Herr Minister, Sie zitierten zu Beginn Ihrer Rede aus einer Liste äußerst erfolgreicher Unternehmensansiedlungen in Sachsen-Anhalt. Spricht das nicht im Gegenteil dafür, dass wir sehr gute Investitionsbedingungen haben und dass kein Handlungsbedarf besteht?
Zweite Frage: Was bitte verstehen Sie - das musste ich mir mitschreiben; ich wollte das nicht glauben - unter dem Begriff einer willkürlichen Gerichtsentscheidung bzw. unter Gesetzgebungsvorhaben zulasten Dritter, vor denen private Unternehmen zu schützen seien? Heißt das nicht im Klartext, Sie schaffen sich als Regierung und diesen Landtag am besten gleich noch mit ab?
Selbstverständlich habe ich nicht die Sorge, dass es in Deutschland willkürliche Gerichtsentscheidungen gibt. Aber wir sind nicht überall in der Situation, dass wir einen derart soliden Rechtsstaat haben. Darauf habe ich nur hingewiesen. Ich wollte damit niemanden diskriminieren.
Zu Ihrer ersten Frage. Nur weil etwas gut ist, heißt das nicht, dass es nicht noch besser werden kann.
Danke schön. Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Wir fahren in der Aussprache fort. In der Debatte spricht jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Tögel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist in der letzten Landtagssitzung inhaltlich zu dem Thema TTIP und Investor-StaatSchiedsverfahren alles gesagt worden.
Der Beschluss des Landtages sagt unter Punkt 4 eindeutig aus, dass wir als Land dieses nicht wollen. Ich bin dem Minister ausdrücklich dankbar dafür, dass er das hier noch einmal in dieser Deutlichkeit gesagt hat, und auch dafür, dass er bei der Wirtschaftsministerkonferenz dem Vorschlag von Minister Gabriel, auf ein solches Investor-StaatSchutzabkommen zu verzichten, zustimmen wird.
Es gibt aber trotzdem gute Gründe für die Einbringung unseres Änderungsantrages. Im Antrag der Fraktion DIE LINKE kommt tatsächlich ein wenig zu kurz, dass ein Freihandelsabkommen auch Vorteile mit sich bringen kann.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es zum Beispiel auch in den USA protektionistische Verfahren gibt, die Europäer vom amerikanischen Markt ausschließen. Es darf kein Blauschimmelkäse verkauft werden. Es gibt immer noch Import
einschränkungen für Rindfleisch aus der EU wegen der BSE-Gefahr usw. Das ist sachlich nicht zu rechtfertigen.
Zum Beispiel hat auch die Firma Airbus in den USA bei Passagierflugzeugen einen Marktanteil von nur 17 %. Weltweit beträgt der Marktanteil des Unternehmens 50 %.
Es gibt auch durch den „Buy American Act“ Diskriminierungen von europäischen, von ausländischen Investoren und Dienstleistern. Insofern würde es durch ein Freihandelsabkommen tatsächlich auch positive Effekte für den europäischen Markt und für europäische Anbieter geben.
Aber - damit komme ich auf den Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE zurück - wir sehen es an dieser Stelle ganz genauso: Es bedarf hierfür zwischen hochentwickelten Rechtsstaaten keiner zusätzlichen außergerichtlichen Verfahren. Wir können das hier so regeln. Deswegen stimmen wir an dieser Stelle mit den Antragstellern völlig überein.
Wir haben Ihnen den Änderungsantrag vorgelegt. Ich habe bisher auch keine grundsätzliche Kritik von der LINKEN an unserem Änderungsantrag gehört. Deswegen bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Abgeordneter Tögel. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Meister.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sorge in Bezug auf die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen TTIP ist groß. Wenn man der Situation etwas Positives abgewinnen möchte, dann ist das die inzwischen durch die breite interessierte Öffentlichkeit über die nationalen Grenzen hinweg geführte Debatte über die Frage der Chancen und vor allem auch der Risiken des geplanten Freihandelsabkommens.
Nachdem wir uns bereits in der letzten Landtagssitzung mit der Situation befasst haben, ist nun der Antrag der LINKEN Anlass dafür, über einen speziellen Aspekt des geplanten Abkommens zu beraten: die Frage der Investor-Staat-Schiedsverfahren. Diese Schiedsverfahren sollen Investitionen von Unternehmen vor Entscheidungen von Staaten schützen, die Handelsbarrieren errichten oder durch sonstige nationale Entscheidungen Investitionen gefährden.
Das klingt in ersten Moment geradezu fürsorglich und wie ein Gebot der Fairness, birgt jedoch erheblichen gesellschaftlichen Sprengstoff. Historisch entstanden solche bilateralen Schiedsverfahrensregelungen vor dem Hintergrund politisch instabiler Staaten bzw. von Ländern ohne eine ausgebildete rechtsstaatliche Praxis. Der Antrag der LINKEN verweist auf diesen Umstand.
Die Schiedsverfahren waren in solchen Situationen ein Ersatz für fehlende rechtsstaatliche Verfahren und umgingen so die als unzuverlässig, als nicht unabhängig eingeschätzten Rechtssysteme beteiligter Staaten. Ob dies fair ist, kann man kritisch hinterfragen.
Es dürfte wohl unstreitig, dass die Situation auf die an den TTIP-Verhandlungen beteiligten Staaten nicht zutrifft. Zumindest ist das unser Anspruch. Minister Möllrings Aufzählung zu den Investitionen in Sachsen-Anhalt zeigt, dass das Vertrauen ausländischer Investoren in unser Rechtssystem gegeben ist.
