen Vermögensteuer und der Reichensteuer zu finanzieren wird bei weitem nicht ausreichen. Also

wird man um Steuererhöhungen nicht herumkommen.

(Herr Dr. Köck, DIE LINKE: Zu wenig Rei- che!)

Da die Kindergrundsicherung mit Steuermitteln finanziert werden soll, setzt dies voraus, dass der Staat auch Steuern in der erforderlichen Höhe einnimmt. Wenn dieses Modell jedoch dazu führt, dass ein beträchtlicher Personenkreis eine Erwerbstätigkeit - aus welchen Gründen auch immer - als unattraktiv empfinden wird, verringert sich logischerweise die Zahl der Steuerzahler, sodass die dann noch verbleibenden mit noch höheren Steuern belastet werden.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Ein derartiges Modell wird bei den verbliebenen Steuerzahlern auf wenig Akzeptanz stoßen.

Wir haben zwar im letzten Bundestagswahlkampf gelernt, dass die Antragstellerin eine Verfechterin von Steuererhöhungen ist. Wir haben allerdings auch gelernt, dass die Wählerinnen und Wähler davon nicht begeistert waren, wie das Wahlergebnis zeigte. Auch vor diesem Hintergrund überzeugt der Lösungsvorschlag der Antragstellerin nicht. So einfach lassen sich die Dinge nicht lösen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden daher diesen Antrag ablehnen. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das ist eine Überraschung!)

Vielen Dank, Herr Kollege Jantos. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Zoschke. Sie haben das Wort, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, zwischen Wahlprogrammen und politischem Alltagsgeschäft liegen leider oft Welten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

So auch in diesem Fall. CDU/CSU versprachen in ihrem Wahlprogramm, die steuerliche Berücksichtigung von Kindern schrittweise auf die Höhe des Freibetrages für Erwachsene anzuheben und ebenso mit dem Kindergeld und dem Kinderzuschlag zu verfahren.

Die SPD versprach ein einkommensabhängiges Kindergeld, von dem insbesondere Familien mit kleinem Einkommen überdurchschnittlich profitieren sollten.

Wer allerdings im Koalitionsvertrag beider Parteien auf Bundesebene die Worte „Kindergeld“, „Kinderfreibetrag“ oder „Existenzminimum“ finden möchte, läuft sozusagen ins Leere.

Im letzten Bericht zum Existenzminimum wurde die Erhöhung des Kinderfreibetrages um 72 € als zwingend begründet. Dies ist dann für den Zeitraum ab 2014 sogar noch verfassungsrechtlich bekräftigt worden. Es ist nicht nachvollziehbar und auch nicht erklärbar, weshalb die Bundesregierung hierbei die Dinge schleifen lässt.

(Minister Herr Bischoff: Wer sagt denn das?)

Denn ohne eine Änderung des § 32 des Einkommensteuergesetzes gibt es beispielsweise auch keine Änderung der Düsseldorfer Tabelle, mit der die monatlichen Unterhaltsbedarfe für Kinder festgelegt werden. Da im Unterhaltsrecht rückwirkende Zahlungen ausgeschlossen sind, sollte die Bundesregierung schnellstmöglich aktiv werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In der Regel sollte einer Anhebung des Kinderfreibetrages recht zeitnah die Anhebung des Kindergeldes folgen. Aber wie es jetzt nach den jetzigen Gedankenspielen des Bundesfinanzministers aussieht, wird die Erhöhung des Kindergeldes wohl auf 2016 verschoben.

Dies, meinen Damen und Herren, ist Familienpolitik für Besserverdienende, die DIE LINKE ablehnt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gerade Familien in den unteren Einkommensbereichen profitieren gar nicht vom Kinderfreibetrag. Für diese Familien ist das Kindergeld wichtig. Genau diese Familien, die es am nötigsten haben, werden nun auf das Jahr 2016 vertröstet. Eine Politik, die alle Familien mitnimmt, sieht anders aus.

Es ist so, dass das bisherige System des Familienlasten- und -leistungsausgleichs der veränderten Lebenswirklichkeit und Vielfalt von Familien und dem existierenden Rechtsrahmen, in dem Familien heute leben, nicht mehr gerecht wird und dringend angepasst werden muss,

wenn Politik tatsächlich will, dass Familien und vor allem die hier lebenden Kinder in materieller Sicherheit aufwachsen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können,

wenn Politik tatsächlich will, dass der Staat endlich die Vielfalt der Familienformen und -modelle gleichermaßen und die unterschiedlichen Familienphasen bedarfsgerecht fördert, und

wenn Politik will, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern tatsächlich unterstützt wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die geplante Erhöhung des Kindergeldes um 2 € ist aus unserer Sicht inakzeptabel. Jeder kann im Bundestagswahlprogramm meiner Partei nachlesen, dass wir eine Anhebung des Kindergeldes für die ersten

beiden Kinder auf je 200 € fordern. So weit will ich jedoch jetzt gar nicht gehen. Zumindest sollte hier die Erhöhung um ebenfalls 72 € vorgenommen werden; das wären moderate 6 € pro Monat.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Zu den Punkten 2 und 3 des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann ich es kurz machen. DIE LINKE fordert schon seit Langem eigenständige Regelsätze für Kinder und Jugendliche, die eben nicht von den Regelsätzen Erwachsener abgeleitet werden. Perspektivisch wollen auch wir die Einführung einer Grundsicherung für Kinder und Jugendliche, die sich am tatsächlichen Existenzminimum orientiert, also unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher wird meine Fraktion dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Zoschke. - Für die SPD spricht jetzt der Kollege Born. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zielt auf die zeitnahe Erhöhung des Kindergelds und fordert dazu auf, die Kindergrundsicherung als Zielvorstellung zu entwickeln.

Nun ist der Begriff „zeitnah“ nicht recht definiert bzw. führt seine Unbestimmtheit dazu, ihn unterschiedlich auszulegen. Deshalb steht für mich sehr wohl die Frage nach der Rechtfertigung dieser Forderung zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort, wobei die Zuständigkeit für das Thema - das wurde schon mehrfach erwähnt - beim Bund liegt.

Wenn diesem Antrag jedoch die Absicht unterstellt wird, an Aussagen in Wahlprogrammen zu erinnern, dann ist es im weitesten Sinne zumindest nachvollziehbar, wobei wir gerechterweise aber auch sagen müssen, dass diese Bundesregierung wohl erst 102 Tage im Amt ist.