Die Anwendung dieser Schiedsverfahren auf die hier zu betrachtende Situation führt zu grotesken Ergebnissen. Sie umgehen nämlich auch weiterhin die Rechtsprechung und auch die Gesetzgebung der beteiligten Vertragsstaaten. Es entsteht ein paralleles Rechtssystem von privaten, nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten, die weder von den demokratisch legitimierten Gesetzgebern noch von den nationalen oder - im Falle Europas - von den überstaatlichen Rechtsprechungen kontrolliert werden.
Das birgt das Risiko, dass auf demokratischem Weg in einer Gesellschaft ausgehandelte Normen plötzlich für relevante Teile der wirtschaftlich Handelnden keine wirklich bindende Wirkung entfalten. Soziale und ökologische Standards, Regelungen des Verbraucherschutzes etc. sind in langen gesellschaftlichen Prozessen erkämpft worden.
Ein Beispiel: Drastische Warnhinweise auf Zigarettenpackungen sind bei uns vorgeschrieben und gelten als Element des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes. Aus der Sicht eines Tabakvertriebes macht der verpflichtende Hinweis „Rauchen ist tödlich“ das Produkt verständlicherweise nicht eben attraktiver und wirkt sich negativ auf den Absatz aus. Das exakt ist schließlich auch die Idee des Hinweises.
Wie wird das ein Schiedsgericht unter handelsrechtlichen Erwägungen betrachten? Müsste ein Staat Schadenersatz für ein solches Handeln zahlen, obwohl er doch die Gesundheit seiner Bevölkerung im Blick hat? Kann er solche Regelungen überhaupt noch einführen?
Ist das viel zitierte europäische Verbot von gechlorten Hühnchen - ich habe es im März 2014 schon angeführt - eine fiese Benachteiligung USamerikanischer Hühnchenmäster oder eben doch Verbraucherschutz, wie wir ihn wollen?
Ein nicht nur theoretisches Beispiel ist das Unternehmen Vattenfall, das gegen die Bundesrepublik Deutschland unter Umgehung des ordentlichen Rechtswegs wegen des frühzeitigen Abschaltens von Atomkraftwerken mit der Forderung auf Schadenersatz in Höhe von 3,7 Milliarden € vor einem Schiedsgericht vorgeht.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die gesellschaftlichen Entscheidungen dort bleiben, wo sie hingehören, nämlich an den Wahlurnen und in den Parlamenten.
Es kann nicht hingenommen werden, dass Teile des normalen unternehmerischen Risikos über Investitionsschutzabkommen von der wirtschaftlichen Ebene auf die gesellschaftliche Ebene verschoben und letztlich sozialisiert werden.
Es wird Sie nicht überraschen, dass die Position der GRÜNEN unverändert ist: Wir möchten TTIP stoppen; wir möchten es deutlich weniger ambitioniert neu starten. Dieser Neustart soll ohne solche schiedsgerichtlichen Verfahren erfolgen.
Der vorliegende Antrag zieht aus der jetzigen Situation die richtige Konsequenz, sodass meine Fraktion zustimmen wird. Erfreulicherweise beschäftigt sich auch der Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen im hier thematisierten Kernpunkt kritisch, wenn auch im Text weniger weitgehend, mit den Investor-Staat-Schiedsverfahren. Den weitergehenden Sorgen zum TTIP trägt der Antrag jedoch weiterhin nicht Rechnung. Die große Hoffnung auf die Bundesregierung können wir so nicht teilen, sodass wir den Alternativantrag ablehnen werden. - Danke.
Danke schön, Herr Abgeordneter Meister. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Kurze.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir zu der geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP im Landtag beraten. Der Landtag hat bereits in der letzten Sitzung am 28. März 2014 einen sehr klaren Beschluss in der Drs. 6/2976 gefasst. Der Beschluss war überschrieben mit: „Freihandel schafft Arbeits
plätze und Wohlstand - Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP entschlossen vorantreiben“.
Darin hat der Landtag die Landesregierung gebeten, sich im Kreise der Länder und beim Bund dafür einzusetzen, dass die Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen vorangetrieben und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.
Heute unterstreichen wir diese Forderung noch einmal. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Koalition steht zu TTIP. Denn es ist klar: Handelsabkommen sind ein sinnvolles Instrument für die Schaffung effektiver und effizienter Märkte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Annahme, dass freier Handel Markthemmnisse beseitigt, Arbeitsplätze und so mehr Wohlstand ermöglichen kann, ist keine Behauptung uneinsichtiger Wirtschaftspolitiker der CDU; denn seit Jahrtausenden machen Menschen die Erfahrung, dass das Wohlstandsniveau steigt, wenn man handelt, statt sich abzuschotten.
Von freiem und fairem Handel profitiert gerade Deutschland als exportierende Wirtschaft. Der Anteil des Exports in Nicht-EU-Länder am deutschen Gesamtexport ist zwischen 2004 und 2013 kontinuierlich gewachsen, und zwar von 35 % auf etwas mehr als 43 %.
Die USA sind nach China Deutschlands wichtigster außereuropäischer Exportmarkt. 30 % der gesamten EU-Ausfuhren in die USA stammen aus Deutschland. Deutsche Direktinvestitionen im Ausland beliefen sich im Jahr 2012 auf 1,2 Billionen €. Im Jahr 2005 waren es noch weniger als 800 Milliarden €. Insbesondere deutsche Direktinvestitionen in Länder außerhalb der Europäischen Wirtschaftsunion steigen also kontinuierlich an.